TE Vwgh Beschluss 2017/11/29 Ra 2017/04/0079

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Veröffentlicht am 29.11.2017
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Index

10/01 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG);
10/07 Verwaltungsgerichtshof;
40/01 Verwaltungsverfahren;
50/01 Gewerbeordnung;

Norm

AVG §59 Abs1;
AVG §59;
AVG §78 Abs4;
AVG §78;
B-VG Art133 Abs4;
GewO 1994 §26 Abs2;
VwGG §28 Abs3;
VwGG §34 Abs1;
VwGVG 2014 §17;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Rigler, die Hofräte Dr. Kleiser und Dr. Mayr, Hofrätin Mag. Hainz-Sator sowie Hofrat Dr. Pürgy als Richter, unter Mitwirkung des Schriftführers Mag. Mitter, über die Revision des Magistrates der Stadt Wien gegen das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes Wien vom 5. Mai 2017, VGW- 221/042/14144/2016/VOR-6, betreffend Nachsicht vom Ausschluss von der Gewerbeausübung (mitbeteiligte Partei: M M in W, vertreten durch Dr. Gerhard Koller, Rechtsanwalt in 1080 Wien, Friedrich-Schmidt-Platz 7), den Beschluss gefasst:

Spruch

Die Revision wird zurückgewiesen.

Begründung

1 1. Mit Bescheid der revisionswerbenden Partei (belangte Behörde) vom 8. Juni 2016 wurde der mitbeteiligten Partei gemäß § 26 Abs. 2 Gewerbeordnung 1994 (GewO 1994) die Nachsicht vom Ausschluss von der Ausübung zweier näher bezeichneter Gewerbe verweigert.

2 Begründend wurde dargelegt, die mitbeteiligte Partei sei gemäß § 13 Abs. 3 GewO 1994 von der Gewerbeausübung ausgeschlossen, weil ein Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens über ihr Vermögen mit näher bezeichnetem Beschluss des Handelsgerichtes Wien mangels eines zur Deckung der Kosten des Insolvenzverfahrens voraussichtlich hinreichenden Vermögens rechtskräftig abgewiesen worden sei. Trotz entsprechender Aufforderungen habe die mitbeteiligte Partei während des gesamten Verfahrens keine Belege über das Vorliegen von liquiden Mitteln vorgelegt.

3 2. Mit dem angefochtenen Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes Wien vom 5. Mai 2017 wurde der mitbeteiligten Partei - nach Erhebung einer Vorstellung gegen das Erkenntnis des Rechtspflegers - gemäß § 26 Abs. 2 GewO 1994 die Nachsicht vom Ausschluss von der Ausübung der beiden genannten Gewerbe erteilt. Die ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 B-VG wurde für unzulässig erklärt.

4 Auf Grund der nunmehrigen wirtschaftlichen Lage könne - so das Verwaltungsgericht in seiner Begründung - erwartet werden, dass die mitbeteiligte Partei den mit der Gewerbeausübung verbundenen Zahlungspflichten nachkommen werde, weil sie mittlerweile alle Schulden bei der Wiener Gebietskrankenkasse beglichen und nachgewiesen habe, über ein Vermögen in der Höhe von EUR 8.030,- zu verfügen.

5 Weiters legte das Verwaltungsgericht in der Begründung eingehend dar, warum es seiner Ansicht nach nicht befugt sei, erstmals eine Bundesverwaltungsabgabe gemäß § 78 AVG vorzuschreiben.

6 3. Gegen dieses Erkenntnis richtet sich die vorliegende außerordentliche Amtsrevision der belangten Behörde.

7 Darin wird beantragt, das angefochtene Erkenntnis wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben, in eventu, dem Verwaltungsgericht aufzutragen, die Entscheidung über die Vorschreibung der Verwaltungsabgabe gemäß § 78 AVG innerhalb einer angemessenen Frist nachzuholen.

8 4. Nach Art. 133 Abs. 4 B-VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

9 Nach § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegen der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zur Behandlung eignen, ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung mit Beschluss zurückzuweisen.

10 Nach § 34 Abs. 1a VwGG hat der Verwaltungsgerichtshof die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG im Rahmen der dafür in der Revision vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3 VwGG) zu überprüfen.

11 5. In der Revision wird keine Rechtsfrage aufgeworfen, der im Sinn des Art. 133 Abs. 4 B-VG grundsätzliche Bedeutung zukäme.

12 Die revisionswerbende Partei tritt der Entscheidung über die Erteilung der Nachsicht nicht entgegen. Das Absehen von der sich aus § 17 VwGVG ableitenden Verpflichtung des Verwaltungsgerichtes, über die zu entrichtende Verwaltungsabgabe abzusprechen, sei aber im Ergebnis rechtswidrig und das Erkenntnis werde in diesem Umfang angefochten. Zur Zulässigkeit der Revision wird vorgebracht, das Verwaltungsgericht sei vom Beschluss des Verwaltungsgerichtshofes vom 18. März 2015, Ra 2015/04/0005, abgewichen, aus dem sich ergebe, dass das Verwaltungsgericht im Fall der Zuerkennung eines Rechtes (wie vorliegend bei Erteilung einer Nachsicht) in seinem Erkenntnis die Vorschreibung der Verwaltungsabgabe vorzunehmen habe.

13 5.1. Die Revision spricht - wie dargelegt - von einer Anfechtung im Umfang des Absehens vom Abspruch über die Verwaltungsabgabe bzw. wird eine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung "im Hinblick auf die fehlende Vorschreibung der Verwaltungsabgabe gem. § 78 AVG" geltend gemacht. Soweit mit der Revision im Hinblick darauf unmittelbar der unterbliebene Abspruch über die Verwaltungsabgabe bekämpft werden soll, wäre dem entgegenzuhalten, dass der Umstand, dass (zu einem bestimmten Punkt) noch keine Entscheidung ergangen ist, nicht mittels Revision geltend gemacht werden kann (vgl. im Zusammenhang mit einem unterbliebenen Kostenabspruch VwGH 19.5.2015, Ro 2014/21/0070; zur Rechtslage vor Einführung der Verwaltungsgerichte vgl. VwGH 21.10.2003, 2003/06/0078, wonach die durch das Unterbleiben einer Entscheidung über den Kostenersatz bewirkte Verzögerung nicht rechtens mit Bescheidbeschwerde bekämpft werden könne).

14 5.2. Davon getrennt stellt sich die Frage, ob der unterbliebene Abspruch über die Verwaltungsabgabe eine Rechtswidrigkeit der Erteilung der Nachsicht gemäß § 26 Abs. 2 GewO 1994 nach sich zieht.

15 Der Verwaltungsgerichtshof hat in dem auch von der revisionswerbenden Partei ins Treffen geführten, bereits zitierten Beschluss Ra 2015/04/0005 festgehalten, dass hinsichtlich der Verwaltungsabgabe auch die Möglichkeit der gesonderten Vorschreibung offen steht. Bei der Vorschreibung der Verwaltungsabgabe handelt es sich daher um einen trennbaren Spruchpunkt (vgl. insoweit zu einem gesonderten Abspruch über die Kosten VwGH 16.12.2015, Ra 2015/03/0017). Weiters hat der Verwaltungsgerichtshof bereits wiederholt ausgesprochen, dass die Nichterledigung eines Antrags einen Bescheid nicht mit Rechtswidrigkeit belastet, wenn der unerledigte Antrag vom erledigten Verfahrensgegenstand in rechtlicher Hinsicht trennbar ist (siehe VwGH 12.9.2016, Ra 2016/04/0052, mwN; 17.2.1993, 91/12/0081). Nichts anderes kann für den hier vorliegenden Fall gelten, in dem über einen Antrag (vorliegend: auf Nachsicht vom Ausschluss von der Gewerbeausübung) positiv entschieden, aber keine Verwaltungsabgabe nach § 78 AVG vorgeschrieben wurde. Das Unterbleiben des Abspruches über eine Verwaltungsabgabe nach § 78 AVG kann somit nicht die Rechtswidrigkeit der Entscheidung über die Verleihung der Berechtigung nach sich ziehen (vgl. auch VwGH 15.12.1994, 94/06/0150, wonach die Unterlassung des Abspruches über den Ersatz der Vertretungskosten die Entscheidung über die Enteignung nicht rechtswidrig macht). Ausgehend davon vermag die revisionswerbende Partei mit ihrem dargestellten Vorbringen von vornherein kein Abweichen der Entscheidung des Verwaltungsgerichtes über die Erteilung der Nachsicht nach § 26 Abs. 2 GewO 1994 von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes im Zusammenhang mit der Vorschreibung von Verwaltungsabgaben aufzuzeigen.

16 6. Im Hinblick auf den eventualiter gestellten Fristsetzungsantrag sowie die Ausführungen des Verwaltungsgerichtes betreffend die "Nichtvorschreibung einer Verwaltungsabgabe" wird Folgendes angemerkt:

17 Der Verwaltungsgerichtshof hat im bereits mehrfach zitierten Beschluss Ra 2015/04/0005 festgehalten, dass das Verwaltungsgericht, das eine abgabenpflichtige Amtshandlung etwa im Rahmen einer reformatorischen Entscheidung über eine Bescheidbeschwerde vornimmt, in solchen Fällen grundsätzlich in seinem Erkenntnis die Verwaltungsabgabe vorzuschreiben hat. Der Verwaltungsgerichtshof sieht sich aus nachstehenden Gründen nicht veranlasst, auf Grund der Ausführungen des Verwaltungsgerichtes von dieser Auffassung abzugehen.

18 Das Verwaltungsgericht meint, zu einer "Verpflichtung des aufgrund einer Beschwerde gegen einen abweisenden Nachsichterteilungsantrag (gemeint wohl: Bescheid) die Nachsicht erteilenden Verwaltungsgerichts", die entstandene Verwaltungsabgabe vorzuschreiben, könne man nur gelangen, wenn das Verwaltungsgericht als Normadressat des § 78 AVG und als Behörde im Sinn des § 78 Abs. 4 AVG einzustufen sei.

19 Dem ist zunächst entgegenzuhalten, dass § 78 Abs. 4 AVG nur die Einhebung der Bundesverwaltungsabgaben (somit die Entgegennahme bzw. zwangsweise Hereinbringung), nicht jedoch deren (hier gegenständliche) Vorschreibung regelt (siehe VwGH 16.2.1988, 87/04/0206, VwSlg. 12.632 A; vgl. auch Hengstschläger/Leeb, AVG § 78 Rz. 27, sowie Walter/Thienel, Verwaltungsverfahrensgesetz I2 (1998) § 78 AVG Anm. 20).

20 Hinsichtlich der Vorschreibung der (hier Bundes)Verwaltungsabgabe ist auf die Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zu verweisen, der zufolge aus § 59 AVG als allgemeiner Verfahrensgrundsatz die akzessorische Beziehung jedes Kostenabspruches zur Hauptsache und damit die der Zuständigkeit in der Hauptsache folgende Behördenzuständigkeit in Kostensachen abzuleiten ist (siehe das bereits zitierte Erkenntnis 87/04/0206, in dem der Verwaltungsgerichtshof dies auch für Bescheide der Berufungsbehörden anerkannt hat, wenn der Anlass für die Vorschreibung der Abgabe erst durch deren Bescheide gegeben sei, sowie VwGH 27.6.1989, 86/04/0224; vgl. weiters die Ausführungen des Verfassungsgerichtshofes in VfSlg. 6103/1969, wonach das dort maßgebliche Niederösterreichische Landes- und Gemeindeverwaltungsabgabengesetz "die Zuständigkeit zur Entscheidung über die Vorschreibung von Verwaltungsabgaben in Übereinstimmung mit § 59 Abs. 1 AVG. 1950 der in der Hauptsache zuständigen Behörde überantwortet" habe). Aus den zitierten - (zumindest auch) die Vorschreibung von Verwaltungsabgaben betreffenden - Erkenntnissen des Verwaltungsgerichtshofes lässt sich ableiten, dass zu den von dieser Akzessorietät erfassten Kosten auch die Bundesverwaltungsabgaben nach § 78 AVG zu zählen sind (siehe dazu aus der Lehre auch Hengstschläger/Leeb, AVG § 59 Rz. 49; Mannlicher/Quell, Das Verwaltungsverfahren Erster Halbband (1975) § 59 AVG Anm. 4).

21 Im zitierten Erkenntnis 86/04/0224 verwies der Verwaltungsgerichtshof ausdrücklich darauf, dass die Berufungsbehörde im Rahmen der Sache berechtigt und verpflichtet sei, den angefochtenen Bescheid nach jeder Richtung abzuändern. Im dort zugrunde liegenden Fall wurde es nicht als rechtswidrig angesehen, dass die belangte Behörde im Rahmen ihrer Zuständigkeit den bei ihr angefochtenen Bescheid (auch) hinsichtlich des akzessorischen Abspruches über die Vorschreibung der Verwaltungsabgabe abänderte.

22 Der Verwaltungsgerichtshof hat im bereits zitierten Erkenntnis Ra 2015/03/0017 zum Ausdruck gebracht, dass der Verweis des § 17 VwGVG auf das AVG auch dessen § 59 erfasst. Demnach besteht auch im verwaltungsgerichtlichen Verfahren eine akzessorische Beziehung zwischen Hauptsache und Kostenabspruch und somit eine Zuständigkeit des Verwaltungsgerichtes, bei Verleihung einer Berechtigung eine Verwaltungsabgabe vorzuschreiben.

23 Ausgehend davon vermag der Verwaltungsgerichtshof die Auffassung des Verwaltungsgerichtes zur fehlenden Befugnis, eine Verwaltungsabgabe nach § 78 AVG im Zuge der Verleihung einer Berechtigung erstmals vorzuschreiben, nicht zu teilen. Dies gilt auch für die weiteren Folgerungen des Verwaltungsgerichtes, wonach es sich hier um eine erstinstanzliche Zuständigkeit der Verwaltungsgerichte handle, für die es auf verfassungsgesetzlicher Ebene keine Grundlage gebe.

24 Die vom Verwaltungsgericht ins Treffen geführten Umstände, es handle sich bei den Verwaltungsabgaben um Abgaben im Sinn der Finanzverfassung und § 78 AVG stelle keine verwaltungsverfahrensrechtliche Regelung dar, standen der dargestellten Akzessorietät schon bislang nicht entgegen. Anhaltspunkte dafür, dass sich daran durch die Schaffung der Verwaltungsgerichte etwas geändert haben könnte, sind nicht ersichtlich (vgl. dazu, dass das Verwaltungsgericht an die Stelle der Berufungsbehörde getreten ist, VwGH 18.8.2017, Ro 2017/04/0006 bis 0013).

25 7. Dessen ungeachtet war die vorliegende Revision aus den unter Pkt. 5 dargelegten Gründen gemäß § 34 Abs. 1 VwGG in einem gemäß § 12 Abs. 2 VwGG gebildeten Senat zurückzuweisen.

Wien, am 29. November 2017

Schlagworte

Trennbarkeit gesonderter Abspruch

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2017:RA2017040079.L00

Im RIS seit

22.12.2017

Zuletzt aktualisiert am

30.01.2018
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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