TE Vwgh Erkenntnis 2000/7/4 94/12/0160

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Veröffentlicht am 04.07.2000
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Index

L24009 Gemeindebedienstete Wien;
66/01 Allgemeines Sozialversicherungsgesetz;

Norm

ASVG §175 Abs2 Z1;
ASVG §175 Abs2 Z10;
UFG Wr 1967 §2 Z10 litb;
UFG Wr 1967 §2 Z10 litqu idF 1993/008;
UFG Wr 1967 §2 Z10;
UFGNov Wr 06te Art2;
UFGNov Wr 06te Art4;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Waldner und die Hofräte Dr. Höß und Dr. Riedinger als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Ogris, über die Beschwerde der W in W, vertreten durch Dr. Josef Wolfgang Deitzer, Rechtsanwalt in 2320 Schwechat, Wiener Straße 36-38, gegen den Bescheid der Rentenkommission der Stadt Wien vom 26. April 1994, Zl. MA 2/36/93, betreffend Versehrtenrente nach dem Unfallfürsorgesetz 1967 (UFG 1967), zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Die Beschwerdeführerin hat der Stadt Wien Aufwendungen in der Höhe von S 4.565,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Die 1953 geborene Beschwerdeführerin steht in einem öffentlich-rechtlichen Dienstverhältnis zur Stadt Wien. Sie ist im Krankenhaus Rudolfstiftung als Ärztin beschäftigt.

Am 3. Juli 1990 verließ die Beschwerdeführerin ihren Dienstort in 1030 Wien, Juchgasse 25, und fuhr mit dem Pkw zu der Ordination des Arztes ihres Kindes in 1030 Wien, Landstraßer Hauptstraße 185 (im Folgenden L.Straße). Dort holte sie ihr Kind und ihre Mutter ab und wollte weiter zu ihrem Wohnort in 1060 Wien, Strohmayergasse 6 (im Folgenden St.gasse), fahren. Im Bereich der Orientierungsnummer 183 der L. Straße, in 1030 Wien, wurde die Beschwerdeführerin mit ihrem Pkw in einen Autounfall, bei dem sie verletzt wurde, verwickelt.

Mit einer "Unfallsanzeige für Beamte" vom 8. Jänner 1993 (beim Magistrat der Stadt Wien am 13. Jänner 1993 eingelangt) meldete die Beschwerdeführerin diesen Unfall.

Mit Bescheid vom 16. März 1993 stellte der Magistrat der Stadt Wien, MA 2-Personalamt, fest, dass es sich bei dem von der Beschwerdeführerin am 3. Juli 1990 erlittenen Unfall nicht um einen Dienstunfall im Sinne des § 2 Z. 10 UFG 1967 gehandelt habe. Weiters wurde festgestellt, dass der Beschwerdeführerin eine Versehrtenrente gemäß § 6 UFG 1967 nicht gebühre. Ein Versehrtengeld gemäß § 16 UFG 1967 werde ihr nicht zuerkannt.

Begründend führte die Behörde erster Instanz aus, dass gemäß § 2 Z. 10 UFG 1967 ein Dienstunfall ein Unfall sei, der sich im örtlichen, zeitlichen und ursächlichen Zusammenhang mit dem Dienstverhältnis bzw. auf einem mit dem Dienstverhältnis zusammenhängenden Weg vom oder zum Ort der Dienstverrichtung ereignet habe. Da der Weg von und zur Arbeitsstätte, im Gegensatz zu einem im betrieblichen Interesse unternommenen so genannten Betriebsweg, noch keine Betriebstätigkeit sei, müsse ein Zusammenhang des Weges nach und von der Arbeitsstätte mit der Beschäftigung im Betrieb bestehen. Der Unfallversicherungsschutz komme somit nicht jedem Weg von und zur Arbeitsstätte zu. Werde nämlich eine Fahrt zum Betrieb oder von einem Ort aus angetreten, den der Versicherte lediglich zu privaten Zwecken aufgesucht habe, so stehe dieser Weg zur Arbeitsstätte nicht unter Versicherungsschutz. Nicht unter Versicherungsschutz stünden somit Wege, die eigene wirtschaftliche Interessen oder sonstige persönliche Zwecke verfolgten. Im Allgemeinen werde daher nur der unmittelbare Weg von der Wohnung des Versicherten zum Betrieb oder umgekehrt (von Ausnahmen, die das Gesetz ausdrücklich erwähne, abgesehen) vom Unfallversicherungsschutz erfasst.

Im gegenständlichen Fall stehe zufolge der von der Beschwerdeführerin unterfertigten Unfallsanzeige vom 8. Jänner 1993 sowie zufolge des durchgeführten Ermittlungsverfahrens fest, dass sie "zum Unfallszeitpunkt" Dienst in der Krankenanstalt Rudolfstiftung, 1030 Wien, Juchgasse 25, versehen habe. Der mittels der Unfallsanzeige gemeldete Unfall habe sich in 1030 Wien, L.Straße im Bereich der Orientierungsnummer 183, ereignet. Die Wohnung der Beschwerdeführerin habe sich in 1060 Wien, St.gasse 6, befunden. Der Unfallort liege also nicht auf dem unmittelbaren Weg zwischen der Dienststelle und der Wohnung der Beschwerdeführerin. Somit stelle der vorliegende Unfall im Sinne der Rechtsprechung keinen Dienstunfall im Sinne des UFG 1967 dar. Daran könne auch der in der Unfallsanzeige enthaltene Hinweis, wonach die Beschwerdeführerin damals ihr Kind vom Kinderarzt abgeholt habe, nichts ändern. Dies deswegen nicht, weil das UFG 1967 neben der genannten Schutzbestimmung keine weitere Bestimmung vorsehe, wonach diese Tätigkeit einen Dienstunfall darstelle. Es sei daher spruchgemäß zu entscheiden gewesen.

Gegen diesen Bescheid erhob die rechtsfreundlich vertretene Beschwerdeführerin am 2. April 1993 Berufung. Begründend führte sie aus, dass im bekämpften Bescheid ihr Antrag auf Feststellung, dass es sich bei dem von ihr am 3. Juli 1990 erlittenen Unfall um einen Dienstunfall im Sinne des § 2 Z. 10 Unfallfürsorgegesetz 1967 handle, abgewiesen werde. Die Behörde erster Instanz führe aus, dass ihr Dienstort, die Krankenanstalt Rudolfstiftung in 1030 Wien, Juchgasse 25, ihr Wohnort 1060 Wien, St.gasse 6, gewesen sei, und sich der Unfall in 1030 Wien, L.Straße im Bereich der Orientierungsnummer 183, ereignet habe. Der gegenständliche Unfallort liege daher nicht auf unmittelbarem Weg zwischen ihrer Dienststelle und ihrer Wohnung. Somit stelle der vorliegende Unfall im Sinn der Rechtsprechung keinen Dienstunfall im Sinne des UFG 1967 dar.

Diese Rechtsansicht der Behörde erster Instanz werde bestritten. Die Beschwerdeführerin habe nach Beendigung ihres Dienstes ihre zum Unfallszeitpunkt knapp sieben Monate alte Tochter, die die Mutter der Beschwerdeführerin für sie zum Kinderarzt gebracht habe, von diesem abgeholt und sei gemeinsam mit der Mutter auf dem Heimweg gewesen. Sie sei von ihrem Dienstort in der Juchgasse lediglich in die L.Straße gefahren, habe dort ihre Mutter und ihre Tochter aufgenommen und sei auf dem Weg in Richtung Wohnort gewesen. Grundvoraussetzung dafür, dass sie ihren Dienst ausüben könne, sei gewesen, dass ihre Mutter die sieben Monate alte Tochter versorgt habe. Der Weg von der Wohnung zum Dienstort gehe daher täglich über den 3. Bezirk, L.Straße, wo ihre Mutter wohne, bei der sie ihr Kind abgebe, zur Juchgasse und retour. Auch aus der zeitlichen Abfolge ergebe sich, dass eine wesentliche Unterbrechung nicht stattgefunden haben könne. Sie habe ihren Dienst beendet, habe sich umgezogen und habe das Krankenhaus ca. um 14.15 Uhr bis 14.20 Uhr verlassen. Der Unfall habe sich bereits um 14.30 Uhr ereignet, woraus sich ergebe, dass keine wesentliche Unterbrechung der Fahrt von der Dienststelle nach Hause vorgelegen haben könne. Im gegenständlichen Fall sei sie eindeutig auf dem Heimweg von der Arbeit gewesen. Die Judikatur sei so, dass Umwege und Abweichungen grundsätzlich ungeschützt seien, doch der Versicherungsschutz in der Regel dort wieder auflebe, sobald der eigentliche Weg wieder erreicht werde. Diene ein Weg sowohl der Ausübung der geschützten Tätigkeit, als auch privaten Zwecken (gemischter Weg), greife der Schutz der Unfallversicherung nur, wenn die erstgenannte Zielsetzung als wesentlich erscheine. Aus dem Gesagten ergebe sich, dass der geringfügige Umweg von der Dienststelle zu der Wohnung der Beschwerdeführerin lediglich dazu gedient habe, ihr damals sieben Monate altes Kind, welches von ihrer Mutter zum Kinderarzt gebracht worden sei, aufzunehmen, und sie sich zum Zeitpunkt des Verkehrsunfalls bereits auf dem Heimweg in die Wohnung befunden habe. Es liege daher eindeutig eine geschützte Tätigkeit vor, sodass die Behörde irre, wenn sie den gegenständlichen Weg lediglich als "zu privaten Zwecken" bezeichne. Im Übrigen sei aus dem gegenständlichen Bescheid nicht ersichtlich, welche Erhebungen seitens der belangten Behörde überhaupt durchgeführt worden seien, die erstinstanzliche Behörde verweise auf den Antrag und auf die eigenen Erhebungen, ohne diese genau zu definieren. Die erstinstanzliche Behörde habe ihr auch keine Möglichkeit gegeben, sich zu den Beweisergebnissen zu äußern, sie habe sie weder genau gefragt, ob ein gemischter Weg im Sinn der Judikatur vorliege oder ob und zu welchen Gründen der Umweg gedient habe und ob die Fahrt überwiegend im geschützten Interesse gelegen sei. Der Bescheid sei daher in keiner Weise nachvollziehbar und daher mangelhaft.

Mit dem angefochtenen Bescheid wies die belangte Behörde die Berufung der Beschwerdeführerin als unbegründet ab und bestätigte den angefochtenen Bescheid. Begründend führte die belangte Behörde aus, der erstinstanzliche Bescheid sei unter Hinweis auf die herrschende Rechtsprechung im Wesentlichen damit begründet worden, dass der Unfallort nicht auf unmittelbarem Weg zwischen der Dienststelle und der Wohnung liege, und der vorliegende Unfall somit keinen Dienstunfall im Sinne des UFG 1967 darstelle. Gegen diesen Bescheid habe die Beschwerdeführerin fristgerecht Berufung erhoben (der Inhalt der Berufung wird näher ausgeführt).

Die Berufung sei unbegründet. Die Beschwerdeführerin sei im Unfallszeitpunkt in der Krankenanstalt Rudolfstiftung, 1030 Wien, Juchgasse 25, beschäftigt gewesen. Der mittels Unfallsanzeige am 13. Jänner 1993 gemeldete Unfall habe sich in 1030 Wien, L.Straße im Bereich der Orientierungsnummer 183, ereignet. Die Wohnung der Beschwerdeführerin habe sich damals in 1060 Wien, St.gasse 6, befunden. Nach den Angaben der Beschwerdeführerin habe sie auf dem Heimweg von der Dienststelle zur Wohnung ihr Kind vom Kinderarzt abgeholt.

Dieser Sachverhalt sei auf Grund der Unfallsanzeige vom 13. Jänner 1993 und durch Einsicht in den Akt der Bundespolizeidirektion Wien festgestellt worden. Diese Erhebungen der ersten Instanz seien durch niederschriftliche Befragung der Beschwerdeführerin am 16. Juli 1993 ergänzt worden. Im Hinblick darauf, dass die Lösung des gegenständlichen Falls von der Klärung einer Rechtsfrage abhängig sei, seien weitere Ergänzungen des erstinstanzlichen Ermittlungsverfahrens nicht erforderlich gewesen.

Gemäß § 2 Z. 10 UFG 1967 sei ein Dienstunfall ein Unfall, der sich im örtlichen, zeitlichen und ursächlichen Zusammenhang mit dem Dienstverhältnis bzw. auf einem mit dem Dienstverhältnis zusammenhängenden Weg vom oder zum Ort der Dienstverrichtung ereignet habe. Der gegenständliche Unfall habe sich am 3. Juli 1990, somit vor Inkrafttreten der 6. UFG-Novelle (LGBl. Nr. 8/1993) ereignet. Nach der Übergangsbestimmung des Art. II Abs. 1 lit. 1 leg. cit. sei der Unfall dann nach der durch die oben zitierte Novelle neu geschaffene Rechtslage zu beurteilen, wenn die Beamtin als Folge des Unfalles völlig erwerbsunfähig sei, oder der Unfall ihren Tod verursacht habe. Die Beschwerdeführerin habe sich auf Grund des Unfalles bis 4. September 1990 in Krankenstand befunden. Danach habe sie ihren Dienst wieder angetreten und sei ihrer Erwerbstätigkeit nachgegangen, sodass keinerlei Hinweis auf eine völlige Erwerbsunfähigkeit bestehe. Für die Beurteilung des gegenständlichen Unfalles sei es daher unerheblich, dass der gewählte Weg der Abholung des Kindes der Beschwerdeführerin gedient habe. Ebenso unerheblich sei, dass die Beschwerdeführerin diesen Weg täglich gewählt habe, um ihr Kind zu ihrer Mutter zu bringen bzw. von dort abzuholen. Auch ein ständiges Abweichen könne den Umweg nicht zu einem Teil des Dienstweges machen. Ergänzend sei auf die Judikatur des OLG zum Wegunfall im Sinne des ASVG, welcher hinsichtlich der Umschreibung mit dem Dienstunfall im Sinne des UFG 1967 gleichgesetzt werden könne, hinzuweisen. Demnach führe der Umstand, dass der Gesetzgeber zahlreiche Einzelfälle normiere, für die der Versicherungsschutz wie für den Arbeitsweg gelten solle, dazu, dass abgesehen von den speziell bezeichneten Fällen, Umwege, aus welchen Gründen sie immer eingeschlagen worden seien, vom Versicherungsschutz nicht erfasst seien.

Die Beschwerdeführerin habe in ihrer Berufung selbst Judikatur zitiert, wonach Umwege und Abweichungen grundsätzlich ungeschützt seien, doch der Versicherungsschutz in der Regel wieder auflebe, sobald der eigentliche Weg wieder erreicht werde. Ihr könne nicht gefolgt werden, wenn sie meine, dass sie sich im Unfallszeitpunkt nach einer durch einen Umweg bedingten, unwesentlichen Unterbrechung, wieder auf dem eigentlichen Weg (Richtung Wohnort) befunden habe. Der Unfallort in 1030 Wien, L.Straße, im Bereich der Orientierungsnummer 183, befinde sich vom Dienstort Krankenhaus Rudolfstiftung in 1030 Wien, Juchgasse 25, aus gesehen in südöstlicher Richtung, während der Ort des ständigen Aufenthaltes in 1060 Wien, St.gasse 6, in westlicher Richtung vom Dienstort liege. Gemischte Wege seien solche, die sowohl betrieblichen als auch privaten Zwecken dienten. Nach der Judikatur stünden diese Wege nur dann unter Versicherungsschutz, wenn sie "wesentlich betrieblichen Zwecken" dienten. Nach den eigenen Angaben der Beschwerdeführerin habe sie den Weg in die L.Straße, wo sich der Unfall ereignet habe, in der Absicht, ihr Kind vom Kinderarzt abzuholen, gewählt. Auf diesem Teil des Weges habe somit nicht der dienstliche Zweck der Heimfahrt, sondern der private Zweck der Abholung des Kindes im Vordergrund gestanden, sodass - selbst wenn man einen "gemischten Weg" annehme - der dienstliche Zweck gegenüber dem privaten nicht als wesentlich erscheine. Dieser Teil des Weges stelle somit einen Umweg dar, durch den der Dienstweg unterbrochen worden sei. Der Versicherungsschutz könne nach der Judikatur wieder aufleben, wenn der eigentliche Weg wieder erreicht werde. Dieses "Erreichen" des ursprünglichen Weges könne aber nicht schon darin gesehen werden, dass die Beschwerdeführerin die betriebsfremde Tätigkeit abgeschlossen habe, weil sie das Ziel "Abholen des Kindes vom Kinderarzt" erreicht habe, "und sich nun von diesem tatsächlich auf dem Heimweg" gemacht habe. Der Verwaltungsgerichtshof habe "in seinem Erkenntnis vom 14. Jänner 1952, Slg. NF. Nr. 2411/A", ausgesprochen, dass der Weg, dem der Schutz der Unfallversicherung zuteil werden solle, einerseits durch eine örtliche, andererseits durch eine kausale Gebundenheit gekennzeichnet sei. Eine örtliche Beziehung werde dadurch hergestellt, dass die Arbeitsstätte das Ziel oder der Ausgang des Weges sei, während sich ein kausales Verhältnis dadurch offenbare, dass sich die Tätigkeit im Unternehmen als Ursache darstelle, die die Notwendigkeit der Begehung eines Weges bewirke.

Für den Wegteil, auf dem sich der Unfall ereignet habe, sei der Kinderarzt, und nicht die Arbeitsstätte, Ausgangspunkt und Ursache. Die durch den Umweg bedingte Unterbrechung könne demnach erst dann beendet sein, wenn der ursprüngliche Dienstweg, im Sinne des (direkten) Weges von der Arbeitsstätte zur Wohnung zumindest so weit wieder erreicht werde, dass der ursprüngliche, mit dem Verlassen des Dienstortes zum Zwecke der Heimfahrt verbundene dienstliche Zweck gegenüber dem privaten Zweck (wieder) wesentlich werde. Da es nicht nur auf den kausalen, sondern auch auf den örtlichen Zusammenhang mit der betrieblichen Tätigkeit ankomme, könne von einem "Wiedererreichen" des ursprünglichen Weges nur gesprochen werden, wenn dieser Weg auch in örtlicher Hinsicht wieder erreicht worden sei. Der Unfall habe sich aber in südöstlicher Richtung vom Dienstort ereignet, während die Wohnung in westlicher Richtung vom Dienstort liege. Der Unfall habe sich somit auf dem Umweg ereignet, der wesentlich privaten Zwecken gedient habe, somit während einer Unterbrechung des Dienstweges. Ein Dienstunfall im Sinn des § 2 Z. 10 UFG 1967 liege somit nicht vor. Es sei somit spruchgemäß zu entscheiden gewesen.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde wegen inhaltlicher Rechtswidrigkeit und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften.

Die belangte Behörde hat die Akten des Verwaltungsverfahrens vorgelegt und in einer Gegenschrift die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragt.

Der Verwaltungsgerichtshof hat in einem gemäß § 12 Abs.1 Z 2 VwGG gebildeten Senat erwogen:

Die Beschwerdeführerin sieht sich durch den angefochtenen Bescheid "in den gesetzlich gewährleisteten Rechten auf Zuerkennung einer Versehrtenrente infolge eines Dienstwegunfalles durch Nichtanerkennung des Unfalles vom 3.Juli 1990 als Dienstwegunfall im Sinn des § 2 Z. 10 UFG 1967 verletzt".

Im Beschwerdefall ist ausschließlich die Rechtsfrage strittig, ob es sich bei dem von der Beschwerdeführerin am 3. Juli 1990 erlittenen Unfall um einen Dienstunfall im Sinne des § 2 Z. 10 UFG 1967 handelt oder nicht. Der maßgebende Sachverhalt (wie zB Anlass der Fahrt, Unfallsort und Unfallszeitpunkt) sind unbestritten.

I. Rechtslage:

Gemäß § 2 Z. 10 lit. b UFG 1967 ist ein Dienstunfall u.a. auch ein Unfall, der sich auf einem mit dem Dienstverhältnis zusammenhängenden Weg zum oder vom Ort der Dienstverrichtung ereignet.

Gemäß § 2 Z. 10 lit. qu des UFG 1967, welcher durch Art.I Z. 2 der 6. Novelle zum Unfallfürsorgegesetz 1967, LGBl. für Wien Nr. 8/1993, in den Rechtsbestand aufgenommen wurde, ist ein Dienstunfall auch ein Unfall, der sich auf einem Weg vom oder zum Ort der Dienstverrichtung zu einem Kindergarten (Kindertagesstätte, fremde Obhut) oder zu einer Schule, um ein Kind dorthin zu bringen oder von dort abzuholen, wenn dem Beamten die gesetzliche Aufsicht obliegt, ereignet. Diese Bestimmung ist gemäß Art. IV des UFG 1967 in der genannten Fassung mit 1. Jänner 1992 in Kraft getreten.

Art. II Abs. 1 der 6. Novelle zum UFG 1967 normiert, dass ein Beamter des Dienststandes, der nach dem 30. Juni 1967 und vor dem 1. Jänner 1992 einen Unfall erlitten hat, der erst gemäß Art. I Z. 2 und 3 als Dienstunfall gilt, wenn er auf Grund der Folgen dieses Unfalles völlig erwerbsunfähig ist oder der Unfall seinen Tod verursacht hat, sowie seine Hinterbliebenen oder Angehörigen so zu behandeln sind, als ob das UFG 1967 schon ab 1. Juli 1967 in der Fassung des Art. I Z. 2 bis 4 und 15 gegolten hätte.

II. Beschwerdeausführungen:

Die Beschwerdeführerin bringt vor, dass gemäß § 2 Z. 10 UFG 1967 "in der Fassung vom 21. Jänner 1993"(Anmerkung: Dabei handelt es sich um das Datum der Kundmachung der 6.Novelle zum UFG 1967 im Landesgesetzblatt) als Dienstunfall ein Unfall zu werten sei, der auf einem Weg vom Ort der Dienstverrichtung zu einem Kindergarten (Kindertagesstätte, fremde Obhut) oder zu einer Schule, um ein Kind dorthin zu bringen oder von dort abzuholen, wenn dem Beamten die gesetzliche Aufsicht obliege, passiere. Im Beschwerdefall sei nichts anderes geschehen, als dass die Beschwerdeführerin ihr Kind von der Obhut ihrer Mutter abgeholt habe. Durch die 6. Novelle zum UFG 1967 sei durch die Änderung "des Unfallfürsorgegesetzes (Einfügung des § 2 Z.10 lit qu) bloß die bereits zu diesem Zeitpunkt offenbar herrschende Spruchpraxis festgeschrieben worden. Auch die höchstgerichtliche Judikatur habe derartige Unfälle als Dienstunfälle "im Sinne des § 175 ASVG" anerkannt. So habe erst jüngst der Oberste Gerichtshof entschieden, den Unfall als Dienstunfall anzuerkennen, der einer Versicherten auf dem Weg vom Kindergarten, von welchem sie das Kind abgeholt habe, zur Großmutter, die die Nachmittagsbetreuung des Kindes übernommen habe, passiert sei (Entscheidung vom 15.Februar 1994, 10 Ob S 22/94). Umso mehr sei der vorliegende Unfall, der sich auf dem Weg zwischen Kinderarzt und Wohnung ereignet habe, als Dienstwegunfall zu werten.

Dieses Vorbringen ist nicht geeignet, eine Rechtswidrigkeit des Inhaltes des angefochtenen Bescheides aufzuzeigen.

Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ist die Anspruchsberechtigung auf Versorgungsleistungen auf Grund der im Zeitpunkt des Unfalles in Geltung gestandenen Rechtslage zu prüfen (vgl. das hg. Erkenntnis vom 26. September 1991, Zl. 89/09/0003).

Wie schon die belangte Behörde im angefochtenen Bescheid ausgeführt hat, ereignete sich der Unfall vom 3. Juli 1990 vor dem am 1.Jänner 1992 erfolgten Inkrafttreten der 6. UFG-Novelle.

Dass die Beschwerdeführerin unter die Übergangsbestimmung des Art. II Abs. 1 der genannten Novelle zum UFG 1967 fällt, hat sie weder im Verwaltungsverfahren noch in der Beschwerde behauptet. Auch aus den Verwaltungsakten ergibt sich keinerlei Hinweis darauf, dass sie auf Grund der Folgen dieses Unfalles völlig erwerbsunfähig geworden ist. Somit ist im gegenständliche Fall die Rechtslage zum 3. Juli 1990 - also vor Inkrafttreten der 6. Novelle zum UFG 1967 - anzuwenden.

Der in der Beschwerde vertretenen Rechtsmeinung, dass die 6. Novelle zum UFG 1967 lediglich die zu diesem Zeitpunkt bereits herrschende Spruchpraxis festgeschrieben hat, kann wegen der Übergangsbestimmung des Art. II der 6. Novelle zum UFG 1967 nicht gefolgt werden. Art. II der 6. Novelle zum UFG 1967, LGBl. Nr. 8/1993, sieht nämlich schon nach seinem Wortlaut eine Ausdehnung des zeitlichen Geltungsbereiches der durch diese Novelle neu eingeführten Tatbestände in Bezug auf den Dienstunfall bei besonderen Härtefällen vor. Die von der Beschwerdeführerin angenommene "offenbar herrschende Spruchpraxis" (gemeint ist wohl in erster Linie zu § 175 ASVG) würde dem Grundgedanken des Gesetzgebers, nur in besonderen Härtefällen die neu eingeführten Tatbestände bereits bei vor dem 1.Jänner 1992 erlittenen Unfällen gelten zu lassen, offenkundig zuwiderlaufen und diese Regelung in der Übergangsbestimung nicht bloß überflüssig, sondern geradezu sinnstörend erscheinen lassen. Für eine solche Auslegung findet sich kein überzeugender Anhaltspunkt, zumal auch die Ausgangsannahme der Beschwerdeführerin nicht zutrifft, vermag sie sich doch auch nicht auf das von ihr zitierte Urteil des OGH vom 15. Februar 1994 zu § 175 ASVG zu stützen. In der genannten Entscheidung führte der OGH vielmehr zu § 175 Abs. 2 Z. 10 ASVG, der § 2 Z. 10 lit. qu UFG 1967 in der Fassung der 6. Novelle zum UFG 1967 entspricht und wie dieser mit 1. Jänner 1992 in Kraft getreten ist, aus, es sei richtig, dass derartige Umwege auf dem Weg zur Arbeitsstätte vor Einführung des neuen Tatbestandes in den Katalog des § 175 Abs. 2 ASVG nicht geschützt gewesen seien.

Weiters bringt die Beschwerdeführerin vor, sie weise ausdrücklich darauf hin, dass sie den Dienstweg nicht unterbrochen habe, um ihr Kind zum Kinderarzt zu bringen, es dort untersuchen zu lassen und wieder abzuholen. Vielmehr sei die Behandlung bereits vor ihrem Eintreffen durch ihre Mutter veranlasst worden; sie habe ihr Kind lediglich vom Wartezimmer des Kinderarztes abgeholt . Es liege eine bloß kurzfristige Unterbrechung vor. Der überwiegende Zweck des Weges habe ausschließlich der Fahrt vom Dienstort zur Wohnstätte gedient.

Auch dieses Vorbringen führt die Beschwerde nicht zum Erfolg. Nach ständiger Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes zu § 175 Abs. 2 Z. 1 ASVG, die wegen des im Ergebnis übereinstimmenden Regelungsgehaltes auch für die Auslegung des § 2 Z. 10 UFG 1967 herangezogen werden kann, wird für die (Arbeits-)Wegunfälle gefordert, dass zwischen der Zurücklegung des Weges und der betrieblichen Tätigkeit ein dreifacher, nämlich ein örtlicher, zeitlicher und ursächlicher (innerer) Zusammenhang bestehen muss. Ein innerer Zusammenhang besteht nicht nur dann, wenn die versicherte Beschäftigung der einzige Grund des Weges ist. Dient dieser Weg zur oder von der Arbeits(Ausbildungs)stätte sowohl der versicherten Tätigkeit als auch eigenwirtschaftlichen Interessen, dann hängt der Versicherungsschutz während des Weges davon ab, ob sich der Weg eindeutig in den verschiedenen Zwecken dienende Abschnitte teilen lässt. Ist dies der Fall, dann handelt es sich bei einem Unfall, der sich auf dem der nicht versicherten Tätigkeit dienenden Wegstück ereignet, um keinen Arbeitsunfall. Ist eine eindeutige Aufteilung des Weges nicht möglich, dann besteht der innere Zusammenhang mit der versicherten Tätigkeit auf dem gesamten Weg, der zwar nicht ausschließlich, aber doch wesentlich auch der versicherten Tätigkeit zu dienen bestimmt war. Legt ein Versicherter z.B. den Weg zu seiner Arbeitsstätte zurück, um dort die Arbeit aufzunehmen, will er aber auf diesem Weg auch eine private Besorgung erledigen, wegen der er unabhängig von der vorgesehenen Arbeitsaufnahme denselben Weg zurücklegen müsste, dann bleibt die versicherte Beschäftigung auch wesentlich für die Zurücklegung des (unteilbaren) Gesamtweges. (vgl. hiezu zB das Urteil des OGH vom 19. Dezember 1989, 10 Ob S 374/89 mwN).

Wie von der belangten Behörde im angefochtenen Bescheid ausgeführt- und von der Beschwerdeführerin nicht bestritten -, liegt der Unfallort vom Dienstort aus gesehen in südöstlicher Richtung, während sich die Wohnung der Beschwerdeführerin in westlicher Richtung in der St.gasse 6 im 6.Wiener Gemeindebezirk befindet. Die Beschwerdeführerin hat in der Berufung ausgeführt, dass der geringfügige Umweg von der Dienststelle zu ihrer Wohnung lediglich dazu gedient habe, ihr damals sieben Monate altes Kind, welches von ihrer Mutter zum Kinderarzt gebracht worden sei, aufzunehmen, und sie sich zum Zeitpunkt des Verkehrsfalles bereits auf dem Heimweg in die Wohnung befunden habe. Damit hat die Beschwerdeführerin selbst eingeräumt, dass auch sie ihre Fahrt zur Ordination des Kinderarztes in 1030 Wien, L.Straße 185, als einen - wenn auch geringfügigen - Umweg angesehen hat. Dabei ist es rechtlich unerheblich, ob sie ihr Kind - wie sie in der Beschwerde ausführt - lediglich vom Wartezimmer des Kinderarztes abgeholt hat. Schon aus diesem Berufungsvorbringen lässt sich in Verbindung mit den örtlichen Verhältnissen erkennen, dass sich der Weg der Beschwerdeführerin eindeutig in einen der versicherten Tätigkeit und in einen eigenwirtschaftlichen Interessen dienenden Abschnitt teilen lässt. Der Weg von der Dienststelle zur Ordination des Kinderarztes in 1030 Wien, L.Straße 185, liegt auf dem der nicht versicherten Tätigkeit dienenden Wegstück. Dies gilt an sich auch für den Unfallort, der sich in unmittelbarer örtlicher Nähe (1030 Wien, L.Straße im Bereich der Orientierungsnummer 183) zur Praxis des Kinderarztes und somit zum Anlass (Zweck) des Umweges befindet.

Dass sich die Beschwerdeführerin zum Zeitpunkt des Unfalles bereits auf dem Nachhausweg befand, wäre nur dann erheblich, wenn sie sich wieder auf dem Teil des Weges befunden hätte, der im oben umschriebenen Zusammenhang mit ihrer Beschäftigung steht und damit unter den "Versicherungsschutz" fällt. In diesem Zusammenhang steht denn auch der Einwand der Beschwerdeführerin, dies sei der Fall gewesen, weil sie auch die Möglichkeit habe, die L.straße bis zur Schlachthausgasse, von dort über die Schüttelstraße, Obere und Untere Donaustraße zu fahren, um dem innerstädtischen Bereich auszuweichen. Es sei auch ständige Judikatur, dass sie nicht den kürzesten Weg vom Dienstort nach Hause nehmen müsse, und dass auch auf die Verkehrssituation und die persönliche Situation Bedacht zu nehmen sei.

Auch dieses Vorbringen führt die Beschwerde nicht zum Erfolg.

Nach ständiger Rechtsprechung des OGH zu § 175 Abs. 2 Z. 1 ASVG ist grundsätzlich nur der direkte Weg zur oder von der Arbeitsstätte versichert. Das wird in der Regel die streckenmäßig oder zeitlich kürzeste Verbindung zwischen dem Ausgangs- und dem Zielpunkt des Arbeitsweges sein, wobei der Versicherte zwischen diesbezüglich im Wesentlichen gleichen Verbindungen frei wählen kann. Auf einen längeren Weg zur oder von der Arbeitsstätte besteht nur dann Versicherungsschutz, wenn der an sich kürzeste Arbeitsweg unter Bedachtnahme auf das benützte private oder öffentliche Verkehrsmittel entweder überhaupt nicht (z.B. wegen einer Verkehrsstörung) oder nur unter vor allem für die Verkehrssicherheit wesentlich ungünstigeren Bedingungen (z.B. Witterungs-, Straßen- und Verkehrsverhältnisse) benützt werden kann, oder der Versicherte solche für die tatsächlich gewählte Strecke sprechenden Bedingungen wenigstens annehmen konnte. Daher ist ein allein oder überwiegend im privatwirtschaftlichen Interesse gewählter Umweg nicht versichert (vgl. wiederum das Urteil des OGH vom 19. Dezember 1989, 10 Ob S 374/89).

Dass im gegenständlichen Fall die Beschwerdeführerin den kürzesten Weg von ihrer Dienststelle zur Wohnung überhaupt nicht oder nur unter vor allem für die Verkehrssicherheit wesentlich ungünstigeren Bedingungen benützen hätte können, hat sie weder im Verwaltungsverfahren noch in der Beschwerde vorgebracht. Vielmehr bringt sie in der Beschwerde lediglich vor, dass sie dem jeweiligen Verkehrsaufkommen entsprechend auch die Möglichkeit habe, die dort näher umschriebene Route zu nehmen, um dem innerstädtischen Bereich auszuweichen. Diese allgemein gehaltenen Ausführungen sind nicht geeignet darzutun, dass die Beschwerdeführerin aus verkehrsbedingten Umständen den Umweg über den späteren Unfallort genommen hat. Es kann daher nicht davon ausgegangen werden, dass sich die Beschwerdeführerin am Unfallstag auf ihrer "Heimfahrt" zu ihrer Wohnung bereits wieder auf der geschützten Wegstrecke (zwischen Dienststelle und Wohnung) befand. Im Übrigen ist zu bemerken, dass die Beschwerdeführerin bereits in ihrer Berufung ausgeführt hat„ dass ihr täglicher Weg von der Wohnung zum Dienstort über den 3. Bezirk, L.Straße, wo ihre Mutter wohne , bei der sie ihr Kind zur Beaufsichtigung abgegeben habe, zur Juchgasse und retour geführt habe. Bei einer vernünftigen Gesamtwürdigung dieser Angaben kann es aber nicht als rechtswidrig erkannt werden, wenn darin letztlich (auch am Unfallstag) der wahre Grund für die gewählte Fahrtroute liegt. Diese Fahrtroute liegt jedoch im Bereich des Unfallsortes nicht auf einer geschützten Wegstrecke im Sinne des § 2 Z 10 UFG 1967.

Die Beschwerde war daher gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.

Der Kostenzuspruch gründet sich auf die §§ 47 ff, 48 Abs. 2 Z. 1 und 2 und 49 VwGG in Verbindung mit der Pauschalierungsverordnung des Bundeskanzlers BGBl. Nr. 416/1994. Wien, am 4. Juli 2000

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2000:1994120160.X00

Im RIS seit

20.11.2000
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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