TE Vwgh Erkenntnis 2017/10/17 Ro 2016/15/0020

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Veröffentlicht am 17.10.2017
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Index

001 Verwaltungsrecht allgemein
10/07 Verwaltungsgerichtshof

Norm

VwGG §30a Abs1
VwGG §30a Abs2
VwGG §30b Abs1
VwGG §33 Abs1
VwRallg

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Zorn, die Hofrätin Dr. Büsser sowie die Hofräte MMag. Maislinger, Mag. Novak und Dr. Sutter als Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Mag. Engenhart, über die Revision des Finanzamts Deutschlandsberg Leibnitz Voitsberg in 8570 Voitsberg, Dr. Christian Niederdorferstraße 1, gegen den Beschluss des Bundesfinanzgerichts vom 26. Juli 2016, Zl. RR/2100010/2016, betreffend Gegenstandsloserklärung einer Revision (mitbeteiligte Partei: K GmbH als Rechtsnachfolgerin der T GmbH in L, vertreten durch die KPMG Alpen-Treuhand GmbH Wirtschaftsprüfung- und Steuerberatungsgesellschaft in 4020 Linz, Kudlichstrasse 41), zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Beschluss wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Unzuständigkeit des Bundesfinanzgerichts aufgehoben.

Begründung

1        Mit Erkenntnis vom 3. Mai 2016 gab das Bundesfinanzgericht einer Beschwerde der mitbeteiligten GmbH Folge und änderte die vor ihm bekämpften Bescheide betreffend Feststellung Gruppenträger 2007 bis 2009 ab. Die Revision gegen dieses Erkenntnis erklärte das Bundesfinanzgericht für zulässig, weil es keine Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofs zur Frage des Vorliegens eines Konzernverhältnisses bei der gegebenen besonderen Sachverhaltskonstellation gebe.

2        Mit dem gegenständlichen Beschluss vom 26. Juli 2016 erklärte das Bundesfinanzgericht die vom Finanzamt eingebrachte Revision als gegenstandslos geworden und stellte das Revisionsverfahren ein. Begründend führte es im Wesentlichen aus, die Zustellung des Erkenntnisses an das revisionswerbende Finanzamt sei am 10. Mai 2016 erfolgt, woraus sich ein Ende der Revisionsfrist am 21. Juni 2016 ergebe.

3        Das Finanzamt habe die Revision sowohl beim Verwaltungsgerichtshof als auch beim Bundesfinanzgericht eingebracht. Zur beim Verwaltungsgerichtshof eingebrachten Revision sei zu bemerken, dass die (am 22. Juni 2016 beim Verwaltungsgerichtshof eingelangte) Revision mit verfahrensleitender Anordnung des Verwaltungsgerichtshofs vom 30. Juni 2016 dem Bundesfinanzgericht zuständigkeitshalber übermittelt worden sei. Der Eingang dieser Revision beim Bundesfinanzgericht sei am 4. Juli 2016, somit außerhalb der sechswöchigen Revisionsfrist, erfolgt.

4        Zur beim Bundesfinanzgericht eingebrachten Revision sei zu bemerken, dass die Revision beim Bundesfinanzgericht am 22. Juni 2016 in vierfacher Ausfertigung eingelangt sei; sie sei jedoch - obwohl als beiliegend verzeichnet - ohne eine Kopie des angefochtenen Erkenntnisses eingegangen. Mit Mängelbehebungsauftrag vom 28. Juni 2016 sei die Revision gemäß § 30a Abs. 2 VwGG dem Finanzamt zur Behebung des Mangels des Fehlens einer Ausfertigung, Abschrift oder Kopie des angefochtenen Erkenntnisses zurückgestellt und dieses aufgefordert worden, unter Wiedervorlage der Revisionsschriftsätze den Mangel binnen 14 Tagen ab Zustellung dieses Schreibens zu beheben. Das Finanzamt sei darauf hingewiesen worden, dass die Versäumung dieser Frist als Zurückziehung gelte. Der Eingang der Revision (vierfach) samt einer Kopie des angefochtenen Erkenntnisses sei am 21. Juli 2016 (Poststempel: 20. Juli 2016), somit außerhalb der Mängelbehebungsfrist, erfolgt. Die Revision sei daher als gegenstandslos geworden zu erklären und das Verfahren einzustellen gewesen.

5        Gegen diesen Beschluss wendete sich das Finanzamt mit dem gegenständlichen „Vorlageantrag“. Das antragstellende Finanzamt bringt darin im Wesentlichen vor, der für die Einreichung der Revision zuständige Fachvorstand habe bestätigt, die Revision beim Verwaltungsgerichtshof und beim Bundesfinanzgericht jeweils unter Anschluss einer Kopie des angefochtenen Erkenntnisses im Sinne des § 28 Abs. 4 VwGG eingereicht zu haben. Für die Richtigkeit dieser Aussage spreche zum einen, dass das Erkenntnis in der beim Bundesfinanzgericht eingebrachten Revisionsschrift als beiliegend verzeichnet worden sei. Zum anderen sei das Erkenntnis der beim Verwaltungsgerichtshof eingebrachten gleichlautenden Revision offenbar jedenfalls beigelegen. In der Begründung des vorliegenden Beschlusses werde dazu nichts Gegenteiliges behauptet.

6        Selbst wenn man davon ausgehe, dass das angefochtene Erkenntnis der beim Bundesfinanzgericht eingebrachten Revision nicht angeschlossen gewesen sei, so sei dieses jedoch jedenfalls durch die beim Verwaltungsgerichtshof eingelangte und mit verfahrensleitender Anordnung vom 30. Juni 2016 dem Bundesfinanzgericht zuständigkeitshalber weitergeleitete Revision dem Bundesfinanzgericht am 4. Juli 2016, also noch innerhalb der dem Finanzamt mit Mängelbehebungsauftrag vom 28. Juni aufgetragenen vierzehntätigen Mängelbehebungsfrist, zugekommen, sodass der Mangel jedenfalls als behoben gelten müsse, weil dem Bundesfinanzgericht die Revision samt angefochtenem Erkenntnis am 4. Juli 2016 vorgelegen sei.

7        Ergänzend werde schließlich auf die Ausführungen im Kommentarschrifttum verwiesen, wonach der Anordnung des § 28 Abs. 4 VwGG künftig nur noch untergeordnete Bedeutung beizumessen sein werde. Demnach habe diese Vorschrift dem Verwaltungsgerichtshof im bisher zu führenden Beschwerdeverfahren, in dem die Beschwerden bei ihm einzubringen gewesen seien, in erster Linie ermöglichen sollen, in bereits anhand der Beschwerde und des angefochtenen Bescheids klaren Angelegenheiten eine Entscheidung ohne Einleitung des Vorverfahrens - also insbesondere auch ohne Einsichtnahme in die Verwaltungsakten - zu treffen. Dafür sei es notwendig gewesen, dass dem Verwaltungsgerichtshof der Inhalt des angefochtenen Bescheids durch Vorlage einer Ausfertigung, Abschrift oder Kopie desselben bekannt gemacht worden sei. Künftig werde der Verwaltungsgerichtshof, dem mit der Revision auch die Verwaltungsakten vorzulegen seien, im Regelfall schon durch die in den Verfahrensakten einliegende Urschrift Kenntnis vom Inhalt der angefochtenen Entscheidung erlangen, die in der Revision gemäß § 28 Abs. 1 Z 1 und 2 VwGG auch ausreichend zu individualisieren sei (Hinweis auf Eder/Martschin/Schmid, Das Verfahrensrecht der Verwaltungsgerichte § 28 K 3).

8        Mit Verfügung vom 28. Juni 2017 hat der Verwaltungsgerichtshof den eingebrachten „Vorlageantrag“ vorläufig als Revision gedeutet und das Vorverfahren eingeleitet.

9        Die mitbeteiligte Partei hat daraufhin eine Revisionsbeantwortung eingebracht, in der sie sich für eine Einstellung des Verfahrens aussprach. Bei lebensnaher Betrachtung liege die Vermutung nahe, dass die Erkenntniskopie bei Einbringung der Revision an das Bundesfinanzgericht nicht beigelegt worden sei. Der daraufhin ergangene Mängelbehebungsauftrag sei aufgrund der urlaubsbedingten Abwesenheit des Sachbearbeiters nicht fristgerecht erfüllt worden. Der Mängelbehebungsauftrag des Bundesfinanzgerichts habe sich auf die fristgerecht, jedoch unvollständig beim Bundesfinanzgericht eingereichte Revision bezogen. Zwischen dem Mängelbehebungsauftrag und der beim Verwaltungsgerichtshof eingereichten weiteren (letztlich verspäteten) Revision bestehe kein Zusammenhang. Sie könne daher auch nicht als „Beantwortung“ des Mängelbehebungsauftrages betrachtet werden, zumal die Einreichung beim Bundesfinanzgericht nicht anlässlich des Mängelbehebungsauftrages, sondern aufgrund der Weiterleitung durch den Verwaltungsgerichtshof erfolgt sei.

10       Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

11       Kommt die revisionswerbende Partei einer gemäß § 30a Abs. 2 erster Halbsatz VwGG ergangenen Aufforderung des Verwaltungsgerichts, näher bezeichnete Form- und Inhaltsmängel der Revision zu beheben, nicht nach, gilt dies gemäß § 30a Abs. 2 zweiter Halbsatz VwGG als Zurückziehung der Revision.

12       Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofs ist diesfalls das Revisionsverfahren - anders als in den Fällen des § 30a Abs. 1 VwGG, in denen ein Zurückweisungsbeschluss vom Verwaltungsgericht zu fassen ist - gemäß dem sich nur an den Verwaltungsgerichtshof richtenden § 33 Abs. 1 zweiter Satz VwGG von diesem mit Beschluss einzustellen (vgl. VwGH vom 26. Februar 2015, Ro 2015/11/0005, und vom 11. Dezember 2014, Ro 2014/21/0074, sowie Eder/Martschin/Schmid, Das Verfahrensrecht der Verwaltungsgerichte2, § 30a VwGG, K 7 ff).

13       Nach § 30b Abs. 1 VwGG ist ein Vorlageantrag gegen einen Einstellungsbeschluss nicht zulässig. Daran ändert auch nichts, dass die Rechtsmittelbelehrung des Einstellungsbeschlusses des Verwaltungsgerichts unzutreffend die Stellung eines Vorlageantrags vorsah, zumal durch eine solche falsche Rechtsmittelbelehrung ein gesetzlich nicht normierter Rechtsweg nicht geschaffen bzw. die Zulässigkeit eines gesetzlich nicht vorgesehenen Rechtsmittels nicht bewirkt werden kann (vgl. VwGH vom 24. April 2015, Ro 2015/02/0007, mwN).

14       Der Verwaltungsgerichtshof deutet daher die als „Vorlageantrag“ bezeichnete vorliegende Eingabe des Finanzamts, die den Einstellungsbeschluss bekämpft, als - mangels Nichtzulassungsentscheidung des Bundesfinanzgerichts - ordentliche Revision gegen den Einstellungsbeschluss des Bundesfinanzgerichts.

15       Diese Revision erweist sich schon deswegen als (zulässig und) begründet, weil dem Bundesfinanzgericht nach dem Gesagten in einem Fall wie dem vorliegenden keine Zuständigkeit zukommt, die Revision als gegenstandslos geworden zu erklären und das Verfahren einzustellen.

16       Der angefochtene Beschluss war demnach gemäß § 42 Abs. 2 Z 2 VwGG wegen Rechtswidrigkeit infolge Unzuständigkeit des Verwaltungsgerichtes aufzuheben.

17       Eine Einstellung des Verfahrens durch den Verwaltungsgerichtshof nach § 33 Abs. 1 VwGG hat aber nicht zu erfolgen. Wie das Finanzamt nämlich zu Recht vorgebracht hat, lag dem Verwaltungsgericht auf Grund der vom Verwaltungsgerichtshof weitergeleiteten Revision, die ihrerseits eine Kopie des angefochtenen Erkenntnisses enthielt, innerhalb offener Mängelbehebungsfrist eine vom Finanzamt angeschlossene Kopie des angefochtenen Erkenntnisses vor. Damit war der Mängelbehebungsauftrag aber fristgerecht erfüllt und von einer mängelfreien Revision auszugehen, zumal es - entgegen der Ansicht der mitbeteiligten Partei - keine besonderen Formvorgaben für die Wertung von Schriftsätzen als „Beantwortung“ von Mängelbehebungsaufträgen gibt.

18       Der Verwaltungsgerichtshof wird in der Folge das Vorverfahren über die vorliegende Revision gegen das Erkenntnis vom 3. Mai 2016 einleiten.

Wien, am 17. Oktober 2017

Schlagworte

Individuelle Normen und Parteienrechte Auslegung von Bescheiden und von Parteierklärungen VwRallg9/1

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2017:RO2016150020.J00

Im RIS seit

07.07.2020

Zuletzt aktualisiert am

07.07.2020
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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