Index
41/02 Staatsbürgerschaft, Pass- und Melderecht, Fremdenrecht, AsylrechtNorm
BVG-Rassendiskriminierung ArtI Abs1Leitsatz
Verletzung im Recht auf Gleichbehandlung von Fremden untereinander durch Außerachtlassung der aktuelleren Rechtsprechung des VwGH zur asylrelevanten Zwangsrekrutierung eines afghanischen Staatsangehörigen durch die Taliban sowie Nichtberücksichtigung dieses Vorbringens beim subsidiären Schutz; Unterlassung jeglicher Ermittlungen zum subsidiären Schutz des minderjährigen DrittbeschwerdeführersRechtssatz
Der Erstbeschwerdeführer gab sowohl vor dem BFA als auch vor dem Bundesverwaltungsgericht an, insbesondere auch auf Grund von Rekrutierungsversuchen durch die Taliban geflohen zu sein. Das Bundesverwaltungsgericht stellt dieses Vorbringen nicht in Frage, sondern stützt sich auf die ältere Judikatur des Verwaltungsgerichtshofs (ua VwGH 08.06.2000, 99/20/0203). Dabei übersieht das Bundesverwaltungsgericht, dass der Verwaltungsgerichtshof spätestens mit Erkenntnis vom 10.12.2014, Ra 2014/18/0103, seine Judikatur im Hinblick auf die Zwangsrekrutierung durch die Taliban modifiziert hat.
Es ist im Prinzip nicht Aufgabe des VfGH, dieses Abweichen aufzugreifen. Dafür sieht Art133 Abs4 B-VG die Revision an den Verwaltungsgerichtshof vor. Verfassungsrechtlich relevant wird dieser Rückgriff des Bundesverwaltungsgerichts auf die längst überholte Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes aber dadurch, dass das Bundesverwaltungsgericht das Vorbringen der Zwangsrekrutierung auch bei der Beurteilung des subsidiären Schutzes nicht berücksichtigt, ja nicht einmal erwähnt. Das Bundesverwaltungsgericht hat also einerseits die Rechtslage (bei der Anwendung des §3 AsylG 2005) verkannt und andererseits gleichzeitig das Parteienvorbringen der Zwangsrekrutierung (bei der Anwendung des §8 AsylG 2005) ignoriert, es hat damit den Erstbeschwerdeführer betreffend sowohl bei der Beurteilung des Status eines Asylberechtigten als auch des eines subsidiär Schutzberechtigten Willkür geübt.
Der Drittbeschwerdeführer ist ein heute dreijähriges Kind. Es ist notorisch, dass Kinder - insbesondere von Rückkehrern - in Afghanistan dem realen Risiko ausgesetzt sein können, einer Art3 EMRK widersprechenden Behandlung unterworfen zu werden (vgl VfGH E v 21.09.2017, E2130/2017 ua).
Das Bundesverwaltungsgericht hat in diesem entscheidenden Punkt, ob dem zum Zeitpunkt der Entscheidung zweijährigen Drittbeschwerdeführer, im Fall einer Rückkehr, eine Verletzung seiner gemäß Art2 und 3 EMRK gewährleisteten Rechte droht, aber jegliche Ermittlungstätigkeit unterlassen. Die Länderberichte enthalten keine Sachverhaltsdarstellung zu dieser Frage. Eine Auseinandersetzung dazu findet überhaupt nicht statt. Die Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts zum subsidiären Schutz ist daher, in Bezug auf den Drittbeschwerdeführer, begründungslos ergangen.
Der Mangel schlägt gem §34 Abs4 AsylG 2005 auf die Entscheidungen betreffend die jeweils anderen Beschwerdeführer durch.
Entscheidungstexte
Schlagworte
Asylrecht, Entscheidungsbegründung, ErmittlungsverfahrenEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VFGH:2017:E2497.2016Zuletzt aktualisiert am
14.02.2018