TE Lvwg Erkenntnis 2017/3/7 VGW-041/008/15138/2016

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Veröffentlicht am 07.03.2017
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Entscheidungsdatum

07.03.2017

Index

60/04 Arbeitsrecht allgemein
62 Arbeitsmarktverwaltung

Norm

AuslBG §2 Abs2
AuslBG §3 Abs1
AuslBG §28 Abs1

Text

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Verwaltungsgericht Wien hat durch seine Richterin Mag. Burda über die Beschwerde der Frau E. U., vertreten durch Rechtsanwältin, vom 25.11.2016, gegen das Straferkenntnis des Magistrates der Stadt Wien, Magistratisches Bezirksamt für den ... Bezirk, vom 21.10.2016, Zl. MBA … - S 53827/14, wegen einer Verwaltungsübertretung des § 28 Abs. 1 Z 1 lit.a AuslBG iVm § 3 leg. cit., zu Recht e r k a n n t:

I. Gemäß § 50 VwGVG wird der Beschwerde Folge gegeben, das Straferkenntnis behoben und das Verfahren gemäß § 45 Abs. 1 Z  2 VStG eingestellt.

II. Gemäß § 52 Abs. 8 VwGVG hat die Beschwerdeführerin keinen Beitrag zu den Kosten des Beschwerdeverfahrens zu leisten.

III. Gegen dieses Erkenntnis ist gemäß § 25a Abs. 1 VwGG eine ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 B-VG unzulässig.

E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e

Mit dem angefochtenen Straferkenntnis wurde der Beschwerdeführerin zur Last gelegt, die nigerianische Staatsbürgerin O. V. am 27.11.2014 in Wien als Prostituierte beschäftigt zu haben, ohne dass diese über eine entsprechende arbeitsmarktbehördliche Genehmigung verfügt habe.

In der dagegen rechtzeitig eingebrachten Beschwerde führte die Beschwerdeführerin aus, dass Frau O. in der Bar selbstständig Tätigkeiten als Prostituierte ausübe. Unter Hinweis auf die im hg. Verfahren zur GZ. VGW-041/063/7815/2015 erfolgte Verfahrenseinstellung, in welcher es um die Übertretung des ASVG im Zusammenhang mit der vermeintlichen Beschäftigung der Frau O. durch die Beschuldigte ging, beantragte sie aufgrund der dort gesammelten Beweisergebnisse auch die Einstellung dieses Verfahrens.

In dem Verfahren zur GZ. VGW-041/063/7815/2015 gab Frau O. als Zeugin an: „Ich habe im Lokal „C.“ gearbeitet, bin aber auch manchmal nur so hingegangen und habe etwas getrunken. Ich habe nicht viel gearbeitet. Ich weiß nicht mehr wann das war, ich habe das schon vergessen, es ist lange her. Am 27.11.2014 habe ich noch dort gearbeitet. Die nächste Woche habe ich aufgehört. Ich habe sechs Tage wöchentlich gearbeitet, weil ich das Geld gebraucht habe. Ich habe von Montag bis Samstag gearbeitet, ob die Bar am Sonntag geschlossen hatte, weiß ich nicht. Ich habe ausschließlich als Prostituierte gearbeitet. Ich habe die Gäste nicht zum Alkoholkonsum animiert. Ob ich selbst etwas trinke oder nicht, geht niemanden etwas an. Für die halbe Stunde haben die Gäste ca. 80 Euro bezahlt, genau weiß ich es nicht mehr, es ist zu lange her. Für eine ganze Stunde habe ich mich nicht zur Verfügung gestellt. Die 80 Euro habe ausschließlich ich selbst bekommen, das war mein Geld. Ich habe an die BF oder ihrem Mann überhaupt nichts bezahlt. Ich musste aber dafür bezahlen, dass die Bettwäsche gereinigt wird, ich weiß aber nicht mehr wie viel, das ist schon lange her. Ich arbeite immer noch als Prostituierte. Jetzt arbeite ich als Straßenprostituierte. Ich verdiene jetzt weniger Geld. Als ich für die BF gearbeitet habe, habe ich Kondome selbst gekauft. Meine Kleidung habe ich auch selbst besorgt, Sexspielzeug verwende ich nicht. Auch in der Zeit, als ich sechs Tage wöchentlich gearbeitet habe, bin ich nur gekommen, wenn mir danach zumute war, ansonsten bin ich nicht gekommen. Die Kunden gaben das Geld dem Barmann. Nach jedem Kunden bekam ich dann das Geld. Ich habe alles bekommen, was der Kunde an der Bar abgegeben hat. Ich habe dem Kunden gesagt, wieviel ich von ihm will, aber die Kunden haben das Geld an der Bar abgegeben, da ich nicht wollte, dass es im Zimmer ist. Ich weiß nicht, ob Kunden manchmal mit Kreditkarte bezahlt haben, das weiß ich nicht mehr. Ich habe mein Geld jedenfalls immer bar bekommen und immer sofort. Vorschriften hat mir niemand gemacht, ich bin kein Baby. Ich habe auch lange Zeit im Prater gearbeitet. C. habe ich verlassen, weil mir gesagt wurde, ich müsste eine rote Karte haben und ich nicht weiß, was das ist.

In der Zeit nach der Verhaftung der BF und ihres Gatten (26.6.2014) bin ich nur unregelmäßig in die Bar gegangen. Ich kann mich an ein Gespräch mit dem Vertreter der BF erinnern. Das war am Tag der Festnahme. Ich kann mich auch an ein Gespräch mit dem BFV erinnern, wo mir dieser gesagt hat, dass ich nicht für die BF arbeiten dürfe. Ich erinnere mich, dass er gesagt hat, ich könne eventuell später zurückkommen. Er hat mir auch gesagt, dass ich zu Besuch in die Bar kommen könne.

Die Adresse für die Kontrolluntersuchungen ist in Erdberg. Ich fahre mit der U3 dort hin. Ich bin sozialversichert und zahle dafür 50 Euro monatlich. Ich lege diesbezüglich einen Erlagschein der SVA vor. Ich zahle das nunmehr seit 4 Monaten. Die E-Card wurde mir erst später ausgestellt. Ich habe auch eine Steuernummer. Das seit dem Tag als ich die Sozialversicherung abgeschlossen habe. Also seit vier Monaten.“

Die Finanzpolizei gab mit Schriftsatz vom 18. Januar 2017 bekannt, gegen eine Einstellung des Verfahrens keine Einwände zu haben, dies insbesondere im Hinblick auf die Einstellung des Verfahrens zur GZ. VGW-041/063/7815/2015.

Das Verwaltungsgericht Wien hat erwogen:

Beweis wurde erhoben durch Einsicht in den verwaltungsbehördlichen Akt und Einsicht in den Akt zur GZ. VGW-041/063/7815/2015.

Folgender Sachverhalt steht demnach fest:

Die nigerianische Prostituierte O. konnte gegenständlich sowohl ihre Arbeitszeiten als auch das Entgelt für ihre Tätigkeit frei bestimmen. Ebenso konnte sie ihrer Aussage nach bestimmen, wie lange sie sich einem Kunden zur Verfügung stellen wollte. Es wurden keine Arbeitszeiten mit den Lokalverantwortlichen vereinbart. Frau O. traf demnach auch das wirtschaftliche Risiko ihrer Tätigkeit. Dass der Ort der Tätigkeit vorgegeben war, ergibt sich demgegenüber aus der Natur des Vertrages mit den Prostituierten, wonach Zimmer („Separees“) für den entgeltlichen Vollzug des Geschlechtsverkehrs vermietet werden sollten. Es gab seitens der Beschwerdeführerin bezüglich der Ausübung der Prostitution weder Weisungen noch Leistungskontrollen. Frau O. hat die Gäste nicht zum Alkoholtrinken animiert; sie war demnach auch nicht prozentuell am Getränkeumsatz beteiligt. Sie hat vom erhaltenen Liebeslohn nichts an die Beschwerdeführerin abgeben müssen, sondern lediglich für die Reinigung der Bettwäsche bezahlt. Kondome hat sie ebenso wie Kleidung selbst besorgt. Sie wurde auch offenbar nicht von Seiten des Lokals zur Gesundenuntersuchung gebracht.

Dieser Sachverhalt war im Hinblick auf das diesbezügliche Einverständnis der Amtspartei und die Ausführungen des Bindungswirkung entfaltenden Erkenntnisses im Verfahren zur GZ. VGW-041/063/7815/2015 festzustellen.

Rechtlich folgt daraus:

Vorweg ist festzuhalten, dass die Tätigkeit einer Prostituierten grundsätzlich entweder selbständig oder aber in einem Beschäftigungsverhältnis erfolgen kann (vgl. VwGH 02.05.2012, 2010/08/0192, VwGH 07.09.2011, 2011/08/0206, VwGH 27.04.2011, 2010/08/0106, vgl. weiters VwGH 24.01.2014, 2013/09/0081 u.a.).

Zur Beurteilung, ob die Tätigkeit eines Ausländers/einer Ausländerin in Ausübung einer Beschäftigung nach § 2 Abs. 2 lit. a oder b AuslBG erfolgt oder aber eine selbständige, bewilligungsfreie Tätigkeit darstellt, hat der Verwaltungsgerichtshof in Ra 2014/09/0028 vom 20.10.2015 Folgendes ausgeführt:

„Bei der Beurteilung, ob die Tätigkeit von Ausländerinnen in einem Bordell eine Verwendung in einem arbeitnehmerähnlichen Verhältnis iSd § 2 Abs. 2 lit. b AuslBG oder in einem Arbeitsverhältnis im Sinne des § 2 Abs. 2 lit. a legcit darstellt, kommt es auf die Beurteilung jedes einzelnen Merkmals der Tätigkeit der Ausländerin und ihres wirtschaftlichen und persönlichen Verhältnisses zum Betreiber des Bordells an (vgl. E 24. April 2014, 2013/09/0041).“

Der Verwaltungsgerichtshof hat in der zitierten Entscheidung weiters unter Bezugnahme auf seine eigene Judikatur ausgeführt:

„Im Zusammenhang mit der Bewertung der Unselbständigkeit bzw Selbständigkeit anhand des "beweglichen Systems" sind mehrere Elemente zur Abgrenzung denkbar.

Elemente, die für eine unselbständige Beschäftigung sprechen sind zum Beispiel: a) Prostituierte kassiert "Eintrittsgeld", eine organisierte Abrechnung zeigt Einordnung in die Betriebsorganisation und einen Nutzen für Arbeitgeberin nicht nur aus der Vermietung von Zimmern, sondern darüber hinaus indirekt aus der Tätigkeit der Ausübung der Prostitution. b) Die Weisung zu Antritt der Prostitutionstätigkeit, zum Amtsarzt zu gehen, ist eine persönliche Weisung. c) Die Arbeitgeberin führt die Anmeldung bei der Gemeinde, die Einreichung der Einkommensteuererklärungen und die Zahlungen an das Finanzamt durch.

Elemente, die auf Selbständigkeit der Prostituierten und damit reine Zimmermiete (in der Form eines sogenannten "Stundenhotels") deuten sind zum Beispiel: a) keine von der Arbeitgeberin bestimmte Öffnungszeiten im Haus und keine Anwesenheitspflicht der Prostituierten b) Die Dauer der Tätigkeit ist nicht vorbestimmt.

c) Es existiert keine Aufzeichnungspflicht über Gäste, Eintrittsgeld und Getränkenachkauf. d) Der Liebeslohn wird durch die Prostituierten eigenständig bestimmt. Der fix an die Arbeitgeberin abzuliefernde Betrag ist als Miete für das Zimmer anzusehen. e) Es gibt keine regelmäßigen (Kontroll-)Besuche der Arbeitgeberin im Haus. f) Es gibt keinen Barbetrieb noch Tanzdarbietungen in einem Klubraum oder dergleichen.“

Bei einer Gesamtbetrachtung der Umstände überwiegen im gegenständlichen Fall nach den getroffenen Feststellungen des Verwaltungsgerichtes die Elemente einer selbständigen Tätigkeit. Es mag zwar zutreffen, dass für den Betrieb eines Prostitutionslokales die Anwesenheit von Prostituierten Voraussetzung ist, doch ändert das nichts daran, dass die Prostituierten – je nach der internen Organisation des Betriebes - nicht grundsätzlich als Dienstnehmerinnen beschäftigt, sondern eben auch selbständig tätig werden können.

Der Umstand, dass die Kunden der Prostituierten deren Leistungen grundsätzlich an der Bar bezahlten, und diese den Betrag erst später erhielten, vermag an dieser Beurteilung nichts zu ändern, waren hierfür doch offensichtlich jedenfalls auch praktische Erwägungen (mangelnde sichere Aufbewahrungsmöglichkeit des Geldes bei den Prostituierten) ausschlaggebend.

Insgesamt war somit davon auszugehen, dass hinsichtlich der Tätigkeit der im Spruch genannten Prostituierten die Merkmale selbständiger Ausübung der Erwerbstätigkeit gegenüber den Merkmalen persönlicher und wirtschaftlicher Abhängigkeit überwiegen, weshalb keine Verwendung in einem arbeitnehmerähnlichen Verhältnis iSd § 2 Abs. 2 lit. b AuslBG oder in einem Arbeitsverhältnis im Sinne des § 2 Abs. 2 lit. a leg.cit. gegeben war. Bloß ergänzend wird auf die rechtliche Beurteilung des Sachverhaltes durch die Wiener Gebietskrankenkasse aufgrund der Überprüfung vom 23.06.2016 hingewiesen, welche gleichfalls zum Ergebnis einer selbständigen Tätigkeit der Prostituierten (u.a. für den Tatzeitraum) kam, sowie auf die Stellungnahme der Finanzpolizei vom 18. Jänner 2017, welche ausführte, keine Einwände gegen eine Einstellung des Verfahrens zu haben.

Gemäß § 45 Abs. 1 Z 2 VStG hat die Behörde von der Einleitung oder Fortführung eines Strafverfahrens abzusehen und die Einstellung zu verfügen, wenn der Beschuldigte die ihm zur Last gelegte Verwaltungsübertretung nicht begangen hat oder Umstände vorliegen, die die Strafbarkeit aufhaben oder ausschließen.

Da die Beschwerdeführerin die ihr zur Last gelegte Verwaltungsübertretung demnach nicht begangen hat, war das angefochtene Straferkenntnis spruchgemäß zu beheben und das Verwaltungsstrafverfahren einzustellen.

Der Kostenausspruch gründet sich auf die im Spruch genannte Gesetzesstelle.

Eine Verhandlung konnte gemäß § 44 Abs. 4 VwGVG entfallen.

Die ordentliche Revision ist unzulässig, da keine Rechtsfrage im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG zu beurteilen war, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zur Tatbestandsmäßigkeit des § 3 AuslBG ab, noch fehlt es an einer diesbezüglichen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes, wie die Judikaturzitate belegen. Weiters ist die dazu vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Ebenfalls liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.

Schlagworte

Ausländer; Beschäftigung; Beschäftigungsbewilligung; Abhängigkeit, persönliche, wirtschaftliche; persönliche Arbeitspflicht; bewegliches System; selbständige Tätigkeit; Selbständigkeit überwiegt; kein arbeitnehmerähnliches Verhältnis

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:LVWGWI:2017:VGW.041.008.15138.2016

Zuletzt aktualisiert am

16.01.2018
Quelle: Landesverwaltungsgericht Wien LVwg Wien, http://www.verwaltungsgericht.wien.gv.at
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