TE Bvwg Beschluss 2018/1/23 W123 2179259-2

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 23.01.2018
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Entscheidungsdatum

23.01.2018

Norm

BVergG 2006 §129 Abs1 Z3
BVergG 2006 §129 Abs1 Z7
BVergG 2006 §129 Abs2
BVergG 2006 §2 Z16 lita
BVergG 2006 §291
BVergG 2006 §292 Abs1
BVergG 2006 §312 Abs2 Z2
BVergG 2006 §316 Abs1 Z2
BVergG 2006 §320 Abs1
BVergG 2006 §322 Abs1
B-VG Art.133 Abs4
VwGVG §28 Abs1
VwGVG §31 Abs1

Spruch

W123 2179259-2/16E

BESCHLUSS

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch den Richter Dr. Michael ETLINGER als Vorsitzenden sowie die fachkundigen Laienrichter Dr. Friedrich RÖDLER als Mitglied der Auftraggeberseite und Dr. Rosemarie SCHÖN als Mitglied der Auftragnehmerseite über den Antrag der XXXX GmbH, XXXX, vertreten durch Stolz Rechtsanwalts-GmbH, Schernbergstraße 19, 5550 Radstadt, betreffend das Vergabeverfahren "Zentrales Lehr- und Lerngebäude der medizinischen Universität Innsbruck, MSR, Fritz-Pregl-Straße 3, 6020 Innsbruck" des Auftraggebers Bundesimmobiliengesellschaft m.b.H., Trabrennstraße 2c, 1020 Wien, vom 11.12.2017, beschlossen:

A)

Der Antrag, "das Bundesverwaltungsgericht möge nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung die Zuschlagsentscheidung vom 01.12.2017 für nichtig erklären, wird gemäß §§ 312 Abs. 2 Z 2, 2 Z 16 lit. a sublit. aa, 320 Abs. 1 Z und 322 Abs. 1 Z 1 und 7 BVergG 2006 zurückgewiesen.

B)

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

Text

BEGRÜNDUNG:

I. Verfahrensgang:

1. Mit Schriftsatz vom 11.12.2017 leitete die Antragstellerin ein Nachprüfungsverfahren gegen das im Spruch ersichtliche Vergabeverfahren ein.

Als bekämpfte, gesondert anfechtbare Entscheidung bezeichnete die Antragstellerin die "Verständigung vom 01.12.2015 (Anmerkung: gemeint offensichtlich "2017") betreffend die beabsichtigte Zuschlagsentscheidung".

Der Hauptantrag lautete: "Das Bundesveraltungsgericht möge nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung die Zuschlagsentscheidung vom 01.12.2017 für nichtig erklären."

In der Begründung zur Rechtswidrigkeit dieser Entscheidung wies die Antragstellerin insbesondere darauf hin, dass ihr Angebot durch die Auftraggeberin gemäß §§ 129 Abs. 1 Z 7 iVm 129 Abs. 2 BVergG ausgeschieden worden sei. In weiterer Folge legte die Antragstellerin ihre Gründe dar, warum die Ausscheidensentscheidung der Auftraggeberin zu Unrecht erfolgt sei.

2. Die Auftraggeberin erstattete am 14.12.2017 allgemeine Auskünfte zum Vergabeverfahren.

3. Die Zuschlagsempfängerin brachte in ihrer Stellungnahme vom 19.12.2017 mangelnde Antragslegitimation der Antragstellerin vor und wies insbesondere auf die §§ 2 Z 16 lit. a sublit. aa und 322 Abs. 1 Z 1 und 7 BVergG hin. Die Antragstellerin habe lediglich die Nichtigerklärung der Zuschlagsentscheidung, nicht jedoch die Nichtigerklärung der Ausscheidensentscheidung beantragt. Die Anfechtungsfrist betreffend die Ausscheidensentscheidung sei abgelaufen und daher bestandkräftig. Das Angebot der Antragstellerin komme für die Zuschlagserteilung nicht mehr in Betracht. Zudem könne das Begehren der Antragstellerin nicht umgedeutet werden.

4. Auch die Auftraggeberin wies in der Stellungnahme vom 21.12.2017 auf die mangelnde Antragslegitimation der Antragstellerin hin, da diese nicht die Nichtigerklärung der Ausscheidensentscheidung beantragt habe. Daher sei das Angebot der Antragstellerin bestandfest vom Vergabeverfahren ausgeschieden worden.

5. Das Schreiben der Auftraggeberin vom 01.12.2017 trägt die Überschrift "Ausscheidens- und Zuschlagsentscheidung". Die Auftraggeberin gab der Antragstellerin sowohl bekannt, dass der Zuschlag an die Siemens Aktiengesellschaft Österreich erteilt werden soll, als auch, dass das Angebot der Antragstellerin gemäß §§ 129 Abs. 1 Z 7 iVm 129 Abs. 2 BVergG auszuscheiden war.

6. Am 19.01.2018 teilte die Auftraggeberin mit, dass der Zuschlag am 18.01.2018 erteilt worden ist.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen (Sachverhalt):

Diesbezüglich wird auf den obigen Verfahrensgang verwiesen.

2. Beweiswürdigung:

Der Sachverhalt ergibt sich schlüssig aus dem Verfahrensakt bzw. den Stellungnahmen der Parteien. Bei der Beweiswürdigung haben sich gegen die Echtheit und Richtigkeit der Vergabeunterlagen des Auftraggebers keine Bedenken ergeben.

3. Rechtliche Beurteilung

Zu A)

1. Gemäß § 312 Abs. 2 Z 2 BVergG ist das Bundesverwaltungsgericht bis zur Zuschlagserteilung bzw. bis zum Widerruf eines Vergabeverfahrens zum Zwecke der Beseitigung von Verstößen gegen dieses Bundesgesetz und die hierzu ergangenen Verordnungen oder von Verstößen gegen unmittelbar anwendbares Unionsrecht zur Nichtigerklärung gesondert anfechtbarer Entscheidungen des Auftraggebers im Rahmen der vom Antragsteller geltend gemachten Beschwerdepunkte zuständig.

Da die Auftraggeberin am 18.01.2018 den Zuschlag (rechtswirksam) erteilt hat, besteht gemäß § 312 Abs. 2 Z 2 BVergG keine Zuständigkeit des Bundesverwaltungsgerichts mehr zur Nichtigerklärung der angefochtenen Zuschlagsentscheidung. Der Antrag ist daher schon aus diesem Grunde unzulässig.

2. Selbst im Falle der noch nicht rechtswirksamen Zuschlagserteilung ist der Antrag zurückzuweisen. Dies aufgrund nachstehender Erwägungen:

Das Bundesverwaltungsgericht hat im Beschluss vom 21.12.2017, W123 2179259-1/2E, den Antrag auf Erlassung einer einstweiligen Verfügung mangels "Erfolgsaussichten" für das Hauptverfahren abgewiesen und dabei folgende Ausführungen getroffen:

Gemäß § 2 Z 16 lit. a sublit. aa BVergG ist im offenen Verfahren das "Ausscheiden eines Angebotes” eine gesondert anfechtbare Entscheidung.

Gemäß § 322 Abs. 1 Z 1 und 7 BVergG hat ein Nachprüfungsantrag ("jedenfalls") die genaue Bezeichnung der angefochtenen gesondert anfechtbaren Entscheidung bzw. einen Antrag auf Nichtigerklärung der angefochtenen gesondert anfechtbaren Entscheidung zu enthalten.

Der Verwaltungsgerichtshof hat im Erkenntnis vom 20. Oktober 2004, Zl. 2004/04/0105, unter Bezugnahme auf seine Vorjudikatur ausgesprochen, dass der Prozessgegenstand im antragsgebundenen Verfahren durch den Inhalt des Antrags determiniert wird, wobei zu beachten ist, dass es für die Frage des Inhalts eines Antrags als Prozesshandlung lediglich auf die Erklärung des Willens und nicht auf den - davon abweichenden - tatsächlichen Willen des Antragstellers ankommt. Bei antragsbedürftigen Verwaltungsakten ist es daher unzulässig, entgegen dem erklärten Willen der Partei ihrem Begehren eine Deutung zu geben, die aus dem Wortlaut nicht unmittelbar erschlossen werden kann (VwGH 22.06.2011, 2007/04/0037).

Wie bereits unter I., Rn 1, hervorgehoben, hat die Antragstellerin ausdrücklich die Zuschlagsentscheidung vom 01.12.2017 als gesondert anfechtbare Entscheidung bezeichnet sowie lediglich einen Antrag auf Nichtigerklärung der Zuschlagsentscheidung gestellt, nicht aber einen Antrag auf Nichtigerklärung der Ausscheidensentscheidung. Ein allfälliger Antrag auf Nichtigerklärung der am 01.12.2017 mitgeteilten Ausscheidensentscheidung kann nunmehr auch nicht mehr gestellt werden, da die Frist für diesen Nachprüfungsantrag gemäß § 321 Abs. 1 BVergG bereits abgelaufen ist.

Ein Auftraggeber ist gemäß § 131 Abs. 1 BVergG verpflichtet, den im Vergabeverfahren verbliebenen Bietern nachweislich mitzuteilen, welchem Bieter der Zuschlag erteilt werden soll. Die Erläuterungen zur BVergG-Novelle 2009 weisen darauf hin, "dass ein Bieter dann als im Vergabeverfahren verblieben gilt, wenn sein Angebot nicht ausgeschieden wurde bzw das Ausscheiden des Angebotes noch nicht bestandsfest geworden ist (Art. 2a Abs. 2 zweiter Unterabsatz der RMRLen spricht von einem "endgültigen" Ausschluss). Dies ist der Fall, wenn das Ausscheiden des Angebotes von der zuständigen Vergabekontrollbehörde für rechtmäßig erkannt wurde oder wenn es keinem Nachprüfungsverfahren mehr unterzogen werden kann" (RV 327 BlgNR XXIV. GP, 24 unter Bezugnahme auf RV 1171 BlgNR XXII. GP, 85). Gemäß Art 2a Abs 2 der RMRL ist die Zuschlagsentscheidung an die betroffenen Bieter abzusenden. Bieter gelten demnach als betroffen, wenn sie noch nicht endgültig ausgeschlossen wurden. Ein Ausschluss ist endgültig, wenn er den betroffenen Bietern mitgeteilt wurde und entweder von einer unabhängigen Nachprüfungsstelle als rechtmäßig anerkannt wurde oder keinem Nachprüfungsverfahren mehr unterzogen werden kann. Die bereits vor Ablauf der Umsetzungsfrist für die Richtlinie 2007/66/EG bestehende Verpflichtung zur Bekanntgabe der Zuschlagsentscheidung gemäß § 131 Abs. 1 BVergG steht damit in Einklang mit den gemeinschaftsrechtlichen Vorgaben. Verbliebene Bieter sind (neben jenen Bietern, die nicht ausgeschlossen wurden bzw. deren Angebot nicht ausgeschieden wurde) auch jene Bieter, welche die sie betreffende Ausscheidenentscheidung noch fristgerecht bekämpfen können oder welche die Ausscheidensentscheidung rechtzeitig angefochten haben und das betreffende Nachprüfungsverfahren noch nicht beendet ist (J. Aicher in Schramm/Aicher/Fruhmann/Thienel, § 131 Rz 16).

Im Zeitpunkt der Bekanntgabe der Ausscheidens- und Zuschlagsentscheidung (01.12.2017) galt die Antragstellerin noch als eine "im Vergabeverfahren verbliebene Bieterin", weshalb die Mitteilung der Zuschlagsentscheidung an die Antragstellerin zwingend erforderlich war. Durch die Nichtanfechtung der ebenfalls am 01.12.2017 mitgeteilten gesondert anfechtbaren Ausscheidensentscheidung ist die Antragstellerin aber nunmehr als "rechtskräftig" bzw. "bestandsfest" ausgeschiedene Bieterin im Vergabeverfahren zu bezeichnen, da ihr Ausscheiden – wegen Verfristung – keinem Nachprüfungsverfahren mehr unterzogen werden kann. Daher kann aber der Antragstellerin auch kein Schaden mehr durch eine allfällige Rechtswidrigkeit der Zuschlagsentscheidung entstehen, da ihr Angebot – durch das faktische Ausscheiden – für eine Zuschlagserteilung nicht mehr in Betracht kommt.

Der Senat schließt sich diesen Ausführungen an und verweist diesbezüglich auch auf die Stellungnahmen der Auftraggeberin und der Zuschlagsempfängerin.

3. Obiter hält der Senat fest, dass das Ausscheiden des Angebotes im Ergebnis jedenfalls zutreffend war. Die Antragstellerin führt auf Seite 17 aus, das "die mit 0,0 EURO im Leistungsverzeichnis der Leistungsgruppe 0795 enthaltenen Positionen (Wartung) in anderen Positionen zulässigerweise zwingend enthalten sind". Sie verkennt dabei jedoch, dass nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichtes ein Bieter die Ausscheidensgründe der § 129 Abs. 1 Z 3 und Z 7 BVergG verwirklicht, wenn er entgegen den Kalkulationsvorschriften Kosten umlagert. Diesbezüglich wird auf die Entscheidungen des Bundesverwaltungsgerichtes vom 25.11.2016, W187 2135663-2/24E sowie vom 16.05.2017, W123 2151680-2/22E, verwiesen.

4. Zum Entfall der mündlichen Verhandlung:

Gemäß § 316 Abs. 1 Z 2 BVergG kann – soweit dem weder Art. 6 der Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten, BGBl. Nr. 210/1958, noch Art. 47 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union, ABl. Nr. C 83 vom 30.03.2010 S. 389, entgegenstehen – die Verhandlung ungeachtet eines Parteiantrages entfallen, wenn der verfahrenseinleitende Antrag zurückzuweisen ist.

Da diese Voraussetzungen gegenständlich vorliegen, konnte von einer mündlichen Verhandlung Abstand genommen werden.

Zu B Unzulässigkeit der Revision:

Gemäß § 25a Abs 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art 133 Abs 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.

Nach Art. 133 Abs. 9 iVm Abs. 4 B-VG ist gegen einen Beschluss des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 iVm Abs. 9 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes (siehe dazu VwGH 22.06.2011, 2007/04/0037) ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung; weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.

Schlagworte

Antragslegimitation, Antragsrecht, Ausscheidensentscheidung,
Ausscheidensgründe, Bestandsfestigkeit, Bestandskraft,
Erfolgsaussichten, Fristablauf, Kalkulation, Nachprüfungsantrag,
Nachprüfungsverfahren, Nichtigerklärung, Nichtigerklärung der
Zuschlagsentscheidung, Unzuständigkeit BVwG, Vergabeverfahren,
Zurückweisung

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2018:W123.2179259.2.00

Zuletzt aktualisiert am

01.02.2018
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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