TE Vwgh Beschluss 2017/11/20 Ra 2017/05/0239

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Veröffentlicht am 20.11.2017
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Index

L37154 Anliegerbeitrag Aufschließungsbeitrag Interessentenbeitrag
Oberösterreich;
L81704 Baulärm Umgebungslärm Oberösterreich;
L82000 Bauordnung;
L82004 Bauordnung Oberösterreich;
L82304 Abwasser Kanalisation Oberösterreich;
10/07 Verwaltungsgerichtshof;

Norm

BauO OÖ 1994 §31 Abs4;
BauRallg;
VwGG §30 Abs2;
VwGG §30 Abs5;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat über den Antrag der H GmbH, vertreten durch Dr. Franz Essl, Rechtsanwalt in 5020 Salzburg, Mühlbacherhofweg 4/1, der gegen den Beschluss des Landesverwaltungsgerichtes Oberösterreich vom 8. Juni 2017, Zl. LVwG-151178/9/AL, betreffend Einwendungen gegen ein Bauvorhaben (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht:

Gemeinderat der Gemeinde U, vertreten durch die Dr. Heinz Häupl Rechtsanwalts GmbH in 4865 Nußdorf, Stockwinkl 18; mitbeteiligte Partei: L GmbH, vertreten durch Dr. Wolfgang Auer, Rechtsanwalt in 5020 Salzburg, Siebenstädterstraße 64; weitere Partei:

Oberösterreichische Landesregierung), erhobenen Revision die aufschiebende Wirkung zuzuerkennen, den Beschluss gefasst:

Spruch

Gemäß § 30 Abs. 2 VwGG wird dem Antrag nicht stattgegeben.

Begründung

1 Mit Bescheid des Gemeinderates der Gemeinde U. vom 19. Dezember 2016 wurde die von der revisionswerbenden Partei gegen den Bescheid des Bürgermeisters der Gemeinde U. vom 3. November 2016, mit dem der mitbeteiligten Partei die Baubewilligung für die Errichtung einer Wohnanlage mit acht Wohnungen auf einem näher bezeichneten Grundstück erteilt worden war, erhobene Berufung "zurück- und abgewiesen".

2 Mit dem angefochtenen Beschluss wurde (unter Spruchpunkt I.) die von der revisionswerbenden Partei gegen diesen Berufungsbescheid erhobene Beschwerde mangels Parteistellung als unzulässig zurückgewiesen und (unter Spruchpunkt II.) eine ordentliche Revision für unzulässig erklärt.

3 Dazu führte das Landesverwaltungsgericht (u.a.) aus, dass die revisionswerbende Partei als Nachbarin keine zulässigen Einwendungen gegen das Bauvorhaben erhoben habe. Mit dem Vorbringen in Bezug auf die von ihr befürchtete Hangrutschgefahr wie auch mit ihrem Vorbringen hinsichtlich der Parkplatzsituation auf dem Bauplatz und darauf, dass das Bauprojekt "trotz der Größe des Grundstücks darauf angewiesen ist, auf Parkbühnen zurückzugreifen", habe sie kein subjektiv-öffentliches Nachbarrecht im Sinne des § 31 Abs. 4 Oö. Bauordnung 1994 behauptet.

4 Der vorliegende, mit der Revision verbundene Aufschiebungsantrag wird im Wesentlichen damit begründet, dass das Wohngebäude der revisionswerbenden Partei auf einem steilen Hang liege und es nicht vorauszusehen sei, welche Schäden bei Grabungsarbeiten an dem zu Hangrutschungen neigenden Gelände und beim Entwurzeln der Bäume eintreten würden. Die Sachverständigen M. hätten in ihren Ausführungen die Sicherheit negativ bewertet und auf die Gefahrenträchtigkeit hingewiesen. Betont sei, dass der Untergrund am Projektstandort zu Kriechbewegungen neige und als labil zu bezeichnen sei und dass davon auszugehen sei, dass Untergrundeingriffe, die bei Baubeginn unvermeidlich seien, zusätzlich destabilisierend wirken könnten (Gutachten M. vom 6. Februar 2015). In diesem Gutachten werde darauf hingewiesen, dass mittels konstruktiver Baugrubensicherung Schäden der Nachbarbebauung hintangehalten werden müssten, was unterstreiche, wie massiv das Grundstück der revisionswerbenden Partei durch das Bauvorhaben gefährdet sei. Außerdem habe sich die Gefährdung seit dieser Gutachtenserstellung erhöht, weil die mitbeteiligte Partei seit dem Erwerb des Baugrundstückes keine Bewirtschaftungs- und Pflegearbeiten am Grundstück durchgeführt und dieses nicht gemäht habe, sodass sich der Strauch- und Baumbestand mittlerweile unkontrolliert vergrößert habe und das unmittelbar angrenzende Grundstück der revisionswerbenden Partei im Falle von Grabungsarbeiten allein schon durch das Entfernen von Bäumen, Sträuchern und Wurzelwerk in Mitleidenschaft gezogen werde. Auf diesem Grundstück befinde sich eine Natursteinstiege, die die einzige Zugangsmöglichkeit zum Wohngebäude der revisionswerbenden Partei sei und laut Fachmeinung bei jeder Erdbewegung in der Nähe "davonrutschen" könne. Der revisionswerbenden Partei drohe daher ein unwiederbringlicher Schaden durch Hangrutschungen.

5 Gemäß § 30 Abs. 2 erster Satz VwGG hat der Verwaltungsgerichtshof auf Antrag des Revisionswerbers die aufschiebende Wirkung mit Beschluss zuzuerkennen, wenn dem nicht zwingende öffentliche Interessen entgegenstehen und nach Abwägung der berührten öffentlichen Interessen und Interessen anderer Parteien mit dem Vollzug des angefochtenen Erkenntnisses oder mit der Ausübung der durch das angefochtene Erkenntnis eingeräumten Berechtigung für den Revisionswerber ein unverhältnismäßiger Nachteil verbunden wäre. Gemäß § 30 Abs. 5 VwGG sind auf die Beschlüsse der Verwaltungsgerichte die für ihre Erkenntnisse geltenden Bestimmungen dieses Paragraphen sinngemäß anzuwenden.

6 Der Verwaltungsgerichtshof hat im Verfahren über die Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung die Rechtmäßigkeit der angefochtenen Entscheidung nicht zu beurteilen, und es haben Mutmaßungen über den voraussichtlichen Ausgang des Revisionsverfahrens bei der Frage der Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung außer Betracht zu bleiben. Selbst die mögliche Rechtswidrigkeit der angefochtenen Entscheidung ist kein Grund für die Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung. Ist daher das in der Revision erstattete Vorbringen nach der Aktenlage nicht etwa von vornherein als zutreffend zu erkennen, ist bei der Entscheidung über die Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung jedenfalls zunächst von den Annahmen des Verwaltungsgerichtes auszugehen, was jedenfalls Annahmen betrifft, die nicht von vornherein als unschlüssig zu erkennen sind bzw. die ins Auge springende Mängel nicht erkennen lassen (vgl. zum Ganzen etwa VwGH 11.4.2017, Ra 2017/05/0033, mwN).

7 Die bloße Ausübung der mit einer Bewilligung eingeräumten Berechtigung während des Revisionsverfahrens kann für sich allein nicht als unverhältnismäßiger Nachteil betrachtet werden. Demgegenüber liegt das Interesse eines Bauwerbers an der baldigen Umsetzung seines Bauvorhabens auf der Hand. Im Falle des Obsiegens des Nachbarn hat allein der Bauwerber die Folgen einer dann allenfalls eingetretenen Konsenslosigkeit des ausgeführten Baues und die damit verbundenen finanziellen Nachteile zu tragen und wäre die Behörde von Amts wegen verpflichtet, für die Beseitigung eines dann konsenslos errichteten Baues zu sorgen (vgl. nochmals VwGH 11.4.2017, Ra 2017/05/0033, mwN).

8 Das Landesverwaltungsgericht ist im angefochtenen Beschluss der Beurteilung des Gemeinderates im Berufungsbescheid, wonach die Berufung der revisionswerbenden Partei gegen den erstinstanzlichen Baubewilligungsbescheid auch in Bezug auf ihre Einwendung des Vorliegens eines Hangrutschungsgebietes "zurück- und abzuweisen" sei, nicht entgegengetreten. Dazu wurde im Berufungsbescheid ausgeführt, dass zur konkreten Situation ein Gutachten eines Sachverständigen eingeholt worden und dieser zum Ergebnis gekommen sei, dass die Bebauung mit dem geplanten Bauvorhaben bei Einhaltung diverser Auflagen bautechnisch zulässig sei. Es liege zudem ein geologisches Gutachten der Sachverständigen M. vom Februar 2016 (offenbar gemeint: das erwähnte Gutachten vom 6. Februar 2015) vor, worin dies bestätigt werde. Die entsprechenden Auflagen habe die erstinstanzliche Baubehörde auch verfügt, sodass der revisionswerbenden Partei nicht zu folgen sei. In diesem Gutachten (vgl. darin Punkt 4.1) wurde (u.a.) ausgeführt, dass bei einer dem Baugrund angepassten Baugrubensicherung und Gründung sowie einer ausreichend dimensionierten Drainagierung im Zuge des Baues von keinen negativen Auswirkungen auf das Hanggleichgewicht auszugehen sei.

9 Schon in Anbetracht dieser gutachterlichen Ausführungen, auf die sich die Baubehörden (u.a.) gestützt haben, legt die revisionswerbende Partei keinen unverhältnismäßigen Nachteil im Sinne des § 30 Abs. 2 erster Satz VwGG dar. Abgesehen davon jedoch steht den Nachbarn in Fragen der Tragfähigkeit des Untergrundes des Bauplatzes und der Statik kein Mitspracherecht zu (vgl. aus der ständigen hg. Judikatur etwa VwGH 24.2.2015, 2013/05/0054, und 29.9.2016, 2013/05/0193, mwN).

10 Mit einem Vorbringen, das - wie hier in Bezug auf eine Hangrutschungsgefahr - kein subjektiv-öffentlich rechtliches Nachbarrecht betrifft, kann auch kein Grund für die Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung aufgezeigt werden (vgl. nochmals VwGH 11.4.2017, Ra 2017/05/0033, mwN).

11 Dies gilt auch für das von der revisionswerbenden Partei in ihrem Aufschiebungsantrag erstattete - im Übrigen in Bezug auf die Frage des Vorliegens eines unverhältnismäßigen Nachteiles im Sinne des § 30 Abs. 2 erster Satz VwGG nicht näher substanziierte - Vorbringen, dass pro verifizierter Wohnung mindestens 1,5 Parkplätze vorhanden sein müssten und man nur Parkhebebühnen bei Garagenabstellplätzen plane.

12 Dem Aufschiebungsantrag konnte daher bereits mangels Darlegung eines unverhältnismäßigen Nachteiles im vorgenannten Sinn nicht stattgegeben werden.

Wien, am 20. November 2017

Schlagworte

Nachbarrecht Nachbar Anrainer Grundnachbar subjektiv-öffentliche Rechte, Vorschriften, die keine subjektiv-öffentliche Rechte begründen BauRallg5/1/9

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2017:RA2017050239.L00

Im RIS seit

15.01.2018

Zuletzt aktualisiert am

01.03.2018
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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