TE Lvwg Erkenntnis 2017/5/9 VGW-102/012/12150/2016

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Veröffentlicht am 09.05.2017
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Entscheidungsdatum

09.05.2017

Index

10/01 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG)
41/01 Sicherheitsrecht
40/01 Verwaltungsverfahren

Norm

B-VG Art. 130 Abs1 Z2
SPG §16
SPG §40
SPG §82
VStG §35
VwGVG §29 Abs5

Text

IM NAMEN DER REPUBLIK

gekürzte Ausfertigung

gemäß § 29 Abs. 5 VwGVG

Das Verwaltungsgericht Wien hat durch seine Richterin Mag. Hornschall über die Maßnahmenbeschwerde des Herrn O. F. gegen die am 11.8.2016 um 09.25 Uhr in Wien, K.-gasse, erfolgten Akte der unmittelbaren Befehls- und Zwangsgewalt durch die Landespolizeidirektion Wien, nach Durchführung einer öffentlichen mündlichen Verhandlung am 09.05.201

zu Recht e r k a n n t :

I. Gemäß § 28 Abs. 1 und 6 iVm § 31 Abs. 1 Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetz - VwGVG wird die Beschwerde des Herrn O. F. gegen eine Maßnahme unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt am 11.08.2016 in Wien, K.-gasse (Herausziehen aus der Wohnung, Fixierung im Stehen an der Wand, zu Bodenbringung, Anlegen von Handschellen, Durchsuchung der Kleidung) durch Organe des öffentlichen Sicherheitsdienstes der Landespolizeidirektion Wien, als unzulässig abgewiesen.

II. Gemäß § 35 VwGVG i.V.m. § 1 Ziffer 3, 4 und 5 der Verwaltungsgerichts-Aufwandsersatzverordnung hat der Beschwerdeführer Herr O. F. der Landespolizeidirektion Wien als obsiegender belangter Behörde den Vorlageaufwand in der Höhe von € 57,40, den Schriftsatzaufwand in der Höhe von € 368,80 und den Verhandlungsaufwand in der Höhe von € 461,- insgesamt also € 887,20, binnen 14 Tagen ab Zustellung bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

III. Gemäß § 28 Abs. 1 und 6 iVm § 31 Abs. 1 Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetz - VwGVG wird der Beschwerde des Herrn O. F. gegen eine Maßnahme unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt am 11.08.2016 in der Polizeiinspektion V., Wien (Aufforderung zum völligen Entkleiden und Nachvornebeugen) stattgegeben und die Maßnahme als rechtswidrig erklärt.

IV. Gemäß § 35 VwGVG i.V.m. § 1 Ziffer 1 und 2 der Verwaltungsgerichts-Aufwandsersatzverordnung hat die Landespolizeidirektion Wien, dem Beschwerdeführer Herr O. F. als obsiegender Partei den Schriftsatzaufwand in der Höhe von € 737,60 und den Verhandlungsaufwand in der Höhe von € 922,- insgesamt also € 1659,60, binnen 14 Tagen ab Zustellung bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

V. Gegen diese Entscheidung ist gemäß § 25a Abs. 1 Verwaltungs-gerichtshofgesetz 1985 – VwGG eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof gemäß Art.  133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz – B-VG unzulässig.

Wesentliche Entscheidungsgründe

Ad I. und II.:

Das Verwaltungsgericht Wien gelangte aufgrund des durchgeführten Beweisverfahrens zur Ansicht, dass die einschreitenden Polizeibeamten guten Grund zur Annahme hatten, dass in der Wohnung des Beschwerdeführers eine gerichtlich strafbare Tat stattfand. Es wurde ihnen als Einsatzgrund über Funk eine Vergewaltigung genannt und konnten sie auch vor Ort eingelangt laute Schreie einer Frau aus der gegenständlichen Wohnung wahrnehmen. Es war deswegen ihre Aufgabe in der Wohnung umgehend Nachschau zu halten. Aus dem vom Beschwerdeführer vorgelegten Video-Mitschnitt ergibt sich, dass der Beschwerdeführer in einem Streitgespräch seine Freundin sehr harsch behandelte und sie fast anbrüllte. Die Freundin Frau Mag. W. wimmert und weint nur zwischen seinen Sätzen. Weiters ist zu hören, wie der Beschwerdeführer nach mehrmaligen Läuten und Klopfen die Tür öffnet. Weiters ist zu hören, dass ein Polizist den Beschwerdeführer laut auffordert: „Kommen Sie her! Kommen Sie heraus!“. Der Beschwerdeführer ruft nach seiner Freundin, weil er diese Aufforderungen nicht versteht. Dies stimmt mit den Angaben der zeugenschaftlich vernommenen Polizisten überein, dass der Beschwerdeführer nicht sofort aus der Wohnung trat und den Weg für Nachforschungen freigab. Es ist für das Verwaltungsgericht Wien nachvollziehbar, dass die Beamten in dieser Situation, in der sie einer Gewalttat bzw. das Opfer in der Wohnung vermuteten, keine Zeit für Erklärungen aufwandten und den Beschwerdeführer versuchten aus der Wohnung zu bekommen. Aufgrund des aggressiven Verhaltens des Beschwerdeführers seiner Freundin gegenüber, welches am Video-Mitschnitt dokumentiert ist, erscheint es dem Verwaltungsgericht Wien glaubwürdig, dass sich der Beschwerdeführer beim Öffnen der Türe in einem erregten Zustand befand. Da er offenbar die Anweisungen der Polizei nicht sofort verstehen und zuordnen konnte, da er sich ja nichts zu Schulden kommen hatte lassen, erscheint es dem Verwaltungsgericht Wien nachvollziehbar, dass er den Aufforderungen der Polizisten nicht sofort nachkam und sich auch körperlich und verbal gegen seine Verbringung aus der Wohnung und die nachfolgende Fixierung an der Wand am Gang wehrte. Dass er sich somit aggressiv gegen die Polizeibeamten in Ausübung ihres Dienstes verhalten hat (Ballen der rechten Hand zu einer Faust, Geschrei mit den einschreitenden uniformierten Beamten), ist auch im Straferkenntnis der Landespolizeidirektion Wien vom 05.01.2017, GZ: VStV/916301167884/2016 rechtskräftig festgestellt. Es erscheint dem Verwaltungsgericht Wien deshalb auch nachvollziehbar, dass der Beschwerdeführer die wiederholten Aufforderungen der Polizeibeamten sein Verhalten einzustellen, sowie die darauf folgende Androhung der Festnahme wegen Verharrens in einer strafbaren Tat nicht registrierte, weil er lautstark gegen seine Behandlung protestierte. Das eingeholte Gutachten des medizinischen Amtssachverständigen ergab, dass die leichten Verletzungen, die der Beschuldigte erlitten hat, keine Anzeichen für eine überschießende Gewaltanwendung aufweisen. Viel mehr spricht dafür, dass der Beschwerdeführer unter möglichst der Schonung zu Boden gebracht wurde. Auch die Staatsanwaltschaft Wien gelangte zu der Ansicht, dass die leichte Körperverletzung des Beschwerdeführers eine Folge der rechtmäßigen Anwendung von Körperkraft war. Die Durchsuchung der Kleidung des Beschwerdeführers auf gefährliche Gegenstände war aufgrund des aggressiven und unberechenbaren Verhaltens des Beschwerdeführers gerechtfertigt. Deswegen erwies sich die Beschwerde in diesem Punkt als unbegründet und war spruchgemäß zurückzuweisen. Dementsprechend wird der belangten Behörde der angeführte Kostenersatz aufgetragen.

Ad III. und IV.:

Es wird als erwiesen angenommen, dass der Beschwerdeführer in der Polizeiinspektion aufgefordert wurde sich nackt auszuziehen und nach vorne zu beugen, da dieses Vorbringen des Beschwerdeführers von der belangten Behörde nicht bestritten wurde. Die Durchsuchung eines Häftlinges bei der Aufnahme in den Arrest ist zwar vorgesehen, jedoch muss die Intensität der Durchsuchung verhältnismäßig sein. Die belangte Behörde führte nur aus, dass sich der Beschwerdeführer aggressiv und unberechenbar benommen hat. Warum aber zB. eine Abtastung im bekleideten Zustand bzw. eine Durchsuchung seiner Kleidung nicht ausreichend war, wurde nicht dargelegt. Es wurde auch nicht vorgebracht, dass es Verdachtsmomente auf das Mitführen von gefährlichen Gegenständen im Gesäß des Beschwerdeführers gab, was eine optische Begutachtung im vorgebeugten Zustand notwendig machen würde. Zudem wurde der Beschwerdeführer bereits vor seiner Wohnung ergebnislos durchsucht. Deswegen war der Beschwerde in diesem Punkt stattzugeben und die gegenständliche Maßnahme als rechtswidrig zu erklären.

Ad V.:

Die ordentliche Revision ist unzulässig, da keine Rechtsfrage im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG zu beurteilen war, der grundsätzliche Bedeutung zukommt.

H i n w e i s

Gemäß § 29 Abs. 5 VwGVG, BGBl. I Nr. 33/2013 idF. BGBl. I Nr. 24/2017, kann das Erkenntnis in gekürzter Form ausgefertigt werden, wenn von den Parteien auf die Revision beim Verwaltungsgerichtshof und die Beschwerde beim Verfassungsgerichtshof verzichtet oder nicht binnen zwei Wochen nach Ausfolgung bzw. Zustellung der Niederschrift gemäß § 29 Abs. 2a eine Ausfertigung des Erkenntnisses gemäß § 29 Abs. 4 von mindestens einem der hiezu Berechtigten beantragt wird. Die gekürzte Ausfertigung hat den Spruch sowie einen Hinweis auf den Verzicht oder darauf, dass eine Ausfertigung des Erkenntnisses gemäß § 29 Abs. 4 nicht beantragt wurde, zu enthalten.

Das Verwaltungsgericht Wien hat am 09.05.2017 in der gegenständlichen Beschwerdesache eine öffentlich mündliche Verhandlung durchgeführt und sodann das Erkenntnis mit den wesentlichen Entscheidungsgründen verkündet.

Die in der mündlichen Verhandlung angefertigte Niederschrift, welcher eine Belehrung gemäß § 29 Abs. 2a VwGVG angeschlossen war, wurde Herrn O. F. und Frau Mag. C. als Vertreterin der belangten Behörde unmittelbar ausgefolgt. Somit wurde die Niederschrift sämtlichen zur Erhebung einer Revision beim Verwaltungsgerichtshof oder einer Beschwerde beim Verfassungsgerichtshof legitimierten Parteien und Organen ausgefolgt oder zugestellt.

In derselben mündlichen Verhandlung gaben Herrn O. F. und Frau Mag. C. als Vertreterin der belangten Behörde ihren ausdrücklichen Verzicht auf die Erhebung einer Revision an den Verwaltungsgerichtshof und Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof zu Protokoll.

Der Verzicht wurde durch die Partei ohne Beisein eines berufsmäßigen Parteienvertreters abgegeben.

Die Partei wurde zuvor über die Folgen des Verzichts belehrt.

Deshalb konnte das Erkenntnis gemäß § 29 Abs. 5 VwGVG gekürzt ausgefertigt werden. Gegen diese gekürzte Ausfertigung des Erkenntnisses ist eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof gemäß § 25a Abs. 4a VwGG und/oder eine Beschwerde beim Verfassungsgerichtshof gemäß § 82 Abs. 3b VfGG nicht mehr zulässig.

Schlagworte

Maßnahmenbeschwerde; aggressives Verhalten; gefährlicher Angriff; Festnahme; Gewaltanwendung; Personendurchsuchung; Verhältnismäßigkeitsprinzip; gekürzte Ausfertigung

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:LVWGWI:2017:VGW.102.012.12150.2016

Zuletzt aktualisiert am

23.01.2018
Quelle: Landesverwaltungsgericht Wien LVwg Wien, http://www.verwaltungsgericht.wien.gv.at
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