TE Bvwg Erkenntnis 2017/12/22 W237 1439357-1

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 22.12.2017
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Entscheidungsdatum

22.12.2017

Norm

AsylG 2005 §3 Abs1
AsylG 2005 §75 Abs20
AsylG 2005 §8 Abs6
B-VG Art.133 Abs4
VwGVG §28 Abs2

Spruch

W237 1439357-1/23E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht erkennt durch den Richter Mag. Martin WERNER über die Beschwerde des XXXX , geb. XXXX , StA. unbekannt, vertreten durch Rechtsanwalt XXXX , XXXX , gegen den Bescheid des Bundesasylamts vom 21.11.2013, Zl. 13 16.584-BAT, nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung am 14.11.2017 zu Recht:

A)

I. Die Beschwerde wird hinsichtlich der Spruchpunkte I. und II. des angefochtenen Bescheids gemäß § 28 Abs. 2 VwGVG iVm § 3 Abs. 1 und § 8 Abs. 6 AsylG 2005, BGBl. I Nr. 100/2005 idF BGBl. I Nr. 145/2017 (im Folgenden: AsylG 2005), als unbegründet abgewiesen.

II. Gemäß § 75 Abs. 20 AsylG 2005 wird das Verfahren hinsichtlich Spruchpunkt III. des angefochtenen Bescheids zur Prüfung der Zulässigkeit einer Rückkehrentscheidung an das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl zurückverwiesen.

B)

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

Text

ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

I. Verfahrensgang:

1. Der Beschwerdeführer reiste illegal nach Österreich ein und stellte am 11.11.2013 den gegenständlichen Antrag auf internationalen Schutz. Dabei gab er an, Staatsangehöriger von Ghana und am XXXX geboren worden zu sein.

1.1. Am 13.11.2013 fand vor einem Organ des öffentlichen Sicherheitsdiensts die niederschriftliche Erstbefragung des Beschwerdeführers statt. Dabei brachte er vor, er gehöre dem christlichen Glauben an und sei in der ghanaischen Hauptstadt Accra aufgewachsen. Im Jahr 2010 habe er Accra mit einem Schiff verlassen und sei nach einer Woche in Griechenland angekommen. In Athen sei er zunächst zwar behördlich behandelt worden, habe anschließend aber ein Jahr "auf der Straße und in Parks" gelebt. Dann sei er sieben Monate bei einer Frau wohnhaft gewesen, die ihn als Sexsklaven gehalten habe. Anschließend habe der Beschwerdeführer wieder auf der Straße gelebt, bis er im November 2013 schlepperunterstützt nach Österreich gelangt sei. Nach seinem Fluchtgrund befragt gab der Beschwerdeführer an, dass sein Vater erschossen worden sei und seine Mutter einen tödlichen Unfall gehabt habe; seit früher Kindheit habe der Beschwerdeführer also bei seiner Schwester unter größten finanziellen Schwierigkeiten gelebt. Vor acht Jahren habe ein Freund des Beschwerdeführers ihn "zu einer Gemeinschaft" gebracht, von der er angenommen habe, dass sie ihm ein soziales Netz böte. Er habe angefangen, mit dieser Gemeinschaft zusammenzuarbeiten, und herausgefunden, dass ihre Mitglieder kriminelle Taten begehen würden. Nach vier Jahren habe der Beschwerdeführer dabei nicht mehr mitmachen und aussteigen wollen. Daraufhin sei er auf der Straße mit einem Messer attackiert und schwer verletzt worden. Er sei einen Monat im Krankenhaus im Koma gelegen; ein Bekannter habe ihm sodann geholfen, das Land zu verlassen.

1.2. In weiterer Folge wurde der Beschwerdeführer am 19.11.2013 vor dem Bundesasylamt im Beisein eines Dolmetschers für die englische Sprache niederschriftlich einvernommen. In dieser Einvernahme gab er an, gesund zu sein und keine Medikamente einzunehmen. Er sei in Accra aufgewachsen, habe keine Schule besucht und nie gearbeitet. In Österreich habe er keine Verwandten, im Herkunftsstaat lebe nur mehr seine Schwester, zu der allerdings kein Kontakt bestehe. Als seine Eltern verstorben seien, habe der Beschwerdeführer auf der Straße gelebt. Er habe sich schließlich für fünf Jahre einer Gruppe namens "Black Axe" angeschlossen, die kriminelle Handlungen begangen habe. Ein Pastor habe ihm angeboten, ihn aus Ghana zu bringen und vor der genannten Gruppierung zu schützen. Der Beschwerdeführer sei auf der Straße mit einem Messer angegriffen worden und anschließend einen Monat im Koma gelegen. Er könne allerdings nicht angeben, wo genau der Übergriff stattgefunden habe; er habe sich zwei Jahre vor seiner Ausreise aus Ghana zugetragen. Weder könne er angeben, in welchem Krankenhaus er behandelt worden sei, noch, wer die dortige Behandlung für ihn bezahlt habe. Die Geheimgesellschaft der "Black Axe" verlange Schutzgeld und führe physische Übergriffe durch; der Beschwerdeführer habe an solchen kriminellen Handlungen selbst teilgenommen. Den Namen des Anführers der "Black Axe" könne er nicht nennen, er habe diesen immer bloß als "Nr. 1" bezeichnet. Ob diese Gruppe auch in anderen Staaten Afrikas aktiv sei, wisse der Beschwerdeführer nicht. Im Falle einer Rückkehr in seinen Herkunftsstaat befürchte der Beschwerdeführer, getötet zu werden.

2. Das Bundesasylamt wies mit Bescheid vom 21.11.2013 den Antrag des Beschwerdeführers auf internationalen Schutz sowohl bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten gemäß § 3 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG 2005, BGBl. I Nr. 100/2005 idF BGBl. I Nr. 67/2012, (Spruchpunkt I.) als auch bezüglich der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Ghana gemäß § 8 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 leg.cit. (Spruchpunkt II.) ab und den Beschwerdeführer gemäß § 10 Abs. 1 leg.cit. aus dem österreichischen Bundesgebiet nach Ghana aus (Spruchpunkt III.).

Begründend stellte das Bundesasylamt zwar die ghanaische Staatsangehörigkeit des Beschwerdeführers fest, erachtete sein Fluchtvorbringen allerdings als unglaubhaft. So habe der Beschwerdeführer äußerst vage Angaben getätigt, die keine Rückschlüsse darauf zuließen, die geschilderten Ereignisse hätten sich tatsächlich ereignet. Über den Geheimbund "Black Axe" habe der Beschwerdeführer keine Informationen geben können. Insgesamt sei das Fluchtvorbringen völlig surreal geblieben. Da sich der angebliche Angriff auf den Beschwerdeführer zwei Jahre vor seiner Ausreise zugetragen habe, liege damit zudem kein fluchtauslösendes Ereignis vor. Selbst wenn es Bedrohungen gegeben hätte, könnte sich der Beschwerdeführer dem Zugriff seiner behaupteten Verfolger durch Umzug in andere Landesteile Ghanas entziehen. Eine allgemeine Gefährdungslage sei in Ghana nicht gegeben; als junger, gesunder und erwachsener Mann sei die grundsätzliche Teilnahmemöglichkeit des Beschwerdeführers am Erwerbsleben vorauszusetzen. Es ergaben sich somit keine Hinweise auf das Vorliegen eines Sachverhalts, der zur Gewährung des Status des subsidiären Schutzes führen würde. Der Beschwerdeführer halte sich erst seit wenigen Wochen in Österreich auf und habe im Bundesgebiet keine privaten Anknüpfungspunkte; der durch die Ausweisung erfolgende Eingriff in sein Recht auf Achtung seines Privatlebens sei daher statthaft.

Mit Verfahrensanordnung gemäß § 63 Abs. 2 AVG vom 21.11.2013 wurde dem Beschwerdeführer gemäß § 52 Abs. 1 BFA-VG die ARGE Rechtsberatung – Diakonie und Volkshilfe als Rechtsberater für "das Beschwerdeverfahren vor dem Asylgerichtshof" zur Seite gestellt.

3. Der Beschwerdeführer erhob gegen den angeführten Bescheid am 06.12.2013 mittels Fax Beschwerde, welche am selben Tag beim Bundesasylamt einlangte. In dieser brachte er vor, dass die belangte Behörde keine Nachforschungen zur Organisation "Black Axe" angestellt, sondern lediglich festgestellt habe, dass diese ausschließlich in Benin City in Nigeria aktiv sei; das sei nicht korrekt, weil sie dort nur gegründet worden sei. Zudem habe die Behörde dem Beschwerdeführer die Glaubwürdigkeit abgesprochen, ohne auf seine massiven Stichverletzungen einzugehen, die für sich alleine genommen bereits ein "stichhaltiger Beweis" für den Wahrheitsgehalt seiner Angaben seien; es werde daher auch ein medizinisches Gutachten zur Abklärung dieser Verletzungen beantragt. Dass der Beschwerdeführer den Anführer der "Black Axe" nicht habe nennen können, sei angesichts des Zwecks eines Geheimbunds nur folgerichtig. Der Beschwerdeführer werde durch die Bewegung "Black Axe" in seinem Herkunftsstaat eindeutig verfolgt, weshalb ihm der Status des Asylberechtigten zu gewähren sei. Sollte eine Asylrelevanz nicht erkannt werden, sei angesichts der für den Beschwerdeführer vorliegenden Gefährdungslage die Gewährung von subsidiärem Schutz angezeigt. Eine Ausweisung des Beschwerdeführers komme daher nicht in Betracht.

4. Das Bundesasylamt legte die gegenständliche Beschwerde und den Bezug habenden Verwaltungsakt dem Asylgerichtshof am 27.12.2013 vor.

4.1. Mit Schreiben vom 13.01.2015 übermittelte das Bundesverwaltungsgericht dem Beschwerdeführer aktuelle Berichte zur allgemeinen Lage in Ghana und gab ihm die Gelegenheit, zu diesen sowie zu seiner persönlichen Situation in Österreich und seinem Gesundheitszustand innerhalb einer Frist von zwei Wochen Stellung zu nehmen. Der Beschwerdeführer erstattete keine Stellungnahme.

4.2. Mit 02.01.2017 wurde das gegenständliche Beschwerdeverfahren der Gerichtsabteilung W237 zugewiesen.

4.3. Mit Schreiben vom 18.07.2017 wurden der Beschwerdeführer und das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl zu einer mündlichen Verhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht am 18.08.2017 unter gleichzeitiger Übermittlung der aktuellen Länderberichte zur Lage in Ghana geladen. Unmittelbar vor Verhandlungsbeginn wurde die Verhandlung allerdings aufgrund des schlechten Gesundheitszustands des Beschwerdeführers kurzfristig abberaumt.

In weiterer Folge wurde der Beschwerdeführer erneut zu einer für den 14.09.2017 anberaumten mündlichen Verhandlung geladen. Mit E-Mail vom 13.09.2017 gab der Beschwerdeführer jedoch an, den Verhandlungstermin nicht wahrnehmen zu können, weil er unter großen Schmerzen leide und mehrere Arzttermine wahrnehmen müsse. Der Beschwerdeführer legte dieser Mitteilung eine Arbeitsunfähigkeitsmeldung für den 12.09.2017 bei. Die Verhandlung wurde somit neuerlich abberaumt. Am 14.09.2017 übermittelte der Beschwerdeführer dem Bundesverwaltungsgericht einen Röntgenbefund vom 12.09.2017, wonach ein Ultraschall im Oberbauchbereich ergeben habe, dass die Milz des Beschwerdeführers nach einer möglichen Splenektomie nicht auffindbar sei.

4.4. Mit Schreiben vom 11.10.2017 wurden der Beschwerdeführer und das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl neuerlich zu einer mündlichen Verhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht am 14.11.2017 geladen. An diesem Tag führte das Bundesverwaltungsgericht in Anwesenheit eines Dolmetschers für die englische Sprache und des Beschwerdeführers eine öffentliche mündliche Verhandlung durch. Der Niederschrift dieser Verhandlung sind folgende entscheidungswesentliche Passagen zu entnehmen:

"[ ]

R befragt den BF, ob er physisch und psychisch in der Lage ist, der heute stattfindenden mündlichen Beschwerdeverhandlung zu folgen bzw. ob irgendwelche Hinderungsgründe vorliegen.

BF: Ich fühle mich geistig und körperlich in der Lage, an der Verhandlung teilzunehmen. Ich habe ein Medikament dabei, das ich in ein oder zwei Stunden nehmen muss.

R versichert BF, dass er zu jedem Zeitpunkt der Verhandlung die erforderlichen Medikamente einnehmen könne; falls er eine Pause benötigen sollte, möge er dies angeben.

[ ]

R: Wie geht es Ihnen gesundheitlich (sowohl in psychischer als auch in physischer Hinsicht [die Begriffe werden mit dem BF abgeklärt, sodass ihm diese geläufig sind]): Sind Sie insbesondere in ärztlicher Behandlung, befinden Sie sich in Therapie, nehmen Sie Medikamente ein?

BF: Ich habe mehrere Stichverletzungen und bin deswegen einmal im Monat im Spital. (Der BF steht auf und zeigt eine größere Narbe in seinem Bauchbereich sowie im Bereich seiner linken Rippengegend). Verletzungen habe ich auch im Bereich meines Kopfes. Mir wurde auch ein Teil meines Darms entfernt, nachdem ich innere Blutungen hatte.

Der BF legt ein Konvolut an medizinischen Unterlagen vor, die in Kopie als Anlage A zum Akt genommen werden.

R: Warum müssen Sie einmal monatlich das Spital aufsuchen – geht es Ihnen dann schlecht oder sind Sie zur Behandlung/Kontrolle bestellt?

BF: Mir geht es insgesamt nicht gut. Ich kann ohne Medikamente gar nicht auf die Toilette gehen. Oft habe ich eine Woche keinen Stuhlgang ohne ein entsprechendes Medikament. Ich habe auch große Schmerzen im Bauch. Man hat mir gesagt, dass das deshalb ist, weil man einen Teil meines Darms bzw. innere Organe bei der Operation entfernen musste.

R: Können Sie ohne diese Medikamente überhaupt nicht auf die Toilette gehen?

BF: Ich brauche das Medikament unbedingt. Man hat mir gesagt, dass man mir "zwei Därme" entfernt habe. Jetzt soll bei mir ein Schlauch eingeführt werden, um das Problem zu untersuchen. Es soll dann entschieden werden, ob eine weitere Operation durchgeführt wird.

R: Können Sie mir nochmals das Medikament, das Sie für Ihren Stuhlgang benötigen, zeigen?

BF zeigt R die Medikamente "MOVICOL Liquid" und "XICLAV 1 g", Antibiotikum (1-0-1)" sowie "PANTOLOC 40mg Filmtabletten". Weiters nehme er noch Schmerzmittel: "NOVALGIN Filmtabletten" und "BUSCOPAN 10 mg" sowie "MIRANAX 550mg". Dieses letzte Medikament sei für den Magen.

R: Können Sie Ihren Alltag in Österreich normal bewältigen, wenn Sie all diese Medikamente einnehmen?

BF: Ja, es hilft mir sehr, wenn ich diese Medikamente nehme.

R: Die letzten beiden Male, als ich eine Verhandlung mit Ihnen durchführen wollte, konnten Sie nicht erscheinen. Hatte das jeweils auch die beschriebenen gesundheitlichen Ursachen?

BF: Ich bin zu einer Rechtsberaterin gegangen und habe sie ersucht, Ihnen mitzuteilen, dass es mir nicht gut geht und ich nicht kommen könne. Sie hat dann alle Dokumente zusammengepackt und mir versprochen, sie Ihnen zu faxen.

R: Hatten Sie damals auch gesundheitliche Probleme mit Ihrem Darm bzw. Bauch oder waren es andere Probleme?

BF: Das erste Mal als ich gekommen bin, konnte ich nicht einmal sprechen. Sie haben mir dann gestattet, dass ich ins Spital gehen könne und ich wieder von Ihnen hören würde. Damals hätte ich Ihre Fragen wahrscheinlich gar nicht richtig beantworten können.

Auf neuerliche Nachfrage gebe ich an, dass ich beide Male wegen meiner Schmerzen im Bauchbereich nicht an der den ausgeschriebenen Verhandlungen teilnehmen konnte. Ich hätte wahrscheinlich nicht einmal 20 Minuten durchgehalten. Ich gehe jedes Monat in Wien ins AKH oder in die Ambulanz nach Wr. Neustadt.

R: Hatten Sie diese gesundheitlichen Probleme auch schon vor Ihrer Ausreise, also schon in Ghana?

BF: Ja.

R: Seit wann haben Sie diese gesundheitlichen Probleme?

BF: Schon mehr als 10 Jahre.

R: Haben Sie in Ghana auch Medikamente genommen?

BF: Es gab damals niemanden, der sich um mich gekümmert hätte. Ich habe nur die Medikamente nach der traditionellen Medizin genommen.

R: Waren Sie in Ghana wegen dieser gesundheitlichen Probleme je im Spital?

BF: Ja. Ein Pastor hat mich ins Krankenhaus gebracht. Als ich niedergestochen wurde, wurde ich ohnmächtig. Ich wusste gar nicht, wie ich ins KH gekommen bin. Erst nachher erfuhr ich, dass es ein Pastor war.

R: Haben Sie danach noch weiter, also bis zu Ihrer Ausreise, deswegen ein Spital aufgesucht?

BF: Nur ab und zu bin ich ins Spital gegangen, aber nicht regelmäßig, weil ich kein Geld hatte.

R: Wurde Ihnen im Spital geholfen? Wurden Ihnen Medikamente verschrieben?

BF: Ja, schon, aber man musste für alles bezahlen.

R: Haben Sie diese Medikamente auch genommen?

BF: Ja, wenn ich Geld hatte und Hilfe bekommen habe, habe ich die Medikamente genommen, ansonsten habe ich es eben ertragen. Einfach so.

R: Hatten Sie damals auch schon solche Symptome wie Sie sie heute beschrieben haben, also z.B. starke Schmerzen und Verdauungsprobleme?

BF: Ja.

R: Mir geht es zunächst um Ihr Leben in Österreich: Leben Sie hier alleine oder mit jemandem zusammen?

BF: Ich wohne bei meiner Freundin.

R: Wie lange kennen Sie sie schon?

BF: Ich bin mit ihr seit ca. einem Jahr zusammen, habe mit ihr eine Beziehung, zusammen leben wir seit ca. 6 Monaten.

R: Ist die Dame, die Sie das letzte Mal begleitet hat, Ihre Freundin?

BF: Ja.

R: Welche Staatsangehörigkeit hat sie?

BF: Sie ist Nigerianerin.

R: Welchen Aufenthaltsstatus in Österreich hat sie?

BF: Sie hat eine Aufenthaltsgenehmigung für 10 Jahre.

R: Seit wann ist sie in Österreich?

BF: Sie ist schon sehr lange hier, schon bevor ich sie kennengelernt habe. Sie ist Inhaberin eines afrikanischen Lokals.

R: Wie ist ihr Name?

BF: XXXX (phonetisch).

R: Haben Sie in Österreich oder in anderen Staaten außerhalb Ihres Herkunftsstaats noch Verwandte?

BF: Nein.

R: Haben Sie in Ihrem Herkunftsstaat noch Verwandte?

BF: Ich weiß es nicht wirklich. Ursprünglich waren wir drei Brüder, aber XXXX und XXXX sind bereits verstorben.

R: Hatten Sie auch Schwestern?

BF: Ja, eine, sie hieß XXXX .

R: Hatten Sie noch weitere Schwestern?

BF: Nein. Wir waren zu dritt. Ein Mädchen, und eben XXXX und XXXX .

R: Sie haben bei Ihrem Antrag auf internationalen Schutz gesagt, dass Sie einen Bruder namens XXXX , einen namens XXXX und eine Schwester mit dem Namen XXXX hätten. XXXX und XXXX erwähnten Sie heute nicht.

BF: Ich habe XXXX gesagt.

R: Ja, die haben Sie auch genannt. Sie soll ungefähr 20 Jahre alt sein, aber Sie haben auch von einer XXXX gesprochen. Diese soll bereits verstorben sein.

BF: Nein, dann muss ich falsch verstanden worden sein. Glauben Sie mir, ich habe nur XXXX genannt.

R: Was ist mit Ihrem Bruder XXXX ?

BF: Nein, ich habe nur XXXX und XXXX als Brüder gehabt.

R: Wissen Sie ob XXXX noch am Leben ist?

BF: Nein. Alle meine Familienmitglieder sind tot. Diese Fragen wurden mir alle schon in Traiskirchen gestellt. Auch dort habe ich schon gesagt, dass meine Geschwister alle tot sind und zwar wegen der Dinge, die mein Vater getan hat.

R: Sie haben damals nicht gesagt, dass Ihre Schwester XXXX getötet worden sei. Sie sagten, Sie hätten zwar noch eine Schwester, aber keinen Kontakt zu ihr.

BF: Wenn man von seiner Schwester viele Jahre nichts hört, ist sie sicher tot. Sie lebt bestimmt nicht mehr. Hätte ich noch Brüder oder diese Schwester, würde ich mit ihnen reden und wüsste, dass sie am Leben sind.

R: Sie haben nur gesagt, dass Sie eine Schwester und keinen Kontakt zu Ihr hätten.

BF: Ich weiß es nicht, wie ich mich damals ausgedrückt habe und wie es damals war. Ich kann nur sagen, es gibt sie nicht mehr. Ich war damals auch unter Druck und Stress.

R: Gibt es irgendjemandem in Ghana, zu dem Sie noch Kontakt haben?

BF: Nein.

R: Sprechen Sie deutsch?

BF ohne D: Ein bisschen.

R: Haben Sie ein Deutschzeugnis?

BF auf Englisch: Ich war bei der Caritas. Sie haben mir gesagt, dass es keinen Platz in einem Deutschkurs derzeit gibt, aber im Jänner oder im Februar soll ich einen Platz erhalten.

R: Haben Sie schon einen Deutschkurs gemacht?

BF: Ja, als ich im Kolpingheim war. Ich war auch gesundheitlich nicht sehr auf der Höhe, das war auch ein Grund, warum ich nicht so viele Kurse gemacht habe.

R: (ohne Dolmetscher) Was haben Sie gestern gemacht?

BF antwortet auf Englisch: Ich habe die Frage verstanden, tue mir aber beim Sprechen schwer.

R: Sind Sie selbsterhaltungsfähig (Frage wird erklärt)?

BF: Wenn es mir gesundheitlich gut geht, gehe ich manchmal in das Lokal meiner Freundin Hope und helfe ihr dort aus. Aber im Moment ist es so, dass ich eine gute Zukunft für mich brauche und meine Ausbildung voranbringen möchte.

R: Haben Sie versucht (sei es erfolgreich oder erfolglos) Ihre Selbsterhaltungsfähigkeit herzustellen?

BF: Nein. Man hat mir gesagt, ich darf mit der weißen Karte überhaupt nicht arbeiten.

R: Wie würden Sie Ihren Lebensunterhalt in Österreich bestreiten, wenn Sie ein Aufenthaltsrecht bekämen?

BF: Ich würde gerne meine Ausbildung vorantreiben und dann nach einer Arbeit suchen.

R: Welche Arbeit würden Sie gerne machen?

BF: Manche Leute sind zB Maler und Anstreicher. Ich würde irgendeine Arbeit machen, egal welche.

R: Welche Ausbildungen haben Sie in Österreich absolviert?

BF: Keine.

R: Wie nehmen Sie am sozialen Leben in Österreich teil (Mitgliedschaft bei Vereinen, Organisationen, ehrenamtliches Engagement, etc.)?

BF: In der ghanaischen Kirche spiele ich in der Musikband mit und singe auch Gebetslieder.

R: Sind Sie strafrechtlich verurteilt?

BF: Ja.

R: Worum ging es damals?

BF: Ich habe etwas getan, was ich nicht hätte tun sollen. Ein Freund hat behauptet, ich hätte Drogen verkauft, aber man hat bei mir nie etwas gefunden.

R: Sie wurden aber deswegen verurteilt. Haben Sie nun Drogen verkauft?

BF: Ja, es stimmt.

R: Waren Sie deshalb auch im Gefängnis und wenn ja, wie lange?

BF: Ja, ich war fünf Monate eingesperrt.

R: Ist Ihnen bekannt, dass Sie illegal nach Österreich einreisten?

BF: Ja.

R: Das ho. Gericht kann sich nunmehr ein Bild über ihre privaten und familiären Bindungen in Österreich machen und erscheinen hierzu seitens des ho. Gerichts keine weiteren Fragen offen. Wollen Sie sich noch weitergehend zu Ihren privaten und familiären Bindungen in Österreich bzw. der Integration äußern?

BF: Ich möchte Sie bitten, mich irgendwie dabei zu unterstützen, ein besseres Leben zu haben. Wenn Sie mich jemals wieder bei einer Straftat sehen sollten, können Sie tun mit mir, was Sie wollen. Ich bitte Sie, mir zu helfen. Der Grund, warum ich diese Sache gemacht habe, ist der, dass ich nicht einmal mehr das Geld hatte, um Medikamente zu kaufen.

R: Sie wurden bereits beim Bundesamt bzw. den Organen des öffentlichen Sicherheitsdienstes niederschriftlich einvernommen. Haben Sie dort immer die Wahrheit gesagt oder möchten Sie etwas richtig stellen?

BF: Ich habe die Wahrheit gesagt und möchte nichts richtigstellen.

R: Wurden Ihnen die Niederschriften, die die Polizei im Rahmen der Erstbefragung und das Bundesamt mit Ihnen aufgenommen haben, rückübersetzt?

BF: Ja.

R: Haben Sie die Dolmetscher in den Einvernahmen vor der Polizei im Rahmen der Erstbefragung und dem Bundesamt gut verstanden?

BF: Ja.

R: Hat sich an den Gründen Ihrer Asylantragstellung seit Erhalt des angefochtenen Bescheids etwas geändert?

BF: Nein, es gibt keine Änderungen.

R: Wo sind Sie geboren und aufgewachsen?

BF: In Ghana, Accra.

R: Lebten Sie bis zu Ihrer Ausreise in Accra?

BF: Ja. Vor meiner Ausreise, bevor mir dieser Mann zur Ausreise verholfen hat, lebte ich in der Nähe von Accra in einem kleinen Dorf namens " XXXX " (phonetisch), das ist eigentlich ein Bezirk in Accra. Wie man diesen Bezirk genau schreibt, weiß ich nicht.

R: Haben Sie immer in XXXX gelebt?

BF: Nein. Ich habe bis zu diesem Vorfall in Accra gewohnt und danach hat mich dieser Pastor nach XXXX gebracht.

R: Sie haben, außer dieser Zeit in XXXX , nie wo anders als in Accra gelebt?

BF: So ist es.

R: Sind Sie verheiratet und haben Kinder?

BF: Ja, ich habe ein Kind hier, die Kindesmutter erlaubt mir aber keinen Kontakt zu meinem Kind.

R: Wie alt ist Ihr Kind?

BF: Es ist 2015 geboren, es ist ein Bub namens XXXX .

R: Stammt die Kindesmutter auch aus Ghana?

BF: Nein, sie ist aus Nigeria. Aber seit mehr als einem Jahr habe ich das Baby nicht mehr gesehen. Sie sagte, ich könne mich um das Baby nicht kümmern.

R: Haben Sie mit der Mutter und dem Kind zusammengelebt?

BF: Ja, als sie schwanger war, haben wir zusammen gewohnt.

R: Wo haben Sie gewohnt?

BF: In der Wattgasse in Wien.

R: Wie heißt die Kindesmutter?

BF: XXXX (phonetisch).

R: Erzählen Sie mir bitte, wie Sie in Ghana aufgewachsen sind; haben Sie die Schule besucht und einen Beruf ausgeübt?

BF: Ich habe 6 Jahre die Grundschule besucht.

R: Können Sie lesen und schreiben?

BF: Nein.

R: Von wann bis wann genau haben Sie die Grundschule besucht?

BF: Ich bin am XXXX geboren. Im Alter von einem Jahr beginnt man mit dem Kindergarten und in die Grundschule tritt man mit 6 Jahren ein.

R: Haben Sie den Kindergarten besucht?

BF: Ja. Der Kindergarten ist eigentlich vor der Grundschule. Ich habe den Kindergarten besucht und dann die Grundschule.

R: Sie sind 6 Jahre in die Grundschule gegangen?

BF: Ja.

R: Wieso können Sie dann nicht lesen und nicht schreiben?

BF: Ich kann meinen Namen und ein paar kleinere Sachen noch schreiben, aber ansonsten nicht viel mehr.

R: Wie alt waren Sie, als Sie mit der Schule aufgehört haben?

BF: Ich glaube 12 Jahre. Ich war damals noch sehr klein und kann mich heute sicher nicht mehr an alles erinnern, was damals war.

R: In diesen 6 Jahren hat man Ihnen nicht beigebracht, wie man lesen und schreiben kann?

BF: Kleine Sachen wie zB Nahrungsmittel, Essen etc. kann ich schon schreiben, aber nicht viel mehr.

R: Können Sie ganze Sätze schreiben?

BF: Nun, ich kann gewisse Verben wie ist, gehen, kommen etc. schon schreiben.

R: Vor dem BFA haben Sie das nicht so angegeben. Dort haben Sie gesagt, Sie wären überhaupt nicht zur Schule gegangen.

BF: Sie haben mich damals gefragt, ob ich zur Universität gegangen bin. Das habe ich verneint.

R: Warum haben Sie aufgehört, die Schule zu besuchen?

BF: Weil dann niemand mehr da war, der mich unterstützt hätte. Ich hatte keine finanzielle Grundlage, kein gutes Leben. Hätte ich ein gutes Leben in Ghana gehabt, hätte ich mich nicht diesem Kult angeschlossen.

R: Wer hat Sie in diesen 6 Jahren, also während Ihrer Schulzeit, unterstützt?

BF: Solange man noch klein ist bezahlt man nichts. Kindergarten und Grundschule sind in Ghana kostenlos, aber ab der Sekundarstufe muss man bezahlen. Auch für die Universität.

R: Mit wem sind Sie aufgewachsen?

BF: Mit meinen älteren Brüdern XXXX und XXXX . Meine Eltern habe ich im Alter von 5 oder 6 Jahren verloren.

R: War einer Ihrer beiden Brüder schon erwachsen?

BF: Nein, nicht wirklich, aber sie konnten sich schon um mich kümmern.

R: War Ihre Schwester XXXX jünger oder älter als Sie?

BF: Sie war älter.

R: Um wie viel älter?

BF: Zwei oder eher drei Jahre war sie älter.

R: Es gab also XXXX , XXXX , XXXX und Sie?

BF: Ja.

R: Wie sind Sie gemeinsam aufgewachsen nachdem Ihre Eltern gestorben sind? Wo haben Sie zum Beispiel gewohnt?

BF: Nach dem Tod meiner Eltern haben wir im Einfamilienhaus meines Vaters gelebt.

R: Wie lange haben Sie dort gelebt?

BF: Während meiner Grundschulzeit bin ich dort aufgewachsen.

R: Haben Sie dann bis zu dem Vorfall kurz vor Ihrer Ausreise dort gelebt, oder haben Sie woanders gelebt?

BF: Nach meiner Grundschule hatte ich keine Eltern mehr, die sich um mich gekümmert hätten, darum habe ich mich diesem Geheimkult "Black Axe" angeschlossen. Ab diesem Zeitpunkt habe ich bei diesen Leuten und nicht mehr zu Hause gewohnt. Sie haben mir viel geholfen und viel für mich getan.

R: Wie sind Ihre Eltern gestorben?

BF: Angeblich hat das mit den Aktivitäten meines Vaters zu tun gehabt. Er war angeblich bei einem Kult, beide wurden erschossen.

R: War er bei Black Axe?

BF: Nein. Das waren Leute mit denen er irgendetwas angerichtet hat. Ich kann Ihnen diese Geschichte meines Vaters nicht erzählen, ich weiß nicht, was damals war.

R: Wann sind Sie aus Ghana ausgereist?

BF (denkt nach): Ich erinnere mich, es war November 2011, das genaue Datum weiß ich nicht mehr. Ich bin zunächst nach Griechenland gekommen, in Österreich bin ich erst 2013 eingereist.

R: Erzählen Sie mir bitte mit eigenen Worten detailliert, warum Sie sich zum Verlassen Ihres Herkunftslandes gezwungen sahen.

BF: Ich bin ein Mitglied des Neo-Black Movement of Africa, also der schwarzen Axt. Nach dem Tod meiner Eltern stand ich ohne jede Unterstützung da. Ich hatte damals einen Freund. Der meinte, ich müsse nicht noch weiter so leiden. Er war Mitglied der Black Axe und sagte, er könne mich auch zu diesem Kult bringen. Die Leute dort würden auch mich unterstützen. Ich trat ihnen bei und sie brachten mich an einen Ort, der für die Mitglieder zur Verfügung stand. Dort bekam ich Essen und alles andere. Sie haben mich die ersten drei Monate sehr gut behandelt. Aber danach weckten sie mich eines Nachts auf und sagten, wir müssten jetzt einen Auftrag erfüllen. Ich fragte Sie, um was es ginge, und Sie sagten, ich solle meinen Mund halten und mitgehen. Sie gaben mir ein Gewehr und eine Schusswaffe. Es waren dort sehr viele Waffen. Sie wollten dann rausgehen und stehlen oder vergewaltigen. Es waren so viele Sachen da.

Nachdem das viele Male passiert war, wo auf Leute geschossen wurde, wo Brände gelegt wurden und gestohlen wurde, sagte ich diesen Leuten, dass ich das nicht länger mitmachen könne. Das war nach zwei oder drei Jahren. Ich war der ganzen Sache schon müde und wollte nicht weiter mitmachen. Sie sagten mir, ich müsse beim obersten Mann, "Axe Head", vorsprechen. Auch mein Freund hat mir gesagt, wenn ich den Kult verlassen wolle, müsste ich mit dem Oberhaupt sprechen. Ich bin also hingegangen und habe dem Oberhaupt gesagt, dass ich so nicht weiter machen wolle und ich das nicht weiter tun könne. Da hat er mir geantwortet, ich sei dem Bund beigetreten und es gäbe kein Zurück mehr. Es sei die Bedingung, dass ich umgebracht würde, wenn ich den Bund verlassen würde; dies, um zu vermeiden, dass ich Geheimnisse verrate. Ich hatte dann natürlich Angst, auszutreten. Deswegen habe ich noch ein oder zwei Monate mit diesen Leuten weitergemacht, war aber immer mit denselben Problemen konfrontiert. Eines Tages habe ich Ihnen gesagt dass ich das nicht mehr mitmache. Ich wurde angegriffen und habe diese Verletzungen, die ich Ihnen gezeigt habe, erlitten. Sie dachten, ich sei tot. Ich habe von den Stichverletzungen innere Blutungen erlitten. Sie haben meinen ganzen Körper zerstochen. Auch am Kopf wurde ich verletzt.

R: Wie ging es nach diesem Vorfall in Ghana weiter?

BF: Ich weiß nicht, was alles weiter passiert ist. Nach zwei oder drei Monaten fand ich mich in der Obhut dieses Pastors wieder. Der Pastor hat mir nachher erzählt, dass er mich gefunden hätte. Er dachte auch zunächst, dass ich tot sei, doch dann holte er die Mitglieder seiner Kirche und ließ mich ins Spital bringen. Was genau alles passiert ist, weiß ich nicht; ich bin eigentlich erst nach drei Monaten wieder zu Sinnen gekommen. Und da war ich dann beim Pastor.

R: Wie lange waren Sie dann noch in Ghana?

BF: Nicht lange, ca. fünf Monate. Der Pastor hat mir dann zur Ausreise verholfen. Er meinte, dass mich diese Leute ganz sicher umbringen würden, wenn ich bliebe. Deshalb hat er alles versucht, um mich außer Landes zu bringen.

R: Er hat also Ihre Reise nach Europa veranlasst?

BF: Ja.

R: Wie hieß dieser Pastor?

BF: Ich weiß es wirklich nicht. Ich habe ihn die ganze Zeit nur Pastor genannt. Man kennt diese Leute nicht, man nennt sie "Vater, Daddy, Pastor".

R: Wie viel hat die Reise nach Europa gekostet?

BF: Das Ganze hat die Kirche finanziert, ich weiß nicht, wie viel die Reise gekostet hat. Ich habe ja nicht gearbeitet und sie wollten mein Leben retten, deshalb haben sie diese Reise auch finanziert bzw. organisiert.

R: Haben Sie nicht nachgefragt, hat Sie das nicht interessiert?

BF: Ich glaube, das war nicht notwendig. Das Wichtigste für mich war, dass sie mein Leben retten wollen.

R: Wie sind Sie nach Griechenland gereist?

BF: Mit einem Schiff.

R: Hat dieses Schiff in Accra abgelegt und Sie nach Griechenland gebracht?

BF: Nein. Der Pastor und die Leute von der Kirche haben mich in der Nacht mit dem Auto zu einem Ort in der Nähe von Accra bringen lassen und von dort hat dann jenes Schiff abgelegt, das mich bis nach Griechenland brachte.

R: Warum sind Sie zu Black Axe gegangen? Sie haben ja zuvor gesagt, Ihre Geschwister hätten Sie unterstützt. War war also der Grund dafür?

BF: Da waren die auch schon alle tot, die beiden Brüder und die Schwester. Für mich wäre das sehr schwierig gewesen, dort alleine zu wohnen.

R: Wann sind Ihre beiden Brüder und Ihre Schwester gestorben, wie alt waren Sie zu dem Zeitpunkt?

BF: Ich war an die 10 Jahre alt, 8 bis 10 Jahre.

R: Wie sind Ihre Geschwister zu Tode gekommen?

BF: Nachdem was mir erzählt wurde, war mein Vater ein Radikaler, der allen möglichen Leuten alles Mögliche weggenommen hat und diese Leute haben das dann mit Bösem vergolten.

R: Was heißt das? Heißt das, dass Ihre Brüder und die Schwester umgebracht wurden?

BF: Ja.

R: Wie wurden Sie getötet.

BF: Ich war nicht dabei, habe es nicht gesehen, aber mir wurde gesagt, dass sie erschossen wurden.

R: Wer hat Ihnen das erzählt?

BF (denkt nach): Leute aus meiner Gegend.

R: Wie sind Sie dann zu Black Axe gekommen? Sie meinten, ein Freund hätte Sie hingebracht. Gab es einen Aufnahmeritus odgl.?

BF: Ja. Es gab einen Initiationsritus. Sie haben mich zu einem Platz im Busch gebracht. Sie haben Kerzen rundum angezündet. Dann brachten sie eine schwarze Kappe, ein weißes Hemd, gelbe Strümpfe, die ich anzog. Dann haben sie mir zu Essen gegeben. Anschließend holten sie eine Axt, ein Gewehr und ein Messer. Da hat dann einer gesagt: "Ich führe dich hiermit in die schwarze Bewegung Afrikas ein, auch bekannt als Black Axe." Danach hat er mir vorgesprochen: "Wenn ich, Happy, diese schwarze Bewegung Afrikas jemals betrügen sollte, möge ich sterben", ich habe nachgesprochen. Danach musste ich etwas trinken.

R: Wie lautet das Motto dieser Bewegung, gibt es ein Erkennungszeichen o.ä.? Was können Sie mir über die Black Axe erzählen?

BF: Wen man einander grüßt, machen sie es so.

Der BF zeigt eine erhobene Faust.

BF: Ihr Zeichen sind zwei überkreuzte Fäuste.

R: Was können Sie mir über die Geschichte bzw. die Ziele dieser Bewegung erzählen?

BF: Sie töten Leute und stehlen. Sie sagen, sie kämpfen gegen Unterdrückung und Einschüchterung. Sie meinen und sagen, die Gerechtigkeit und Freiheit gehöre ihnen. Wenn sie von dieser schwarzen Axt in den Kult eingeführt werden, bringt man die Leute in eine Art Garten. Dann wird man geschlagen und sie sagen, dass man stark sein müsse, wenn man dabei sein wolle. Nach diesen Schlägen bilden sie um dich einen Kreis, ca. 50 bis 100 Leute. Man selbst muss sich dann hinknien und zu den im Kreis Stehenden kriechen. Das Oberhaupt kommt dann und man muss alles, was er sagt, nachsprechen. Er sagt auch, dass wenn du diese Bewegung jemals betrügen oder austreten solltest, du getötet würdest. Das muss man akzeptieren.

R: Wer war dieser Anführer der Black Axe?

BF: Man kennt ihn als die Nummer 1 der Black Axe, er ist das Oberhaupt bzw. Anführer. Den Namen kenne ich nicht. Man erachtet ihn wie einen König. Es gibt auch noch 7 weitere Höherrangige. Einer ist die Nummer 1, das Oberhaupt; der zweite heißt "der Spirituelle"; den dritten nennen Sie "Vorstand/Vorsitzender".

R: Wie lange waren Sie bei der Black Axe?

BF: Ca. drei oder vier Jahre.

R: Wie hieß der Freund, der Sie hingebracht hat?

BF: XXXX .

R: Hat dieser XXXX noch einen Nachnamen?

BF: Ich kenne ihn nur unter dem Vornamen.

R: Woher kannten Sie XXXX ?

BF: Wir waren in der Kindheit befreundet.

R: Was haben Sie konkret für die Black Axe machen müssen?

BF: Sie haben mir gesagt, dass sie mir Unterkunft, Gewand und Essen geben, aber ich müsste mit ihnen mitgehen. Es wurden Leute umgebracht, ich bin mitgegangen, aber es wurde mir zu viel. Anfangs sind wir rausgegangen, um zu stehlen.

R: Was genau haben Sie selbst gemacht?

BF: Manchmal haben wir gestohlen, manchmal haben wir Mädchen vergewaltigt.

R: Erzählen Sie mir den ersten Vorfall, den Sie bei der Black Axe gemacht haben.

BF: Wir sind zu einem Kiosk gegangen. Dort haben wir alles mitgehen lassen. Die Nr. 1 hat uns das befohlen. Manchmal hat man die Nr. 1 bezahlt, damit jemand umgebracht wird.

R: Haben Sie selbst jemanden umgebracht?

BF nickt.

R: Wie oft ist das passiert?

BF: Ich habe lediglich einmal eine andere Person selbst erschossen, ansonsten war ich dabei, wenn Leute erschossen wurden.

R: Erzählen Sie von dem Vorfall, bei dem Sie jemanden erschossen haben.

BF: Man bezahlte unserem Chef Geld dafür, dass man irgendein Problem aus der Welt schafft. Das kann eine politische Aktion sein oder dass jemand getötet werden soll. An dem Tag, als ich jemanden erschossen habe, wurde mir von meinem Chef gesagt, dass ich das tun müsse, ansonsten ich selbst umgebracht würde.

R: Wo und wie war das, erzählen Sie mir Näheres über das Opfer und die Örtlichkeiten?

BF: Es war ein Mann. Ich habe ihn in Accra erschossen.

R: Wie alt waren Sie da?

BF: Ich glaube, ich war 16 Jahre.

R: Wie haben Sie ihn erschossen?

BF: Ich schoss ihm in die Brust.

R: Welche Waffe hatten Sie?

BF: Eine kleine Schusswaffe, eine Pistole.

R: Können Sie mir die Namen dreier Ihrer Kollegen bei der Black Axe sagen?

BF: Man sagt dort nicht seinen Namen. Ich bin dort nur der "Zampano" oder der "Killer". So nennt man sich dort. Niemand sagt seinen richtigen Namen. Auch die Nr. 1 nennt ihren Namen nicht.

R: Sagen Sie mir also drei Spitznamen Ihrer Kollegen.

BF: Einen nannten Sie PUSHER. Das ist einer der zuschlägt. Dann gab es den SPIRITUAL. Der kann Juju. Dann gab es den CHAIRMAN – wenn dieser spricht, müssen alle anderen schweigen.

Die Verhandlung wird um 11.55 Uhr unterbrochen und um 12.07 Uhr fortgesetzt.

R: Wann, wo und wie wurden Sie bei diesem Vorfall verletzt?

BF: Ich habe ihnen gesagt, dass ich nicht mehr mitmachen will. Ich wusste nicht, dass sie schon etwas im Schilde führten. Sie haben nach einer Woche eine Generalversammlung einberufen. Alle waren anwesend und die Nr. 1 forderte mich auf, zu sagen, was ich meine. Ich sagte, dass ich dem allem überdrüssig sei, und er meinte, dass ich darauf aufmerksam gemacht wurde und selbst gesagt habe, dass, wenn ich dabei bin, es kein Zurück mehr gäbe. Er gab mir zwei Tage Frist, um es mir noch einmal zu überlegen. Dann hat er mich zu sich gerufen und er mich gefragt, ob ich bleiben oder gehen will. Ich sagte, ich möchte gehen und dann wurde ich angegriffen.

R: Wo war das?

BF: Dort, beim Versammlungsort. Sie dachten, ich sei tot, und brachten mich irgendwohin nach draußen, also auf die Straße. Der Pastor hat mir dann nach drei Monaten erzählt, was weiter passiert ist.

R: Haben Sie selbst noch an diese drei Monate eine Erinnerung?

BF: Ich verstehe nicht.

R: Wissen Sie, was in den drei Monaten, also zwischen dem Vorfall und dem Zeitpunkt, wo Ihnen der Pastor erzählt hat, was passiert war, geschehen ist?

BF: Das Letzte, woran ich mich erinnern kann, ist die Frage, die mir die Nummer 1 gestellt hat, ob ich bleiben oder gehen will. Ich habe gesagt, ich möchte raus und an mehr kann ich mich nicht erinnern.

R: Wie viele Leute waren bei diesem Vorfall dabei?

BF: Mehr als 20. Es war eine Versammlung, eine Zusammenkunft.

R: Wo war diese Versammlung?

BF: Ich habe Ihnen gesagt, dass sie ein Haus haben, das sie für die Organisation nutzen. In diesem Haus war das. Ich möchte hinzufügen, dass ich erledigt bin, wenn man mich nach Afrika zurückbringen sollte.

R: Ist diese Organisation aus Ghana?

BF: Meinen Sie, ob diese nur in Ghana ist?

R: Hat Black Axe ihren Ursprung in Ghana?

BF: Nein, auch in Südafrika gibt es sie, überall. Aber nachdem, was man uns erzählt hat, wurde diese Bewegung an der Universität Benin gegründet. Das hat uns die Nr. 1 erzählt. Von dort aus haben sie Zweigstellen, z.B. auch in Südafrika, errichtet.

R: Was hat Ihnen die Nr. 1 sonst noch über die Black Axe beigebracht?

BF: Alles Mögliche, zB wie man Lieder singt. (BF singt das Black-Axe-Lied auf Englisch über die Black Axe; Inhalt: Ich bin ein Black Axe-Mitglied, ein Axe-Mann, ich bin ein Märtyrer, nie werde ich die Black Axe verlassen, wer sie verlässt ist tot).

R: Was können Sie mir über diese Organisation noch erzählen, was wurde Ihnen noch beigebracht?

BF: Er hat mir beigebracht, dass Vergebung eine Sünde sei. Er hat gesagt, wenn dich jemand beleidigt, ist es am besten, du bringst ihn gleich um. Er hat mir auch beigebracht, wie ich diesen Trank herstelle.

R: Um welchen Trank handelte es sich?

BF: Es war ein scharfes Getränk, Wodka oder Whisky, zermahlenes Cannabiskraut, dieses gibt man dann in den Gin. Dann gibt man Kleingeflügel dazu. Man schneidet diesem Geflügel den Hals durch, nimmt das Blut des Geflügels und mischt es mit dem Wodka bzw. Schnaps. Wenn man das trinkt, hindert dieser Trank einen daran, dass man jemandem vergibt. Ich bitte darum, dass das niemandem erzählt wird, weil das für mich ein Problem wäre.

R: Ist Accra die Hauptstadt von Ghana?

BF: Ich glaube, früher war Kumasi die Hauptstadt, dann erst Accra.

R: Welche Sehenswürdigkeiten gibt es in Accra?

BF: So bin ich nicht aufgewachsen, dass ich weiß, wo man Sehenswürdigkeiten anschauen würde. Ich habe das Leben in einem Ghetto geführt.

R: Wissen Sie wenigstens eine Sehenswürdigkeit oder sonstiges Bemerkenswertes in Accra?

BF: Wenn man aus einer reichen Familie kommt, führt man ein gutes Leben in einer schönen Gegend; aber wenn man so lebt wie ich, weiß man das nicht.

R: Was wäre eine schöne Gegend in Accra?

BF: Ich kann Ihnen ein paar Plätze sagen. ZB XXXX , ich bin aber nicht viel rausgegangen.

Das ist wie ein kleines Dorf, es gibt dort Landwirte, die Äpfel anbauen.

R: Können Sie mir den Namen eines großen Marktes nennen?

BF (denkt nach): Ja, den Ganiamarket (phonetisch), das ist wie der Brunnenmarkt.

R: Können Sie mir die Namen von drei großen Straßen in Accra nennen?

BF (stellt immer wieder Nachfragen, welche Straßen er nun nennen solle): Zwei kann ich Ihnen sagen. Eine heißt Ghana-Express Way. Ich kenne noch XXXX , aber mit Freunden bin ich sonst nicht viel herumgekommen.

R: Es wundert mich, dass Sie sagen, Sie seien in Accra aufgewachsen, jedoch mir nicht einmal drei Straßennamen nennen können.

BF: Ich habe Ihnen die beiden, die ich kenne, genannt. Ich bin nicht viel herumgekommen, habe wie in einem Käfig gelebt. Wenn man dieser Bewegung beitritt, lebt man wie in einem Käfig, man kann sich nicht mehr frei bewegen.

R: Nenne Sie mir andere Viertel in Accra.

BF: Die, die ich kenne, habe ich schon genannt. Ich möchte Sie nicht anlügen.

R: Wenn Sie in Ihren Herkunftsstaat zurückkehren müssten, was würde Sie konkret erwarten?

BF: Der Tod.

R: Warum sollte man Sie noch immer dort suchen?

BF: Die einzige Möglichkeit, mich von all dem zu befreien, wäre die Rückkehr zu meinem alten Leben bei der Black Axe.

R: Gemeinsam mit der Ladung wurden Ihnen Feststellungen zur asyl- und abschiebungsrelevanten Lage in ihrem Herkunftsstaat übermittelt. Bisher ging hierzu keine Stellungnahme ein. Wollen Sie sich nunmehr hierzu äußern?

BF: Das habe ich nicht gelesen. Das haben Sie mir geschickt? Ich habe nur die Ladung erhalten.

R stellt nach Nachschau im gerichtsinternen Verfahrensadministrationssystem fest, dass dem Beschwerdeführer das LIB Ghana mit der Ladung mitgeschickt wurde.

Folgende weitere Erkenntnisquellen werden dem BF genannt, deren Inhalt in Bezug auf die konkrete Situation des BF erörtert und ihm zur Stellungnahme vorgehalten:

"Nigeria: The Black Axe confraternity", IRB Canada, 03.12.2012 – Anlage B.

R: Ich übergebe Ihnen jetzt einen Bericht über die Black Axe und auch noch einmal die Länderfeststellungen zu Ghana. Sie oder Ihr Rechtsanwalt können innerhalb von zwei Wochen gerne eine Stellungnahme dazu abgeben.

BF: In Ordnung.

R: Ich habe zu ihrem Verfahren keine weiteren Fragen. Wollen Sie noch etwas angeben oder Anträge stellen?

BF: Nein.

R fragt den BF, ob er den Dolmetscher gut ve

Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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