TE Lvwg Erkenntnis 2017/11/7 VGW-051/055/764/2017

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Veröffentlicht am 07.11.2017
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Entscheidungsdatum

07.11.2017

Index

40/01 Verwaltungsverfahren
E2D Assoziierung Türkei
E2D E02401013
E2D E05204000
E2D E11401020
41/02 Passrecht Fremdenrecht

Norm

VStG §45 Abs1 Z2
ARB 1/80 Art. 13
NAG §14a

Text

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Verwaltungsgericht Wien hat durch seine Richterin Mag.a Peters über die Beschwerde von Frau O. A. gegen das Straferkenntnis des Magistrat der Stadt Wien, Magistratisches Bezirksamt für den ... Bezirk, vom 20.10.2016, GZ MBA … - S 34161/16, betreffend eine Verwaltungsübertretung nach § 77 Abs. 1 Z 3 iVm. § 14a und § 81 Abs. 18 NAG, BGBl. I Nr. 100/2005 idgF.,

zu Recht e r k a n n t:

I. Gemäß § 50 VwGVG wird der Beschwerde Folge gegeben, das Straferkenntnis behoben und das Verfahren gemäß § 45 Abs. 1 Z  2 VStG eingestellt.

II. Gemäß § 52 Abs. 8 VwGVG hat die Beschwerdeführerin keinen Beitrag zu den Kosten des Beschwerdeverfahrens zu leisten.

III. Gegen dieses Erkenntnis ist eine ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof durch die vor dem Verwaltungsgericht Wien belangte Behörde unzulässig.

E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e

Der Spruch des angefochtenen Straferkenntnisses lautet wie folgt:

„Sie haben es als Drittstaatsangehörige im Sinne des § 2 Abs. 1 Z 6 NAG, BGBl. I 2005/157, unterlassen, der Pflicht zur Erfüllung der Integrationsvereinbarung binnen 2 Jahren nach Erteilung des Aufenthaltstitels mit der Gültigkeit ab 03.06.2009 bzw. gemäß den Übergangsbestimmungen für Antragsteller, welche den ersten Aufenthaltstitel vor dem 01.07.2011 übernommen haben, spätestens bis zum 30.06.2013 nachzukommen, da Sie in der Zeit vom 01.07.2013 bis 04.07.2016 die Integrationsvereinbarung aus Gründen, die ausschließlich Ihnen zuzurechnen sind, nicht erfüllt und der Behörde, das ist der Magistrat der Stadt Wien – Magistratsabteilung 35 in 1030 Wien, Am Modenapark 1-2 nachgewiesen haben und Sie weder zum Zeitpunkt der Erfüllungspflicht unmündig waren, noch die Erfüllung der Integrationsvereinbarung aufgrund ihres hohen Altes oder Gesundheitszustandes nicht zugemutet werden konnte noch ein Antrag auf Aufschub zur Erfüllung gestellt wurde und keine Nachweise vorlagen, die geeignet wären, Sie von der Leistungspflicht der Integrationsvereinbarung zu befreien.

Sie haben dadurch folgende Rechtsvorschriften verletzt:

§ 77Abs. 1 Z.3 in Verbindung mit § 14a und § 81 Abs. 18 Niederlassung- und Aufenthaltsgesetz (NAG), BGBl. I Nr. 100/2005 in der geltenden Fassung

Wegen dieser Verwaltungsübertretung wird über Sie folgende Strafe verhängt:

Geldstrafe von € 50,00, falls diese uneinbringlich ist, Ersatzfreiheitsstrafe von 3 Stunden gemäß § 77 Abs. 1 NAG

Ferner haben Sie gemäß § 64 des Verwaltungsstrafgesetzes (VStG) zu zahlen:

€ 12,00 als Beitrag zu den Kosten des Strafverfahrens, d.s. 10% der Strafe (mindestens jedoch € 10,00 pro Übertretung)

Der zu zahlende Gesamtbetrag (Strafe/Kosten) beträgt daher € 62,00.

Außerdem sind die Kosten des Strafvollzuges zu ersetzen.“

In der dagegen frist- und formgerecht erhobenen Beschwerde, wendete die Beschwerdeführerin Folgendes ein.

„Sehr geehrte Damen und Herren

Bezugnehmend auf das Straferkenntnis vom 20.10.2016 erlaube ich mir, gegen es in offener Frist Beschwerde zu erheben:

Es ist zu erwähnen, dass ich am 16.06.2016 die mündliche und am 13.09.2016 die schriftliche Prüfung für das ÖSD-Zertifikat A2 bestanden habe. Somit habe ich das genannte mit 12.10.2016 datierte ÖSD-Zertifikat A2 erworben.

In Anbetracht dieses Sachverhaltes ersuche ich Sie, meiner Beschwerde stattzugeben und in der Folge die verhängte Geldstrafe in Höhe von .EUR 62,- zu annullieren und verbleibe

Hochachtungsvoll

O. A.“

Mit der Beschwerde legte sie ein ÖSD Zertifikat A2 Deutsch vom 12.10.2016, nach dem sie die Prüfung A2 Deutsch bestanden hat, in Kopie vor.

Die Durchführung einer Verhandlung wurde weder von der Beschwerdeführerin noch der belangten Behörde beantragt und steht außerdem die Rechtsfrage zur Entscheidung an, ob die Bestimmungen des NAG über die Verpflichtung zur Erfüllung der Integrationsvereinbarung im Lichte der Standstill Klausel des Art. 13 des Beschlusses Nr. 1/80 des Assoziationsrates EWG - Türkei über die Entwicklung der Assoziation vom 19.09.1980 (im Folgenden: ARB 1/80), eine unzulässige Verschlechterung gegenüber den seit 01.01.1995 geltenden diesbezüglichen Bestimmungen des Fremdengesetzes 1993 bzw. des Fremdengesetzes 1997 darstellt.

Das Verwaltungsgericht Wien stellt auf Grund des Akteninhaltes und des Ergebnisses des Ermittlungsverfahrens folgenden Sachverhalt als erwiesen fest:

Die Beschwerdeführerin, eine am ... 1991 geborene türkische Staatsangehörige, ist seit 10.08.2009 im österreichischen Bundesgebiet aufhältig. Der erste Aufenthaltstitel zur Familienzusammenführung mit ihrem Ehegatten, welcher die österreichische Staatsangehörigkeit besitzt, wurde ihr im Mai 2009 erteilt.

Dabei wurde von der den Berufungsbescheid erlassenden Behörde – dem Bundesministerium für Inneres - ausdrücklich der bezüglich der Beschwerdeführerin vorgelegte arbeitsrechtliche Vorvertrag und das aus dieser zu erwartenden und angestrebten unselbständigen Beschäftigung zu erzielende Einkommen dem zu erwartenden Familienunterhalt zugrunde gelegt.

In Folge wurden ihr aufgrund ihrer jeweils fristgerechten Verlängerungsanträge laufend Aufenthaltstitel als Familienangehörige eines Österreichers - zuletzt am 24.04.2017 mit einer Gültigkeit bis 24.4.2020 – mit freiem Zugang zum Arbeitsmarkt, erteilt.

Mit 30.03.2010 hat sie das österreichische Sprachdiplom A1 erhalten.

Die Beschwerdeführerin hat erst mit 12.10.2016 das Deutschzertifikat A2 erhalten, und somit die Integrationsvereinbarung erst mit 12.10.2016 erfüllt.

Die Beschwerdeführerin ist seit 21.09.2009 – mit Unterbrechungen – beim Arbeitsmarktservice als arbeitssuchend gemeldet. Am 28.03.2011 hat sie ein Kind geboren und seit 24.05.2011 Kindergeld bezogen.

Eine Absicht, unselbständig erwerbstätig zu sein, besteht somit offenkundig und wurde diese Absicht auch eindeutig dem ersten Aufenthaltstitel sowie in sämtlichen Verlängerungsverfahren zugrunde gelegt.

Die Beschwerdeführerin ist strafrechtlich unbescholten.

Das Verwaltungsgericht Wien hat erwogen:

Ad I. Straferkenntnis:

§ 45 (1) Die Behörde hat von der Einleitung oder Fortführung eines Strafverfahrens abzusehen und die Einstellung zu verfügen, wenn

1.   die dem Beschuldigten zur Last gelegte Tat nicht erwiesen werden kann oder keine Verwaltungsübertretung bildet;

2.   der Beschuldigte die ihm zur Last gelegte Verwaltungsübertretung nicht begangen hat oder Umstände vorliegen, die die Strafbarkeit aufheben oder ausschließen;

3.   Umstände vorliegen, die die Verfolgung ausschließen;

4.   die Bedeutung des strafrechtlich geschützten Rechtsgutes und die Intensität seiner Beeinträchtigung durch die Tat und das Verschulden des Beschuldigten gering sind;

5.   die Strafverfolgung nicht möglich ist;

6.   die Strafverfolgung einen Aufwand verursachen würde, der gemessen an der Bedeutung des strafrechtlich geschützten Rechtsgutes und der Intensität seiner Beeinträchtigung durch die Tat unverhältnismäßig wäre.

Anstatt die Einstellung zu verfügen, kann die Behörde dem Beschuldigten im Fall der Z 4 unter Hinweis auf die Rechtswidrigkeit seines Verhaltens mit Bescheid eine Ermahnung erteilen, wenn dies geboten erscheint, um ihn von der Begehung strafbarer Handlungen gleicher Art abzuhalten.

Die entscheidungswesentlichen Bestimmungen des Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetzes in der auf die Tatzeit anzuwendenden Fassung BGBl. I Nr. 100/2005 idF. BGBl. I Nr. 68/2013 lauten wie folgt:

§ 14a (1) Drittstaatsangehörige sind mit erstmaliger Erteilung eines Aufenthaltstitels gemäß § 8 Abs. 1 Z 1, 2, 4, 5, 6 oder 8 zur Erfüllung des Moduls 1 der Integrationsvereinbarung verpflichtet. Diese Pflicht ist dem Drittstaatsangehörigen nachweislich zur Kenntnis zu bringen.

(2) Der Erfüllungspflicht gemäß Abs. 1 haben Drittstaatsangehörige binnen zwei Jahren ab erstmaliger Erteilung des Aufenthaltstitels gemäß § 8 Abs. 1 Z 1, 2, 4, 5, 6 oder 8 nachzukommen. Unter Bedachtnahme auf die persönlichen Lebensumstände des Drittstaatsangehörigen kann der Zeitraum der Erfüllungspflicht auf Antrag mit Bescheid verlängert werden. Diese Verlängerung darf die Dauer von jeweils zwölf Monaten nicht überschreiten; sie hemmt den Lauf der Fristen nach § 15.

(3) Für die Dauer von fünf Jahren ab Ablauf der Gültigkeit des zuletzt erteilten Aufenthaltstitels gemäß § 8 Abs. 1 Z 1, 2, 4, 5, 6 oder 8 werden bereits konsumierte Zeiten der Erfüllungspflicht auf den Zeitraum der Erfüllungspflicht gemäß Abs. 2 angerechnet.

(4) Das Modul 1 der Integrationsvereinbarung ist erfüllt, wenn der Drittstaatsangehörige

1.   einen Deutsch-Integrationskurs besucht und einen Nachweis des Österreichischen Integrationsfonds über den erfolgreichen Abschluss des Deutsch-Integrationskurses vorlegt,

2.   einen allgemein anerkannten Nachweis über ausreichende Deutschkenntnisse gemäß § 14 Abs. 2 Z 1 vorlegt,

3.   über einen Schulabschluss verfügt, der der allgemeinen Universitätsreife im Sinne des § 64 Abs. 1 des Universitätsgesetzes 2002, BGBl. I Nr. 120, oder einem Abschluss einer berufsbildenden mittleren Schule entspricht oder

4.   einen Aufenthaltstitel „Rot-Weiß-Rot – Karte” gemäß § 41 Abs. 1 oder 2 besitzt.

Die Erfüllung des Moduls 2 (§ 14b) beinhaltet das Modul 1.

(5) Ausgenommen von der Erfüllungspflicht gemäß Abs. 1 sind Drittstaatsangehörige,

1.   die zum Ende des Zeitraumes der Erfüllungspflicht (Abs. 2) unmündig sein werden;

2.   denen auf Grund ihres physischen oder psychischen Gesundheitszustandes die Erfüllung nicht zugemutet werden kann; der Drittstaatsangehörige hat dies durch ein amtsärztliches Gutachten nachzuweisen;

3.   wenn sie schriftlich erklären, dass ihr Aufenthalt die Dauer von zwölf Monaten innerhalb von zwei Jahren nicht überschreiten soll; diese Erklärung beinhaltet den Verzicht auf die Stellung eines Verlängerungsantrages.

(6) Nähere Bestimmungen über die Durchführung von Deutsch-Integrationskursen und den Nachweis des Österreichischen Integrationsfonds über den erfolgreichen Abschluss des Deutsch-Integrationskurses gemäß Abs. 4 Z 1 sowie über die Nachweise gemäß Abs. 4 Z 2 hat der Bundesminister für Inneres durch Verordnung festzulegen.

(7) Die Behörde kann von Amts wegen mit Bescheid feststellen, dass trotz erfolgreichem Abschluss eines Deutsch-Integrationskurses gemäß Abs. 4 Z 1 oder trotz Vorliegen eines Nachweises gemäß Abs. 4 Z 2 der Drittstaatsangehörige das Modul 1 der Integrationsvereinbarung mangels erforderlicher Kenntnisse gemäß § 14 Abs. 2 Z 1 nicht erfüllt hat.

Art. 13 des Beschlusses Nr. 1/80 des Assoziationsrates EWG - Türkei über die Entwicklung der Assoziation vom 19.09.1980 (im Folgenden: ARB 1/80) lautet jedoch:

„Artikel 13

Die Mitgliedstaaten der Gemeinschaft und die Türkei dürfen für Arbeitnehmer und ihre Familienangehörigen, deren Aufenthalt und Beschäftigung in ihrem Hoheitsgebiet ordnungsgemäß sind, keine neuen Beschränkungen der Bedingungen für den Zugang zum Arbeitsmarkt einführen."

Mit Urteil des EuGH vom 15.11.2011, GZ C-256/11 („Derici“), wurde (unter anderem) festgestellt, dass Artikel 41 Abs. 1 des Zusatzprotokolls zum Assoziierungsabkommen zwischen der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft und der Türkei dahin auszulegen sei, dass es als unzulässige „neue Beschränkung“ im Sinne dieses Artikels anzusehen sei, wenn eine Neuregelung restriktiver sei als eine Vorgängerregelung, mit der ihrerseits eine die Bedingungen für die Ausübung der Niederlassungsfreiheit türkischer Staatsangehöriger zum Zeitpunkt des Inkrafttretens dieses Zusatzprotokolls im Mitgliedsstaat betreffende Bestimmung gelockert wurde. In seinem Urteil im Fall „Sahin“ vom 17.09.2009, C-242/06, hat der EuGH dazu weiter ausgeführt „(65) Da der Gerichtshof bereits entschieden hat, dass die Stillhalteklausel in Art. 13 des Beschlusses Nr. 1/80 und diejenige in Art. 41 Abs. 1 des Zusatzprotokolls gleichartig sind und dass die beiden Klauseln dasselbe Ziel verfolgen (…) , muss die in der vorstehenden Randnummer wiedergegebenen Auslegung ebenso in Bezug auf die Stillhalteverpflichtung gelten, die die Grundlage von Art. 13 in Bereich der Arbeitnehmerfreizügigkeit bildet.“

Dazu hat der Verwaltungsgerichtshof unter anderem im Erkenntnis vom 19.04.2012, 2008/18/0202 (mit weiteren Nachweisen) ausdrücklich ausgesprochen:

„Diese Verschärfung stellt für eine solche Konstellation, sodann aber auch für türkische Staatsangehörige eine neue Beschränkung der Möglichkeit der Aufenthaltsnahme und sohin auch der Möglichkeit, eine Erwerbstätigkeit in Österreich aufzunehmen, dar. Nach Urteil des EuGH vom 15. November 2011, C-256/11, Rs. Dereci ua, ist eine solche Verschärfung aber nicht mit den unionsrechtlichen Vorgaben, die sich aus den, den türkischen Staatsangehörigen zugutekommenden Stillhalteklauseln ergeben, vereinbar.“

Somit ist im Fall der Beschwerdeführerin, die als in Österreich legal niedergelassene türkische Staatsangehörige auch beabsichtigt in Österreich einer unselbständigen Erwerbstätigkeit nachzugehen und dies auch vom Bundesministerium für Inneres bei der Erteilung des ersten Aufenthaltstitels als Teil des zu erwartenden Familieneinkommens ausdrücklich berücksichtigt wurde und durch den Arbeitslosengeldbezug belegt wurde - unabhängig davon, dass ihr Ehegatte als österreichischer Staatsangehöriger kein Begünstigter nach dem ARB 1/80 ist - jeweils die seit dem 01.01.1995 in Österreich geltende, in diesem Fall günstigste Rechtslage anzuwenden.

Die Erfüllung einer „Integrationsvereinbarung“ bzw. der verpflichtende Erwerb der deutschen Sprache innerhalb einer Frist ab der Erteilung des ersten Aufenthaltstitels war weder in dem am 01.01.1995 in Geltung stehenden Fremdengesetz 1993, BGBl. Nr. 838/1992, noch in dem ab. 01.01.1998 geltenden Fremdengesetz 1997, BGBl. I 75/1997 bis zum 01.01.2003 vorgesehen. Erst mit der Novelle des BGBl. I. 126/2002 wurden die Bestimmungen des §50a, § 14 Abs. 3a sowie eine entsprechende Strafbestimmung in § 108 Abs. 1a und Abs. 1b und damit die Verpflichtung zur Erfüllung einer „Integrationsvereinbarung“ durch den Erwerb der deutschen Sprache in das FrG 1997 aufgenommen.

Soweit die belangte Behörde aufgrund einer Stellungnahme der Magistratsabteilung 35 als Niederlassungsbehörde vom 17.08.2016 vermeint, dass die Stillhalteklausel des Art. 13 des ARB 1/80 ausschließlich auf türkische Staatsangehörige die Angehörige von österreichischen Staatsangehörigen sind, anzuwenden sei und zudem im Fall der Beschwerdeführerin eine Erwerbsabsicht nicht vorliege, ist festzuhalten, dass die genannte Stillhalteklausel in jedem Fall auf türkische Staatsangehörige, die in Österreich einer unselbständigen Erwerbstätigkeit nachgehen wollen und deren Aufenthalt zur Ausübung einer unselbständigen Erwerbstätigkeit bewilligt wurde Anwendung findet.

Dass laut einem Erlass des BMI vom 29.04.2016 erst ab diesem Zeitpunkt alle Erstanträge mit dem erweiterten Assoziierungsabkommen bewilligt oder abgewiesen werden, hat nach der zitierten Entscheidung des Verwaltungsgerichtshofes keinen Einfluss auf die Anwendbarkeit der „Stand-Still-Klausel“ auch auf Fälle in denen der Erstantrag bereits im Jahr 2009 bewilligt wurde.

Die Verpflichtung zur Erfüllung der Integrationsvereinbarung stellt zweifelsfrei eine Beschränkung dar, die in den Bestimmungen des FrG 1993 und des FrG 1997 bis zum 01.01.2003 nicht enthalten war.

Da somit die Beschwerdeführerin aufgrund der „Stillhalteklausel“ des Art. 13 des ARB 1/80 im Sinne der zum Fall „Derici“ ergangenen Rechtsprechung einer neuen Beschränkung der Möglichkeit der Aufenthaltsnahme und sohin auch der Möglichkeit, eine Erwerbstätigkeit in Österreich aufzunehmen, durch die Verpflichtung der Erfüllung der Integrationsvereinbarung ausgesetzt wäre, was im Sinne der genannten Rechtsprechung nicht zulässig ist, kann auch eine Bestrafung wegen der nicht fristgerechten Erfüllung der Integrationsvereinbarung nicht erfolgen.

Daher war spruchgemäß zu entscheiden.

Ad II: Kosten des Beschwerdeverfahrens:

Gemäß § 52 Abs. 8 VwGVG sind die Kosten des Beschwerdeverfahrens der Beschwerdeführerin in einem Verwaltungsstrafverfahren nicht aufzuerlegen, wenn der Beschwerde auch nur teilweise Folge gegeben wird. Im gegenständlichen Fall war das Straferkenntnis zu beheben und das Verwaltungsstrafverfahren einzustellen, sodass der Beschwerdeführerin keine Kosten aufzuerlegen sind.

Ad III. Unzulässigkeit der ordentlichen Revision

Die ordentliche Revision ist unzulässig, da keine Rechtsfrage im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG zu beurteilen war, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes. Weiters ist die dazu vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Ebenfalls liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.

Schlagworte

Stillhalteklausel, Anwendungsbereich, Integrationsvereinbarung

Anmerkung

VwGH v. 25.4.2019, Ra 2018/22/0043; Aufhebung

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:LVWGWI:2017:VGW.051.055.764.2017

Zuletzt aktualisiert am

06.06.2019
Quelle: Landesverwaltungsgericht Wien LVwg Wien, http://www.verwaltungsgericht.wien.gv.at
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