TE Lvwg Erkenntnis 2017/8/10 405-9/297/1/10-2017

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Veröffentlicht am 10.08.2017
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Entscheidungsdatum

10.08.2017

Index

L92105 Behindertenhilfe Rehabilitation Salzburg
40/01 Verwaltungsverfahren

Norm

AVG §3
BehindertenG Slbg 1975 §18
BehindertenG Slbg 1975 §11

Text

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Landesverwaltungsgericht Salzburg hat durch die Richterin Mag. Michaela Slama über die Beschwerde der AA GmbH, AE, AC AD, gegen den Bescheid der Bezirkshauptmannschaft Salzburg-Umgebung vom 17.3.2017, Zahl 30404-BEH/AJ303/5-2017, wegen Versagung eines Lohnkostenzuschusses nach dem Salzburger Behindertengesetz 1981

zu Recht e r k a n n t :

I.     Gemäß § 28 VwGVG iVm § 3 Z 2 und 3 AVG wird der angefochtene Bescheid wegen Unzuständigkeit der belangten Behörde aufgehoben.

II.    Gegen dieses Erkenntnis ist gemäß § 25a VwGG die ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art 133 Abs 4 B-VG nicht zulässig.

E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e

Verfahrensgang:

1.       Mit Schreiben vom 16.12.2016 beantragte die AA GmbH gemäß § 11 Salzburger Behindertengesetz 1981 (SBG) den teilweisen Ersatz der für den Arbeitnehmer AI AH, wohnhaft in AK AL, AM, anfallenden Lohnkosten für das Jahr 2017.

2.       Mit dem angefochtenen Bescheid wies die belangte Behörde diesen Antrag ab, weil keine Behinderung im Sinne des § 2 Salzburger Behindertengesetz vorliege.

3.       Gegen diesen Bescheid erhob die Beschwerdeführerin fristgerecht Beschwerde und führte im Wesentlichen aus, dass näher genannte Einschränkungen und die damit verbundenen Auswirkungen die Grundlage für eine dauerhafte wesentliche Beeinträchtigung des AI AH darstelle, die mindestens zu der beantragten Minderleistung führten.

4.       Mit Schreiben vom 12.7.2017 gewährte das Landesverwaltungsgericht Salzburg zur Frage der örtlichen Zuständigkeit der belangten Behörde Parteiengehör.

Die Behörde nahm dazu wie folgt Stellung:

"Bezug nehmend auf die Äußerungsaufforderung vom 12.07.2017 darf zur Frage der örtlichen Zuständigkeit folgende Sichtweise der Behörde dargelegt werden:

Das Salzburger Behindertengesetz (SBG) hat, wie sich schon aus der Zielformulierung (§ 1) ergibt, ausschließlich den Menschen mit Behinderungen bzw. die Ermöglichung seiner gleichberechtigten gesellschaftlichen Teilhabe im Fokus. Der Mensch mit Behinderungen (und nicht der Betrieb) muss bestimmte, gesetzlich definierte Voraussetzungen erfüllen, damit ihm überhaupt eine Maßnahme gewährt werden kann (Vorliegen einer Behinderung - § 2 SBG; Erfüllung bestimmter persönlicher Voraussetzungen - § 4 SBG; usw).

Auch die Hilfe durch geschützte Arbeit (§ 11 SBG) ist keine „Wirtschaftsförderung“. Diese Maßnahme dient vielmehr, wie der Gesetzestext unmissverständlich formuliert, dazu, Menschen mit Behinderungen, die auf dem Arbeitsmarkt aufgrund ihrer Behinderung nicht konkurrenzfähig sind, die Beschäftigung (und ein angemessenes Entgelt) zu sichern. An diesem Zweck der Bestimmung ändert auch der Umstand nichts, dass das Gesetz im § 18 den Betrieb als Anspruchsberechtigten vorsieht. Diese Regelung ermöglicht die Auszahlung eines „Gesamtlohns“, ist also einerseits der Praktikabilität geschuldet (ansonsten wäre eine zusätzliche/eigene Steuer-, Sozialversicherungsverrechnung, etc. durch das Land durchzuführen) und dient andererseits der gleichberechtigten Teilhabe am Arbeitsmarkt, indem der Dienstnehmer von seinem Dienstgeber das volle Arbeitsentgelt erhält.

Die zitierte Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofs und die Ausführungen dazu in Hengstschläger/Leeb, AVG § 3 Rz 4, sind unseres Erachtens auf den gegenständlichen Sachverhalt nicht umlegbar. Die der Entscheidung zugrundliegende Sach- und Rechtslage ist eine ganz andere. Die Rückerstattung gemäß Bauarbeiter-Schlechtwetterentschädigungsgesetz, die hier gegenständlich ist, ist mit der Hilfe durch geschützte Arbeit gemäß Salzburger Behindertengesetz nicht vergleichbar. In dem ersten Fall geht es um rein monetäre Interessen des Dienstgebers (Antrag des Dienstgebers beim „Arbeitsamt“ auf Rückerstattung von Schlechtwetterentschädigungen, welche der Dienstgeber seinen Mitarbeitern bezahlt hat).

Im Fall der Hilfe durch geschützte Arbeit gem. § 11 SBG werden zwar auch Geldleistungen an den Arbeitgeber erbracht; hier sind jedoch, wie bereits oben dargelegt wurde, für die Gewährung der Leistung die Interessen des (behinderten) Dienstnehmers – von Relevanz.

Zusammengefasst ist deshalb unseres Erachtens im Anwendungsbereich des Salzburger Behindertengesetzes auch für Maßnahmen gem. § 11 der Hauptwohnsitz der (ersten) Verfahrenspartei (also des Menschen mit Behinderungen) für die örtliche Zuständigkeit ausschlaggebend, und nicht der Sitz des Betriebes/Arbeitgebers als mitbeteiligte Partei."

Die Beschwerdeführerin führte im Wesentlichen aus, dass die historische Interpretation keinen Anhaltspunkt für eine örtliche Zuständigkeit der Bezirksverwaltungsbehörde am Sitz des Arbeitgebers biete. § 18 SBG sei nicht zu entnehmen, dass die örtliche Zuständigkeit am Sitz des Arbeitgebers gegeben sei, vielmehr finde sich in § 18 Abs 1 SBG der Hinweis, dass gegen den Willen eines Menschen mit Behinderung eine Hilfeleistung nicht in Betracht komme. Die materiellrechtliche Qualität des § 3 AVG sei nach herrschender Lehre verfassungswidrig, da § AVG auch auf Angelegenheiten Anwendung finde, die in die Gesetzgebungskompetenz der Länder falle. Eine echte geplante Lücke, die im Wege der Analogie geschlossen werden müsse, sei dem SBG nicht zu entnehmen. Selbst bei Vorliegen einer örtlichen Unzuständigkeit sei dies keine Rechtswidrigkeit, die in die Verfassungssphäre reiche, weil die wesentliche Zuordnung einer Materie zu einer bestimmten Behörde in keiner Instanz gestört werde und die Sachentscheidung daher letztlich vom vorgesehenen Verwaltungsgericht getroffen werde. Auch aus verfahrensökonomischen Gründen werde einer sachlichen Behandlung der Beschwerde durch das Landesverwaltungsgericht der Vorzug gegeben.

Das Landesverwaltungsgericht Salzburg hat erwogen:

1.       Feststellungen und Beweiswürdigung:

Die Beschwerdeführerin ist ein gemeinnütziges Unternehmen, welches im Land Salzburg Einrichtungen zur Beschäftigung begünstigter Behinderter im Sinne des Behinderteneinstellungsgesetz (BEinstG), die wegen Art und Schwere der Behinderung noch nicht oder nicht wieder auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt tätig sein können, bei denen aber eine wirtschaftlich verwertbare Mindestleistungsfähigkeit vorliegt, betreibt. Die Beschwerdeführerin hat ihren Sitz in der Stadt Salzburg, AE, AC AD.

AI AH ist am AJ geboren, deutscher Staatsangehöriger und im Bezirk Salzburg-Umgebung, AK AL, AM wohnhaft. AI AH ist seit 4.7.2011 bei der Beschwerdeführerin in einem Dienstverhältnis beschäftigt und führt im verfahrensgegenständlichen Jahr 2017 Arbeiten in der Zentrale der Beschwerdeführerin in der Stadt Salzburg aus.

Auf Grundlage des Dienstvertrages zahlt die Beschwerdeführerin dem Mitbeteiligten AI AH im Jahr 2017 ein monatliches Gehalt aus.

Zur Beweiswürdigung ist auszuführen, dass sich die obigen Feststellungen widerspruchsfrei und unstrittig aus den Akten ergeben.

2.       Rechtsgrundlagen:

Die maßgeblichen Bestimmungen des Salzburger Behindertengesetzes 1981 (SBG) lauten:

Zielsetzung§ 1

(1) Ziel dieses Gesetzes ist es, Menschen mit Behinderungen im Land Salzburg durch Hilfeleistungen die gleichberechtigte Teilhabe am gesellschaftlichen Leben zu ermöglichen.

(2) Die Bestimmungen dieses Gesetzes sind so auszulegen, dass sie in die Zuständigkeiten des Bundes nicht eingreifen.

Menschen mit Behinderungen§ 2

Menschen mit Behinderungen im Sinn dieses Gesetzes sind Personen mit wesentlichen Beeinträchtigungen ihrer körperlichen Funktionen, Sinnesfunktionen, kognitiven Fähigkeiten oder psychischen Gesundheit, welche sie in Wechselwirkung mit verschiedenen Barrieren an der gleichberechtigten Teilhabe am gesellschaftlichen Leben maßgeblich benachteiligen. Dabei müssen die Beeinträchtigungen mit hoher Wahrscheinlichkeit länger als sechs Monate andauern und gelten vorwiegend altersbedingte Beeinträchtigungen nicht als Behinderungen.

Hilfeleistungen§ 3

(1) Als Hilfeleistungen nach diesem Gesetz kommen in Betracht:

1.

die Eingliederungshilfe,

2.

soziale Dienste.

(2) Auf die Eingliederungshilfe besteht ein Rechtsanspruch. Kein Rechtsanspruch besteht auf eine bestimmte Maßnahme, Art oder Einrichtung der Eingliederungshilfe sowie auf soziale Dienste.

Persönliche Voraussetzungen§ 4

(1) Anspruch auf Hilfeleistungen nach diesem Gesetz haben Menschen mit Behinderungen, die ihren Hauptwohnsitz im Land Salzburg haben. Der Anspruch auf Hilfeleistung bleibt aufrecht, wenn Menschen mit Behinderungen auf Grund einer bewilligten Maßnahme der Eingliederungshilfe ihren Hauptwohnsitz in ein anderes Bundesland oder ins Ausland verlegen.

(2) Hilfeleistungen nach diesem Gesetz stehen außerdem nur zu:

1.

Personen mit österreichischer Staatsbürgerschaft;

2.

Personen, denen ein unionsrechtliches Aufenthaltsrecht gemäß § 15a FPG oder gemäß den §§ 51 bis 54a und 57 NAG zukommt, ausgenommen nicht erwerbstätige Personen in den ersten drei Monaten ihres Aufenthalts im Inland;

3.

Personen mit einem Aufenthaltstitel:

a)

„Daueraufenthalt-EU“ gemäß § 45 NAG,

b)

„Familienangehöriger“ gemäß § 47 Abs 2 NAG,

c)

„Daueraufenthalt-EU“ eines anderen Mitgliedsstaates und einer Niederlassungsbewilligung gemäß § 49 NAG;

4.

Personen, denen der Status des Asylberechtigten (§ 2 Abs 1 Z 15 AsylG 2005) zuerkannt worden ist.

Maßnahmen der Eingliederungshilfe§ 5

Im Rahmen der Eingliederungshilfe können nach den Erfordernissen des einzelnen Falles gewährt werden:

a)

Heilbehandlung (§ 6);

b)

Versorgung mit Körperersatzstücken, orthopädischen Behelfen und anderen Hilfsmitteln (§ 7);

c)

Hilfe zur Erziehung und Schulbildung (§ 8);

d)

Hilfe zur beruflichen Eingliederung (§ 9);

e)

Hilfe zur sozialen Eingliederung (§ 10);

f)

Hilfe zur sozialen Betreuung (§ 10a);

g)

Hilfe durch geschützte Arbeit (§ 11).

Hilfe durch geschützte Arbeit§ 11

(1) Zweck der geschützten Arbeit ist es, für Menschen mit Behinderungen, bei denen eine der vorstehenden Maßnahmen der Eingliederungshilfe nicht oder nicht mehr angezeigt erscheint, und die wegen ihrer Behinderungen auf dem Arbeitsmarkt mit Menschen ohne Behinderungen nicht mit Erfolg konkurrieren können, auf einem geeigneten Arbeitsplatz die Beschäftigung zum betriebsüblichen Entgelt, in einem integrativen Betrieb (Abs 2) aber zumindest zum kollektivvertraglichen Entgelt zu sichern.

(3) Das zumindest kollektivvertragliche bzw betriebsübliche Entgelt für die Beschäftigung in (integrativen) Betrieben ist dadurch zu gewährleisten, dass dem Betriebsinhaber oder der Betriebsinhaberin der Unterschied zwischen dem tatsächlichen Wert der Arbeitsleistung des Menschen mit Behinderungen und dem Arbeitsentgelt, höchstens jedoch 50 %, ersetzt wird. Das genannte Entgelt kann – soweit dies nach den in Betracht kommenden gesetzlichen und kollektivvertraglichen Regelungen möglich ist – insoweit unterschritten werden, als die Arbeitsleistung des Menschen mit Behinderungen 50 % der üblichen Arbeitsleistung nicht erreicht, wobei jedoch 30 % derselben keinesfalls unterschritten sein dürfen. An Ersatz sind in diesen Fällen 50 % des kollektivvertraglichen bzw betriebsüblichen Entgeltes zu leisten.

Verfahren§ 18

(1) Eingliederungshilfe ist, sofern nicht anderes bestimmt ist, auf Antrag des Anspruchsberechtigten oder von Amts wegen zu leisten. Als Anspruchsberechtigter gilt der Mensch mit Behinderungen, bei der Erprobung auf einem Arbeitsplatz (§ 9 Abs. 1 lit. b) sowie der geschützten Arbeit (§ 11) der Betriebsinhaber. Gegen den Willen eines Menschen mit Behinderungen oder des gesetzlichen Vertreters kommt eine Hilfeleistung nicht in Betracht. Die Zuerkennung, Änderung und Einstellung der Eingliederungshilfe erfolgt, ausgenommen im Fall des Zustandekommens einer Vereinbarung gemäß § 11 Abs 4, durch Bescheid. Für bereits gesetzte Maßnahmen und vergangene Zeiträume kommt eine nachträgliche Hilfeleistung nicht in Betracht; dies gilt nicht für Leistungen, die nach der Antragstellung durch den Sozialhilfeträger auf Grund eines Bescheides erbracht wurden. Ändern sich die Voraussetzungen für die Hilfeleistung, so ist diese, sofern nicht besonderes bestimmt ist, den geänderten Gegebenheiten entsprechend neu festzusetzen. Dasselbe gilt, wenn nachträglich hervorkommt, daß die Voraussetzungen für die Hilfeleistung nicht in der ihr zugrundegelegten Weise gegeben waren.

(2) Leistungen der sozialen Dienste für Menschen mit Behinderungen können nur auf Antrag gewährt werden.

(3) Für die Besorgung der Aufgaben der Eingliederungshilfe ist, sofern nicht anderes bestimmt ist, die Bezirksverwaltungsbehörde, für die der sozialen Dienste für Menschen mit Behinderungen und für die Aufgaben nach § 4b Abs 2 die Landesregierung sachlich zuständig. Die Landesregierung kann nichtbehördliche Aufgaben zur Besorgung an die Bezirksverwaltungsbehörde übertragen, soweit dies der Einfachheit, Zweckmäßigkeit, Raschheit und Kostenersparnis dient.

(4) Die Behinderung (§ 2) ist durch ein Gutachten einer mit Behindertenangelegenheiten betrauten Ärztin des Amtes der Landesregierung bzw eines solchen Arztes (Sozialärztin bzw Sozialarzt) festzustellen. Erforderlichenfalls kann dafür auch eine Expertin oder ein Experte auf dem Gebiet der jeweiligen Beeinträchtigung herangezogen werden.

Die maßgeblichen Bestimmungen des Allgemeinen Verwaltungsverfahrensgesetzes 1991 (AVG) lauten:

Zuständigkeit
§ 1.

Die sachliche und örtliche Zuständigkeit der Behörden richtet sich nach den Vorschriften über ihren Wirkungsbereich und nach den Verwaltungsvorschriften.

§ 3.

Soweit die in § 1 erwähnten Vorschriften über die örtliche Zuständigkeit nichts bestimmen, richtet sich diese

1.

in Sachen, die sich auf ein unbewegliches Gut beziehen: nach der Lage des Gutes;

2.

in Sachen, die sich auf den Betrieb eines Unternehmens oder einer sonstigen dauernden Tätigkeit beziehen: nach dem Ort, an dem das Unternehmen betrieben oder die Tätigkeit ausgeübt wird oder werden soll;

3. in sonstigen Sachen: zunächst nach dem Hauptwohnsitz (Sitz) des Beteiligten, und zwar im Zweifelsfall des belangten oder verpflichteten Teiles, dann nach seinem Aufenthalt, dann nach seinem letzten Hauptwohnsitz (Sitz) im Inland, schließlich nach seinem letzten Aufenthalt im Inland, wenn aber keiner dieser Zuständigkeitsgründe in Betracht kommen kann oder Gefahr im Verzug ist, nach dem Anlaß zum Einschreiten; kann jedoch auch danach die Zuständigkeit nicht bestimmt werden, so ist die sachlich in Betracht kommende oberste Behörde zuständig.

3.       Erwägungen:

Gemäß § 1 AVG ist die sachliche und örtliche Zuständigkeit der Behörde nach den Vorschriften über den Wirkungsbereich der Behörden und den Verwaltungsvorschriften zu prüfen. Soweit diese Vorschriften über die örtliche Zuständigkeit nichts bestimmen, richtet sich die örtliche Zuständigkeit nach § 3 AVG.

Selbst wenn man mit einem Teil der Lehre davon ausginge, dass § 3 AVG in verfassungskonformer Interpretation dahin gehend einschränkend auszulegen sei, dass er für in die Gesetzgebungskompetenz der Länder fallenden Angelegenheiten keine Geltung beanspruche, wäre diese offenkundig planwidrige Regelungslücke durch die analoge Anwendung des § 3 AVG zu schließen, sodass wiederum § 3 AVG anzuwenden wäre (vgl Hengstschläger/Leeb, Verwaltungsverfahrensrecht, 3. Auflage, Rz 60 und Hengstschläger/Leeb, AVG § 1 Rz 11 und § 3 Rz 1, Stand 1.1.2014, rdb.at).

§ 18 Abs 3 Salzburger Behindertengesetz 1981 (SBG) bestimmt zur sachlichen Zuständigkeit, dass die Bezirksverwaltungsbehörden für die Besorgung der Aufgaben der Eingliederungshilfe zuständig sind. Zur örtlichen Zuständigkeit finden sich im SBG keine Bestimmungen. Die örtliche Zuständigkeit der Bezirksverwaltungsbehörde ist daher subsidiär nach § 3 AVG zu prüfen.

Was das Verhältnis der einzelnen Tatbestände des § 3 AVG angeht, sind dessen Ziffer 1 und 2 als leges speciales zur Auffangregelung der Ziffer 3 zu qualifizieren (vgl die in Hengstschläger/Leeb, AVG § 3 Rz 2, Stand 1.1.2014, rdb.at, zitierte Rechtsprechung).

Gemäß § 3 Z 2 AVG richtet sich die örtliche Zuständigkeit in Sachen, die sich auf den Betrieb eines Unternehmens oder einer sonstigen dauernden Tätigkeit beziehen, nach dem Ort, an dem das Unternehmen betrieben oder die Tätigkeit ausgeübt wird oder werden soll. Die Beurteilung, ob sich eine Sache auf den Betrieb eines Unternehmens oder auf eine sonstige dauernde Tätigkeit bezieht, richtet sich nach der den jeweiligen Gegenstand des Verfahrens bildenden Verwaltungsangelegenheit, bedarf also eines Rückgriffs auf das in der Sache anzuwendende Recht.

Wie sich bereits aus § 1 SBG ergibt und von der belangte Behörde in ihrer Stellungnahme ausgeführt wurde, ist es das Ziel des Salzburger Behindertengesetzes, Menschen mit Behinderungen im Land Salzburg durch Hilfeleistungen die gleichberechtigte Teilhabe am gesellschaftlichen Leben zu ermöglichen. Im Fokus stehen damit Menschen mit Behinderungen bzw. die Ermöglichung ihrer gleichberechtigten gesellschaftlichen Teilhabe. Gemäß § 11 SBG ist es Zweck der geschützten Arbeit, für Menschen mit Behinderungen, bei denen bestimmte andere Maßnahmen der Eingliederungshilfe nicht oder nicht mehr angezeigt erscheinen, und die wegen ihrer Behinderungen auf dem Arbeitsmarkt mit Menschen ohne Behinderungen nicht mit Erfolg konkurrieren können, auf einem geeigneten Arbeitsplatz die Beschäftigung zum betriebsüblichen Entgelt, in einem integrativen Betrieb aber zumindest zum kollektivvertraglichen Entgelt, zu sichern. Die Beschäftigung auf einem geeigneten Arbeitsplatz zum betriebsüblichen Entgelt ist aber gemäß § 11 Abs 3 SBG dadurch zu gewährleisten, dass dem Betriebsinhaber oder der Betriebsinhaberin der Unterschied zwischen dem tatsächlichen Wert der Arbeitsleistung des Menschen mit Behinderungen und dem Arbeitsentgelt, höchstens jedoch 50 %, ersetzt wird. Dementsprechend sieht § 18 Abs 1 zweiter Satz SBG vor, dass bei der geschützten Arbeit anders als bei anderen Maßnahmen der Eingliederungshilfe der Betriebsinhaber (und nicht die behinderte Person) als Anspruchsberechtigter gilt.

Der Antrag gemäß § 11 SBG auf Gewährung eines Lohnkostenersatzes wurde daher von der Beschwerdeführerin gestellt und würde bei positiver Erledigung der Lohnkostenersatz der Beschwerdeführerin gewährt und an diese ausbezahlt. Die Eingliederungshilfe durch geschützte Arbeit nach § 11 SBG bezieht sich damit auf den Betrieb des Unternehmens der Beschwerdeführerin. Der Ort, an dem das Unternehmen der Beschwerdeführerin betrieben wird, ist deren Zentrale in der Stadt Salzburg, AE. Auch die dauernde Tätigkeit des AI AH wird an diesem Ort ausgeübt.

Damit besteht schon gemäß § 3 Z 2 AVG die örtliche Zuständigkeit des Bürgermeisters der Landeshauptstadt Salzburg zur Entscheidung über den Antrag.

Selbst wenn man dieser Ansicht nicht folgen würde, ergäbe sich auch aus § 3 Z 3 AVG die örtliche Zuständigkeit des Bürgermeisters der Landeshauptstadt Salzburg:

Die Auffangregelung des § 3 Z 3 AVG bestimmt, dass sich die örtliche Zuständigkeit in sonstigen Sachen zunächst nach dem Hauptwohnsitz (Sitz) des Beteiligten richtet. Handelt es sich um eine juristische Person, ist der Sitz des Beteiligten maßgeblich. Antragstellerin und Partei im gegenständlichen Verfahren nach dem Salzburger Behindertengesetz 1991 ist die Beschwerdeführerin. Diese hat ihren Sitz in der Stadt Salzburg, AC AD, AE. Damit ist auch gemäß § 3 Z 3 AVG eine örtliche Zuständigkeit des Bürgermeisters der Landeshauptstadt zur Entscheidung über den gegenständlichen Antrag gegeben.

Zum Vorbringen der Behörde, dass sich das Salzburger Behindertengesetz ausschließlich auf Menschen mit Behinderungen beziehe, die Hilfe durch geschützte Arbeit keine "Wirtschaftsförderung" sei, sondern diese Maßnahme dazu diene, Menschen mit Behinderungen die Beschäftigung und ein angemessenes Entgelt zu sichern und dass der Umstand, dass § 18 SBG den Betrieb als Anspruchsberechtigten vorsieht einerseits der Praktikabilität geschuldet sei und andererseits dazu diene den behinderten Menschen die gleichberechtigte Teilhabe am Arbeitsmarkt zu ermöglichen, ist auszuführen, dass dies unstrittig ist. § 18 Abs 1 SBG sieht im Falle der Hilfe durch geschützte Arbeit gemäß § 11 SBG aber ausdrücklich den Betriebsinhaber als Antragsteller vor und ist auf diesen bei der Frage der örtlichen Zuständigkeit mangels gesonderter Bestimmungen im Salzburger Behindertengesetz gemäß § 3 AVG abzustellen.

Zum Vorbringen der Beschwerdeführerin ist ergänzend zu den obigen Ausführungen zu § 3 AVG auszuführen, dass nach der auf das Beschwerdeverfahren übertragbaren ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofs zu Berufungen die Beschwerdeinstanz ihre eigene Unzuständigkeit sowie jene der Unterinstanz selbst dann von Amts wegen aufzugreifen hat, wenn sie weder im Verfahren eingewendet noch in der Beschwerde releviert wurde. Verfahrensökonomische Gründe können dabei keine Beachtung finden.

Die Durchführung einer Verhandlung konnte gemäß § 24 Abs 2 Z 1 VwGVG entfallen.

Es war daher spruchgemäß zu entscheiden.

4.       Unzulässigkeit der ordentlichen Revision:

Die ordentliche Revision ist nicht zulässig, da keine Rechtsfrage im Sinne des Art 133 Abs 4 B-VG zu beurteilen war, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Es liegt zwar, soweit überblickbar, keine Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofs zur örtlichen Zuständigkeit der Behörde bei Anträgen von Betriebsinhabern auf Eingliederungshilfe durch Hilfe durch geschützte Arbeit gemäß § 11 SBG vor. Jedoch kann in Ansehung der klaren Lösbarkeit der Rechtsfrage aus dem Wortlaut des § 3 AVG keine grundsätzliche Bedeutung im Sinne des Art 133 Abs 4 B-VG erblickt werden (vgl Köhler, der Zugang zum VwGH in der zweistufigen Verwaltungsgerichtbarkeit, ecolex 2013, 589, 596ff).

Schlagworte

örtliche Zuständigkeit, Betriebsinhaber - Anspruchsberechtigter

Anmerkung

ao Revision, VwGH vom 22.11.2017, Ra 2017/10/0174-3, Zurückweisung

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:LVWGSA:2017:405.9.297.1.10.2017

Zuletzt aktualisiert am

15.01.2018
Quelle: Landesverwaltungsgericht Salzburg LVwg Salzburg, https://www.salzburg.gv.at/lvwg
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