TE Vwgh Erkenntnis 2017/12/20 Ra 2017/10/0116

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Veröffentlicht am 20.12.2017
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Index

10/07 Verwaltungsgerichtshof;
40/01 Verwaltungsverfahren;

Norm

AVG §52 Abs1;
VwGG §42 Abs2 Z1;
VwGVG 2014 §17;
VwGVG 2014 §28 Abs3;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Stöberl sowie den Hofrat Dr. Fasching und die Hofrätin Dr. Leonhartsberger als Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Kacic-Löffler, LL.M., über die Revision des A B in Z, vertreten durch Cerha Hempel Spiegelfeld Hlawati Rechtsanwälte GmbH in 1010 Wien, Parkring 2, gegen den Beschluss des Bundesverwaltungsgerichts vom 14. Juni 2017, Zl. W128 2121033- 1/15E, betreffend Zulassung zum Studium (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Rektorat der Universität Wien), zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Beschluss wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Die Universität Wien hat dem Revisionswerber Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.346,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

1 Mit Beschwerdevorentscheidung der belangten Behörde vom 28. Jänner 2016 wurde der Antrag des Revisionswerbers auf Zulassung zum Bachelorstudium Pharmazie vom 31. Juli 2015 gemäß § 63 Abs. 7 iVm § 68 Abs. 1 Z 3 und § 77 Abs. 2 Universitätsgesetz 2002 (UG) abgewiesen.

2 Die dagegen vom Revisionswerber erhobene Beschwerde wurde mit Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts vom 23. August 2016 abgewiesen.

3 Dieses Erkenntnis wurde mit hg. Erkenntnis vom 23. Mai 2017, Ro 2016/10/0039, wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

4 Begründend führte der Verwaltungsgerichtshof im Wesentlichen aus, dass die Prüfung "Allgemeine und anorganisch pharmazeutische Chemie", zu der der Revisionswerber im Jahr 2010 im Diplomstudium Pharmazie zum letztmöglichen Wiederholungstermin angetreten war, materiell einer der im Rahmen der Studieneingangs- und Orientierungsphase (STEOP) vorgeschriebenen Prüfungen gleichzuhalten sein könne. Diese Frage sei insbesondere mit Blick auf die Bestimmungen der "Äquivalenzverordnung zum Studium des Diplomstudiums Pharmazie" zu klären. Sollte sich demnach ergeben, dass die Lehrveranstaltung "Vorlesung allgemeine und anorganisch pharmazeutische Chemie" des (vormaligen) Diplomstudiums einer im Rahmen der Studieneingangs- und Orientierungsphase des nunmehrigen Bachelorstudiums vorgeschriebenen Prüfung entspreche, käme im vorliegenden Fall für das vom Revisionswerber betriebene Diplomstudium Pharmazie der Erlöschenstatbestand des § 66 Abs. 4 erster Satz UG und sohin für die von ihm beantragte Zulassung zum Bachelorstudium die Ausnahmebestimmung des zweiten Satzes leg. cit. zur Anwendung. Das Verwaltungsgericht habe sich mit dieser Frage nicht auseinandergesetzt, weshalb das angefochtene Erkenntnis wegen inhaltlicher Rechtswidrigkeit aufzuheben gewesen sei.

5 Mit dem nunmehr angefochtenen Beschluss hob das BVwG die Beschwerdevorentscheidung der belangten Behörde vom 28. Jänner 2016 gemäß § 28 Abs. 3 (zweiter Satz) VwGVG auf und verwies die Angelegenheit zur Erlassung eines neuen Bescheides an die belangte Behörde zurück (A). Die Revision an den Verwaltungsgerichtshof wurde für nicht zulässig erklärt (B).

6 Begründend führte das BVwG zusammengefasst aus, die Frage, ob die Lehrveranstaltung "Vorlesung allgemeine und anorganisch pharmazeutische Chemie" des (vormaligen) Diplomstudiums einer der im Rahmen der STEOP des nunmehrigen Bachelorstudiums Pharmazie vorgeschriebenen Prüfung entspreche, sei im vorangegangen Verfahren vor der belangten Behörde weder thematisiert worden, noch seien entsprechende Erhebungen getätigt worden. Es könne daher nicht beurteilt werden, ob im vorliegenden Fall die Bestimmungen des § 66 Abs. 4 erster und zweiter Satz UG zur Anwendung gelangten. Da somit die erforderlichen Feststellungen nicht getroffen worden seien, sei der Sachverhalt in wesentlichen Punkten ergänzungsbedürftig geblieben. Die Feststellung des maßgeblichen Sachverhalts durch das BVwG liege weder im Interesse der Raschheit noch einer Kostenersparnis, weil dem BVwG die entsprechende Fachkenntnis fehle und dem BVwG auch kein entsprechender Sachverständiger beigegeben sei.

7 Gegen diesen Beschluss richtet sich die vorliegende außerordentliche Revision, die in den Zulässigkeitsgründen vorbringt, das BVwG sei von - näher genannter - Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zur Zulässigkeit der Aufhebung und Zurückverweisung gemäß § 28 Abs. 3 VwGVG abgewichen.

8 Die belangte Behörde legte in dem vom Verwaltungsgerichtshof durchgeführten Vorverfahren die Verfahrensakten vor und erstattete eine Revisionsbeantwortung.

9 Der Verwaltungsgerichtshof hat in einem gemäß § 12 Abs. 1 Z 2 VwGG gebildeten Senat erwogen:

10 Die Revision ist zulässig und begründet.

11 Zu den für kassatorische Entscheidungen nach § 28 Abs. 3 zweiter Satz VwGVG geltenden Voraussetzungen kann auf das Erkenntnis VwGH 26.6.2014, Ro 2014/03/0063, verwiesen werden (§ 43 Abs. 2 VwGG).

12 Demnach ist ein prinzipieller Vorrang der meritorischen Entscheidungspflicht der Verwaltungsgerichte gesetzlich festgelegt. Die nach § 28 VwGVG verbleibenden Ausnahmen von der meritorischen Entscheidungspflicht sind strikt auf den ihnen gesetzlich zugewiesenen Raum zu beschränken. Von der Möglichkeit der Zurückverweisung kann nur bei krassen bzw. besonders gravierenden Ermittlungslücken Gebrauch gemacht werden. Eine Zurückverweisung zur Durchführung notwendiger Ermittlungen kommt nur dann in Betracht, wenn die Verwaltungsbehörde jegliche erforderliche Ermittlungstätigkeit unterlassen hat, lediglich völlig ungeeignete Ermittlungsschritte gesetzt oder bloß ansatzweise ermittelt hat. Eine Zurückverweisung kommt ferner in Betracht, wenn konkrete Anhaltspunkte bestehen, dass die Verwaltungsbehörde Ermittlungen unterlassen hat, damit diese durch das Verwaltungsgericht vorgenommen werden (vgl. etwa VwGH 29.3.2017, Ra 2016/10/0146, mwN).

13 Im Hinblick auf diese Grundsätze erweist sich im vorliegenden Fall die Aufhebung und Zurückverweisung an die Behörde als unzulässig:

14 Die belangte Behörde hat sich im ersten Verfahrensgang in grundsätzlicher Weise mit der Frage der Vergleichbarkeit der Lehrinhalte des (vormaligen) Diplomstudiums und des (nunmehrigen) Bachelorstudiums Pharmazie auseinandergesetzt. Sie hat dazu insbesondere ein Gutachten des Senates der Universität Wien gemäß § 46 UG sowie eine Stellungnahme des zuständigen Studienprogrammleiters eingeholt und - auf dieser Grundlage - auch entsprechende Feststellungen im angefochtenen Bescheid getroffen.

15 Davon ausgehend kann im Revisionsfall nicht gesagt werden, dass die belangte Behörde im Sinne der hg. Rechtsprechung jegliche erforderliche Ermittlungstätigkeit unterlassen, lediglich völlig ungeeignete Ermittlungsschritte gesetzt oder bloß ansatzweise ermittelt hätte. Es bestehen auch keine Anhaltspunkte dafür, dass die Verwaltungsbehörde Ermittlungen unterlassen hat, damit diese durch das BVwG vorgenommen werden.

16 Vielmehr betrifft die vom BVwG nach dem erwähnten Vorerkenntnis Ro 2016/10/0039 zu klärende Frage (ob die Prüfung "Allgemeine und anorganisch pharmazeutische Chemie" des Diplomstudiums materiell einer der im Rahmen der STEOP des Bachelorstudiums Pharmazie vorgeschriebenen Prüfungen gleichzuhalten ist) lediglich einen speziellen, im bisherigen Verfahren nicht näher ins Kalkül gezogenen Aspekt der hier vorzunehmenden Gleichwertigkeitsprüfung.

17 In diesem Zusammenhang ist darauf hinzuweisen, dass nach der hg. Rechtsprechung das Verwaltungsgericht die Ergänzung eines unvollständigen Gutachtens zu veranlassen hat bzw. selbst die Notwendigkeit der Einholung eines weiteren Gutachtens im Allgemeinen die Zurückverweisung nach § 28 Abs. 3 VwGVG nicht rechtfertigt (vgl. etwa VwGH 27.4.2017, Ra 2016/12/0071, mwN).

18 Soweit das BVwG schließlich ausführt, dass ihm - im Gegensatz zur belangten Behörde - ein entsprechender Sachverständiger nicht zur Verfügung stehe, vermag es für den vorliegenden Fall auch nicht darzulegen, dass die Abstandnahme von einer meritorischen Entscheidung unter dem Aspekt der Raschheit oder Kostenersparnis in Betracht kommt, zumal im Hinblick auf § 52 AVG dem Verwaltungsgericht der für die Führung eines Ermittlungsverfahrens notwendige Zugang zu (Amts-)Sachverständigen grundsätzlich nicht fehlt (vgl. dazu näher VwGH 22.6.2016, Ra 2016/03/0027, mit Hinweis auf das erwähnte Erkenntnis Ro 2014/03/0063).

19 Der angefochtene Beschluss ist sohin mit inhaltlicher Rechtswidrigkeit belastet, weshalb er gemäß § 42 Abs. 2 Z 1 VwGG aufzuheben war.

20 Die Entscheidung über den Aufwandersatz gründet auf den §§ 47 VwGG iVm der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2014.

Wien, am 20. Dezember 2017

Schlagworte

Amtssachverständiger der Behörde beigegeben

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2017:RA2017100116.L00

Im RIS seit

22.01.2018

Zuletzt aktualisiert am

19.02.2018
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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