TE Vwgh Erkenntnis 2000/6/28 2000/18/0119

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Veröffentlicht am 28.06.2000
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Index

E000 EU- Recht allgemein;
E1E;
E3L E05100000;
E3L E05204020;
E3L E20100000;
L08095 Europäische Integration Salzburg;
10/07 Verwaltungsgerichtshof;
19/05 Menschenrechte;
41/02 Passrecht Fremdenrecht;
59/04 EU - EWR;
82/02 Gesundheitsrecht allgemein;

Norm

11992E008A EGV Art8a;
11997E018 EG Art18;
11997E234 EG Art234;
31964L0221 Koordinierung-RL EWGVArt56 ordre public Art3 Abs1;
31968L0360 Aufhebungs-RL Aufenthaltsbeschränkungen Arbeitnehmer Art2;
31990L0364 Aufenthaltsrecht-RL Art1 Abs1;
31990L0364 Aufenthaltsrecht-RL Art1 Abs2;
31990L0364 Aufenthaltsrecht-RL Art2 Abs2;
31990L0364 Aufenthaltsrecht-RL;
EURallg;
Euro-BegleitG Slbg 1999;
MRK Art8;
PaßG 1992 §14 Abs1 Z3 litf idF 1995/507;
PaßG 1992 §15 Abs1 idF 1995/507;
PaßG 1992 §19 Abs2 idF 1995/507;
SMG 1997 §28;
VwGG §38a;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Zeizinger und die Hofräte Dr. Rigler, Dr. Handstanger, Dr. Bayjones und Dr. Enzenhofer als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Ferchenbauer, über die Beschwerde des G, (geb. 9.2.1950), vertreten durch Dr. Claudia Kleinszig, Rechtsanwalt in 1010 Wien, Laurenzerberg 2, gegen den Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Wien vom 3. Dezember 1999, Zl. SD 866/99, betreffend Entziehung eines Reisepasses und Versagung der Ausstellung eines Personalausweises, zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Begründung

I.

1. Mit dem im Instanzenzug ergangenen Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Wien (der belangten Behörde) vom 3. Dezember 1999 wurde dem Beschwerdeführer der ihm ausgestellte Reisepass, Nr. B 0043056, gemäß § 15 Abs. 1 iVm § 14 Abs. 1 Z. 3 lit. f des Passgesetzes 1992, idF der Passgesetz-Novelle 1995, entzogen, und weiters sein Antrag auf Ausstellung eines Personalausweises gemäß § 19 Abs. 2 iVm § 14 Abs. 1 Z. 3 lit. f leg. cit. abgewiesen.

Der Beschwerdeführer sei mit Urteil des Landesgerichtes Wels vom 13. Jänner 1998 des teils vollendeten, teils versuchten Verbrechens nach § 28 Abs. 2, zweiter, dritter und vierter Fall, Abs. 3 erster Fall, Abs. 4 Z. 3 SMG iVm § 15 Abs. 1, § 2, zweite Alternative, StGB sowie des Vergehens nach § 28 Abs. 1 SMG für schuldig erkannt und zu einer Freiheitsstrafe von sechs Jahren und sechs Monaten, durch den OGH herabgesetzt auf vier Jahre, rechtskräftig verurteilt worden.

Dem Urteil sei zu Grunde gelegen, dass der Beschwerdeführer mit der Absicht, sich durch die wiederkehrende Tatbegehung eine fortlaufende Einnahme zu verschaffen, im Jahr 1996 andere zur Einfuhr von insgesamt 2 Kilogramm Kokain und

2.000 Ecstasy-Tabletten bestimmt habe, im Dezember 1996 500 der o. a. Ecstasy-Tabletten aus Salzburg nach Zürich ausgeführt sowie das o.a. Kokain, Ecstasy-Tabletten und weiteres Suchtgift in Form von Amphetamin teils in Verkehr gesetzt und teils in Verkehr zu setzen versucht habe, sowie 682,6 Gramm Amphetamin und mehr als ein Kilogramm Ecstasy-Tabletten, somit Suchtgift in einer großen Menge, mit dem Vorsatz erworben und besessen habe, dass es in Verkehr gesetzt würde. Wie sich aus der Urteilsbegründung ergebe, sei es dem Beschwerdeführer schlichtwegs darauf angekommen, sich durch die Bestimmung zur Einfuhr, das wiederkehrende In-Verkehr-Setzen bzw. die Ausfuhr nicht nur einer großen, sondern auch einer Übermenge von Suchtgift, eine fortlaufende Einnahme zu verschaffen. Dabei sei es ihm völlig egal gewesen, ob er zur Verwirklichung dieses Zweckes das Suchtgift selbst in Verkehr gesetzt bzw. ausgeführt oder einen anderen zur Einfuhr des Suchtgifts bestimmt habe. Allein aus dem Verkauf von Kokain habe der Beschwerdeführer einen Nettogewinn von S 326.000,-- erzielt.

Auf Grund dieses Fehlverhaltens könne kein Zweifel bestehen, dass der im § 14 Abs. 1 Z. 3 lit. f des Passgesetzes 1992 normierte Sachverhalt verwirklicht sei. Nicht nur, dass der Beschwerdeführer seinen Reisepass dazu benützt habe, um im Juni 1996 nach Zürich zu fahren, um dort bei einem Lieferanten Suchtgift in (übergroßer) Menge zu bestellen und dessen Lieferung nach Salzburg zu bestimmen; er selbst habe 5.000 Ecstasy-Tabletten wieder von Österreich nach Zürich verbracht. Der Suchtgiftkriminalität hafte nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht nur eine besondere Gefährlichkeit, sondern darüber hinaus auch eine außerordentliche Wiederholungsgefahr an. Es könne daher kein Zweifel bestehen, dass die im § 14 Abs. 1 Z. 3 lit. f leg.cit. normierte Annahme gerechtfertigt sei. Daran habe auch die versuchte Verharmlosung dieser schwerwiegenden Straftaten durch den Beschwerdeführer ("einmalige deliktische Entgleisung") nichts zu ändern vermocht. Vielmehr enthalte das genannte Urteil die Feststellung, dass der Beschwerdeführer seine Taten reiflich überlegt und sorgfältig vorbereitet, dabei eine professionelle Vorgangsweise an den Tag gelegt und durch seine Kontakte zur "einschlägigen Schweizer Suchtgiftkreisen" der internationalen Drogenkriminalität erheblichen Vorschub geleistet habe. Das dargestellte Gesamt(fehl)verhalten des Beschwerdeführers lasse daher eine positive Zukunftsprognose nicht zu. In Anbetracht des Gesagten sei dem Beschwerdeführer sohin zwingend sein Reisepass zu entziehen und die Ausstellung eines Personalausweises zu versagen gewesen.

2. Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde mit dem Begehren, ihn wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben.

II.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

1. Gemäß § 15 Abs. 1 des Passgesetzes 1992 (in der vorliegend maßgeblichen Fassung der Passgesetz-Novelle 1995, BGBl. Nr. 507) ist ein Reisepass, dessen Gültigkeitsdauer noch nicht länger als fünf Jahre abgelaufen ist, zu entziehen, wenn nachträglich Tatsachen bekannt werden oder eintreten, die die Versagung der Ausstellung des Reisepasses rechtfertigen. Gemäß § 14 Abs. 1 Z. 3 lit. f leg. cit. ist (u.a.) die Ausstellung eines Reisepasses zu versagen, wenn Tatsachen die Annahme rechtfertigen, dass der Passwerber den Reisepass benützen will, um entgegen den bestehenden Vorschriften Suchtgift in einer großen Menge zu erzeugen, einzuführen, auszuführen oder in Verkehr zu setzen. Gemäß § 19 Abs. 2 leg. cit. sind u.a. auf die Ausstellung und Versagung von Personalausweisen die diesbezüglichen, die gewöhnlichen Reisepässe betreffenden Bestimmungen dieses Bundesgesetzes anzuwenden.

2. Der Beschwerdeführer bestreitet nicht seine von der belangten Behörde im angefochtenen Bescheid festgestellte rechtskräftige Verurteilung nach dem SMG zu einer (unbedingten) Freiheitsstrafe von vier Jahren und insbesondere auch nicht die Feststellungen der belangten Behörde betreffend die dieser Verurteilung zu Grunde liegenden Handlungen. Unbestritten ist somit insbesondere, dass der Beschwerdeführer (teils vollendet, teils versucht) gewerbsmäßig Suchtgift in einer Menge, die zumindest das 25-fache der Grenzmenge ausmacht, eingeführt, ausgeführt oder in Verkehr gesetzt hat. Gemäß § 28 Abs. 6 SMG ist bei der Festlegung der Grenzmenge eines Suchtgiftes insbesondere auf die Eignung des Suchtgiftes, Gewöhnung hervorzurufen und in großem Ausmaß eine Gefahr für das Leben oder die Gesundheit von Menschen herbeizuführen sowie auf das Gewöhnungsverhalten von Suchtgiftkranken Bedacht zu nehmen. Wenn die Behörde im Hinblick auf diesen solcherart feststehenden Handel mit Suchtgift in einer überaus großen Menge unter Berücksichtigung des Erfahrenswissens, dass gerade bei solchen Suchtgiftdelikten die Wiederholungsgefahr besonders groß ist (vgl. zu § 12 des Suchtgiftgesetzes etwa das hg. Erkenntnis vom 16. April 1999, Zl. 99/18/0025, mwH), zu dem Ergebnis gekommen ist, dass Tatsachen die Annahme rechtfertigen, dass der Beschwerdeführer den Reisepass bzw. den von ihm beantragten Personalausweis benützen will, um entgegen den bestehenden Vorschriften Suchtgift in einer großen Menge zu erzeugen, einzuführen, auszuführen oder in Verkehr zu setzen, so kann dies nicht als rechtswidrig erkannt werden, zumal der Beschwerdeführer seinen Reisepass unbestritten für einen solchen Zweck bereits verwendet hat. Von daher geht auch der Einwand fehl, dass die Entziehung seines Reisedokumentes nichts zur Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung und Sicherheit beitragen könne, weil "im Zeitalter der Telekommunikation zur Begehung von Drogendelikten keinerlei Reisetätigkeit mehr erforderlich" sei. Dass der Beschwerdeführer nach der Beschwerde niemals selbst "psychisch oder physisch drogenabhängig" gewesen sei, vermag an diesem Ergebnis nichts zu ändern. Gleiches gilt für den Hinweis des Beschwerdeführers, er habe die besagten Delikte aus einer (in der Beschwerde näher beschriebenen) "Krisensituation" heraus gesetzt und würde auf Grund seiner jetzigen Erfahrungen "mit Sicherheit jeglichen Kontakt zur Drogenszene künftighin meiden". Ebenso ist der Hinweis des Beschwerdeführers, seine Fähigkeit zur umfassenden Resozialisierung in Anbetracht einer Verurteilung wegen diverser Vermögensdelikte im Jahr 1982 bereits einmal unter Beweis gestellt zu haben, nicht zielführend.

Das Vorbringen, die belangte Behörde hätte bei einer im Hinblick auf Art. 8 Abs. 2 EMRK verfassungskonform vorzunehmenden Auslegung der genannten Regelungen des Passgesetzes zu einer positiven Entscheidung über seinen Antrag auf Ausstellung eines Personalausweises kommen müssen, kann die Beschwerde schon deswegen nicht zum Erfolg führen, weil das Recht auf Achtung des Privat- und Familienlebens gemäß Art. 8 leg. cit. unter Gesetzesvorbehalt steht, der einen gesetzlich vorgesehenen Eingriff u.a. zur Verhinderung von Straftaten und zum Schutz der Gesundheit rechtfertigt, und die vorliegend ausgesprochene Versagung der Ausstellung eines Personalausweises gerade diesen Zwecken dient (vgl. nochmals das hg. Erkenntnis vom 16. April 1999, Zl. 99/18/0025, in dem auch auf diesbezügliche Ausführungen des Verfassungsgerichtshofes hingewiesen wird).

Schließlich sieht sich der Verwaltungsgerichtshof im Hinblick auf seine Ausführungen in seinem Erkenntnis vom 5. März 1988, Zl. 97/18/0424, zu den (vom Beschwerdeführer herangezogenen) Richtlinien des Rates vom 28. Juni 1990, 90/364/EWG, vom 25. Februar 1964, 64/221/EWG und vom 25. Oktober 1968, 68/360/EWG, nicht veranlasst, das vom Beschwerdeführer angeregte Vorabentscheidungsverfahren einzuleiten.

3. Da somit bereits der Inhalt der Beschwerde erkennen lässt, dass die behauptete Rechtsverletzung nicht vorliegt, war die Beschwerde gemäß § 35 Abs. 1 VwGG ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung als unbegründet abzuweisen.

4. Bei diesem Ergebnis erübrigte sich eine Entscheidung über den Antrag, der Beschwerde aufschiebende Wirkung zuzuerkennen.

Wien, am 28. Juni 2000

.bea

KEINVORABANTRAG

Schlagworte

Gemeinschaftsrecht Auslegung Allgemein EURallg3 Gemeinschaftsrecht Richtlinie richtlinienkonforme Auslegung des innerstaatlichen Rechts EURallg4/3 Gemeinschaftsrecht Richtlinie unmittelbare Anwendung EURallg4/1

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2000:2000180119.X00

Im RIS seit

09.11.2001
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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