TE Vwgh Beschluss 2017/11/21 Ra 2015/12/0036

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Veröffentlicht am 21.11.2017
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Index

10/01 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG);
10/07 Verwaltungsgerichtshof;
40/01 Verwaltungsverfahren;

Norm

AVG §69 Abs2;
B-VG Art133 Abs4;
VwGG §28 Abs3;
VwGG §34 Abs1;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Köhler, Hofrat Dr. Zens und Hofrätin Mag.a Nussbaumer Hinterauer als Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Mag. Artmann, über die Revision des FP in G, vertreten durch Mag. Dr. Wolfgang Schlegl, Rechtsanwalt in 8054 Graz, Simonygasse 22, gegen das Erkenntnis des Landesverwaltungsgerichts Steiermark vom 12. Juni 2015, GZ. LVwG 49.35 6010/2014 9, betreffend Wiederaufnahme gemäß § 69 AVG iVm § 14 Abs. 4 DVG 1984 (vor dem Verwaltungsgericht belangte Behörde: Gemeinderat der Landeshauptstadt Graz), den Beschluss gefasst:

Spruch

Die Revision wird zurückgewiesen.

Begründung

1 Mit Bescheid des Stadtsenates der Landeshauptstadt Graz vom 18. März 2009 wurde der Revisionswerber mit Ablauf des 31. März 2009 wegen Dienstunfähigkeit in den Ruhestand versetzt. Der Ruhegenuss wurde mit Wirksamkeit vom 1. April 2009 mit einer Höhe von monatlich EUR 1.677,33 brutto festgesetzt. Dabei wurde eine Kürzung der Ruhegenussbemessungsgrundlage gemäß § 49b Abs. 2 der Dienst- und Gehaltsordnung der Beamten der Gemeinde Graz (im Folgenden: DO Graz), LGBl. für die Steiermark Nr. 30/1957 idF LGBl. Nr. 56/2008, (auf 63,50% der Ruhegenussbemessungsgrundlage nach § 49b Abs. 1 DO Graz) vorgenommen, weil zwischen dem Zeitpunkt der Wirksamkeit der Versetzung in den Ruhestand und dem Ablauf des Tages, mit dem der Revisionswerber frühestens seine Versetzung in den Ruhestand hätte bewirken können, 99 Monate lagen. Dieser Bescheid erwuchs unbekämpft in Rechtskraft.

2 Mit Bescheid des Gemeinderates der Landeshauptstadt Graz vom 27. Februar 2014 wurde dem Revisionswerber auf Grund eines am 7. Mai 2007 erlittenen Dienstunfalles eine Versehrtenrente ab 8. August 2007 in der Höhe von monatlich derzeit EUR 385,95 zuerkannt. Dieser Bescheid wurde dem rechtsfreundlichen Vertreter des Revisionswerbers unstrittig am 6. März 2014 zugestellt.

3 Mit Schriftsatz vom 12. Mai 2014 stellte der Revisionswerber einen Antrag auf Wiederaufnahme des Ruhegenussbemessungsverfahrens und auf Neubemessung des Ruhebezuges unter Heranziehung von 80% der Ruhegenussbemessungsgrundlage ab 1. April 2009.

4 Dazu führte er aus, mit Bescheid von 27. Februar 2014 sei ihm eine Versehrtenrente gewährt worden. Die Voraussetzungen des § 49 Abs. 3 (richtig: § 49b Abs. 5 Z 2) der DO Graz, wonach eine Kürzung der Ruhegenussbemessungsgrundlage nicht stattfinde, wenn die Ruhestandsversetzung wegen Dienstunfähigkeit auf einen Dienstunfall zurückzuführen sei und dem Beamten aus diesem Grunde eine Versehrtenrente aus der gesetzlichen Unfallversicherung gebühre, seien erfüllt.

5 Mit Bescheid des Stadtsenates der Landeshauptstadt Graz vom 24. Juli 2014 wurde der Antrag, "das mit Bescheid des Stadtsenates vom 18. März 2009 bereits formell rechtskräftig abgeschlossene Verfahren hinsichtlich der Bemessung des Ruhegenusses wieder aufzunehmen und den Ruhebezug neu zu bemessen", wegen Verspätung als unzulässig zurückgewiesen.

6 Begründend wurde ausgeführt, gemäß § 69 Abs. 2 AVG sei der Antrag auf Wiederaufnahme binnen zwei Wochen bei der Behörde einzubringen, die den Bescheid in erster Instanz erlassen habe. Die Frist beginne mit dem Zeitpunkt, in dem der Antragsteller von dem Wiederaufnahmegrund Kenntnis erlangt habe. Gegenständlich sei der die Versehrtenrente zuerkennende Bescheid am 6. März 2014 zugestellt worden, weshalb davon auszugehen sei, die Partei habe zu diesem Zeitpunkt von dem behaupteten Wiederaufnahmegrund Kenntnis erlangt. Der Antrag sei jedoch erst nach zwei Monaten mit Schreiben vom 12. Mai 2014, eingelangt am 14. Mai 2014, gestellt worden und sei daher als verspätet zurückzuweisen.

7 Gegen diesen Bescheid erhob der Revisionswerber Berufung. 8 Mit Bescheid des Gemeinderates der Landeshauptstadt Graz

vom 13. November 2014 wurde die Berufung als unbegründet abgewiesen.

9 Gegen diesen Bescheid erhob der Revisionswerber Beschwerde. 10 Mit dem angefochtenen Erkenntnis des Landesverwaltungsgerichts Steiermark vom 12. Juni 2015 wurde die Beschwerde in Spruchpunkt I. als unbegründet abgewiesen. In Spruchpunkt II. wurde ausgesprochen, dass die Revision unzulässig sei.

11 Begründend führte das Landesverwaltungsgericht Steiermark im Wesentlichen aus, der Antrag auf Wiederaufnahme sei gemäß § 69 Abs. 2 (erster Satz) AVG binnen zwei Wochen bei der Behörde einzubringen, die den Bescheid in erster Instanz erlassen habe. Diese Frist beginne mit dem Zeitpunkt, in dem der Antragsteller von dem Wiederaufnahmegrund Kenntnis erlangt habe Da der Bescheid vom 27. Februar 2014 auf Zuerkennung der Versehrtenrente dem Rechtsvertreter des Revisionswerbers nachweislich am 6. März 2014 zugestellt worden sei, habe die Frist zur Stellung eines Wiederaufnahmeantrags gemäß § 69 Abs. 2 zweiter Satz AVG mit diesem Zeitpunkt begonnen. Der Antrag auf Wiederaufnahme hätte daher spätestens bis 20. März 2014 gestellt werden müssen. Die Antragstellung am 12. Mai 2014 sei daher jedenfalls verspätet erfolgt. Anders als der Gemeinderat vertrat das Verwaltungsgericht die Rechtsansicht, die objektive Frist des § 69 Abs. 2 (dritter Satz) AVG von drei Jahren sei nicht versäumt worden, weil diese gemäß § 14 Abs. 4 Dienstrechtsverfahrensgesetz 1984 (DVG 1984) in dienstrechtlichen Verfahren zehn Jahre betrage. Die nachträgliche Anerkennung des Geschehens vom 7. Mai 2007 als Dienstunfall könne grundsätzlich durchaus einen potentiellen Wiederaufnahmegrund iSd § 69 Abs. 1 Z 2 AVG darstellen, allerdings habe der Revisionswerber den Bescheid auf Ruhegenussbemessung in Kenntnis der Frage des Vorliegens eines möglichen Dienstunfalles im Schreiben vom 2. April 2009 ausdrücklich unbekämpft gelassen, womit die erforderliche Geltendmachung im abgeschlossenen Verfahren nicht erfolgt sei. Eine Deutung dieses Schreibens als Rechtsmittel sei ausgeschlossen. Der Wiederaufnahmeantrag vom 12. Mai 2014 sei daher zu Recht als verspätet zurückgewiesen worden.

12 Die ordentliche Revision sei unzulässig, weil keine Rechtsfrage, der grundsätzliche Bedeutung im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG zukomme, zu beurteilen gewesen sei.

13 Gegen dieses Erkenntnis richtet sich die Revision. Der Revisionswerber bringt zur Zulässigkeit der Revision vor, das Landesverwaltungsgericht Steiermark sei in seiner Auffassung der Reichweite der materiellen Rechtskraft eines Bescheides, wie auch in der Frage des Vorliegens einer "nova causa superveniens" von der ständigen Rechtsprechung der Höchstgerichte abgewichen. Es sei irrigerweise davon ausgegangen, "dass im Pensionierungsbescheid des Revisionswerbers die Bemessungsgrundlagen desselben ebenfalls in Rechtskraft erwachsen". Diese Auffassung sei unrichtig. Eine entschiedene Sache liege dann vor, wenn sich gegenüber dem früheren Bescheid weder die Rechtslage noch der maßgeblich wesentliche Sachverhalt geändert hätten. Von einer Identität der Sache könne nur gesprochen werden, wenn einerseits weder in der Rechtslage noch in den für die Beurteilung des Parteibegehrens maßgeblichen tatsächlichen Umständen eine Änderung eingetreten sei und andererseits sich das neue Parteibegehren im Wesentlichen mit dem Früheren decke. Den geänderten Umständen müsse dabei Entscheidungsrelevanz zukommen. Im gegenständlichen Fall sei der Revisionswerber mit Bescheid vom 18. März 2009 wegen Dienstunfähigkeit in den Ruhestand versetzt und der Ruhegenuss festgesetzt worden. Bei Erlassung des Bescheides sei die Behörde nicht vom Vorliegen eines Dienstunfalles ausgegangen, sodass im Bescheid die entsprechenden Abschläge für die vorzeitige Pensionierung vorgesehen worden seien. Der Gemeinderat der Landeshauptstadt Graz habe erst mit Wirkung vom 27. Februar 2014 über den Antrag des Revisionswerbers auf Zuerkennung einer Versehrtenrente entschieden. Letztlich stehe auch die Entscheidung in Widerspruch zur höchstgerichtlichen Judikatur, nach der nur der Spruch eines Bescheides in Rechtskraft erwachse, nicht jedoch dessen Begründung.

14 Die Revision ist unzulässig.

15 Nach Art. 133 Abs. 4 B-VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

16 Nach § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegen der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zur Behandlung eignen, ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung mit Beschluss zurückzuweisen.

17 Nach § 34 Abs. 1a VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden. Die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG hat der Verwaltungsgerichtshof im Rahmen der dafür in der Revision vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3 VwGG) zu überprüfen.

18 Das Landesverwaltungsgericht Steiermark hat die Beschwerde des Revisionswerbers als unbegründet abgewiesen, weil die zweiwöchige Frist zur Stellung des Wiederaufnahmeantrags am 6. März 2014 zu laufen begonnen habe und die Antragstellung am 12. Mai 2014 daher verspätet erfolgt sei.

19 In der Zulässigkeitsbegründung wurde kein Vorbringen erstattet, das dazu führen würde, dass der Wiederaufnahmeantrag nicht wegen Versäumung der zweiwöchigen Frist gemäß § 69 Abs. 2 erster Satz AVG zurückzuweisen gewesen wäre.

20 Da somit keinerlei Zulässigkeitsvorbringen erstattet wurde, das dazu führen könnte, dass der Wiederaufnahmeantrag des Revisionswerbers nicht als verspätet zurückzuweisen gewesen wäre, gelingt es dem Revisionswerber mit diesem Zulässigkeitsvorbringen nicht, eine Rechtsfrage grundsätzlicher Bedeutung im Sinne der Art. 133 Abs. 4 B-VG aufzuzeigen, von deren Lösung das rechtliche Schicksal der Revision abhängt.

21 Die Revision war daher gemäß § 34 Abs. 1 VwGG zurückzuweisen.

Wien, am 21. November 2017

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2017:RA2015120036.L00

Im RIS seit

22.12.2017

Zuletzt aktualisiert am

08.01.2018
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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