TE Vwgh Beschluss 2017/11/13 Ra 2017/01/0041

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Veröffentlicht am 13.11.2017
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Index

10/07 Verfassungsgerichtshof;
10/07 Verwaltungsgerichtshof;

Norm

BVwGG 2014 §21 Abs7;
GO BVwG 2014 §20 Abs1;
GO BVwG 2014 §20 Abs6;
VwGG §46 Abs1;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Blaschek und die Hofräte Dr. Fasching und Mag. Brandl als Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Mag.a Strasser, über den Antrag des M S K in B, vertreten durch Mag. Ulrich Bernhard, Rechtsanwalt in 6900 Bregenz, Deuringstraße 9, auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Frist zur Erhebung der Revision gegen das Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts vom 1. September 2016, Zl. L512 2118592-1/11E, betreffend eine Angelegenheit nach dem AsylG 2005, sowie Revision gegen das genannte Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts vom 1. September 2016 (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl), den Beschluss gefasst:

Spruch

Der Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wird abgewiesen.

Die Revision wird zurückgewiesen.

Begründung

1 Mit Erkenntnis vom 1. September 2016 wies das Bundesverwaltungsgericht (BVwG) die Beschwerde des Revisionswerbers, eines Staatsangehörigen Pakistans, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl (BFA) vom 26. November 2015, mit dem sein Antrag auf internationalen Schutz vom 16. Juli 2014 hinsichtlich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten gemäß § 3 Abs. 1 Asylgesetz 2005 (AsylG 2005) und gemäß § 8 Abs. 1 AsylG 2005 hinsichtlich der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Pakistan abgewiesen und ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen gemäß §§ 57 und 55 AsylG 2005 nicht erteilt worden war, mit der Maßgabe einer näher ausgeführten Abänderung des Spruchpunktes III. des angefochtenen Bescheides als unbegründet ab und sprach aus, dass die Revision gegen dieses Erkenntnis gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig sei.

2 Dieses Erkenntnis wurde dem Revisionswerber am 1. September 2016 zugestellt.

3 Mit Beschluss vom 25. November 2016, E 2583/2016-6, lehnte der Verfassungsgerichtshof die gegen dieses Erkenntnis gerichtete Beschwerde des Revisionswerbers ab und trat diese auf nachträglichen Antrag iSd § 87 Abs. 3 VfGG gemäß Art. 144 Abs. 3 B-VG mit Beschluss vom 14. Dezember 2016, E 2583/2016-8, dem Verwaltungsgerichtshof zur Entscheidung ab. Nach den Angaben des Revisionswerbers zur Rechtzeitigkeit der gegen das Erkenntnis des BVwG erhobenen Revision wurde der Abtretungsbeschluss des Verfassungsgerichtshofes seinem Rechtsvertreter am 15. Dezember 2016 zugestellt.

4 Mit Schriftsatz vom 26. Jänner 2017 erhob der Revisionswerber gegen das genannte Erkenntnis des BVwG Revision. Diese Revision wurde im Wege des elektronischen Rechtsverkehrs unter Verwendung der Übermittlungsstelle MANZ'sche Verlags- und Universitätsbuchhandlung GmbH ("MAN") am 26. Jänner um 15:51 Uhr beim BVwG eingebracht.

5 Unter Hinweis darauf, dass die Revision außerhalb der in § 20 der Geschäftsordnung des Bundesverwaltungsgerichtes (GO-BVwG) kundgemachten Amtsstunden eingebracht worden sei und somit verspätet erscheine, wurde dem Revisionswerber vom Verwaltungsgerichtshof die Möglichkeit eingeräumt, dazu Stellung zu nehmen.

6 Mit Schriftsatz vom 17. März 2017 stellte der Revisionswerber daraufhin einen Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Frist zur Erhebung der Revision.

7 Den Widereinsetzungsantrag begründete er damit, dass sich die Arbeit seines Rechtsvertreters an der Revision bis zum 26. Jänner 2017 gezogen habe, weil das angefochtene Erkenntnis 109 Seiten und viele nicht nur verfassungs-, sondern auch verwaltungsrechtliche Aspekte umfasse, der Revisionswerber während der Revisionsfrist seinem Rechtsvertreter zahlreiche Unterlagen überbracht und dieser parallel an weiteren dringenden Fällen gearbeitet habe. Bisher seien zwischen dem Augenblick der Eingabe des Befehls "sofort senden" durch den Rechtsvertreter in der ERV-Software und der Rückmeldung des Einbringungszeitpunktes durch die Übermittlungsstelle jeweils nur Sekunden oder wenige Minuten vergangen. Durch diese jahrelange Erfahrung sei beim Rechtsvertreter der Eindruck entstanden, es sei auszuschließen, dass nach der Eingabe des Befehls "sofort senden" mehr als eine halbe Stunde bis zur Übernahme durch die Übermittlungsstelle verstreichen könne. Dadurch habe sich der Rechtsvertreter verleiten lassen, bis fast 14:00 Uhr des 26. Jänner 2017 an der Revision samt Antrag auf aufschiebende Wirkung zu arbeiten. Noch vor 14:15 Uhr habe er den Befehl "sofort senden" eingeben lassen und keinen Zweifel gehabt, dass die Übermittlungsstelle die Revision vor 15:00 Uhr übernommen habe. Erst mit der Zustellung des Verspätungsvorhaltes am 3. März 2017 sei ihm die Uhrzeit am Sendeprotokoll aufgefallen. Auf Nachfrage beim Anbieter der ERV-Software habe der Rechtsvertreter erfahren, dass es zwar selten aber doch manchmal vorkommen könne, dass nach der Eingabe des Befehls "sofort senden" der Login bei der Übermittlungsstelle längere Zeit in Anspruch nehme, die ERV-Software, falls das erste Login definitiv scheitere, automatisch weitere Sendeversuche unternehme und der letzte erfolgreiche Sendeversuch auf dem Sendeprotokoll als Sendezeitpunkt aufscheine. Scheinbar habe es konkret von der Eingabe des Sendebefehls bis zum erfolgreichen Login bei der Übermittlungsstelle mehr als eine Stunde gedauert. Das Versehen des Rechtsvertreters des Revisionswerbers sei nur minderen Grades.

8 Der Verwaltungsgerichtshof hat über diesen Antrag sowie über die Zulässigkeit der vorliegenden außerordentlichen Revision erwogen:

9 Zur Rechtzeitigkeit der Revision:

10 Hat der Verfassungsgerichtshof eine Beschwerde gemäß Art. 144 Abs. 3 B-VG dem Verwaltungsgerichtshof abgetreten, so beginnt gemäß § 26 Abs. 4 VwGG die Revisionsfrist mit der Zustellung des Erkenntnisses oder Beschlusses des Verfassungsgerichtshofes oder, wenn der Antrag auf Abtretung der Beschwerde erst nach dessen Zustellung gestellt wurde, mit der Zustellung des Beschlusses gemäß § 87 Abs. 3 VfGG.

11 Der Abtretungsbeschluss wurde dem Vertreter des Revisionswerbers (unbestritten) am 15. Dezember 2016 zugestellt. Die vorliegende Revision wurde im Wege des elektronischen Rechtsverkehrs unter Verwendung der Übermittlungsstelle "MAN" am 26. Jänner 2017 um 15:51:55 Uhr im Sinne des § 21 Abs. 7 BVwGG, sohin am letzten Tag der Revisionsfrist nach Ablauf der in § 20 Abs. 1 GO-BVwG festgesetzten Amtsstunden beim BVwG eingebracht.

12 Der Verwaltungsgerichtshof hat sich mit der Einbringung einer Revision beim BVwG im Wege des elektronischen Rechtsverkehrs am letzten Tag der Frist nach Ablauf der in § 20 Abs. 1 GO-BVwG festgesetzten Amtsstunden bereits im hg. Beschluss vom 17.11.2015, Ra 2014/01/0198, auseinandergesetzt. Er ist zum Ergebnis gelangt, dass eine am letzten Tag der Revisionsfrist mittels elektronischem Rechtsverkehr beim BVwG nach Ablauf der in § 20 Abs. 1 GO-BVwG festgesetzten Amtsstunden eingebrachte Revision gemäß § 20 Abs. 6 GO-BVwG erst mit Beginn der Amtsstunden des nächsten Arbeitstages als eingebracht gilt und demnach verspätet ist. Es wird daher gemäß § 43 Abs. 2 und 9 VwGG auf die Begründung dieses Beschlusses verwiesen.

13 Zum Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand:

14 Gemäß § 46 Abs. 1 VwGG ist einer Partei, die durch ein unvorhergesehenes oder unabwendbares Ereignis eine Frist versäumt hat und dadurch einen Rechtsnachteil erleidet, auf Antrag die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu bewilligen. Dass der Partei ein Verschulden an der Versäumung zur Last liegt, hindert die Bewilligung der Wiedereinsetzung nicht, wenn es sich nur um einen minderen Grad des Versehens handelt.

15 Das Verschulden des Parteienvertreters trifft nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes die von diesem vertretene Partei, wobei an berufliche und rechtskundige Parteienvertreter ein strengerer Maßstab anzulegen ist als an rechtsunkundige und bisher noch nie an gerichtlichen Verfahren beteiligte Personen. Ein dem Vertreter widerfahrenes Ereignis stellt einen Wiedereinsetzungsgrund für die Partei nur dann dar, wenn dieses Ereignis für den Vertreter selbst unvorhergesehen oder unabwendbar war und es sich hiebei höchstens um einen minderen Grad des Versehens handelt (vgl. VwGH 15.12.2015, Ra 2015/01/0061, mwN).

16 Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes hat ein beruflicher rechtskundiger Parteienvertreter seine Kanzlei so zu organisieren, dass nach menschlichem Ermessen die Versäumung von Fristen ausgeschlossen ist. Dazu gehört auch, dass sich der Parteienvertreter bei der Übermittlung von Eingaben im elektronischen Weg vergewissert, ob die Übertragung erfolgreich durchgeführt wurde. Unterbleibt diese Kontrolle aus welchen Gründen auch immer, stellt dies ein über den minderen Grad des Versehens hinausgehendes Verschulden dar. Diese in der Rechtsprechung entwickelten Leitlinien, die allgemein dem Umstand Rechnung tragen, dass die Sendung von Eingaben im elektronischen Wege fehleranfällig ist, lassen sich auch auf die Übermittlung von Eingaben im Web-ERV übertragen (vgl. VwGH 30.6.2015, Ra 2015/03/0037; 14.10.2016, Ra 2016/09/0001).

17 Der Rechtsvertreter des Revisionswerbers hat nach seinem Vorbringen darauf vertraut, dass zwischen der Eingabe des Befehls "sofort senden" in die ERV-Software und jenem Zeitpunkt, den die Übermittlungsstelle als Einbringungszeitpunkt rückmeldet, jeweils nur Sekunden oder wenige Minuten vergehen und deshalb keinen Zweifel daran gehabt, dass die vor 14:15 Uhr mittels Web-ERV abgesendete Revision vor 15:00 Uhr von der Übermittlungsstelle übernommen wurde. Ob und wann die Übermittlungsstelle nach Eingabe des Sendebefehls rückgemeldet hat, dass sie die Daten der Revision zur Weiterleitung an die Bundesrechenzentrum GmbH übernommen hat, hat der Rechtsvertreter des Revisionswerbers nicht kontrolliert bzw. keine solche Kontrolle kanzleiintern veranlasst. Ausgehend von der oben angeführten Judikatur wäre der Rechtsvertreter zu einer solchen Kontrolle der Übermittlung von fristgebundenen Eingaben im Web-ERV verpflichtet gewesen, dies umso mehr, als er das Senden der Revision am letzten Tag der Revisionsfrist knapp vor Ablauf der in § 20 Abs. 1 GO-BVwG festgesetzten Amtsstunden veranlasst hat. Dass eine rechtzeitige Übermittlung der elektronischen Eingabe im Fall der Kontrolle der Rückmeldung nicht möglich gewesen sei, hat der Revisionswerber weder behauptet, noch bescheinigt.

18 Mit dem Wiedereinsetzungsantrag wurde daher nicht dargetan, dass dem Revisionswerber an der Versäumung der Revisionsfrist kein ihm zurechenbares Verschulden seines Rechtsvertreters oder ein lediglich minderer Grad des Versehens anzulasten ist.

19 Der Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand war daher gemäß § 46 Abs. 1 und Abs. 4 VwGG abzuweisen und die vorliegende am letzten Tag der Revisionsfrist (26. Jänner 2017) mittels elektronischen Rechtsverkehrs beim BVwG eingebrachte Revision wegen Versäumung der Einbringungsfrist ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung mit Beschluss zurückzuweisen.

Wien, am 13. November 2017

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2017:RA2017010041.L00.1

Im RIS seit

15.12.2017

Zuletzt aktualisiert am

15.12.2017
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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