TE Vwgh Erkenntnis 2000/5/30 2000/05/0040

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Veröffentlicht am 30.05.2000
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Index

L37154 Anliegerbeitrag Aufschließungsbeitrag Interessentenbeitrag
Oberösterreich;
L81704 Baulärm Umgebungslärm Oberösterreich;
L82000 Bauordnung;
L82004 Bauordnung Oberösterreich;
L82304 Abwasser Kanalisation Oberösterreich;
40/01 Verwaltungsverfahren;

Norm

AVG §8;
BauO OÖ 1994 §31 Abs4 idF 1998/070;
BauRallg;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Degischer und die Hofräte Dr. Giendl, Dr. Kail, Dr. Pallitsch und Dr. Bernegger als Richter, im Beisein der Schriftführerin Rätin Dr. Gritsch, über die Beschwerde 1. der Gerda Feja und 2. der Christine Prapas-Feja, beide in Ried im Innkreis, beide vertreten durch Dr. Helmut Blum, Rechtsanwalt in Linz, Mozartstraße 11/6, gegen den Bescheid der Oberösterreichischen Landesregierung vom 28. Dezember 1999, Zl. BauR-012461/3-1999-Gr/Vi, betreffend Einwendungen gegen ein Bauvorhaben (mitbeteiligte Parteien: 1. Klaus Hötzinger in Ried im Innkreis, vertreten durch Dr. Heinz Lughofer, Rechtsanwalt in Ried im Innkreis, Stelzhamerplatz 7, 2. Stadtgemeinde Ried im Innkreis, vertreten durch den Bürgermeister), zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Die Beschwerdeführerinnen haben zusammen dem Land Oberösterreich Aufwendungen in der Höhe von S 4.565,-- und der erstmitbeteiligten Partei Aufwendungen in der Höhe von S 1.800,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Das Kostenmehrbegehren der erstmitbeteiligten Partei wird abgewiesen.

Begründung

Mit einem am 22. Februar 1999 bei der Baubehörde eingelangten Ansuchen beantragte der Erstmitbeteiligte die Erteilung der Baubewilligung für den Umbau bzw. Ausbau des Hauses Hartwagnerstraße 24 auf dem Grundstück Nr. .127, KG Ried i. I. Über dieses Baugesuch wurde nach Durchführung des Vorprüfungsverfahrens für den 21. April 1999 eine mündliche Bauverhandlung angesetzt, zu der die Beschwerdeführerinnen als Anrainerinnen geladen wurden.

In dieser Bauverhandlung wurde festgestellt, dass die Ausführung eines offenen Stiegenhauses im Hof wegen brandschutztechnischer Belange nicht möglich sei, es wurde die Bauverhandlung zwecks Vorlage ergänzter Einreichunterlagen vertagt. Der Erstmitbeteiligte legte zweimal Austauschpläne vor, die endgültigen Baupläne wurden am 15. Juni 1999 vorgelegt, das Stiegenhaus wurde mit brandhemmenden Abschlüssen zu den angrenzenden Gängen als brandbeständig vorgesehen. Es wurde nunmehr auch der Abbruch des Erdgeschosses geplant, außerdem wurde die Umgestaltung des Restaurantbereiches sowie die neue Situierung des Stiegenhauses und des Liftes geplant. Insgesamt soll das bestehende Gebäude nunmehr abgetragen und ein neues Gebäude errichtet werden, wobei das derzeit 3-geschossige Objekt um 2 Geschosse auf insgesamt 5 Geschosse angehoben werden soll. Die Beschwerdeführerinnen, deren Grundstück unmittelbar an das zu bebauende Grundstück anschließt und mit diesem einen gemeinsamen Innenhof bildet, erklärten anlässlich der Verhandlung vom 30. Juni 1999, das Baugesuch sei abzuweisen, weil weder die Mindestabstände eingehalten würden noch die Belichtung und Belüftung des in ihrem Eigentum stehenden Objektes gewährleistet sei. Dies widerspreche den Bestimmungen des Bautechnikgesetzes. Der Verhandlungsleiter ordnete an, dass den Beschwerdeführerinnen eine Frist zur Stellungnahme sowie zur Einbringung von Einwendungen bis zum 12. Juli 1999 eingeräumt werde. Mit Schriftsatz vom 9. Juli 1999 brachten die Beschwerdeführerinnen vor, es stehe ihnen hinsichtlich der zu bebauenden Liegenschaft eine grundbücherlich sichergestellte Dienstbarkeit zu, die es dem Erstmitbeteiligten untersage, eine Bauführung vorzunehmen, wodurch der Liegenschaft der Beschwerdeführerinnen Licht und Luft entzogen würde. Es bestehe für die verfahrensgegenständliche Liegenschaft keine Bauplatzbewilligung und es sei nicht geprüft worden, ob die Geschoßflächenzahl von 5,0 als Bebauungsobergrenze durch das gegenständliche Bauvorhaben tatsächlich eingehalten werde. Das Bauvorhaben führe zu einer unzumutbaren Beeinträchtigung der Benützbarkeit des Gebäudes der Beschwerdeführerinnen, nach der Umgestaltung im Bereich des Gastgartens werde sich auch die Immissionssituation im Gastgartenbereich verändern. Diesbezüglich werde die Einholung eines Sachverständigengutachtens beantragt.

Mit Bescheid vom 19. Juli 1999 erteilte der Bürgermeister der mitbeteiligten Stadtgemeinde dem Erstmitbeteiligten die beantragte Baubewilligung. Die Einwendungen der Beschwerdeführerinnen wurden teils als unzulässig zurückgewiesen, teils abgewiesen bzw. auf den Zivilrechtsweg verwiesen.

Die gegen diesen Bescheid erhobene Berufung der Beschwerdeführerinnen hat der Gemeinderat der mitbeteiligten Stadtgemeinde mit Bescheid vom 5. November 1999 abgewiesen.

Der dagegen erhobenen Vorstellung der Beschwerdeführerinnen hat die belangte Behörde mit Bescheid vom 28. Dezember 1999 keine Folge gegeben. Zur Begründung wurde nach Darstellung des Verwaltungsgeschehens im Wesentlichen ausgeführt, die erlaubte Geschoßflächenzahl von 5,0 werde durch das geplante Bauvorhaben bei weitem unterschritten. Es sei anhand der Baupläne auch für einen bautechnischen Laien ohne besonderen rechnerischen Nachweis augenscheinlich erkennbar, dass die maximale Geschoßflächenzahl von 5,0 - das sei "die Geschoßfläche fünfmal die Grundstücksfläche" - nicht erreicht werden könne, weil das Baugrundstück nicht zur Gänze verbaut werde und noch freie Flächen verblieben. Das Bauvorhaben halte die Vorgaben des Bebauungsplanes hinsichtlich der Gebäudehöhe (5-geschossig), der Mindestabstände (es sei die geschlossene Bauweise vorgesehen), und der Geschoßflächenzahl (der Bebauungsplan sehe die Geschoßflächenzahl von 5,0 vor) ein. Ganz allgemein gelte der Grundsatz, dass der Eigentümer eines Grundstückes durch Schaffung entsprechender Freiräume auf den eigenen Grundflächen für ausreichende Belichtungs- und Belüftungsverhältnisse zu sorgen habe. Da die Vorgaben des Bebauungsplanes durch das Bauvorhaben eingehalten würden, gehe der Einwand der Beschwerdeführerinnen, auf Grund des Bauvorhabens würden sie in ihrem Recht auf Belichtung und Belüftung beeinträchtigt, ins Leere.

Da für das gegenständliche Projekt auch eine gewerbebehördliche Genehmigung erforderlich sei, seien Einwendungen der Nachbarn, mit denen der Schutz der Nachbarschaft gegen Immissionen geltend gemacht werde, nur zu berücksichtigen, soweit sie die Frage der Zulässigkeit der Betriebstype in der gegebenen Widmungskategorie betreffe. Da die Beschwerdeführerinnen die Unvereinbarkeit des Bauvorhabens mit der Kerngebietswidmung nicht eingewendet hätten, sei für die Beurteilung der konkret mit dem neu einzurichtenden Gastronomiebetrieb verbundenen Immissionen ausschließlich die Gewerbebehörde zuständig.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften.

Die belangte Behörde hat die Verwaltungsakten mit einer Gegenschrift vorgelegt und die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragt.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Gemäß § 31 Abs. 3 der OÖ BO 1994 in der Fassung LGBl. Nr. 70/1998, können Nachbarn gegen die Erteilung der Baubewilligung mit der Begründung Einwendungen erheben, dass sie durch das Bauvorhaben in subjektiven Rechten verletzt werden, die entweder in der Privatrechtsordnung (privatrechtliche Einwendungen) oder im öffentlichen Recht (öffentlich-rechtliche Einwendungen) begründet sind. Nach Abs. 4 dieser Bestimmung sind öffentlich-rechtliche Einwendungen der Nachbarn im Baubewilligungsverfahren nur zu berücksichtigen, wenn sie sich auf solche Bestimmungen des Baurechts oder eines Flächenwidmungsplans oder Bebauungsplans stützen, die nicht nur dem öffentlichen Interesse, sondern auch dem Interesse der Nachbarschaft dienen. Dazu gehören insbesondere alle Bestimmungen über die Bauweise, die Ausnutzbarkeit des Bauplatzes, die Lage des Bauvorhabens, die Abstände von den Nachbargrenzen und Nachbargebäuden, die Gebäudehöhe, die Belichtung und Belüftung sowie jene Bestimmungen, die gesundheitlichen Belangen oder dem Schutz der Nachbarschaft gegen Immissionen dienen. Ein Schutz gegen Immissionen besteht jedoch insoweit nicht, als die Nachbargrundstücke oder die darauf allenfalls errichteten Bauten nicht für einen längeren Aufenthalt von Menschen bestimmt oder geeignet sind und die Errichtung solcher Bauten auf Grund praktischer oder rechtlicher Umstände auch in Hinkunft nicht zu erwarten ist. Als längerer Aufenthalt gilt dabei jedenfalls nicht ein wenn auch mehrmaliger oder öfterer, jeweils aber nur kurzzeitiger vorübergehender Aufenthalt von Menschen. Überdies kann der Schutz der Nachbarschaft gegen Immissionen nicht dazu führen, dass die Baubewilligung für ein Bauvorhaben, das nach der für das Baugrundstück geltenden Flächenwidmung zulässig ist, grundsätzlich versagt wird. Nach Abs. 6 dieser Bestimmung sind bei baulichen Anlagen, die auch einer gewerbebehördlichen Genehmigung bedürfen, Einwendungen der Nachbarn, mit denen der Schutz der Nachbarschaft gegen Immissionen geltend gemacht wird, nur zu berücksichtigen, soweit sie die Frage der Zulässigkeit der Betriebstype in der gegebenen Widmungskategorie betreffen.

Sowohl in der Verfahrens- als auch in der Rechtsrüge tragen die Beschwerdeführerinnen vor, sie hätten schon im Bauverfahren behauptet, dass sie durch die Realisierung des Bauvorhabens in unzumutbarer und unzulässiger Weise einen Eingriff in die Belichtungs- und Belüftungssituation des Objektes auf ihrer Liegenschaft erdulden müssten. Sie hätten in diesem Zusammenhang auf ein von ihnen eingeholtes Sachverständigengutachten des Prof. Dipl. Ing. M.T. verwiesen, aus dem hervorgehe, dass beim Bestand ein Fensterfaktor für die mittlere horizontale Beleuchtung von ca. 60 lux bestehe, der sich nach Errichtung des neuen Gebäudes auf ca. 24 bzw. 16 lux reduzieren werde. Damit sei eine ordnungsgemäße Benützung der Räumlichkeiten nicht mehr gewährleistet und die Beschwerdeführerinnen seien in subjektiv-öffentlichen Rechten verletzt.

Im Flächenwidmungsplan der mitbeteiligten Stadtgemeinde ist das zu bebauende Grundstück als Kerngebiet ausgewiesen; der Bebauungsplan sieht eine 5-geschossige Bebaubarkeit, eine Geschoßflächenzahl von 5,0 sowie die geschlossene Bauweise vor.

Das Bauprojekt hält die Vorgaben des Bebauungsplanes ein, es ist eine 5-geschossige Bebauung vorgesehen, die Geschoßflächenzahl von 5,0 wird schon deshalb nicht erreicht, weil der Hofbereich nur im Erdgeschoß durch einen ca. 14 m2 großen Müllraum verbaut wird, in allen übrigen Stockwerken aber unverbaut bleibt, und somit die Geschoßflächenzahl von 1 pro zulässigem Geschoß in den Obergeschossen nicht erreicht wird.

Da der Bebauungsplan die geschlossene Bauweise vorsieht, sind keine Mindestabstände einzuhalten. Auch die Gebäudehöhe (5-geschossig) wird eingehalten.

Die Beschwerdeführerinnen bringen nun sinngemäß vor, dass ihnen mit § 31 Abs. 4 OÖ BO unabhängig von der Einhaltung der Bebauungsbestimmungen ein subjektiv-öffentliches Recht auf Belichtung und Belüftung eingeräumt würde.

Dies ist nicht der Fall. Werden alle jene Bestimmungen eingehalten, die einen Einfluss auf die Belichtungs- und Belüftungsverhältnisse haben können, wie die Bestimmungen über die Bauweise, die Lage des Bauvorhabens, die Ausnutzbarkeit des Bauplatzes, die Abstände und die Gebäudehöhe, so kann der Nachbar nicht gesondert fordern, dass die Belichtungs- und Belüftungsverhältnisse seiner Objekte so bleiben wie bisher (vgl. in diesem Sinne auch das hg. Erkenntnis vom 19. Jänner 1999, Zl. 97/05/0242, in dem ausgeführt wurde, dass ein Nachbar eine Beeinträchtigung des Lichteinfalles nur dann als Nachbarrecht geltend machen kann, wenn eine entsprechende baurechtliche Bestimmung im Sinne des § 31 Abs. 4 OÖ BO 1994 angeführt werden kann, die auch dem Interesse der Nachbarschaft dient; entspricht das Bauvorhaben diesen Bestimmungen, werden keine Nachbarrechte verletzt).

Es trifft zu, dass der Bebauungsplan "die maximale potentielle Bebauungsmöglichkeit" vorsieht, wie in der Beschwerde ausgeführt wird. Die OÖ Bauordnung gibt den Nachbarn aber keine rechtliche Möglichkeit, eine Verringerung des Bauvorhabens unter das nach dem Bebauungsplan zulässige Ausmaß zu erzwingen.

Da durch das Bauvorhaben die Vorgaben des Bebauungsplanes eingehalten werden, und die Verfahrensrechte einer Partei nicht weitergehen als ihre materiellen Rechte (vgl. die hg. Erkenntnisse vom 26. November 1974, Slg. Nr. 8713/A, und vom 8. November 1976, Slg. Nr. 9170/A), waren die Baubehörden auch nicht gehalten, sich mit dem von den Beschwerdeführerinnen beigestellten Privatgutachten hinsichtlich der Belichtungsverhältnisse ihres Objektes auseinander zu setzen.

Da sich die Beschwerde daher zur Gänze als unbegründet erweist, war sie gemäß § 42 Abs. 1 VwGG abzuweisen.

Von der beantragten Durchführung einer mündlichen Verhandlung konnte gemäß § 39 Abs. 2 Z. 6 VwGG Abstand genommen werden, da nur Rechtsfragen zu klären waren und die mündliche Erörterung eine weitere Klärung der Rechtssache nicht erwarten ließ.

Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994. Das Kostenmehrbegehren des Erstmitbeteiligten war abzuweisen, da die Zuerkennung eines Schriftsatzaufwandes für die Stellungnahme zur aufschiebenden Wirkung nicht vorgesehen ist und diese Stellungnahme nur zweifach einzubringen war.

Mit der Erledigung der Beschwerde ist der Antrag, dieser die aufschiebende Wirkung zuzuerkennen, gegenstandslos geworden.

Wien, am 30. Mai 2000

Schlagworte

Nachbarrecht Nachbar Anrainer Grundnachbar subjektiv-öffentliche Rechte, Vorschriften, die keine subjektiv-öffentliche Rechte begründen BauRallg5/1/9

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2000:2000050040.X00

Im RIS seit

02.07.2001

Zuletzt aktualisiert am

22.07.2010
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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