TE OGH 2018/1/30 1Ob222/17d

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Veröffentlicht am 30.01.2018
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Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten Hon.-Prof. Dr. Sailer als Vorsitzenden sowie die Hofräte Univ.-Prof. Dr. Bydlinski, Mag. Wurzer, Mag. Dr. Wurdinger und die Hofrätin Dr. Hofer-Zeni-Rennhofer als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei F***** S*****, vertreten durch Ing. Dr. Joachim Stock, Rechtsanwalt in Innsbruck, gegen die beklagte Partei Gemeinde F*****, vertreten durch Dr. Uwe Foidl, Rechtsanwalt in Fügen, wegen 273.175,43 EUR sA, über die außerordentliche Revision der beklagten Partei gegen das Teil- und Zwischenurteil des Oberlandesgerichts Innsbruck als Berufungsgericht vom 3. Oktober 2017, GZ 4 R 119/17g-84, mit dem das Zwischenurteil des Landesgerichts Innsbruck vom 30. Juni 2017, GZ 69 Cg 70/11k-80, teilweise bestätigt und teilweise abgeändert wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Der Revision wird teilweise Folge gegeben.

Die Entscheidungen der Vorinstanzen, die in der Abweisung eines Teilbegehrens von 91.058,48 EUR samt 4 % Zinsen seit 18. 3. 2011 durch das Berufungsgericht bereits in Rechtskraft erwachsen sind, werden im Übrigen aufgehoben.

Dem Erstgericht wird eine neuerliche Urteilsfällung nach Verfahrensergänzung aufgetragen.

Die Kosten des Revisionsverfahrens sind weitere Verfahrenskosten.

Text

Begründung:

Über Antrag des früheren Eigentümers und Verkäufers der Liegenschaft, auf der sich längere Zeit eine Hausmülldeponie befunden hatte, beschloss der Gemeinderat der beklagten Gemeinde im Jahr 2001 die Umwidmung einer Teilfläche von Freiland in Gewerbe- und Industriegebiet. Im Vorfeld der Erlassung dieser Verordnung hatte die Beklagte die Bodenbeschaffenheit der Liegenschaft nicht prüfen lassen und auch sonst keine Grundlagenforschung zur Bebauungseignung durchgeführt. Noch vor Rechtskraft der Änderung des Flächenwidmungsplans war für den Kläger im Zuge der Kaufvertragsverhandlungen auf der Liegenschaft, die sich als begrünte Wiese darstellte, dort deponiertes Aushubmaterial zu sehen. Er wusste auch, dass in der Vergangenheit zumindest Teilflächen als Mülldeponie genutzt worden waren. Dabei hielt er es auch für möglich, dass sich unterirdische Altlasten auf der Liegenschaft befinden könnten und die Erde kontaminiert sein könnte. Er zog außerdem in Betracht, dass er in Zukunft von Behörden oder Nachbarn als (künftiger) Grundeigentümer dazu verpflichtet werden könnte, solche Altlasten zu entsorgen. Er wäre nicht bereit gewesen, das damit verbundene Risiko zu tragen, weshalb er darauf bestand, dass dieses zur Gänze beim Verkäufer verbleiben müsse. Aus diesem Grund wurden in den Kaufvertrag vom 4. 11. 2002 folgende Vereinbarungen aufgenommen:

„IV. Besitzübergang, Gewährleistung

Festgestellt wird, dass der Verkäufer seinerzeit Teilflächen des vertragsgegenständlichen Grundstücks an die Gemeinde F***** vermietet hatte und diese als Deponie verwendet wurden. Es wird hiermit vereinbart, dass das daraus resultierende Risiko zur Gänze beim Verkäufer verbleiben soll.

Sollte dem Käufer sohin künftighin seitens der zuständigen Behörden oder von Nachbarn die Verpflichtung auferlegt werden, aus dieser Deponie oder aus sonstigen Deponien allenfalls resultierende Altlasten zu entsorgen, so ist der Verkäufer verpflichtet, insoweit den Käufer vollkommmen schad- und klaglos zu halten und ihm alle daraus resultierenden Kosten zu ersetzen.“

In Anbetracht der damals noch nicht rechtskräftigen Umwidmung vereinbarten die Parteien weiters, dass der Kläger vom Kaufvertrag zurücktreten könne, wenn das Grundstück bis 31. 12. 2003 noch nicht rechtskräftig umgewidmet sein sollte. Der Kläger hätte das Grundstück nicht gekauft, wenn es nicht umgewidmet gewesen wäre; er wäre vom Kaufvertrag zurückgetreten, wenn die Umwidmung nicht in Rechtskraft erwachsen wäre, was allerdings geschehen ist.

Nachdem der Bürgermeister der Beklagten am 28. 6. 2005 die beantragte Baubewilligung für die Errichtung eines Betriebsgebäudes auf der Liegenschaft erteilt hatte, veranlasste der Kläger im Jahr 2007 einen Probeschurf, der Ablagerungen zutage brachte, woraufhin das Grundstück in den Verdachtsflächenkataster aufgenommen und in der Folge – auf Kosten einer Bestandnehmerin des Klägers – saniert wurde. Zur Herstellung der Bebaubarkeit der Liegenschaft war vor der Vornahme der – ohnehin notwendigen – Tiefgründung das Abtragen der Hausmüllablagerungen und der Hackschnitzel-/Rindenabfälle samt Entsorgung erforderlich. Am 19. 10. 2010 schlossen der Kläger und der Verkäufer in einem gerichtlichen Verfahren einen Vergleich, in dem sich Letzterer verpflichtete, dem Kläger, der die Bezahlung der Sanierungs- und Entsorgungskosten gefordert hatte, 425.633,84 EUR zu zahlen.

Der Verfassungsgerichtshof stellt in einem Erkenntnis vom 13. 10. 2016 fest, dass die Verordnung des Gemeinderats der Beklagten über die hier zu beurteilende Änderung des Flächenwidmungsplans gesetzwidrig war, weil im Vorfeld der Erlassung der Verordnung keinerlei Grundlagenforschung durchgeführt worden war.

Der Kläger begehrte nun von der Beklagten unter Berufung auf das AHG und die rechtswidrige Widmung der Liegenschaft als Gewerbe- und Industriegebiet die Zahlung von 273.175,43 EUR samt Zinsen. Er brachte dazu im Wesentlichen vor, er hätte vom Erwerb der Liegenschaft ohne die Umwidmung, die aufgrund der Altablagerungen nicht hätte erfolgen dürfen, Abstand genommen. Die Liegenschaft sei für eine widmungsgemäße Bebauung ungeeignet gewesen. Der ihm entstandene Schaden bestehe in der Differenz zwischen dem hypothetischen Verkehrswert der Liegenschaft ohne Altablagerung und dem tatsächlichen Verkehrswert inklusive der Belastungen. Da zur Berechnung des tatsächlichen Verkehrswerts vom hypothetischen Verkehrswert die Kosten der Sanierungen in Abzug zu bringen seien, bestehe sein Schaden in der Differenz im Verkehrswert, also der Höhe der Sanierungskosten, die aus dem Titel der Amtshaftung zu ersetzen seien. Von den Sanierungskosten von 755.898,67 EUR sei der Betrag von 425.633,84 EUR abzurechnen, den er vom Verkäufer aufgrund des Vergleichs erhalten habe. Darüber hinaus habe er die Aufrechnung gegen eine Forderung der Beklagten für Wasser- und Kanalanschlussgebühren im Umfang von 57.089,40 EUR erklärt.

Die Beklagte wandte im Wesentlichen ein, es habe keinen Verdacht auf Ablagerungen gegeben, weshalb eine erweiterte Grundlagenforschung vor der Umwidmung nicht erforderlich gewesen sei. Eine Sanierung der Ablagerung sei auch gar nicht notwendig gewesen. Der Kläger habe diese freiwillig durchgeführt und allenfalls Ansprüche gegen den Verkäufer, nicht jedoch gegen sie. Da es der Kläger unterlassen habe, vor Abschluss des Kaufvertrags selbst ein Gutachten einzuholen, habe er grob fahrlässig in eigenen Angelegenheiten gehandelt, weshalb ihm zumindest ein erhebliches Mitverschulden treffe. Dem Kläger fehle auch die Aktivlegitimation, weil er das Grundstück einer GmbH in Bestand gegeben habe. Er habe das Grundstück um mehr als 500.000 EUR unter dem Verkehrswert gekauft und die Liegenschaft habe durch die Umwidmung eine Wertsteigerung von 1,5 Millionen EUR erfahren. Ein allfälliger Schaden werde von den mit der Umwidmung verbundenen Vorteilen aufgewogen. Im Rahmen der Amtshaftung könnte nur der Vertrauensschaden geltend gemacht werden, nicht hingegen Sanierungskosten. Dem Kläger sei auch vorzuwerfen, seine Ansprüche gegen den Verkäufer nicht nachdrücklich verfolgt, sondern einen Vergleich über einen Teilbetrag geschlossen zu haben. Die Differenz könne er nicht aus dem Titel der Amtshaftung fordern. Schließlich erhob die Beklagte auch einen Verjährungseinwand.

Das Erstgericht sprach mit Zwischenurteil aus, dass das Klagebegehren dem Grunde nach zu Recht bestehe. Nach der Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs sei nicht nur der Liegenschaftseigentümer vor Änderungen eines Flächenwidmungsplans ohne gebotene Grundlagenforschung geschützt, sondern auch der spätere Käufer einer Liegenschaft, der das bewilligte Bauvorhaben im Vertrauen auf die Baubewilligung habe verwirklichen wollen. Im vorliegenden Fall stehe die Gesetzwidrigkeit der Umwidmung mangels Grundlagenforschung fest. Die beklagte Gemeinde hätte das Wissen um eine ehemalige Deponie zum Anlass nehmen müssen, zu überprüfen, ob die Liegenschaft eine hohe Boden- oder Immissionsbelastung aufweist. Bei entsprechenden Untersuchungen wäre das Ausmaß der Ablagerung zutage getreten. Dies hätte zur Folge gehabt, dass eine Umwidmung unterblieben wäre und der Kläger die Liegenschaft, die für ihn ja nur als Betriebsgebiet von Interesse war, nicht gekauft hätte. In weiterer Folge wäre auch nie eine Baubewilligung erteilt worden. Der Kläger, der eine Minderung im Verkehrswert des in seinem Eigentum stehenden Grundstücks geltend mache, sei ungeachtet dessen aktiv klagslegitimiert, dass er die Liegenschaft einem Dritten in Bestand gegeben hat. Er sei auch nicht verpflichtet gewesen, von der Inanspruchnahme der Beklagten aus dem Titel der Amtshaftung Abstand zu nehmen und statt dessen seinen gesamten Schaden vom Verkäufer zu fordern. Vielmehr bestehe die Amtshaftung der Beklagten neben einer allfälligen vertraglichen Haftung des Liegenschaftsverkäufers. Eine Verjährung sei nicht eingetreten.

Das Berufungsgericht änderte das Zwischenurteil teilweise dahin ab, dass es das Klagebegehren nur im Ausmaß von zwei Dritteln als dem Grunde nach zu Recht bestehend erkannte und ein Teilbegehren von 91.058,48 EUR samt 4 % Zinsen seit 18. 3. 2011 abwies. Ein Zwischenurteil über den Grund des Anspruchs könne auch erlassen werden, wenn noch strittig sei, ob der Anspruch überhaupt mit irgendeinem Betrag zu Recht besteht. Allerdings müssten alle den Grund des Anspruchs betreffenden Einwendungen erledigt sein. Während der Einwand der Verletzung der Schadensminderungspflicht die Höhe der Ersatzpflicht betreffe, seien die Fragen des Verschuldens, des Kausalzusammenhangs, der Verjährung, der Aktiv- und Passivlegitimation sowie eines allfälligen Mitverschuldens des Klägers bereits im Zwischenurteil abschließend zu erledigen. Ein allfälliger Vorteilsausgleich sei erst im Verfahren über die Höhe des Anspruchs zu behandeln, selbst wenn strittig sei, ob der geltend gemachte Vorteil sich überhaupt zur Ausgleichung eigne. Der Schutzzweck von Raumordnungsgesetzen umfasse jedenfalls die subjektiv-öffentlichen Rechte der Liegenschaftseigentümer und ihrer Rechtsnachfolger. Flächenwidmungsplänen käme für die Frage der Bebaubarkeit einer Liegenschaft entscheidende Bedeutung zu; ihr Inhalt sei die wichtigste Grundlage für alle wirtschaftlichen Dispositionen, die mit dem Verkauf und der Bebauung von Grundstücken verknüpft sind. Auch im Rahmen des AHG sei der Kläger so zu stellen, wie er ohne Schädigung gestellt wäre. Es sei zunächst der hypothetische heutige Vermögensstand ohne das schädigende Ereignis festzustellen und von diesem Betrag der heutige tatsächliche Vermögenswert abzuziehen. Der Kläger mache hier einen Teil der Sanierungskosten geltend, die deshalb entstanden sind, weil er vor der Bebauung der Liegenschaft diese erst durch Beseitigung der Altablagerungen baureif machen musste. Die Geltendmachung dieses (mittelbaren) Schadens stehe ihm grundsätzlich offen, da es sich bei den Raumordnungsgesetzen um Schutznormen handle, die gerade darauf abzielten, Gewähr für die Bebaubarkeit von Grundstücken zu leisten. Eine Verjährung seiner Ersatzansprüche sei nicht eingetreten, habe der Kläger doch erst Ende 2007 durch die geotechnische Stellungnahme eines beigezogenen Ziviltechnikers Kenntnis von den Ablagerungen von Müll, Hackschnitzeln und Rindenmulch sowie Bodenaushub Kenntnis erlangt. Aufgrund der von der Beklagten abgegebenen Verjährungsverzichtserklärungen mit Wirksamkeit bis 31. 12. 2011 sei die Klage (am 28. 12. 2011) innerhalb der Verjährungsfrist erhoben worden. Nach den Feststellungen sei die Abtragung der Ablagerungen erforderlich gewesen, um die Liegenschaft überhaupt bebaubar zu machen. Da diese vorher nicht als Bauland gewidmet hätte werden dürfen, könne keine Rede davon sein, dass der eingetretene Schaden nicht durch die Widmung adäquat verursacht worden wäre. Durch Raum- und Bauordnung seien die Rechte von Interessenten geschützt, insbesondere jene eines späteren Käufers einer Liegenschaft, der das bewilligte Bauvorhaben im Vertrauen auf die Baubewilligung verwirklichen wolle. Eine allfällige Wertsteigerung der Liegenschaft durch die Umwidmung sei nicht im Vermögen des Klägers, sondern in jenem des Verkäufers eingetreten, weshalb sich Fragen des Vorteilsausgleichs im Verfahren über den Grund des Anspruchs nicht stellten. Entgegen der Auffassung des Erstgerichts sei dem Kläger jedoch ein ins Gewicht fallendes Mitverschulden – im Ausmaß von einem Drittel – vorzuwerfen, auch wenn ein geschädigter Amtshaftungskläger grundsätzlich darauf vertrauen dürfe, dass die Vollziehung der Gesetze korrekt erfolgt. So lange er nicht erheblichen und konkreten Anlass habe, daran zu zweifeln, könne ihm das Vertrauen in die Rechtmäßigkeit der Vollziehung der Gesetze nicht zum Vorwurf gemacht werden. Hier habe der Kläger aber vor Unterfertigung des Kaufvertrags nicht nur das auf dem Grundstück befindliche Aushubmaterial gesehen, sondern auch davon gewusst, dass Teilflächen als Mülldeponie genutzt worden waren und es für möglich gehalten, dass die Liegenschaft auch durch unterirdische Altlasten beeinträchtigt und die Erde kontaminiert sein könnte. Dennoch habe er weder bei der Beklagten nachgefragt und – abgesehen von entsprechenden Vertragsregelungen im Kaufvertrag – auch sonst keine Nachforschungen unternommen. Damit habe er „sehenden Auges“ eine kontaminierte Liegenschaft erworben und in Kauf genommen mit – wenngleich noch nicht abschätzbaren – Sanierungskosten konfrontiert zu werden. Er habe daher nicht „blind“ auf die Rechtmäßigkeit der Vollziehung der Gesetze durch die Beklagte vertrauen dürfen. Hingegen hätten deren Organe trotz massivster Hinweise auf eine Kontaminierung mit Müll die Umwidmung ohne jegliche Grundlagenforschung beschlossen, womit sich das Verschulden der Gemeinde als überwiegend darstelle. Die ordentliche Revision sei nicht zulässig, weil sich das Berufungsgericht zur Frage der Rechtsfolgen der rechtswidrigen Umwidmung auf eine gesicherte höchstgerichtliche Judikatur habe stützen können; die Frage, ob und in welchem Umfang ein Mitverschulden zur Schadensteilung führt, könne nur einzelfallbezogen beurteilt werden, weshalb erhebliche Rechtsfragen nicht zu lösen gewesen seien.

Die dagegen erhobene außerordentliche Revision der Beklagten ist entgegen dem den Obersten Gerichtshof nicht bindenden Unzulässigkeitsausspruch des Berufungsgerichts zulässig und mit ihrem Aufhebungsantrag berechtigt.

Rechtliche Beurteilung

Soweit die Revisionswerberin neuerlich die Verjährungsfrage aufwirft, genügt es, auf die insoweit zutreffenden Ausführungen des Berufungsgerichts zu verweisen, wonach die tatsächliche Schadenskenntnis im Sinne des § 1489 ABGB erst mit der fachkundigen Stellungnahme des beigezogenen Ziviltechnikers im Dezember 2007 vorlag. Auf die Verletzung einer Erkundigungsobliegenheit, die nach ständiger Rechtsprechung nicht überspannt werden darf (RIS-Justiz RS0034327), beruft sich die Beklagte nicht.

Von einem Verstoß gegen die Rettungspflicht nach § 2 Abs 2 AHG kann keine Rede sein. Der Hinweis darauf, dass der Kläger ein Rechtsmittel gegen die Widmung hätte einlegen können, ist schon deshalb unverständlich, weil er dazu nicht die geringste Veranlassung hatte. Im Übrigen wäre ein solcher Schritt nicht geeignet gewesen, den durch den Erwerb einer belasteten Liegenschaft erlittenen Schaden zu verringern. Zudem weist die Revisionswerberin selbst darauf hin, dass der Kläger zum Zeitpunkt der Beschlussfassung über die Widmung noch gar nicht Eigentümer des Grundstücks war.

Auch die Annahme, der Schaden sei ausschließlich im Vermögen des Verkäufers eingetreten, weil im Kaufvertrag eine „entsprechende Haftungsübernahme getroffen“ worden sei, ist verfehlt und negiert die getroffenen Sachverhaltsfeststellungen. Danach hat der Kläger eben nur einen Teil der Sanierungskosten vom Verkäufer ersetzt erhalten. Davon, dass gleichzeitig dem Verkäufer und dem Käufer ein Schadenersatz zukäme und dies unbillig wäre, kann daher keine Rede sein. Entscheidend ist vielmehr, ob und in welcher Höhe beim Kläger letztlich ein von der Beklagten zu ersetzender Schaden verblieben ist.

Diese Frage kann allerdings noch nicht abschließend beantwortet werden, sind doch sowohl der Kläger als auch die Vorinstanzen von einer unrichtigen Schadensberechnung ausgegangen, worauf die Revisionswerberin zu Recht hinweist. Nach der Rechtsprechung des Fachsenats sind Flächenwidmungspläne für die Frage der Bebaubarkeit einer Liegenschaft von entscheidender Bedeutung und ihr Inhalt die wichtigste Grundlage für alle wirtschaftlichen Dispositionen, zu denen auch der Kauf und die Bebauung gehören (vgl nur 1 Ob 158/06a = SZ 2006/175 mwN). Erwirbt ein Käufer eine kontaminierte Liegenschaft, die in ihrem aktuellen Zustand als Bauland nicht geeignet ist, im Vertrauen auf ihre Bebaubarkeit, steht ihm ein auf Ersatz seiner (Vermögens-)Schäden gerichteter Amtshaftungsanspruch zu (vgl nur 1 Ob 48/00s = SZ 73/90).

Demgegenüber macht der Kläger – wie er im Rahmen seines Prozessvorbringens deutlich gemacht hat – einen Nichterfüllungsschaden geltend, was aber eine Verpflichtung der Beklagten voraussetzte, die Liegenschaft in einen für eine Bebauung geeigneten Zustand zu bringen. Eine solche Verpflichtung trifft die beklagte Gemeinde im Rahmen der von ihr zu besorgenden Flächenwidmung nicht. Ihr ist vielmehr allein der Vorwurf zu machen, durch die unzutreffende Widmung als Bauland bei Kaufinteressenten – und damit auch beim Kläger – den unrichtigen Eindruck erweckt zu haben, die Liegenschaft sei zur Bebauung ohne erhebliche Einschränkungen verwendbar. Sie hat daher auch nur für jene Nachteile des Klägers zu haften, die bei unterbliebener Umwidmung nicht entstanden wären. Nach den vorliegenden Sachverhaltsfeststellungen ist es naheliegend, dass der Kläger in diesem Fall die Liegenschaft nicht gekauft bzw von seinem vertraglichen Rücktrittsrecht Gebrauch gemacht hätte. Er selbst führt in seiner Revisionsbeantwortung aus, er hätte die Liegenschaft ohne die Umwidmung „nicht erworben“.

Hat er nun aber im Vertrauen auf die Baulandwidmung den Kaufvertrag erfüllt, und das Eigentum an der Liegenschaft erworben, hat sich sein Vermögen insoweit verändert, als er nun einen Geldbetrag in Höhe des Kaufpreises verloren, dagegen aber die Liegenschaft – in ihrem tatsächlichen, zur Bebauung nur eingeschränkt geeigneten Zustand – gewonnen hat. Ob bzw inwieweit ihm ein Vermögensschaden entstanden ist, hängt vor allem von einem Parameter ab, der im bisherigen Verfahren noch nicht ermittelt wurde, nämlich dem Verkehrswert der erworbenen Liegenschaft. Sollte dieser niedriger gewesen sein als der bezahlte Kaufpreis, wäre insoweit ein Schaden durch die rechtswidrige Widmung als Bauland zu bejahen und grundsätzlich von der Beklagten insoweit zu ersetzen, als er nicht bereits durch die vom Verkäufer geleistete Zahlung abgedeckt ist.

Mit den Parteien wird daher insbesondere die Frage des Werts der Liegenschaft (in unsaniertem Zustand) zu erörtern sein. Dabei wird auch beachtlich sein, ob bei Kenntnis des Zustands der Liegenschaft objektiv eine (neuerliche) Widmung als Bauland nach Vornahme der entsprechenden Sanierungsmaßnahmen zu erwarten war.

Sollte sich im fortgesetzten Verfahren ergeben, dass im Hinblick auf den eingetretenen Vertrauensschaden der Mitverschuldenseinwand der Beklagten berechtigt ist, wird schließlich zu beachten sein, dass es dadurch lediglich zu einer Kürzung des Schadenersatzanspruchs des Klägers kommen kann, nicht aber – wie dies das Berufungsgericht implizit angenommen hat – auch zu einer Kürzung der (dem Grunde und der Höhe nach unstrittigen) Gegenforderung der Beklagten, gegen die der Kläger die Aufrechnung erklärt hat.

Der Kostenvorbehalt beruht auf § 52 ZPO.

Textnummer

E120607

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:2018:0010OB00222.17D.0130.000

Im RIS seit

15.02.2018

Zuletzt aktualisiert am

13.05.2019
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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