TE Vfgh Erkenntnis 1997/12/12 B3348/96

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Veröffentlicht am 12.12.1997
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Index

16 Medienrecht
16/02 Rundfunk

Norm

B-VG Art140 Abs7 zweiter Satz
VfGG §88

Leitsatz

Abweisung der Beschwerde im Anlaßfall nach Bereinigung der Rechtslage; Kostenzuspruch

Spruch

Der Beschwerdeführer ist durch den angefochtenen Bescheid weder in einem verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht noch wegen Anwendung einer rechtswidrigen generellen Norm in seinen Rechten verletzt worden.

Die Beschwerde wird abgewiesen.

Begründung

Entscheidungsgründe:

I.1. Mit Bescheid der Kommission zur Wahrung des Rundfunkgesetzes (im folgenden: RFK) wurde der Beschwerde gegen die Abweisung eines Antrages auf Zuerkennung von Belangsendezeit gemäß §5 Abs1 iVm. §8 Abs1 Z11 des Rundfunkgesetzes, BGBl. 379/1984 (im folgenden: RFG), durch das Kuratorium des Österreichischen Rundfunks keine Folge gegeben.

Dieser Bescheid stützt sich in erster Linie darauf, unter "Interessenverband" im Sinne des §5 Abs1 RFG sei eine auf Dauer angelegte Vereinigung von Personen, Gruppen, Unternehmen oder Institutionen zur organisierten Propagierung und Vertretung von Interessen zu verstehen, die nicht alle Bevölkerungsteile gleichermaßen betreffen und nur einen Ausschnitt aus den politischen, wirtschaftlichen und sozialen Gesamtinteressen der Vertretenen darstellen, gegenüber der Öffentlichkeit, politischen Parteien, staatlichen Einrichtungen und allenfalls anderen konkurrierenden Interessenverbänden und die solchermaßen Einfluß auf die staatliche Willensbildung zu nehmen versuche. Regelmäßiges Kennzeichen sei die auf Dauerhaftigkeit ihrer Betätigung gerichtete Einrichtung auf der Grundlage demokratischrechtsstaatlicher organisatorischer Strukturen.

Interessenverbände ergänzten die Einrichtungen der pluralistischen Demokratie (Hinweis auf Weber/Steinberg/Purtscher, Staatslexikon, Herder, Freiburg-Basel-Wien, S. 594/Vff). Da §5 Abs3 RFG im Gegensatz zu Abs1 (, der für Belangsendungsberechtigte kostenlose Sendezeit statuiere,) Sendezeiten für kommerzielle Werbung gegen Bezahlung vorsehe, seien Verbände, die zwar Interessen vertreten, daneben aber auch wirtschaftliche Ziele verfolgten, indem sie etwa Dienstleistungen oder Waren nach (gewinnorientierten) wirtschaftlichen Gesichtspunkten anbieten und verkaufen, keine Interessenverbände nach §5 Abs1 RFG mit dem Anspruch auf Belangsendezeit. Diese müßten nämlich in Wahrnehmung gewichtiger übergreifender und gemeinsamer Anliegen und Interessen ihrer Mitglieder weitaus überwiegend ideelle Ziele verfolgen. Die Teilnahme am Wirtschaftsleben als gewichtiger Konkurrent vieler Wirtschaftstreibender aus den verschiedensten Sparten führe einen Antragsteller, mag er diese Tätigkeit auch über eine 100%ige Tochtergesellschaft ausüben, "aus dem Kreis der Anspruchsberechtigten heraus".

2. Dagegen richtet sich die gemäß Art144 Abs1 B-VG erhobene Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof, in der die Verletzung des verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechtes auf Gleichheit aller Staatsbürger vor dem Gesetz behauptet und die kostenpflichtige Aufhebung des angefochtenen Bescheides begehrt wird.

3. Die RFK als belangte Behörde legte die Verwaltungsakten vor, verzichtete jedoch auf die Erstattung einer Gegenschrift.

II.Der Verfassungsgerichtshof hat über die - zulässige (vgl. das Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes vom 11. Dezember 1997, G347-355/97) - Beschwerde erwogen:

1. a) Der Verfassungsgerichtshof hat u.a. aus Anlaß des Verfahrens über die vorliegende Beschwerde von Amts wegen gemäß Art140 Abs1 B-VG ein Verfahren zur Prüfung der Verfassungsmäßigkeit der Wortfolge "und an Interessenverbände" in §5 Abs1 RFG eingeleitet. Mit dem Erkenntnis vom 11. Dezember 1997, G347-355/97, hat der Verfassungsgerichtshof die genannte Wortfolge in §5 Abs1 RFG als verfassungswidrig aufgehoben.

b) Dieses Erkenntnis vom 11. Dezember 1997, G347-355/97 hat gemäß Art140 Abs6 B-VG ausgesprochen, daß frühere gesetzliche Bestimmungen nicht wieder in Wirksamkeit treten. Gemäß Art140 Abs7 B-VG ist eine vom Verfassungsgerichtshof aufgehobene Bestimmung eines Gesetzes im Anlaßfall nicht mehr anzuwenden (s. zB VfSlg. 9584/1982, 9895/1983, 10304/1984, 11294/1987). Da für den Verfassungsgerichtshof für den Anlaßfall die Aufhebung sofort wirksam wird, hat der Verfassungsgerichtshof daher den bekämpften Bescheid so zu beurteilen, als ob im Zeitpunkt seiner Erlassung die Wortfolge "und an Interessenverbände" in §5 Abs1 RFG nicht gegolten hätte. Der angefochtene Bescheid kann sich insoweit nunmehr in unbedenklicher Weise auf die bereinigte Rechtslage stützen.

2. Nach Bereinigung der Rechtslage ist es - mangels jeglicher Rechtsgrundlage - ausgeschlossen, daß ein Rechtsanspruch auf Zuerkennung von Belangsendezeit für eine Interessenvertretung besteht. Demnach ist der Beschwerdeführer durch den angefochtenen Bescheid weder wegen Anwendung einer rechtswidrigen generellen Norm in seinen Rechten noch in einem verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht verletzt worden (vgl. VfSlg. 10304/1984, 11379/1987).

Die Beschwerde war daher abzuweisen.

3. Der Verfahrenskostenersatz gebührt zwar grundsätzlich auch für die Teilnahme an der Verhandlung in dem von Amts wegen eingeleiteten Gesetzesprüfungsverfahren, wenn der Beschwerdeführer die Verfassungswidrigkeit der in Prüfung gezogenen Wortfolge in seiner Beschwerde nicht geltend gemacht hatte. Vom Ergebnis der Beschwerdeverfahren her gesehen ist nämlich die Intervention in der mündlichen Verhandlung des aufgrund der Beschwerde amtswegig eingeleiteten Gesetzesprüfungsverfahrens als Schritt zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung zu werten (VfSlg. 8001/1977, 9838/1983, 9930/1984). Im vorliegenden Fall wurde jedoch auch in der öffentlichen mündlichen Verhandlung nicht vorgebracht, daß die in Prüfung gezogene Wortfolge verfassungswidrig sei. Daher konnten keine Kosten zugesprochen werden.

4. Dies konnte gemäß §19 Abs4, erster Satz, VerfGG ohne mündliche Verhandlung in nichtöffentlicher Sitzung beschlossen werden.

Schlagworte

Rundfunk, Belangsendungen, VfGH / Anlaßfall, VfGH / Kosten

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VFGH:1997:B3348.1996

Dokumentnummer

JFT_10028788_96B03348_00
Quelle: Verfassungsgerichtshof VfGH, http://www.vfgh.gv.at
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