Diskriminierungsgrund
GeschlechtDiskriminierungstatbestand
Sexuelle Belästigung durch den/die Arbeitgeber/in in eventu sexuelle Belästigung durch DrittenText
Senat I der Gleichbehandlungskommission
Prüfungsergebnis gemäß § 12 GBK/GAW-Gesetz
(BGBl. Nr. 108/1979 idF BGBl. I Nr. 107/2013)
Der Senat I der Gleichbehandlungskommission (GBK) gelangte am 27. September 2017 über den am 3. Oktober 2014 eingelangten Antrag der Gleichbehandlungsanwaltschaft (GAW) für Frau A (Antragstellerin) betreffend die Überprüfung einer Diskriminierung aufgrund des Geschlechtes durch eine sexuelle Belästigung durch den/die ArbeitergeberIn gemäß § 6 Abs. 1 Z 1 GlBG (BGBl. I Nr. 66/2004 idF BGBl. I Nr. 107/2013; alle weiteren, im Text verwendeten Gesetzeszitate beziehen sich auf diese Fassung) in eventu durch eine sexuelle Belästigung durch Dritte gemäß § 6 Abs. 1 Z 3 GlBG durch Herrn B (Antragsgegner) nach Durchführung eines Verfahrens gemäß § 12 GBK/GAW-Gesetz iVm § 11 der Gleichbehandlungskommissions-GO (BGBl. II Nr. 396/2004 idF BGBl. II Nr. 275/2013), zu GZ GBK I/575/14, zu folgendem
Prüfungsergebnis:
1. Frau B ist nicht aufgrund des Geschlechtes durch eine sexuelle Belästigung gemäß § 6 Abs. 1 Z 1 GlBG durch Herrn B diskriminiert worden.
2. Frau A ist aufgrund des Geschlechtes durch eine sexuelle Belästigung gemäß § 6 Abs. 1 Z 3 GlBG durch Herrn B diskriminiert worden.
Dies ist eine gutachterliche Feststellung. Es handelt sich hierbei im Sinne der Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes1 nicht um einen Bescheid.
Prüfungsgrundlagen
Der Senat I der GBK stützt seine Erkenntnis auf das schriftliche Vorbringen der Antragstellerin sowie die mündliche Befragung der Antragstellerin und des Antragsgegners vom 27. September 2017. Des Weiteren bezieht sich der Senat in seiner Entscheidungsfindung auf das E-Mail der Antragstellerin an das AMS … vom 11. März 2014, das Interventionsschreiben der GAW an den Antragsgegner vom 3. Juli 2014 sowie die Stellungnahme des Antragsgegners an die GAW vom 7. Juli 2014.
Vorbringen
Im Antrag wurde im Wesentlichen Folgendes vorgebracht:
Die Antragstellerin sei vom AMS Anfang März zu einem Arbeitspraktikum als Bürokraft an die X KG vermittelt worden, wo sich der Antragsgegner als Eigentümer der Firma und als ihr Arbeitgeber vorgestellt habe. Jegliche Arbeitsanweisung habe die Antragstellerin von ihm erhalten, andere Personen mit Arbeitgebereigenschaft seien ihr gegenüber nicht aufgetreten.
Die Antragstellerin habe sich zudem erinnert, dass sie sich bereits einmal, im Jahr 2008 oder 2009, beim Antragsgegner beworben gehabt habe. Damals sei die Firma im ... Bezirk gewesen. Die Antragstellerin habe den Antragsgegner bereits damals beim Vorstellungsgespräch unangenehm gefunden und die Stelle schlussendlich nicht angetreten. Diesmal habe sie das zwölf Wochen dauernde Praktikum jedoch unbedingt durchhalten wollen. Die Antragstellerin habe Probleme mit den Bandscheiben und habe dem Antragsgegner dies auch mitgeteilt. Sie sei jedoch nicht begünstigte Behinderte.
Das Geschäftslokal sei ein Gassenlokal, welches aus einem Raum mit angrenzender Küche und WC bestehe und von der Straße aus betreten werden könne. Zur Straße hin sei eine große Fensterfront mit Jalousie. Im Büro habe es zwei Schreibtische gegeben, und wenn der Lehrling, eine junge Frau, die andere Kollegin oder der Antragsgegner anwesend gewesen seien, habe die Antragstellerin mit dem Laptop auf einem kleinen Tisch gearbeitet.
Die Aufgabe der Antragstellerin sei es gewesen, Kundschaft zu akquirieren, daher habe sie viele Telefonate führen müssen. Sie sei meistens schon um 7 Uhr im Büro gewesen, der Antragsgegner habe ihr auch gleich zu Beginn den Schlüssel zum Büro gegeben.
Wenn der Antragsgegner gekommen sei und die Antragstellerin allein angetroffen habe, habe er die Tür versperrt, die Jalousien zugemacht und sich ihr genähert. Er habe Äußerungen getätigt, wie bspw. „Warum sind wir nicht zusammen? Warum haben wir kein Kind gemeinsam?“. Für die Antragstellerin seien diese Aussagen am Arbeitsplatz sehr unpassend gewesen, sie habe dem Antragsgegner auch gesagt, dass sie das nicht wollen würde.
Es habe in der Folge aber auch körperliche Übergriffe gegeben. Der Antragsgegner habe der Antragstellerin in den Ausschnitt oder in die Hose gegriffen und sie aufgefordert, ihm einen zu blasen.
Da der Antragsgegner sehr aufbrausend gewesen sei und die Antragstellerin ihn nicht gegen sich aufbringen habe wollen, sei sie dem auch nachgekommen.
Hinzu sei gekommen, dass der Antragsgegner immer wieder herablassende Äußerungen getätigt habe, so bspw. dass die Antragstellerin auch „zu blöd zum Putzen sei, und auch für das Büro“. Sie sei überhaupt für alles „zu blöd“.
Als die Antragstellerin an einem Tag wie korrekt gemeldet nicht im Büro gewesen sei, habe der Antragsgegner sie angerufen und angeschrien, da er einen Akt nicht finden habe können. Schließlich habe er das Praktikum für beendet erklärt.
Die Antragstellerin habe sich sodann an das AMS gewandt, um das Verhalten des Antragsgegners zu melden. Seitens der GAW sei ein Schreiben mit dem Ersuchen um Stellungnahme an den Antragsgegner ergangen, darin seien alle Vorwürfe abgestritten worden.
Der Antragsgegner übermittelte keine Stellungnahme. Die nachfolgenden zwei Urgenzen der Stellungnahme wurden nicht behoben.
Rechtliche Überlegungen
Gemäß § 6 Abs. 1 Z 1 GlBG liegt eine Diskriminierung aufgrund des Geschlechtes vor, wenn eine Person durch den/die ArbeitgeberIn in Zusammenhang mit seinem/ihrem Arbeitsverhältnis belästigt wird.
Der Begriff „ArbeitgeberIn“ ist im Arbeitsrecht kaum determiniert, auch nicht im GlBG. Nach dem hier durch die Bezugnahme auf das Arbeitsverhältnis zu Grunde zu legenden arbeitsvertraglichen ArbeitgeberInnen-Begriff ist als ArbeitgeberIn jede Person anzusehen, die im Rahmen des Arbeitsvertrags über die Arbeitskraft einer anderen Person verfügt. Ist der/die ArbeitgeberIn eine juristische Person, ist dieser das Verhalten ihrer vertretungsbefugten Organe (Vorstandsmitglieder, GeschäftsführerIn, etc.) unmittelbar zuzurechnen.2
Das Ermittlungsverfahren ergab, dass der Antragsgegner weder Arbeitgeberfunktion innehatte, noch für die X KG vertretungsbefugt war.
Es liegt somit keine sexuelle Belästigung gemäß § 6 Abs. 1 Z 1 GlBG vor.
Es ist daher im Weiteren das Vorliegen einer sexuellen Belästigung gemäß § 6 Abs. 1 Z 3 GlBG zu überprüfen:
Gemäß § 6 Abs. 1 Z 3 GlBG liegt eine Diskriminierung aufgrund des Geschlechtes vor, wenn eine Person durch Dritte in Zusammenhang mit seinem/ihrem Arbeitsverhältnis belästigt wird.
Gemäß § 6 Abs. 2 Z 1 GlBG liegt eine sexuelle Belästigung vor, wenn ein der sexuellen Sphäre zugehöriges Verhalten gesetzt wird, das die Würde einer Person beeinträchtigt oder dies bezweckt, für die betroffene Person unerwünscht, unangebracht, entwürdigend, beleidigend oder anstößig ist und eine einschüchternde, feindselige oder demütigende Arbeitsumwelt für die betroffene Person schafft oder dies bezweckt.
Als Dritte im Sinne des § 6 kommen Personen in Betracht, die vom/von der ArbeitgeberIn und der belästigten Person verschieden sind, so zB ArbeitskollegInnen, Vorgesetzte, GeschäftspartnerInnen oder KundInnen des Arbeitgebers bzw. der Arbeitgeberin.3
Unter einem der sexuellen Sphäre zugehörigen Verhalten sind „körperliche, verbale und nicht verbale Verhaltensweisen“ zu verstehen, so beispielsweise „zufällige“ Körperberührungen, „Begrapschen“ oder die Zurschaustellung der Genitalien.4
Ob die Würde einer Person beeinträchtigt wird, ist nach einem objektiven Maßstab zu beurteilen. Hinzu kommt das subjektive Kriterium, dass für die betroffene Person dieses Verhalten ein unerwünschtes, unangebrachtes oder anstößiges darstellt. In diesem Zusammenhang ist festzuhalten, dass die Haftung des/der unmittelbaren Belästigers/Belästigerin grundsätzlich verschuldensunabhängig ist. Subjektive Elemente auf Seite des Belästigers/der Belästigerin bleiben daher außer Betracht. Es ist demnach unerheblich, ob er/sie die Absicht hatte, zu belästigen.5
Je nach Massivität des Verhaltens können wiederholte Verhaltensweisen oder auch ein einmaliger Zwischenfall den Tatbestand der sexuellen Belästigung erfüllen, wenn er entsprechend schwerwiegend ist.
Insoweit sich die betroffene Person auf einen Diskriminierungstatbestand im Sinne des §§ 3, 4, 6 oder 7 GlBG beruft, hat er/sie diesen gemäß § 12 Abs. 12 GlBG glaubhaft zu machen. Bei Berufung auf §§ 6 oder 7 obliegt es dem/der Beklagten zu beweisen, dass es bei Abwägung aller Umstände wahrscheinlicher ist, dass die vom/von der Beklagten glaubhaft gemachten Tatsachen der Wahrheit entsprechen.
Der Senat I der GBK führte zwecks Überprüfung der Vorwürfe der Antragstellerin, es sei in der Zusammenarbeit mit dem Antragsgegner zu mehreren Übergriffen gekommen, so habe dieser der Antragstellerin insbesondere mehrmals an die Brust gegriffen, sich an sie gedrückt, sie aufgefordert seinen Penis anzufassen sowie Oralverkehr und Geschlechtsverkehr mit ihm zu haben, ein Ermittlungsverfahren im Sinne des GBK/GAW-Gesetzes durch.
Das Ermittlungsverfahren hat ergeben, dass die Antragstellerin Anfang März 2014 vom AMS zu einem mehrwöchigen Arbeitspraktikum als Bürokraft an die X KG vermittelt wurde, bei der der Antragsgegner als Arbeitnehmer beschäftigt war. Das Praktikum wurde nach einer knappen Woche seitens der X KG beendet. Die Antragstellerin wandte sich in der Folge am 11. März 2014 mit einer Beschwerde über das Verhalten des Antragsgegners an das AMS.
Die Antragstellerin konnte die Vorwürfe der sexuellen Belästigung in ihrem schriftlichen Vorbringen sowie ihrer ergänzenden mündlichen Befragung glaubhaft darlegen. Die Antragstellerin widerholte im mündlichen Vorbringen die erhobenen Vorwürfe gegen den Antragsgegner ohne Widerspruch zu den Angaben im Antrag und dem E-Mail an das AMS, konnte diese näher umschreiben und veranschaulichen.
Der Antragsgegner bestritt in der mündlichen Befragung das Vorbringen der Antragstellerin.
Sein Argument, sie habe den Vorwurf sexueller Belästigung gegen ihn nur vorgebracht, weil sie annehme, er sei für die vorzeitige Auflösung des Arbeitspraktikums verantwortlich gewesen, wertet der Senat als Schutzbehauptung.
Das Vorbringen des Antragsgegners in der Stellungnahme an die GAW, dass schon alleine die Tatsache, dass das Büro ein Gassenlokal sei, man von der Straße aus Einblick nehmen und jederzeit Kundschaft oder Personal hereinkommen könne, keine derartigen Handlungen zulassen würde, ist für den Senat ebenfalls nicht überzeugend. Bereits in ihrem E-Mail an das AMS schrieb die Antragstellerin, dass der Antragsgegner die Tür abgeschlossen und die Rollläden heruntergelassen habe, damit von außen niemand sehe, was drinnen passiere. Der Antragsgegner machte weder Auskunftspersonen namhaft, noch legte er Unterlagen (beispielsweise Fotos des Geschäftslokals) vor, um diesen Widerspruch sowie die Vorwürfe der Antragstellerin generell zu entkräften.
Die von der Antragstellerin angeführten Verhaltensweisen und Äußerungen mit sexuellem Unterton sind nach Ansicht des Senates der sexuellen Sphäre zuzuordnen. Sie haben die subjektive Grenze der Antragstellerin überschritten. So entgegnete die Antragstellerin auf die Aufforderung des Antragsgegners, Geschlechtsverkehr mit ihm zu haben „Nein, wirklich nicht, was soll denn das.“ und gab im Zuge der mündlichen Befragung zum Umstand, dass sie sich nicht sofort an das AMS gewandt hat, an „[…] ich habe einmal ein paar Tage zum Durchatmen gebraucht, damit ich wieder normal sein konnte“. Im Hinblick darauf, dass die Antragstellerin von den vorgebrachten körperlichen Handlungen erst die Aufforderung, Geschlechtsverkehr zu haben, ablehnte, wird darauf hingewiesen, dass die ausdrückliche oder stillschweigende Zurückweisung oder Ablehnung eines sexuell belästigenden Verhaltens durch die betroffene Person keine Tatbestandsvoraussetzung der sexuellen Belästigung iSd § 6 Abs. 2 Z 1 GlBG ist.6 Die bloße Duldung von sexueller Belästigung kann folglich keinesfalls als Zustimmung gesehen werden. Dennoch sei erwähnt, dass es für den Senat auf Grund seiner langjährigen Erfahrung in Hinblick auf die in der Praxis bestehenden Verknüpfungen von Hierarchie, Macht und sexueller Belästigung erklärbar ist, dass die Antragstellerin aus Furcht das Arbeitspraktikum zu gefährden, wenn sie den Antragsgegner – den sie zum Einen als aufbrausend wahrnahm und zum Anderen für ihren Arbeitgeber hielt – gegen sich aufbringt, das Verhalten des Antragsgegners zunächst sogar geduldet hat. Nach Auffassung der herrschenden Judikatur7 und Lehre8 setzen BelästigerInnen Sexualität ein, um ihre Macht zu missbrauchen. Der Tatbestand der sexuellen Belästigung stellt stets einen Eingriff in die Menschenwürde der belästigten Personen dar, der inakzeptabel ist.
Die Verhaltensweisen des Antragsgegners waren – aufgrund der Massivität der körperlichen Übergriffe sogar einzeln betrachtet – nach Auffassung des Senates geeignet die Würde der Antragstellerin zu verletzen und eine einschüchternde, feindselige bzw. demütigende Arbeitsumwelt zu schaffen.
Im Hinblick auf die Beweislastregeln des § 12 Abs. 12 GlBG gelangte der Senat daher zu der Ansicht, dass es dem Antragsgegner nicht gelungen ist zu beweisen, dass es bei Abwägung aller Umstände wahrscheinlicher ist, dass er die sexuell belästigenden Verhaltensweisen nicht getätigt hat.
Es liegt somit eine sexuelle Belästigung gemäß § 6 Abs. 1 Z 3 GlBG vor.
Vorschlag
Gemäß § 12 Abs. 3 GBK/GAW-Gesetz hat der Senat, wenn er der Auffassung ist, dass eine Verletzung des Gleichbehandlungsgebotes vorliegt, dem/der ArbeitgeberIn oder in Fällen in Zusammenhang mit einer sonstigen Diskriminierung in der Arbeitswelt dem/der für die Diskriminierung Verantwortlichen schriftlich einen Vorschlag zur Verwirklichung des Gleichbehandlungsgebotes zu übermitteln und ihn/sie aufzufordern, die Diskriminierung zu beenden. Für die Umsetzung des Vorschlags ist eine Frist von zwei Monaten zu setzen. Wird einem Auftrag nach Abs. 3 nicht entsprochen, kann gemäß § 12 Abs. 4 GBK/GAW-Gesetz jede der im jeweiligen Senat vertretenen Interessensvertretungen beim zuständigen Arbeitsgericht oder Zivilgericht auf Feststellung der Verletzung des Gleichbehandlungsgebotes klagen.
Da der Senat I der GBK zur Auffassung gelangt ist, dass eine Verletzung des Gleichbehandlungsgebotes vorliegt, werden der Antragsgegner, Herr B, gemäß § 12 Abs. 3 GBK/GAW-Gesetz aufgefordert, die Diskriminierung zu beenden, und folgende Vorschläge zur Verwirklichung des Gleichbehandlungsgebotes erteilt:
Leistung eines angemessenen Schadenersatzes.
Wien, 27. September 2017
Dr.in Eva Matt
Vorsitzende des Senates I der GBK
1 Vgl. z.B. VfSlg. 19.321.
2 Vgl. Hopf/Mayr/Eichinger, GlBG (2009) § 6 Rz 7.
3 Vgl. Hopf/Mayr/Eichinger, GlBG (2009) § 6 Rz 9.
4 Vgl. ebd. § 6 Rz 20.
5 Vgl. ebd. § 6 Rz 12.
6 RIS Justiz RS0131404, 20.04.2017.
7 Vgl. OGH 5.6.2008, 9 ObA 18/08z; OGH 17.3.2004, 9 ObA 143/03z.
8 Vgl. u.a. Linde, Sexuelle Belästigung am Arbeitsplatz, BB 1994, 2412 (2415 f).
Zuletzt aktualisiert am
25.01.2018