TE Vwgh Beschluss 2018/1/3 Ra 2017/11/0207

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Veröffentlicht am 03.01.2018
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Index

40/01 Verwaltungsverfahren;

Norm

AVG §19 Abs3;
AVG §37;
AVG §46;
VwGVG 2014 §17;

Beachte

Miterledigung (miterledigt bzw zur gemeinsamen Entscheidung verbunden):Ra 2017/11/0208

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Rigler und die Hofräte Dr. Schick und Mag. Samm als Richter, unter Mitwirkung des Schriftführers Mag. Soyer, über die Revision 1. des F N, 2. des V N, beide in N, beide vertreten durch Kopp - Wittek Rechtsanwälte GmbH in 5020 Salzburg, Moosstraße 58c, gegen das Erkenntnis des Landesverwaltungsgerichtes Salzburg vom 5. Mai 2017, Zlen. 405- 7/81/1/28-2017, 405-7/82/1/28-2017, 405-7/83/1/28-2017, 405- 7/84/1/28-2017, 405-7/85/1/28-2017, 405-7/86/1/28-2017, betreffend Übertretungen des AVRAG (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Bürgermeister der Landeshauptstadt Salzburg), den Beschluss gefasst:

Spruch

Die Revisionen werden zurückgewiesen.

Begründung

1 1. Mit dem angefochtenen Erkenntnis wurden die beiden Revisionswerber als handelsrechtliche Geschäftsführer der "N GbR" schuldig erkannt, sie hätten es hinsichtlich zehn von dieser Gesellschaft nach Österreich entsandter Arbeitnehmer unterlassen,

1) spätestens eine Woche vor der jeweiligen Arbeitsaufnahme in Österreich diese der ZKO (Zentrale Koordinationsstelle des Bundesministeriums für Finanzen für die Kontrolle illegaler Beschäftigung) zu melden, 2) Unterlagen über die Anmeldung der Arbeitnehmer zur Sozialversicherung am Arbeitseinsatzort bereitzuhalten oder diese den Abgabenbehörden unmittelbar vor Ort in elektronischer Form zugänglich zu machen, sowie 3) während des Zeitraums der Entsendung (am 25. September 2015) Lohnunterlagen in deutscher Sprache am Arbeitsort bereitzuhalten oder diese den Kontrollorgangen elektronisch zugänglich zu machen. Dadurch hätten sie jeweils zu 1) gegen § 7b Abs. 3 iVm Abs. 8 Z 1 AVRAG, zu

2) gegen § 7b Abs. 5 iVm Abs. 8 Z 3 AVRAG sowie zu 3) gegen § 7d Abs. 1 iVm § 7i Abs. 4 Z 1 AVRAG verstoßen. Über sie wurden deshalb Geldstrafen verhängt und Beiträge zu den Kosten des Verfahrens vor der Behörde sowie zu den Kosten des Beschwerdeverfahrens vorgeschrieben.

2 Unter einem wurde gemäß § 25a VwGG ausgesprochen, dass eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 B-VG unzulässig sei.

3 Das Verwaltungsgericht legte seiner Entscheidung zugrunde, dass es sich bei den zehn angeführten Personen - nach wirtschaftlicher Betrachtungsweise - um Arbeitnehmer der "N GbR" gehandelt habe, insbesondere weil es sich bei den verrichteten Tätigkeiten um einfache Hilfsarbeiten im Verbund gehandelt habe, die unter vollständiger Kontrolle der "N GbR" geleistet und somit in wirtschaftlicher und persönlicher Abhängigkeit (und nicht aufgrund "echter" Werkverträge) erbracht worden seien. Folglich wären für diese Personen die entsprechenden Meldebzw. Bereithaltungspflichten zu erfüllen gewesen.

4 2.1. Nach Art. 133 Abs. 4 B-VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird. Auf Beschlüsse der Verwaltungsgerichte ist Art. 133 Abs. 4 B-VG sinngemäß anzuwenden (Art. 133 Abs. 9 B-VG).

5 Nach § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegens der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zur Behandlung eignen, ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung mit Beschluss zurückzuweisen.

6 Nach § 34 Abs. 1a VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden. Die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG hat der Verwaltungsgerichtshof im Rahmen der dafür in der Revision vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3 VwGG) zu überprüfen. Diesem Erfordernis wird insbesondere nicht schon durch nähere Ausführungen zur behaupteten Rechtswidrigkeit der bekämpften Entscheidung (§ 28 Abs. 1 Z 5 VwGG) oder zu den Rechten, in denen sich der Revisionswerber verletzt erachtet (§ 28 Abs. 1 Z 4 VwGG), Genüge getan (vgl. VwGH 25.3.2014, Ra 2014/04/0001, und vom 28.2.2015, Ra 2015/08/0008).

7 2.2.1. In der Revision wird zu ihrer Zulässigkeit zunächst vorgebracht, das angefochtene Erkenntnis weiche insofern von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, als die Rechtsansicht vertreten werde, dass es sich bei den zehn revisionsgegenständlichen "Werkunternehmern" um Arbeitnehmer der Revisionswerber handle. Vielmehr wären die genannten Personen im vorliegenden Fall im Rahmen von Werkverträgen tätig geworden bzw. sei zwischen der "N GbR" und den zehn Beschäftigten kein Arbeitsverhältnis im Sinne des AVRAG vorgelegen.

8 Mit diesem Vorbringen wird nicht dargetan, dass die Behandlung der Revision von der Beantwortung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung iSd Art. 133 Abs. 4 B-VG zukommt.

9 Gemäß § 7i Abs. 10 AVRAG ist für die Beurteilung, ob ein Arbeitsverhältnis im Sinne dieses Bundesgesetzes vorliegt, der "wahre wirtschaftliche Gehalt" und nicht die äußere Erscheinungsform des Sachverhalts maßgebend.

10 Damit in Übereinstimmung hat das Verwaltungsgericht bei der Lösung der Frage, ob es sich bei den Vereinbarungen zwischen der "N GbR" einerseits und den genannten Arbeitskräften andererseits um Werk- oder Arbeitsverträge handelt, den wahren wirtschaftlichen Gehalt dieser Verträge anhand der für diese Vertragstypen jeweils kennzeichnenden Kriterien im Rahmen einer Gesamtbetrachtung beurteilt (vgl. zum Erfordernis einer "Gesamtbeurteilung" in Fällen der grenzüberschreitenden Entsendung von Arbeitskräften VwGH 22.8.2017, Ra 2017/11/0068, mit Verweis auf Judikatur des EuGH).

11 Die dabei vom Verwaltungsgericht für die Beurteilung des Vorliegens eines Werkvertrages oder eines Arbeitsvertrages als maßgeblich erachteten Kriterien weichen auch nicht von den in der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes (bzw. des EuGH) als entscheidend herausgearbeiteten Kriterien ab (vgl. zu den maßgebenden Kriterien erneut das zitierte Erkenntnis Ra 2017/11/0068, sowie aus der ständigen Rechtsprechung etwa die hg. Erkenntnisse VwGH 23.5.2007, 2005/08/0003; 6.11.2012, 2012/09/0130; 15.5.2013, 2011/08/0130; 15.10.2015, 2013/11/0079; 23.12.2016, Ra 2016/08/0144).

12 Die Frage, inwieweit und aus welchen Gründen im Rahmen der jeweils vorzunehmenden Gesamtbetrachtung einzelnen dieser Kriterien im konkreten Fall ein höheres und anderen ein geringeres Gewicht beigemessen wird, stellt eine einzelfallbezogene Beurteilung dar, die im Allgemeinen - wenn sie auf einer verfahrensrechtlich einwandfreien Grundlage erfolgte und in vertretbarer Weise im Rahmen der von der Rechtsprechung entwickelten Grundsätze vorgenommen wurde - nicht revisibel ist (vgl. etwa den hg. Beschluss vom 10. Mai 2017, Ra 2017/11/0042).

13 Die gegenständliche Beurteilung dieser Frage ist weder mit einem Verfahrensfehler behaftet (insbesondere hat das Verwaltungsgericht eine mündliche Verhandlung durchgeführt) noch als unvertretbar zu erkennen.

14 2.2.2. Die Revisionen bringen zur Zulässigkeit weiters vor, die Rechtsauffassung des Landesverwaltungsgerichtes, wonach berufliche Termine in der Regel kein begründetes Hindernis für ein Fernbleiben von der mündlichen Verhandlung seien und sohin einer Vertagung nicht stattzugeben gewesen sei, bewege sich nicht im Rahmen der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes, weil hiernach eine berufliche Verhinderung sehr wohl dann entschuldige, wenn sie so zwingend sei, dass sie nicht etwa durch entsprechende Dispositionen beseitigt werden könne. Es habe also ein Rechtfertigungsgrund für das Fernbleiben der Revisionswerber von der mündlichen Verhandlung vorgelegen, sodass das Landesverwaltungsgericht die Verhandlung nicht in Abwesenheit der beiden Revisionswerber durchführen hätte dürfen und sohin von (näher bezeichneter) hg. Rechtsprechung abgewichen sei.

15 Auch mit diesem Vorbringen wird nicht dargetan, dass die Behandlung der Revision von der Beantwortung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung iSd Art. 133 Abs. 4 B-VG zukommt.

16 Es genügt nämlich, auf die hg. Rechtsprechung zu verweisen, nach welcher eine rechtswirksam geladene Partei zwingende Gründe für ihr Nichterscheinen darzutun hat. Sie muss etwa im Fall einer Erkrankung nicht nur deren Vorliegen behaupten und dartun, sondern auch die Hinderung am Erscheinen bei der Verhandlung aus diesem Grund (vgl. VwGH 17.2.2016, Ra 2015/08/0006, mwN). Die Entschuldigung mit "beruflicher Unabkömmlichkeit" stellt für sich genommen keinen tauglichen Grund für die Rechtfertigung des Nichterscheinens zur mündlichen Verhandlung und dementsprechend auch keinen Grund für eine Verlegung der Verhandlung dar (vgl. VwGH 25.6.2013, 2012/09/0168, mwN).

17 Das Verwaltungsgericht hat seiner Entscheidung zugrundegelegt, dass der von den Revisionswerbern für ihre Unabkömmlichkeit ins Treffen geführte Besprechungstermin erst geraume Zeit nach Zustellung des Ladungsbeschlusses anberaumt worden sei.

18 Vor diesem Hintergrund ist nicht ersichtlich, dass die Auffassung des Verwaltungsgerichtes, wonach der von den Revisionswerbern vorgebrachte Verhinderungsgrund nicht als begründetes Hindernis bzw. triftiger Grund qualifiziert werden könne, eine unvertretbare Beurteilung im Einzelfall darstellte.

19 2.2.3. Zuletzt bringen die Revisionen zur Zulässigkeit vor, das Verwaltungsgericht habe neun der zehn beantragten Zeugen nicht zur Verhandlung geladen, ohne hierfür irgendeine Begründung "abzuliefern" und stütze dieses sein Erkenntnis offenbar ausschließlich auf Aussagen von Zeugen, die von den Beschuldigten nie befragt werden konnten, was nach "ständiger Rechtsprechung" ebenfalls unzulässig sei.

20 Auch mit diesem Vorbringen wird das Vorliegen einer Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung iSd Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht aufgezeigt.

21 Ein bloß allgemeines Vorbringen, das aus Mutmaßungen besteht, läuft nach der hg. Rechtsprechung in der Regel auf einen unzulässigen Erkundungsbeweis hinaus, zu dessen Aufnahme das Verwaltungsgericht nicht verpflichtet ist (vgl. VwGH 9.9.2016, Ra 2014/02/0059, mwN).

22 Das Verwaltungsgericht ist davon ausgegangen, dass es die Revisionswerber im bisherigen Verfahren unterlassen hätten, jene konkreten gewährleistungstauglichen Werke, welche von den einzelnen Werkunternehmern jeweils behauptetermaßen erbracht worden sein sollen, zu beschreiben. Auch dem Verwaltungsakt sei eine solche Beschreibung nicht einmal ansatzweise zu entnehmen. Die Revisionswerber hätten auch keine Bereiche der Leistungserbringung aufgezeigt, in denen die vermeintlichen Werkerbringer eine relevante unternehmerische Gestaltungsfreiheit gehabt hätten. Die Auffassung des Verwaltungsgerichts, dass es nicht verpflichtet gewesen sei, dem Beweisantrag der Revisionswerber entsprechend alle zehn genannten Personen hinsichtlich möglicherweise bestehender (und jedenfalls nicht schriftlich dokumentierter) Werkvereinbarungen oder unternehmerischer Gestaltungsfreiheiten im Rahmen der Leistungserbringung zu vernehmen, und die Wertung des diesbezüglichen Beweisantrags als auf einen unzulässigen Erkundungsbeweis gerichtet ist vor diesem Hintergrund nicht als unvertretbare Beurteilung im Einzelfall zu erkennen.

23 2.3. Der erkennende Senat hat aus diesen Erwägungen beschlossen, die Revisionen zurückzuweisen.

Wien, am 3. Jänner 2018

Schlagworte

Sachverhalt Sachverhaltsfeststellung Erheblichkeit des BeweisantragesAblehnung eines Beweismittels

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2018:RA2017110207.L00

Im RIS seit

30.01.2018

Zuletzt aktualisiert am

15.02.2018
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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