TE Vwgh Beschluss 2017/12/19 Ra 2017/16/0151

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Veröffentlicht am 19.12.2017
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Index

L10014 Gemeindeordnung Gemeindeaufsicht Gemeindehaushalt
Oberösterreich;
10/01 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG);
10/07 Verwaltungsgerichtshof;
32/01 Finanzverfahren allgemeines Abgabenrecht;

Norm

BAO §243;
BAO §265 Abs5;
BAO §279;
BAO §288 Abs1;
B-VG Art119a Abs9;
B-VG Art133 Abs1 Z1;
B-VG Art133 Abs6 Z2;
B-VG Art133 Abs6;
B-VG Art133 Abs8;
GdO OÖ 1990 §56 Abs2 Z11;
VwGG §34 Abs1;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Zorn und die Hofräte Dr. Mairinger, Dr. Thoma und Mag. Straßegger sowie die Hofrätin Dr. Reinbacher als Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Mag. Baumann, in der Revisionssache des Bürgermeisters der Marktgemeinde Feldkirchen an der Donau, vertreten durch Mag. Thomas Fragner, Rechtsanwalt in 4100 Ottensheim, Kepplingerstraße 2, gegen das Erkenntnis des Landesverwaltungsgerichtes Oberösterreich vom 14. August 2017, Zl. LVwG-450197/12/MZ/MA, betreffend Haftung für Kommunalsteuer sowie Kanal- und Wasseranschlussgebühr, (mitbeteiligte Partei: H L in G, vertreten durch die Englmair Rechtsanwalts GmbH in 4020 Linz, Dametzstraße 6; weitere Partei: Oberösterreichische Landesregierung), den Beschluss gefasst:

Spruch

Die Revision wird zurückgewiesen.

Begründung

1 Mit Bescheid vom 16. Dezember 2014 zog der Bürgermeister der Marktgemeinde F. den Mitbeteiligten zur Haftung für Abgabenschuldigkeiten der L. GmbH (gemäß §§ 9 und 80 BAO zur Haftung für Kanalanschlussgebühr und Wasserleitungsanschlussgebühr und gemäß § 6a Kommunalsteuergesetz zur Haftung für Kommunalsteuer) heran.

2 Mit Schriftsatz vom 29. Jänner 2015 erhob der Mitbeteiligte dagegen eine Berufung.

3 Der Gemeinderat der Marktgemeinde F. gab der Berufung mit Bescheid vom 14. Dezember 2016 teilweise statt und verringerte den Betrag, für welchen der Mitbeteiligte zur Haftung herangezogen wurde.

4 Dagegen erhob der Mitbeteiligte mit einem nicht datierten Schriftsatz Beschwerde.

5 Das Landesverwaltungsgericht Oberösterreich gab mit dem angefochtenen Erkenntnis der Beschwerde teilweise statt und verringerte den Betrag für welchen der Mitbeteiligte zur Haftung herangezogen wurde, neuerlich. Es sprach aus, dass eine Revision (nach Art. 133 Abs. 4 B-VG) unzulässig sei.

6 Die dagegen erhobene außerordentliche Revision legte das Landesverwaltungsgericht unter Anschluss der Akten des Verfahrens dem Verwaltungsgerichtshof vor.

7 Die Revision bezeichnet als Revisionswerber ausdrücklich den Bürgermeister der Marktgemeinde F. Auf der Seite 2 des Revisionsschriftsatzes wird ausgeführt "Seitens des Bürgermeisters der Marktgemeinde F. wird gegen das Erkenntnis ...

außerordentliche Revision wegen Rechtswidrigkeit gemäß Art. 133 Abs. 1 Z. 1 B-VG erhoben."

8 In den Ausführungen zur Zulässigkeit der Revision (§ 28 Abs. 3 VwGG) werden die Formulierungen verwendet:

"Der Marktgemeinde F. ist bewusst und sie teilt die Rechtsmeinung des Landesverwaltungsgerichtes, ..." und

"Die Marktgemeinde F. vertritt daher die Rechtsmeinung, dass ...".

Ausdrücklich wird dabei in der Revision angeführt:

"... möchte die Marktgemeinde F. im Wege einer außerordentlichen Revision eine entsprechende höchstgerichtliche Entscheidung zur Definition des Begriffes der abgabenrechtlichen Pflichten herbeiführen und ...".

9 In den Revisionsgründen (§ 28 Abs. 1 Z5 VwGG) werden die Formulierungen verwendet:

"... nach Rechtsauffassung der Marktgemeinde F. ...", "Die Marktgemeinde F. vertritt jedoch die Auffassung, dass ...", "Die Marktgemeinde F. vertritt daher die Rechtsauffassung,

dass ...".

10 Der Revisionsantrag (§ 28 Abs. 1 Z 6 VwGG) ist in der Revision wie folgt formuliert:

"Aus diesen Gründen stellt die Revisionswerberin nachstehende Anträge ..."

11 Die Revision ist "Für den Gemeindevorstand ... Der

Bürgermeister" gefertigt.

12 Die Verwaltungsgerichte erkennen gemäß Art. 130 Abs. 1 Z 1 B-VG über Beschwerden gegen den Bescheid einer Verwaltungsbehörde wegen Rechtswidrigkeit.

13 Der Verwaltungsgerichtshof erkennt gemäß Art. 133 Abs. 1 Z 1 B-VG über Revisionen gegen das Erkenntnis eines Verwaltungsgerichtes wegen Rechtswidrigkeit.

14 Gemäß Art. 133 Abs. 6 Z 2 B-VG kann gegen das Erkenntnis eines Verwaltungsgerichtes wegen Rechtswidrigkeit die belangte Behörde des Verfahrens vor dem Verwaltungsgericht Revision erheben.

15 Wer in anderen als den in Art 133 Abs. 6 B-VG genannten Fällen wegen Rechtswidrigkeit Revision erheben kann, bestimmen gemäß Art. 133 Abs. 8 B-VG die Bundes- oder Landesgesetze.

16 Gemäß § 9 Abs. 2 Z 1 des Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetzes (VwGVG) ist belangte Behörde in den Fällen einer Beschwerde gegen den Bescheid einer Verwaltungsbehörde wegen Rechtswidrigkeit jene Behörde, die den angefochtenen Bescheid erlassen hat.

17 Gemäß § 8 Abs. 4 des Oberösterreichischen Abgabengesetzes (Oö. AbgG) ist Partei im Verfahren vor dem Landesverwaltungsgericht auch die Behörde, die den angefochtenen Bescheid erlassen hat.

18 Gemäß § 265 Abs. 5 der im vorliegenden Revisionsfall von den Abgabenbehörden und vom Landesverwaltungsgericht anzuwendenden Bundesabgabenordnung (BAO) ist Partei im Beschwerdeverfahren vor dem Verwaltungsgericht auch die Abgabenbehörde, deren Bescheid mit Bescheidbeschwerde angefochten ist.

19 Im Revisionsfall wurde vom Mitbeteiligten ein Bescheid des Gemeinderates der Marktgemeinde F. (Berufungsentscheidung gemäß § 288 Abs. 1 iVm § 279 Abs. 1 BAO) bekämpft.

20 Deshalb ist der Gemeinderat der Marktgemeinde F. die gemäß § 265 Abs. 5 BAO vor dem Verwaltungsgericht Parteistellung genießende belangte Behörde, welche gemäß Art. 133 Abs. 6 Z 2 B-VG zur Revision legitimiert wäre.

21 Im Revisionsschriftsatz wird unter "II. Zulässigkeit der außerordentlichen Revision" im Punkt "3. Zur Rechtmäßigkeit der Antragstellung" mit Hinweis auf § 56 Abs. 2 Z 11 der Oberösterreichischen Gemeindeordnung ausgeführt, der Gemeindevorstand der Marktgemeinde F. habe am 21. September 2017 den Beschluss gefasst, eine außerordentliche Revision einzubringen.

22 Gemäß § 17 Abs. 1 der Oberösterreichischen Gemeindeordnung 1990 (Oö. GemO 1990) sind die Organe der Gemeinde:

a)        der Gemeinderat

b)        der Gemeindevorstand

c)        der Bürgermeister.

23 § 56 Abs. 2 Z 11 der Oö. GemO 1990 lautet:

"(2) Unbeschadet der ihm sonst durch gesetzliche Vorschriften zugewiesenen Aufgaben obliegen dem Gemeindevorstand ferner:

...

11. die Einbringung von Rechtsmitteln und Rechtsbehelfen

gegen verwaltungsbehördliche und verwaltungsgerichtliche Entscheidungen, insbesondere von Beschwerden an den Verfassungsgerichtshof und von Revisionen an den Verwaltungsgerichtshof;"

24 Gemäß § 62 Oö. GemO 1990 gelten die Bestimmungen über die Zuständigkeit der Gemeindeorgane in den §§ 43, 45 und 58 leg. cit. nur insoweit, als nicht in besonderen Vorschriften anderes bestimmt ist.

25 Gemäß § 2 Abs. 1 Z 2 lit. b Oö. AbgG sind sachlich zuständige Abgabenbehörden in den Angelegenheiten der von den Gemeinden im eigenen Wirkungsbereich zu verwaltenden Abgaben in anderen Gemeinden als Städten mit eigenem Statut die nach der Oö. GemO 1990 zuständigen Organe.

26 Gemäß § 58 Abs. 2 Z 1 Oö. GemO 1990 obliegt dem Bürgermeister im eigenen Wirkungsbereich der Gemeinden u.a. die Besorgung der behördlichen Aufgaben des eigenen Wirkungsbereiches der Gemeinde, einschließlich der Handhabung der Ortspolizei, jedoch mit Ausnahme der Erlassung von Verordnungen.

27 Gemäß § 95 Oö. GemO 1990 (Instanzenzug) entscheidet, soweit gesetzlich nicht etwas anderes bestimmt ist, der Gemeinderat über Berufungen gegen Bescheide anderer Gemeindeorgane in den Angelegenheiten des eigenen Wirkungsbereiches der Gemeinde.

28 Somit ist der Bürgermeister die Abgabenbehörde im Sinn des § 49 Abs. 1 BAO. Gegen dessen Abgaben- oder Haftungsbescheide steht gemäß § 288 Abs. 1 iVm § 243 ff BAO das Rechtsmittel der Berufung offen.

29 Über solche Berufungen entscheidet gemäß § 95 Oö. GemO 1990 iVm § 262 Abs. 1 und § 263 BAO der Gemeinderat.

30 Gegen eine Berufungsentscheidung (§ 288 Abs. 1 iVm § 279 BAO) des Gemeinderates ist gemäß § 243 ff BAO das Rechtsmittel der Beschwerde eingeräumt, wodurch der Gemeinderat, dessen Bescheid bekämpft wird, nach § 265 Abs. 5 BAO zur belangten Behörde im Verfahren vor dem Verwaltungsgericht und damit - wie bereits erwähnt - zur belangten Behörde im Sinn des Art. 133 Abs. 6 Z 2 B-VG wird.

31 Die vom Revisionswerber herangezogene Bestimmung des § 56 Abs. 2 Z 11 Oö. GemO 1990, wonach dem Gemeindevorstand u.a. die Zuständigkeit zur Einbringung von Revisionen an den Verwaltungsgerichtshof zukommt, ändert daran nichts.

32 § 56 Abs. 2 Z 11 Oö. GemO 1990 ist keine landesgesetzliche Bestimmung iSd Art. 133 Abs. 8 B-VG, welche dem Gemeindevorstand eine Berechtigung zur Erhebung einer Revision in anderen als den in Art. 133 Abs. 6 B-VG genannten Fällen verliehe, wie etwa § 25a Abs. 2 des Altlastensanierungsgesetzes, § 10 des Fremdenpolizeigesetzes 2005, § 3a des Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetzes oder § 58 der Rechtsanwaltsordnung, um nur einige zu nennen.

33 § 56 Abs. 2 Z 11 Oö. GemO 1990 legt auch nicht fest, wer belangte Behörde iSd Art. 133 Abs. 6 Z 2 B-VG ist, sondern normiert vielmehr die Zuständigkeit, welchem Organ der Gemeinde es obliegt, Revision zu erheben, wenn die Gemeinde selbst Revisionswerber ist, wenn nämlich die Gemeinde gemäß Art. 119 Abs. 9 B-VG als Partei des aufsichtsbehördlichen Verfahrens Revision beim Verwaltungsgerichtshof erhebt oder wenn die Gemeinde als Rechtssubjekt (Träger subjektiver öffentlicher Rechte) Revision nach Art. 133 Abs. 1 Z 1 B-VG erhebt.

34 Letzteres wäre beispielsweise der Fall, wenn die Gemeinde Partei eines Abgabenverfahrens ist, etwa als Adressatin eines Zerlegungs- oder Zuteilungsbescheides im Sinne des § 10 des Kommunalsteuergesetzes oder als Abgabenschuldnerin (zB im Rahmen ihres Betriebes gewerblicher Art - § 2 Abs. 3 Umsatzsteuergesetz 1994).

35 Die Gemeinde hat jedoch keine Berechtigung, Revision gemäß Art. 133 Abs. 1 Z 1 B-VG zu erheben, wenn eines ihrer Organe belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht war (vgl. in stRsp etwa VwGH 22.4.2015, Ro 2015/16/0001, VwGH 1.9.2015, Ro 2014/15/0029, VwGH 22.10.2015, Ra 2015/16/0091, und VwGH 26.9.2017, Ra 2017/05/0211).

36 Zur Einbringung einer Revision wäre im vorliegenden Revisionsfall neben dem Mitbeteiligten somit nur der Gemeinderat der Marktgemeinde F. als belangte Behörde im Sinn des Art. 133 Abs. 6 Z 2 B-VG legitimiert, nicht jedoch der am Revisionsschriftsatz ausdrücklich als Revisionswerber bezeichnete Bürgermeister der Marktgemeinde F. oder der Gemeindevorstand der Marktgemeinde F, für den der Revisionsschriftsatz gezeichnet ist, oder die Gemeinde F. selbst, die in den Ausführungen zur Zulassungsbegründung und in den Revisionsgründen offenbar als Revisionswerberin gesehen wird.

37 Da die Revision dem zur Erhebung der Revision legitimierten Gemeinderat der Marktgemeinde F. nicht zuzurechnen ist und für einen hiezu nicht berechtigten Revisionswerber eingebracht wurde, war die Revision - durch einen gemäß § 12 Abs. 2 VwGG gebildeten Senat - gemäß § 34 Abs. 1 VwGG ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung mit Beschluss zurückzuweisen.

Wien, am 19. Dezember 2017

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2017:RA2017160151.L00

Im RIS seit

08.02.2018

Zuletzt aktualisiert am

22.03.2018
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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