TE Vwgh Erkenntnis 2017/12/12 Ro 2016/05/0001

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Veröffentlicht am 12.12.2017
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Index

L37154 Anliegerbeitrag Aufschließungsbeitrag Interessentenbeitrag
Oberösterreich;
L81704 Baulärm Umgebungslärm Oberösterreich;
L82004 Bauordnung Oberösterreich;
L82304 Abwasser Kanalisation Oberösterreich;
001 Verwaltungsrecht allgemein;
10/10 Grundrechte;

Norm

BauO OÖ 1994 §17 Abs2;
BauO OÖ 1994 §6;
BauONov OÖ 1946 §6 Abs1;
BauONov OÖ 1946 §6 Abs4;
BauONov OÖ 1946 §6;
StGG Art5;
VwRallg;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch die Vorsitzende Senatspräsidentin Dr. Bernegger und die Hofräte Dr. Enzenhofer und Dr. Moritz sowie die Hofrätinnen Dr. Pollak und Mag. Rehak als Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Mag. Lorenz, über die Revision des DI F L in A, vertreten durch Dr. Gunther Huber, Rechtsanwalt in 4050 Traun, Heinrich Gruber-Straße 1, gegen das Erkenntnis des Landesverwaltungsgerichtes Oberösterreich vom 14. Juli 2015, Zl. LVwG-150583/5/VG/MP, betreffend Abweisung eines Rückstellungsantrages (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Gemeinderat der Stadtgemeinde A; weitere Partei: Oberösterreichische Landesregierung), zu Recht erkannt:

Spruch

Das angefochtene Erkenntnis wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Die Stadtgemeinde Ansfelden hat dem Revisionswerber Aufwendungen in der Höhe von insgesamt EUR 1.346,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

I.

1 Über Antrag der Fa. L. und des U. L. genehmigte der Bürgermeister der Stadtgemeinde A. (im Folgenden: Bürgermeister) mit Bescheid vom 6. Februar 1974 unter Spruchpunkt I. gemäß dem Teilungsplan des DI B. vom 10. September 1973 im Gutsbestand der Grundbuchskörper EZ 97, 320, KG A., durch "Ab- oder Zuschreibung von Grundstücken oder Grundstücksteilen" Veränderungen, nämlich (lit. a) die Schaffung des Bauplatzes auf dem Grundstück Nr. 2765/2 (EZ 97) im Ausmaß von 807 m2.

Spruchpunkt II. dieses Bescheides lautet (auszugsweise):

     "II. Nach § 6 der Bauordnungsnovelle 1946, LGBl. 5/1947 sind

nach Maßgabe des Teilungsplanes des Dipl. Ing. Walter B..., ...

     vom 10.9.1973 GZ. ...

     nachfolgende Grundstücke oder Teilgrundstücke lastenfrei und

unentgeltlich gleichzeitig mit der grundbücherlichen Durchführung der genehmigten Grundabteilungen in das Verzeichnis über das öffentliche Gut der KG. zu übertragen:

aus EZ. 320 KG. ... die ocker angelegte Teilfläche von 16 m2 zum Vz. öffentl. Gut KG. ...; aus EZ. 97 KG. ... die gelb angelegte Teilfläche von 182 m2 zum Vz. öffentliches Gut KG. ...

..."

2 Zum damaligen Zeitpunkt war die Fa. L. Eigentümerin der Liegenschaft EZ 97 mit dem Grundstück Nr. 2765/2 und U. L. Eigentümer der Liegenschaft EZ 320 mit dem Grundstück Nr. 2769/5.

3 Die grundbücherliche Durchführung (u.a.) dieses Bescheides erfolgte mit Beschluss des Bezirksgerichtes L. vom 30. Mai 1975. Die Teilflächen "gelb" (EZ 97) und "ocker" (EZ 320) laut dem genannten Teilungsplan wurden danach dem Verzeichnis des öffentlichen Gutes, der F.-Straße (Grundstück Nr. 3292 Straße), zugeschrieben, die die beiden einander gegenüberliegenden Grundstücke Nr. 2765/2 und Nr. 2769/5 voneinander trennt.

4 Das Grundstück Nr. 2765/2 wurde in weiterer Folge in der EZ 1154, KG A., eingetragen. Der Revisionswerber ist Eigentümer des Grundstückes Nr. 2765/2. Eigentümerin des Grundstückes Nr. 2769/5 ist nunmehr S.

5 Mit Eingabe (E-Mail) vom 4. April 2014 stellte der Revisionswerber bei der Baubehörde unter Vorlage des genannten Bescheides vom 6. Februar 1974 und des genannten Teilungsplanes den Antrag auf Rückübereignung des Teilstückes "ocker" mit dem Vorbringen, dass dieser zur Verbreiterung der F.-Straße abgetretene Grundstreifen nicht für die Straßenverbreiterung benötigt worden sei.

6 In seiner Eingabe vom 9. Juli 2014 führte der Revisionswerber dazu ergänzend aus, dass, wie aus der Aktenlage ersichtlich sei, die seinerzeitige Abtretung der Teilfläche "ocker" aus dem Grundstück Nr. 2769/5 gemäß dem Bescheid vom 6. Februar 1974 im Zusammenhang mit der Schaffung des Bauplatzes auf dem Grundstück Nr. 2765/2 erfolgt sei. Aus § 16 Abs. 3 iVm § 17 Abs. 2 Oö. Bauordnung 1994 (im Folgenden: BO) ergebe sich, dass sich die Zurückstellung der obigen Teilfläche am Bauplatz orientiere und zugunsten dessen Eigentümers bzw. dessen Rechtsnachfolgers zu erfolgen habe, somit nicht an die aktuelle Eigentümerin des Restgrundstückes Nr. 2769/5.

7 Mit Bescheid des Bürgermeisters vom 3. Oktober 2014 wurde der Antrag des Revisionswerbers auf Rückübereignung der Teilfläche "ocker" (Spruchpunkt 1) für die Teilfläche, die sich nördlich der in dem in diesem Bescheid enthaltenen Lageplan (vom 26. Juni 2014) dargestellten Straßenfluchtlinie (im Lageplan gelb ausgewiesen) befindet, gemäß § 17 BO und (unter Spruchpunkt 2) für die Teilfläche, die sich südlich der in diesem Lageplan dargestellten Straßenfluchtlinie (im Lageplan orange ausgewiesen) befindet, gemäß § 6 iVm § 17 BO abgewiesen.

8 Mit Bescheid des Gemeinderates der Stadtgemeinde A. (im Folgenden: Gemeinderat) vom 12. Dezember 2014 wurde der vom Revisionswerber gegen den Bescheid vom 3. Oktober 2014 erhobenen Berufung keine Folge gegeben und dieser Bescheid vollinhaltlich bestätigt.

9 Dazu führte der Gemeinderat - unter Darstellung des genannten Lageplanes vom 26. Juni 2014 - (u.a.) aus, dass die im Antrag vom 4. April 2014 als "orange" (offenbar gemeint: "ocker") dargestellte Fläche (etwa 16 m2) für die Beurteilung in zwei Teilflächen zu unterteilen sei: Ein Teilbereich befinde sich nördlich der Straßenfluchtlinie und sei (in diesem Lageplan) mit gelber Farbe markiert. Der zweite Teilbereich befinde sich südlich der Straßenfluchtlinie und sei (in diesem Lageplan) mit oranger Farbe markiert.

10 Das Teilstück des Grundstückes Nr. 2769/5 nördlich der Straßenfluchtlinie (gelb ausgewiesen) werde vom rechtswirksamen Bebauungsplan Nr. 126.00 (in Kraft seit 26. Juni 2000) erfasst und sei darin als öffentliche Verkehrsfläche ausgewiesen. Aus diesem Grund sei ein Rückstellungsanspruch hinsichtlich der seinerzeit abgetretenen Grundflächen ausgeschlossen, weil ein Rechtsanspruch auf Zurückstellung voraussetze, dass im Zeitpunkt der Grundabtretung ein Bebauungsplan diese Grundflächen als öffentliche Verkehrsflächen ausgewiesen habe und durch eine Änderung des Bebauungsplanes die Grundflächen nun nicht mehr als Verkehrsflächen gewidmet seien. Diese Voraussetzung sei im vorliegenden Fall nicht gegeben.

11 Zum Teilstück südlich der Straßenfluchtlinie (orange dargestellt) führte der Gemeinderat im Wesentlichen aus, der Revisionswerber begründe seinen Anspruch damit, dass ihm als früherem Grundeigentümer eigentlich die Zurückstellung anzubieten und ihm gegenüber zu erwirken sei. Demgegenüber bestünden die wesentlichen Intentionen der BO auf Grundlage deren §§ 6 und 17 darin, Bauplätze in adäquater Größe und Konfiguration zu bilden. Es sei deshalb auch anzustreben, dass keine vereinzelt bleibenden Grundflächen bei Grundstücksveränderungen im Allgemeinen und bei Rückstellungsverfahren im Besonderen übrig blieben bzw. geschaffen würden, was umso mehr gelte, wenn diese, wie im vorliegenden Fall, selbstständig nicht bebaubar seien. Würde man dem Revisionswerber folgen, würde das Entstehen von vereinzelten, zum Teil flächenmäßig auch nur sehr geringfügigen Restgrundflächen, die keinem weiteren Bauplatz zugeordnet werden könnten, am allerwenigsten jenen Grundflächen, aus denen sie ehemals abgetreten worden seien, begünstigt und bewirkt werden. Diese nicht im Sinne der BO gelegene "Siedlungszersplitterung" sei nur dann zu verhindern, wenn nach dem Grundsatz der Sicherstellung einer geordneten und zweckmäßigen Bebauung die Rückstellung von Grundflächen gleichsam "bauplatzbezogen" an den Rechtsnachfolger erfolge. Eine etwaige Rückstellung könne im vorliegenden Fall daher gleichsam "bauplatzbezogen" für die orange ausgewiesene Teilfläche (südlich der Straßenfluchtlinie), wenn, dann nur an den Rechtsnachfolger erfolgen, und diesem sei in einem etwaigen Rückstellungsverfahren diese Fläche anzubieten.

12 Mit dem nunmehr angefochtenen Erkenntnis vom 14. Juli 2015 wurde (unter Spruchpunkt I.) die vom Revisionswerber gegen diesen Berufungsbescheid erhobene Beschwerde gemäß § 28 Abs. 1 VwGVG als unbegründet abgewiesen und (unter Spruchpunkt II.) eine ordentliche Revision für zulässig erklärt.

13 Dazu führte das Landesverwaltungsgericht Oberösterreich (im Folgenden: Verwaltungsgericht) im Wesentlichen aus, dass im gegenständlichen Fall ein Rückstellungsanspruch nicht unmittelbar auf die hier relevante einfachgesetzliche Regelung der BO gestützt werden könne. Hinsichtlich der vom Gemeinderat als nördlich der Straßenfluchtlinie bezeichneten Teilfläche komme eine auf § 17 Abs. 2 BO gestützte Rückübereignung schon deshalb nicht in Betracht, weil die in dieser Bestimmung angeführte Voraussetzung - Wegfall der Widmung als öffentliche Verkehrsfläche - nicht vorliege. Davon abgesehen seien eine allenfalls im Bebauungsplan ausgewiesene Straßenfluchtlinie und eine danach erfolgte weitere Unterteilung der Teilfläche "ocker" im vorliegenden Fall nicht relevant, weil dem Revisionswerber für die gesamte Teilfläche "ocker" -- auch vor dem Hintergrund des Art. 5 Staatsgrundgesetz über die allgemeinen Rechte der Staatsbürger (StGG) - kein Rückstellungsanspruch zukomme.

14 Wenn der Revisionswerber aus den Entscheidungen des Verwaltungsgerichtshofes (VwGH 15.11.2011, 2008/05/0136, und 24.6.2014, 2011/05/0150) abzuleiten versuche, dass sich die Zurückstellungsverpflichtung immer am seinerzeitigen Bauplatz zu orientieren habe, so übersehe er, dass die dort zu beurteilenden Sachverhalte mit dem gegenständlichen Fall nicht vergleichbar seien. Anders als dort sei hier maßgeblich, dass die Grundabtretung zwar zur Schaffung eines Bauplatzes auf dem Grundstück Nr. 2765/2 (damals Bestandteil der EZ 97, nunmehr der EZ 1154) erfolgt sei. Die Übertragung der geschaffenen Teilflächen in das öffentliche Gut sei aber aus den Grundbuchskörpern EZ 97 (betreffend die hier nicht relevante Teilfläche "gelb") und EZ 320 (betreffend die hier relevante Teilfläche "ocker") erfolgt. Diese Teilflächen seien dem zwischen diesen Grundbuchskörpern befindlichen öffentlichen Gut (Straße) zugeschrieben worden. Dies ergebe sich unzweifelhaft aus dem Bewilligungsbescheid vom 6. Februar 1974 und dem Beschluss des Bezirksgerichtes L. vom 30. Mai 1975 und werde im Übrigen auch vom Revisionswerber nicht in Abrede gestellt. Es sei eine Grundabtretung von Teilflächen nördlich und südlich der Verkehrsflächenachse erfolgt, und die hier relevante Teilfläche liege südlich der Verkehrsflächenachse und sei aus der EZ 320 der Verkehrsfläche zugeschrieben worden.

15 Ein allfälliger Rückübereignungsanspruch nach Art. 5 StGG bedeute jedenfalls nicht, dass diesfalls die Bestimmungen der BO außer Betracht zu bleiben hätten. Das Verwaltungsgericht teile daher im hier zu beurteilenden Einzelfall die Ansicht des Gemeinderates, dass § 6 BO, der die Größe und Gestalt von Bauplätzen regle, zu beachten sei. Darauf gestützt sei es, wie der Gemeinderat zutreffend ausgeführt habe, nach den Grundsätzen einer geordneten und zweckmäßigen Bebauung als einem der Raum- und Bauordnung immanenten Grundprinzip anzustreben, dass keine vereinzelt bleibenden Grundflächen bei Grundstücksveränderungen im Allgemeinen und bei Rückstellungsverfahren im Besonderen übrig blieben bzw. geschaffen würden. Somit stehe - auch vor dem Hintergrund des Art. 5 StGG - im vorliegenden Fall ein etwaiger Rückstellungsanspruch hinsichtlich des Teilstückes "ocker" der nunmehrigen Eigentümerin des Grundstückes mit der EZ 320 (mit dem Grundstück Nr. 2769/5), von dem die Abtretung in das öffentliche Gut ursprünglich erfolgt sei, zu. Entgegen der Ansicht des Revisionswerbers sei hier daher relevant, auf welches Grundstück sich die seinerzeitige öffentlich-rechtliche Abtretungsverpflichtung bezogen habe, nicht jedoch, wer etwa Eigentümer des infolge der Abteilung geschaffenen Bauplatzes sei (vgl. VfGH 26.2.1998, B 886/97).

16 Die Revision sei zulässig, weil nach Ansicht des Verwaltungsgerichtes noch keine gesicherte Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes zum Rückübereignungsanspruch gemäß Art. 5 StGG und - soweit erkennbar - insbesondere zur Frage, ob in diesem Zusammenhang auch die Bestimmungen der BO, insbesondere § 6 leg. cit. betreffend Größe und Gestalt von Bauplätzen, zu berücksichtigen seien, bestehe.

17 Gegen dieses Erkenntnis erhob der Revisionswerber zunächst Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof, der mit Beschluss vom 19. November 2015, E 1747/2015, deren Behandlung ablehnte und sie dem Verwaltungsgerichtshof zur Entscheidung abtrat. In diesem Beschluss führte der Verfassungsgerichtshof (u.a.) aus, dass die Beschwerde die Verletzung im verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht auf Unversehrtheit des Eigentums rüge und spezifisch verfassungsrechtliche Überlegungen zur Beurteilung der aufgeworfenen Fragen, insbesondere der Frage, ob das Verwaltungsgericht zu Recht davon ausgehe, dass ein Rückübereignungsanspruch allenfalls der nunmehrigen Eigentümerin des Grundstückes Nr. 2769/5, nicht jedoch dem Revisionswerber zukomme, insoweit nicht anzustellen seien. Soweit die Beschwerde jedoch insofern verfassungsrechtliche Fragen berühre, als die Gesetzwidrigkeit des Bebauungsplanes Nr. 126.00 "Betriebsbaugebiet L...", beschlossen vom Gemeinderat der Stadtgemeinde A. am 11. Mai 2000, kundgemacht durch Anschlag an der Amtstafel von

14. bis 30. Juni 2000, behauptet werde, wende sie sich gegen eine vom Verwaltungsgericht nicht angewendete und auch nicht anzuwendende Rechtsvorschrift. Vor dem Hintergrund der ständigen Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes zur Präjudizialität von Rechtsvorschriften lasse das Beschwerdevorbringen die behaupteten Rechtsverletzungen, die Verletzung in einem anderen verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht oder die Verletzung in einem sonstigen Recht wegen Anwendung einer rechtswidrigen generellen Norm als so wenig wahrscheinlich erkennen, dass die Beschwerde keine hinreichende Aussicht auf Erfolg habe.

18 In der vorliegenden Revision begehrt der Revisionswerber die Aufhebung des angefochtenen Erkenntnisses wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes, in eventu wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften.

19 Der Gemeinderat hat eine Revisionsbeantwortung erstattet und beantragt, die Revision zurückzuweisen, in eventu abzuweisen.

II.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

20 Die Revision ist aus den im angefochtenen Erkenntnis angeführten Gründen zulässig. Ihr kommt auch Berechtigung zu.

21 Rechtsgrundlage für die im Bescheid vom 6. Februar 1974 angeführte Grundabtretungsverpflichtung war § 6 Oö. Bauordnungsnovelle 1946, LGBl. Nr. 5/1947. Diese Bestimmung hat folgenden Wortlaut:

"§ 6.

Grundabtretungen bei Teilungen.

(1) Bei Teilung eines Grundes auf Bauplätze oder Teile von solchen gemäß § 1, Absatz 1, sind die nach Maßgabe der Baulinien zu den Verkehrsflächen entfallenden Grundteile bei beiderseitiger Bebauungsmöglichkeit bis zur Achse der Verkehrsfläche, bei einseitiger Bebauungsmöglichkeit bis zur ganzen Breite der Verkehrsfläche, in beiden Fällen aber nur bis zu 8 Meter, senkrecht zur Baulinie und von dieser aus gemessen, gleichzeitig mit der grundbücherlichen Durchführung in das Verzeichnis des öffentlichen Gutes zu übertragen und über Auftrag der Behörde in der festgesetzten Höhenlage in den physischen Besitz der Gemeinde zu übergeben. Bei Bruchpunkten in der Baulinie und bei Eckbildungen erstreckt sich diese Verpflichtung auch auf die zwischen den Senkrechten gelegenen Flächen. ...

...

(4) Soweit die Verpflichtung zur Übertragung in das Verzeichnis des öffentlichen Gutes gemäß Absatz 1 besteht, sind hiebei unentgeltlich abzutreten:

a)        alle zu den neuen Verkehrsflächen entfallenden

Grundteile, wobei als neue Verkehrsflächen solche anzusehen sind,

an die nach Maßgabe des festgesetzten Bebauungsplanes erstmalig

angebaut werden soll;

b)        die zur Verbreiterung bestehender Verkehrsflächen

entfallenden Grundteile bei Teilung eines Grundes, der bisher unbebaut war und als Bauplatz noch nicht behördlich genehmigt wurde.

Die unentgeltliche Grundabtretung erstreckt sich jedoch in beiden Fällen nur bis zu einem Höchstausmaß von 8 m, gemessen von der Baulinie aus senkrecht zur Straßenachse.

..."

22 Die BO, LGBl. Nr. 66/1994, in der hier maßgeblichen

Fassung LGBl. Nr. 90/2013 lautet in § 6 und § 17 auszugsweise wie

folgt:

"§ 6

Größe und Gestalt von Bauplätzen

(1) Bauplätze müssen eine solche Gestalt und Größe aufweisen, daß darauf den Anforderungen dieses Landesgesetzes entsprechende Gebäude einschließlich der erforderlichen Nebenanlagen, wie Kinderspielplätze, Stellplätze, Grün- und Erholungsflächen und dergleichen, errichtet werden können. Ein Bauplatz darf in der Regel nicht kleiner als 500 m2 sein. Die Unterschreitung dieses Mindestmaßes ist nur zulässig, wenn Interessen an einer zweckmäßigen und geordneten Bebauung dadurch nicht verletzt werden.

(2) Die seitlichen Grenzen der Bauplätze sollen, wenn der Bebauungsplan nichts anderes vorsieht, einen rechten Winkel mit der Straßenfluchtlinie des Bebauungsplanes oder, wenn kein Bebauungsplan vorhanden ist, einen rechten Winkel mit der Achse der angrenzenden Straße bilden.

(3) Bauplätze müssen unmittelbar durch eine geeignete öffentliche Verkehrsfläche oder durch eine der zu erwartenden Beanspruchung genügende, mindestens drei Meter breite und durch Eintragung im Grundbuch sichergestellte Verbindung zum öffentlichen Straßennetz aufgeschlossen sein; erforderlichenfalls ist dies durch Auflagen oder Bedingungen gemäß § 5 Abs. 3 sicherzustellen.

(4) Abs. 3 gilt nicht für Bauplätze, die wegen ihrer besonderen örtlichen Lage nur über andere Verkehrseinrichtungen als Straßen erreichbar sind, im übrigen aber den Bestimmungen dieses Landesgesetzes entsprechen."

"§ 17

Entschädigung

...

(2) Fallen Grundflächen, die für im Bebauungsplan oder in einer straßenrechtlichen Verordnung ausgewiesene öffentliche Verkehrsflächen der Gemeinde abgetreten werden mußten (§ 3 Abs. 3 oder § 16 Abs. 1), infolge einer Änderung oder Aufhebung des Bebauungsplans oder der straßenrechtlichen Verordnung nicht mehr unter diese Widmung, ist ihre Zurückstellung dem früheren Grundeigentümer oder dessen Rechtsnachfolger schriftlich anzubieten. Wurde die Verkehrsfläche bereits hergestellt, hat dies innerhalb von sechs Wochen nach der straßenrechtlichen Auflassung, wenn eine solche nicht erforderlich ist, nach der tatsächlichen Auflassung der Grundfläche als öffentliche Verkehrsfläche zu erfolgen. Wurde die Verkehrsfläche noch nicht hergestellt, hat das Angebot innerhalb von sechs Wochen nach Änderung oder Aufhebung des Bebauungsplans oder der straßenrechtlichen Verordnung zu erfolgen.

..."

23 Art. 5 StGG, RGBl. Nr. 142/1867, lautet wie folgt:

"Artikel 5. Das Eigenthum ist unverletzlich. Eine Enteignung gegen den Willen des Eigenthümers kann nur in den Fällen und in der Art eintreten, welche das Gesetz bestimmt."

24 Der Revisionswerber bringt im Wesentlichen vor, dass, was unstrittig sei, die seinerzeitige, einer Verbreiterung der F.- Straße dienende Grundabtretung mit dem (genannten) Bescheid vom 6. Februar 1974 erfolgt, die diesbezügliche Widmung als Verkehrsfläche hingegen erst 26 Jahre später in dem seit 26. Juni 2000 rechtswirksamen Bebauungsplan Nr. 126.00 verordnet worden sei. Wie vom Verwaltungsgericht richtig erkannt, sei mangels ursprünglichen Vorliegens eines Bebauungsplanes oder einer straßenrechtlichen Verordnung zum Abtretungszeitpunkt sowie einer Änderung oder Aufhebung derselben § 17 Abs. 2 bzw. § 18 Abs. 4 BO nicht einschlägig, sodass sich mangels einfachgesetzlicher Rechtsgrundlage der Rückübereignungsanspruch aus dem soweit unmittelbar wirkenden Art. 5 StGG ergebe. Von den Vorinstanzen sei jedoch unerörtert geblieben, dass die abgetretene Teilfläche "ocker" von der damaligen Eigentümerin des auf dem Grundstück Nr. 2765/2 neu zu schaffenden Bauplatzes (Fa. L.) im Zuge einer Einbringung deren Gesellschafters und des Vaters des Revisionswerbers (U. L.) ohnedies käuflich habe erworben werden müssen. Schon insofern komme daher eine Zurückstellung dieser Grundfläche an andere Personen als deren seinerzeitige Eigentümer bzw. deren Rechtsnachfolger nicht in den Blick.

25 Ferner dürfe, weil das öffentliche Interesse an der ursprünglich beabsichtigten Straßenverbreiterung innerhalb angemessener Frist hätte verwirklicht werden müssen, eine Verkehrsflächenwidmung ohne entsprechende Maßnahmen nicht unbegrenzt lange dauern, und es sei daher die Abtretungsfläche nach bald 42 Jahren endlich zurückzustellen. Bei Nichtrealisierung des Enteignungszweckes gebiete Art. 5 StGG jedenfalls eine rückwirkende Beseitigung der Enteignung, wobei die Behörde dessen Anforderungen nur durch Aufhebung der seinerzeitigen Enteignung mit Wirkung ex tunc erfülle.

26 Darüber hinaus könne, was die genannte Teilfläche südlich der Straßenfluchtlinie ("orange") anlange, eine verfassungskonforme Auslegung der BO nicht zum Ergebnis führen, bei zweckverfehlter Grundabtretung eine Rückübereignung an den Rechtsnachfolger des seinerzeit neu zu schaffenden Bauplatzes nur bei selbstständig bebaubaren Grundflächen (§ 6 Abs. 1 BO) zuzulassen und es insofern dem "willkürlichen Ermessen" der Baubehörde anheim zu stellen, welche Grundstücke welchem Rechtsnachfolger im Einzelfall rückübereignet würden und welche - weil in casu mit 16 m2 zu klein und nicht als Bauplatz geeignet - nicht. Ein derartiger Rückübereignungsausschluss würde dem Gesetz unter dem Aspekt des Eigentumsschutzes vielmehr Verfassungswidrigkeit unterstellen und dazu führen, dass im Zuge der Schaffung von Bauplätzen Grundstücke unter einer bestimmten Größe zwar abgetreten bzw. enteignet werden könnten, in der Folge jedoch trotz "zweckverfehlender Enteignung" nicht mehr rückübereignet werden müssten, und zwar an denjenigen, in dessen Eigentum seinerzeit eingegriffen worden sei, bzw. dessen Rechtsnachfolger.

27 Hinsichtlich der gesamten Teilfläche ("ocker") sei zusammenfassend für den gegenständlichen Rückübereignungsanspruch sohin die Rechtsnachfolge des Revisionswerbers im Eigentum am Grundstück Nr. 2765/2, auf das sich die seinerzeitige Abtretungsverpflichtung zur Schaffung eines Bauplatzes darauf gemäß dem Bescheid vom 6. Februar 1974 bezogen habe, maßgeblich. Die Zurückstellung der Abtretungsflächen habe sich daher insofern am Bauplatz zu orientieren und müsse zugunsten dessen Eigentümers bzw. Rechtsnachfolgers erfolgen und nicht an die derzeitige Eigentümerin des Restgrundstückes Nr. 2769/5. Daran ändere auch nichts, dass die abgetretene Teilfläche "ocker", welche damals vom Vater des Revisionswerbers habe erworben werden müssen, aus dem Grundstück Nr. 2769/5 stamme. Die von den Vorinstanzen vertretene Rechtsansicht würde zu dem absurden Ergebnis führen, dass die nunmehrige Eigentümerin des Restgrundstückes Nr. 2769/5 entschädigungslos um die schon lange vorher abgetretenen 16 m2 bereichert würde, obwohl sie selbst am 4. Juni 2004 lediglich das bereits Jahrzehnte früher um 16 m2 verkleinerte Grundstück Nr. 2769/5 im aktuellen Ausmaß von 607 m2 erworben habe.

28 Dazu ist Folgendes auszuführen:

29 Vorauszuschicken ist, dass der Revisionswerber mit seiner Auffassung im Recht ist, dass mangels Vorliegens eines Bebauungsplanes im Abtretungszeitpunkt für die Beurteilung des vorliegenden Rückübereignungsanspruches Art. 5 StGG unmittelbar anzuwenden ist (vgl. dazu VfSlg. 15.096/1998).

30 Voranzustellen ist weiters, dass aufgrund des Bescheides vom 6. Februar 1974 der damalige Eigentümer der Liegenschaft EZ 320 (U. L.) zur Abtretung der hier in Rede stehenden Teilfläche "ocker" verpflichtet wurde und daher zu klären ist, wer Rechtsnachfolger dieses Eigentümers in Bezug auf einen Rückübereignungsanspruch ist.

31 Das Verwaltungsgericht hat einen etwaigen Rückübereignungsanspruch des Revisionswerbers in Bezug auf die gesamte Teilfläche ("ocker") - vor dem Hintergrund des Art. 5 StGG - im Wesentlichen mit der Begründung verneint, dass ein solcher Anspruch hinsichtlich dieses Teilstückes von 16 m2, weil bei Rückstellungsverfahren unter Beachtung der die Größe und die Gestalt von Bauplätzen regelnden Bestimmung des § 6 BO keine vereinzelt bleibenden Grundflächen geschaffen werden sollten, nur der nunmehrigen Eigentümerin des Grundstückes Nr. 2769/5, von dem die Abtretung in das öffentliche Gut ursprünglich erfolgt sei, zustehe. Es sei daher relevant, auf welches Grundstück sich die seinerzeitige öffentlich-rechtliche Abtretungsverpflichtung bezogen habe, nicht jedoch, wer etwa Eigentümer des infolge der Abtretung geschaffenen Bauplatzes sei.

32 Der Verfassungsgerichtshof hat in seiner Judikatur (vgl. etwa VfSlg. 15.096/1998, mwN) den unmittelbar aufgrund der Verfassung bestehenden Rückübereignungsanspruch nach Art. 5 StGG mit der Argumentation begründet, dass dem Rechtsinstitut der Enteignung die Rückgängigmachung bei Nichtverwirklichung des als Enteignungsgrund normierten öffentlichen Zweckes immanent sei. Daraus folge, dass ein subjektives öffentliches Recht auf rückwirkende Aufhebung des Enteignungsbescheides im Falle einer zweckverfehlenden Enteignung nur demjenigen zustehe, in dessen Eigentum durch den seinerzeitigen Enteignungsbescheid eingegriffen worden sei.

33 Dieser Judikatur ist der Verwaltungsgerichtshof in seiner Rechtsprechung (vgl. etwa das vom Revisionswerber angesprochene Erkenntnis VwGH 24.6.2014, 2011/05/0150) gefolgt. Da in dem diesem Erkenntnis zugrunde liegenden Beschwerdefall der Rechtsvorgänger des Beschwerdeführers als Eigentümer der neu geschaffenen Bauplätze die abzutretenden Grundstücke zunächst erworben und in der Folge abgetreten hatte, ging der Verwaltungsgerichtshof davon aus, dass die Zurückstellung an den Beschwerdeführer als Rechtsnachfolger des Eigentümers der Bauplätze zu erfolgen hatte.

34 Der Rückübereignungsanspruch nach Art. 5 StGG ist somit kein höchstpersönlicher Anspruch, sondern kann auf den Rechtsnachfolger (Gesamtrechtsnachfolger oder auch Einzelrechtsnachfolger) übergehen (vgl. dazu VwGH 31.3.2009, 2006/06/0074).

35 In Bezug auf die Frage der Rechtsnachfolge hinsichtlich des Rückübereignungsanspruches im Sinne der oben dargestellten Judikatur hat das Verwaltungsgericht keine ausreichenden Feststellungen getroffen. Der Revisionswerber hat bereits in der an das Verwaltungsgericht erhobenen Beschwerde vorgebracht, dass der abgetretene Grundstreifen von der damaligen Eigentümerin des auf dem Grundstück Nr. 2765/2 zu schaffenden Bauplatzes (Fa. L.) im Zuge einer Einbringung ihres Gesellschafters U. L. käuflich habe erworben werden müssen. Mit diesem Vorbringen hat sich das Verwaltungsgericht überhaupt nicht befasst. Es ist daher zu klären, ob der Revisionswerber in Bezug auf den Rückübereignungsanspruch hinsichtlich dieser Teilfläche Rechtsnachfolger deren damaligen Eigentümers U. L. geworden ist.

36 Entgegen der Rechtsansicht des Verwaltungsgerichtes ist aus § 6 BO, der die Größe und Gestalt von Bauplätzen regelt, für die Beantwortung der Frage, ob dem Revisionswerber gemäß Art. 5 StGG ein Rückübereignungsanspruch zusteht, nichts zu gewinnen, kann doch der unmittelbar aus dieser verfassungsgesetzlichen Bestimmung ableitbare Rückübereignungsanspruch nicht von einer durch den Landesgesetzgeber (oder einen Verordnungsgeber in einem Bebauungsplan) festgelegten Mindestgröße eines Bauplatzes abhängig gemacht werden. Abgesehen davon wird durch eine Rückübereignung allein noch kein Bauplatz geschaffen.

37 In Verkennung der Rechtslage hat das Verwaltungsgericht somit entscheidungswesentliche Feststellungen nicht getroffen und damit das angefochtene Erkenntnis mit inhaltlicher Rechtswidrigkeit belastet.

38 Im Übrigen ist noch auf Folgendes hinzuweisen:

39 Gegebenenfalls wird von Bedeutung sein, in welchem Ausmaß die antragsgegenständliche Teilfläche ("ocker", 16 m2) als öffentliche Verkehrsfläche gewidmet ist und für diesen öffentlichen Zweck noch benötigt oder tatsächlich nicht verwendet wird, dies vor dem Hintergrund der Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes zur "zweckverfehlenden Enteignung" (vgl. dazu etwa VfSlg. 15.768/2000 und VfSlg. 16.652/2002, worin u. a. unter Hinweis auf Vorjudikatur ausgeführt wird, dass eine Abtretung von Grundflächen zu Verkehrsflächen anlässlich einer Abteilungsbewilligung - so wie eine im Zusammenhang mit einer Bauplatzbewilligung erfolgte Abtretung - eine Enteignung darstellt). In diesem Zusammenhang wird auch auf das Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes VfSlg. 19.074/2010 hingewiesen, in dem dieser unter dem Blickwinkel der Prüfung eines Wegfalles des öffentlichen Interesses an der Errichtung einer Verkehrsfläche und der Angemessenheit des Verwirklichungszeitraumes für die Herstellung dieser Verkehrsfläche unter dem Aspekt des verfassungsgesetzlichen Eigentumsschutzes seine diesbezügliche Rechtsprechung zusammengefasst hat.

40 Schließlich wird noch bemerkt, dass das Verwaltungsgericht im vorliegenden Fall eine mündliche Verhandlung durchzuführen gehabt hätte (vgl. etwa VwGH 4.11.2016, Ra 2016/05/0014, mwN).

41 Da somit das Verwaltungsgericht das angefochtene Erkenntnis, wie oben dargestellt, mit inhaltlicher Rechtswidrigkeit belastet hat, war dieses gemäß § 42 Abs. 2 Z 1 VwGG aufzuheben.

42 Gemäß § 39 Abs. 2 Z 4 VwGG konnte von der beantragten Verhandlung vor dem Verwaltungsgerichtshof abgesehen werden.

43 Der Spruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG iVm der Verordnung, BGBl. II Nr. 518/2013, in der Fassung BGBl. II Nr. 8/2014.

Wien, am 12. Dezember 2017

Schlagworte

Auslegung Gesetzeskonforme Auslegung von Verordnungen Verfassungskonforme Auslegung von Gesetzen VwRallg3/3Individuelle Normen und Parteienrechte Rechtsanspruch Antragsrecht Anfechtungsrecht VwRallg9/2

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2017:RO2016050001.J00

Im RIS seit

16.01.2018

Zuletzt aktualisiert am

07.02.2018
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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