TE Bvwg Erkenntnis 2017/12/4 I401 2171127-1

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Veröffentlicht am 04.12.2017
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Entscheidungsdatum

04.12.2017

Norm

AlVG §16
AVG §38
B-VG Art.133 Abs4
VwGVG §13

Spruch

I401 2171127-1/5E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch den Richter Mag. Gerhard AUER als Senatsvorsitzenden sowie die fachkundigen Laienrichter Stefan FRIEß sowie Kurt DAPRÉ als Beisitzer über die Beschwerde des XXXX, vertreten durch Dr. Markus Orgler und Dr. Josef Pfurtscheller LL.M., Rechtsanwälte, Adolf Pichler Platz 4/II, 6020 Innsbruck, gegen den Bescheid des Arbeitsmarktservice Imst, Regionale Geschäftsstelle, vom 11.08.2017 betreffend "Aussetzung eines Verfahrens in einer Angelegenheit nach dem AlVG" nach nicht öffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

A)

Der Beschwerde wird Folge gegeben und der Bescheid der regionalen Geschäftsstelle des Arbeitsmarktservice Imst vom 11.08.2017 ersatzlos behoben.

B)

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

Text

ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

I. Verfahrensgang:

1. Mit bundeseinheitlichem, am 04.07.2017 ausgegebenem Antragsformular stellte XXXX (in der Folge als Beschwerdeführer bezeichnet) am 07.07.2017 beim Arbeitsmarktservice Imst, Regionale Geschäftsstelle (in der Folge als belangte Behörde oder als AMS bezeichnet), einen Antrag auf Arbeitslosengeld.

Dem Antragsformular beigeschlossen war eine Klage des Beschwerdeführers gegen die H AG an das Landesgericht Innsbruck als Arbeits- und Sozialgericht mit dem Begehren auf Feststellung, dass das mit Wirkung ab 01.05.1977 zwischen ihm als Dienstnehmer und der beklagten Partei begründete Dienstverhältnis auch über den 17.01.2017 hinaus auf unbestimmte Zeit fortbestehe, und auf Bezahlung eines bestimmten Betrages. Für den Fall der Zurück- oder Abweisung dieser beiden Begehren stellte er in eventu den Antrag auf Bezahlung einer näher bezifferten Kündigungsentschädigung, Abfertigung und Urlaubsersatzleistung sowie auf Ersatz der Freifahrtberechtigung und machte weitere Ansprüche (für unterschiedliche Zeiträume) geltend.

2. Mit Bescheid vom 11.08.2017 sprach die belangte Behörde in Spruchpunkt A) aus, dass das aufgrund des Antrages des Beschwerdeführers vom 04.07.2017 eingeleitete Verfahren auf Zuerkennung von Arbeitslosengeld bis zur rechtskräftigen Entscheidung der Vorfrage gemäß § 38 AVG ausgesetzt wird.

In Spruchpunkt B) schloss die belangte Behörde die aufschiebende Wirkung der Beschwerde gegen diesen Bescheid gemäß § 13 Abs. 2 VwGVG aus.

Begründend wurde ausgeführt, der Beendigungsgrund des letzten Dienstverhältnisses des Beschwerdeführers sei strittig und es sei diesbezüglich ein Verfahren beim Arbeits- und Sozialgericht anhängig.

Der Ausschluss der aufschiebenden Wirkung wurde nach Zitierung des § 13 Abs. 1 und Abs. 2 VwGVG damit begründet, dass die Aussetzung als verfahrensrechtlicher Bescheid selbständig mit jenen Rechtsmitteln bekämpfbar sei, die gegen den in der Sache ergehenden Bescheid zur Verfügung stünden. Jedoch könne eine aufschiebende Wirkung von Beschwerden gegen Aussetzungsbescheide nicht zum Tragen kommen, weil es ansonsten im freien Ermessen der Partei stünde, den einzigen Sinn und Zweck des Aussetzungsbescheides nach § 38 AVG, nämlich die Entscheidungspflicht der Behörde zu suspendieren, zu vereiteln. Daher sei die aufschiebende Wirkung der Beschwerde auszuschließen.

4. Gegen diesen Bescheid erhob der rechtsfreundlich vertretene Beschwerdeführer rechtzeitig und zulässig Beschwerde.

Er begründete sie im Wesentlichen damit, dass eine Aussetzung nur auf der Grundlage begründeten Ermessens verfügt werden könne. Vor allem müsse die Aussetzung zur bindenden Vorfragenklärung führen können. Arbeitslosengeld sei von der Art der Beendigung des Dienstverhältnisses, aber nur für einen beschränkten und längst verstrichenen Zeitraum, abhängig. Darüber hinaus sei ihre Zulässigkeit davon abhängig, dass das im behängenden Gerichtsverfahren ergehende Urteil die Entscheidung der Vorfrage bewirke. Für den über den erstgenannten Zeitraum hinausgehenden Zeitraum könne jegliche Gerichtsentscheidung genau das nicht.

Zudem diene das Arbeitslosengeld der Überbrückung der durch den Verlust der Arbeitsstelle bedingten Einkommenslosigkeit. Durch die Aussetzung, vor allem für Zeiträume, für welche der Bezug nicht von der Beendigungsart abhänge, werde genau diese Funktion außer Kraft gesetzt. Daran ändere auch eine spätere Nachzahlung nichts; denn schließlich müsse der Beschwerdeführer die Zeit bis zur Nachzahlung ja erst einmal überbrücken, wozu das Arbeitslosengeld diene. Die Aussetzung könne daher nicht in einem wohlverstandenen begründeten Ermessen liegen. Dies gelte jedenfalls insoweit, als die Entscheidung über den Antrag für Zeiträume vor der Aussetzung betroffen sei, welche von der Beendigungsart unabhängig sei.

Hinsichtlich der Aberkennung der aufschiebenden Wirkung führte der Beschwerdeführer im Wesentlichen aus, dass keine Gefahr im Verzug vorliege. Im Hinblick auf die Versagung der aufschiebenden Wirkung werde um beschleunigte Erledigung ersucht.

5. Mit Schreiben vom 20.09.2017 legte die belangte Behörde die Beschwerde dem Bundesverwaltungsgericht zur Entscheidung vor. Im Rahmen einer ergänzenden Stellungnahme führte sie zusammengefasst aus, dass die Frage des Bestehens oder Nichtbestehens eines (voll- und arbeitslosenversicherungspflichtigen) Dienstverhältnisses eine Anspruchsvoraussetzung der Arbeitslosigkeit darstelle. Diese Frage sei entscheidungswesentlich. Inwiefern sie von einem längst verstrichenen Zeitraum abhängen solle, sei nicht nachvollziehbar. Der Klage sei in ihrem Hauptbegehren eindeutig zu entnehmen, dass der Beschwerdeführer das begründete Dienstverhältnis über den 17.01.2017 hinaus auf unbestimmte Zeit aufrecht fortbestehend begehre. Diese vom Landesgericht Innsbruck zu klärende Frage bilde eine Vorfrage im Sinne des § 38 AVG, weil das Fortbestehen eines Dienstverhältnisses in diesem Fall vom Gericht als Vorfrage (betreffend das Verfahren auf Zuerkennung von Arbeitslosengeld) zu entscheiden sei. Abseits der Frage der Arbeitslosigkeit des Beschwerdeführers im Sinne des § 12 AlVG bilde das beim Landesgericht anhängige Verfahren auch eine Vorfrage im Hinblick auf § 22 Abs. 1 AlVG, weil die Frage der strittigen ungerechtfertigten oder sonstigen unverschuldeten Entlassung gemäß § 22 Abs. 1 Z 3 AlVG für die belangte Behörde eine entscheidungswesentliche Frage bilde. Laut Bestätigung der Versicherungsanstalt für Eisenbahnen und Bergbau vom 07.07.2017 erfülle der Beschwerdeführer bereits seit 01.09.2016 die Voraussetzungen für eine Korridorpension. Die belangte Behörde gehe sohin von der Rechtsmäßigkeit der Aussetzung gemäß § 38 AVG aus.

Im Übrigen werde angemerkt, dass seitens der belangten Behörde eine einstweilige Auszahlung des Arbeitslosengeldes gemäß § 16 Abs. 2 AlVG nicht möglich gewesen sei, weil das Hauptbegehren des Beschwerdeführers in seiner Klage gegen den Dienstgeber auf das Fortbestehen eines Dienstverhältnisses und nicht auf eine Kündigungsentschädigung gerichtet sei.

Betreffend den Ausschluss der aufschiebenden Wirkung werde ergänzend angemerkt, dass für den Fall, dass das Verfahren über den Antrag auf Arbeitslosengeld vom 04.07.2017 nicht ausgesetzt, sondern der Antrag abgewiesen und gegen die Antragsabweisung eine Beschwerde erhoben worden wäre, ein Ausschluss der aufschiebenden Wirkung nicht erforderlich gewesen wäre. Werde ein Antrag auf eine Leistung abgewiesen, sei die Rechtslage während des Rechtsmittelverfahrens so zu beurteilen, als ob über den Antrag noch nicht entschieden worden wäre. In diesem Fall komme eine vorläufige Anweisung der beantragten Leistung nicht in Betracht.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen:

Der wiedergegebene unstrittige Verfahrensgang wird als Sachverhalt festgestellt.

2. Beweiswürdigung:

2.1. Der festgestellte Sachverhalt ergibt sich aus dem vorliegenden Verwaltungsakt der belangten Behörde.

2.2. Gemäß § 24 Abs. 1 VwGVG hat das Verwaltungsgericht auf Antrag oder, wenn es dies für erforderlich hält, von Amts wegen eine öffentliche mündliche Verhandlung durchzuführen. Gemäß Abs. 3 leg. cit. hat der Beschwerdeführer die Durchführung einer Verhandlung in der Beschwerde oder im Vorlageantrag zu beantragen. Gemäß Abs. 4 leg. cit. kann, soweit durch Bundes- oder Landesgesetz nichts anderes bestimmt ist, das Verwaltungsgericht ungeachtet eines Parteiantrages von einer Verhandlung absehen, wenn die Akten erkennen lassen, dass die mündliche Erörterung eine weitere Klärung der Rechtssache nicht erwarten lässt, und einem Entfall der Verhandlung weder Art. 6 Abs. 1 der Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten, BGBl. Nr. 210/1958, noch Art. 47 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union, ABl. Nr. C 83 vom 30.03.2010 S. 389 entgegenstehen.

Der für diesen Fall maßgebliche Sachverhalt konnte als durch die Aktenlage hinreichend geklärt erachtet werden. Es wurden für die gegenständliche Entscheidung keine noch zu klärenden Tatsachenfragen in konkreter und substantiierter Weise aufgeworfen und war gegenständlich auch keine komplexe Rechtsfrage zu lösen (vgl. das Erk. des VwGH vom 31.07.2007, Zl. 2005/05/0080). Der tatsächlich entscheidungsrelevante Sachverhalt ist unstrittig. In der gegenständlichen Entscheidung war nur über eine Rechtsfrage abzusprechen. Es hat sich daher aus Sicht des Bundesverwaltungsgerichts keine Notwendigkeit ergeben, den als geklärt erscheinenden Sachverhalt näher zu erörtern (vgl. die Erk. des VwGH vom 23.01.2003, Zl. 2002/20/0533; vom 01.04.2004, Zl. 2001/20/0291).

3. Rechtliche Beurteilung:

3.1. Zuständigkeit und anzuwendendes Recht.

§ 6 BVwGG lautet wie folgt:

Das Bundesverwaltungsgericht entscheidet durch Einzelrichter, sofern nicht in Bundes- oder Landesgesetzen die Entscheidung durch Senate vorgesehen ist.

§ 56 Abs. 2 des Arbeitslosenversicherungsgesetzes 1977 (AlVG) in der geltenden Fassung lautet wie folgt:

Über Beschwerden gegen Bescheide einer Geschäftsstelle entscheidet das Bundesverwaltungsgericht durch einen Senat, dem zwei fachkundige Laienrichter angehören, je einer aus dem Kreis der Arbeitgeber und aus dem Kreis der Arbeitnehmer. Die Frist zur Erlassung einer Beschwerdevorentscheidung durch die Geschäftsstelle beträgt zehn Wochen.

Gegenständlich liegt somit Senatszuständigkeit vor.

§§ 17 und 28 Abs. 1 und Abs. 2 VwGVG lauten wie folgt:

§ 17. Soweit in diesem Bundesgesetz nicht anderes bestimmt ist, sind auf das Verfahren über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 B-VG die Bestimmungen des AVG mit Ausnahme der §§ 1 bis 5 sowie des IV. Teiles, die Bestimmungen der Bundesabgabenordnung – BAO, BGBl. Nr. 194/1961, des Agrarverfahrensgesetzes – AgrVG, BGBl. Nr. 173/1950, und des Dienstrechtsverfahrensgesetzes 1984 – DVG, BGBl. Nr. 29/1984, und im Übrigen jene verfahrensrechtlichen Bestimmungen in Bundes- oder Landesgesetzen sinngemäß anzuwenden, die die Behörde in dem dem Verfahren vor dem Verwaltungsgericht vorangegangenen Verfahren angewendet hat oder anzuwenden gehabt hätte.

§ 28. (1) Sofern die Beschwerde nicht zurückzuweisen oder das Verfahren einzustellen ist, hat das Verwaltungsgericht die Rechtssache durch Erkenntnis zu erledigen.

(2) Über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 Z 1 B-VG hat das Verwaltungsgericht dann in der Sache selbst zu entscheiden, wenn

1. der maßgebliche Sachverhalt feststeht oder

2. die Feststellung des maßgeblichen Sachverhalts durch das Verwaltungsgericht selbst im Interesse der Raschheit gelegen oder mit einer erheblichen Kostenersparnis verbunden ist.

Zu Spruchpunkt A):

3.2. Zu Spruchpunkt A) des bekämpften Bescheides

3.2.1. Die maßgebliche Bestimmung des Allgemeinen Verwaltungsverfahrensgesetzes (AVG) in anzuwendender Fassung lautet wie folgt:

§ 38. Sofern die Gesetze nicht anderes bestimmen, ist die Behörde berechtigt, im Ermittlungsverfahren auftauchende Vorfragen, die als Hauptfragen von anderen Verwaltungsbehörden oder von den Gerichten zu entscheiden wären, nach der über die maßgebenden Verhältnisse gewonnenen eigenen Anschauung zu beurteilen und diese Beurteilung ihrem Bescheid zugrunde zu legen. Sie kann aber auch das Verfahren bis zur rechtskräftigen Entscheidung der Vorfrage aussetzen, wenn die Vorfrage schon den Gegenstand eines anhängigen Verfahrens bei der zuständigen Verwaltungsbehörde bzw. beim zuständigen Gericht bildet oder ein solches Verfahren gleichzeitig anhängig gemacht wird.

Gemäß § 38 AVG ist die Behörde - bzw. das Verwaltungsgericht iVm § 17 VwGVG - berechtigt, im Ermittlungsverfahren auftauchende Vorfragen, die als Hauptfragen von den Gerichten zu entscheiden wären, selbst zu beurteilen oder das Verfahren bis zur rechtskräftigen Entscheidung der Vorfrage auszusetzen, wenn die Vorfrage schon den Gegenstand eines anhängigen Verfahrens beim zuständigen Gericht bildet oder ein solches Verfahren gleichzeitig anhängig gemacht wird (vgl. das Erk. des VwGH vom 19.12.2000, Zl. 99/12/0286; Hengstschläger/Leeb, AVG § 38 Rz 18).

3.2.2. Gemäß § 12 Abs. 1 AlVG ist arbeitslos, wer eine (unselbständige oder selbständige) Erwerbstätigkeit (Beschäftigung) beendet hat, nicht mehr der Pflichtversicherung in der Pensionsversicherung unterliegt und keine neue oder weitere (unselbständige oder selbständige) Erwerbstätigkeit (Beschäftigung) ausübt.

Gemäß § 16. Abs. 1 AlVG (in der Fassung BGBl. I Nr. 162/2015) ruht der Anspruch auf Arbeitslosengeld während

a) k) des Zeitraumes, für den Kündigungsentschädigung gebührt,

l) des Zeitraumes, für den Anspruch auf eine Ersatzleistung (Entschädigung, Abfindung) für Urlaubsentgelt nach dem Urlaubsgesetz, BGBl. Nr. 390/1976, in der jeweils geltenden Fassung, oder eine Urlaubsersatzleistung nach dem Bauarbeiter-Urlaubs- und Abfertigungsgesetz (BUAG), BGBl. Nr. 414/1972, in der jeweils geltenden Fassung, besteht oder eine Urlaubsabfindung nach dem BUAG gewährt wird, nach Maßgabe des Abs. 4,

Gemäß § 16 Abs. 2 AlVG wird das Arbeitslosengeld (die Notstandshilfe) für diesen Zeitraum als Vorschuß auf die Kündigungsentschädigung gewährt, wenn der Anspruch auf Kündigungsentschädigung strittig ist oder Kündigungsentschädigung aus sonstigen Gründen nicht bezahlt wird. Wird der Arbeitgeber von der Gewährung des Vorschusses verständigt, so geht der Anspruch des Arbeitslosen auf die fällige Kündigungsentschädigung für denselben Zeitraum auf den Bund zugunsten der Arbeitslosenversicherung in der Höhe des als Arbeitslosengeld (Notstandshilfe) gewährten Vorschusses über und ist vom Arbeitgeber unbeschadet von Übertragungen, Verpfändungen oder Pfändungen der Kündigungsentschädigung vorrangig zu befriedigen. Das Recht auf gerichtliche Durchsetzung dieses Anspruches verbleibt jedoch beim Arbeitnehmer. Wird Insolvenz-Entgelt nach dem Insolvenz-Entgeltsicherungsgesetz, BGBl. Nr. 324/1977, für die Kündigungsentschädigung beantragt, so gilt das Gleiche hinsichtlich dieses Anspruches auf Insolvenz-Entgelt, und der Insolvenz-Entgelt-Fonds tritt an die Stelle des Arbeitgebers. Findet der Übergang statt, so ist der Anspruch auf Arbeitslosengeld unter Bedachtnahme auf Abs. 1 lit. k neu zu bemessen. Dem Anspruch auf Kündigungsentschädigung steht der Anspruch auf Schadenersatz nach § 25 Abs. 2 IO bzw. nach § 20d AO gleich, wobei der Anspruch auf Arbeitslosengeld unter Bedachtnahme auf Abs. 1 lit. d bzw. Abs. 1 lit. e neu zu bemessen ist.

Gemäß Abs. 4 leg cit. beginnt der Ruhenszeitraum mit dem Ende des anspruchsbegründenden Beschäftigungsverhältnisses, wenn Anspruch auf eine Ersatzleistung für Urlaubsentgelt (Urlaubsabfindung, Urlaubsentschädigung) im Zeitpunkt der Auflösung des Beschäftigungsverhältnisses besteht, besteht jedoch auch Anspruch auf Kündigungsentschädigung, mit dem Ende des Zeitraumes, für den Kündigungsentschädigung gebührt. Ist der Anspruch auf eine Ersatzleistung für Urlaubsentgelt (Urlaubsabfindung, Urlaubsentschädigung) strittig oder wird eine Ersatzleistung für Urlaubsentgelt (Urlaubsabfindung, Urlaubsentschädigung) aus sonstigen Gründen (zB Konkurs des Arbeitgebers) nicht bezahlt, so ist Abs. 2 sinngemäß anzuwenden. Wird hingegen eine Urlaubsabfindung nach dem BUAG gewährt, beginnt der Ruhenszeitraum mit dem achten Tag, der auf die Zahlbarstellung durch die Urlaubs- und Abfertigungskasse folgt. Ansprüche auf Tagesteile bleiben immer außer Betracht.

3.2.3. Der Verwaltungsgerichtshof vertritt in seinem Erkenntnis vom 24.06.1997, Zl. 95/08/0075, betreffend "Widerruf und Rückforderung von Arbeitslosengeld" die Rechtsansicht, dass der Widerruf der Zuerkennung der Leistung für den im Spruch des angefochtenen Bescheides genannten Zeitraum damit insgesamt - soweit sich ein Zusammenhang mit den von der belangten Behörde angewandten Vorschriften herstellen lässt - auf der Vorstellung zu beruhen scheint, gemäß § 16 Abs. 1 lit. k und l AlVG habe der Anspruch des Beschwerdeführers auf Arbeitslosengeld geruht, insoweit der Beschwerdeführer Anspruch auf Kündigungsentschädigung und Urlaubsabfindung hatte und diesen Anspruch auch durchzusetzen vermocht hätte, davon aber Abstand genommen hat.

Diese Auffassung steht im Widerspruch zum Gesetz, wonach der Anspruch auf Arbeitslosengeld zwar grundsätzlich ruht, insoweit Kündigungsentschädigung "gebührt" (§ 16 Abs. 1 lit. k AlVG) oder Urlaubsabfindung (Urlaubsentschädigung) "gebührt bzw. gewährt wird" (§ 16 Abs. 1 lit. l AlVG), das Arbeitslosengeld aber "als Vorschuß" zu gewähren ist, wenn der Anspruch auf Kündigungsentschädigung oder Urlaubsabfindung (Urlaubsentschädigung) strittig ist oder "aus sonstigen Gründen nicht bezahlt" wird (§ 16 Abs. 2 und 4 AlVG, wobei sich in Abs. 4 als Beispiel für die "sonstigen Gründe" noch der Klammerausdruck "z.B. Konkurs des Arbeitgebers" findet). Nach den zuletzt zitierten Bestimmungen geht der Anspruch auf Kündigungsentschädigung oder Urlaubsabfindung (Urlaubsentschädigung) für die entsprechenden Zeiträume in der Höhe des gewährten Vorschusses auf den Bund über, sobald der Arbeitgeber von der Gewährung des Vorschusses verständigt wird.

Mit dieser Regelung soll dem Doppelbezug von Arbeitslosengeld einerseits und Kündigungsentschädigung und/oder Urlaubsabfindung (Urlaubsentschädigung) andererseits, der nach Ansicht der Gesetzesverfasser (bei der Einführung des § 16 Abs. 1 lit. k AlVG) "in der Öffentlichkeit Anstoß erregt" hatte (84 BlgNR 16. GP), entgegengewirkt, auf den Arbeitslosen aber kein Druck zur Geltendmachung der Ansprüche auf Kündigungsentschädigung und/oder Urlaubsabfindung (Urlaubsentschädigung) ausgeübt werden. Der Umstand, daß der Anspruch auf die Gewährung des Arbeitslosengeldes als "Vorschuß" unabhängig davon besteht, aus welchen "sonstigen Gründen" die Kündigungsentschädigung oder Urlaubsabfindung (Urlaubsentschädigung) "nicht bezahlt" wird, läßt daran keinen Zweifel, weshalb die Regelung auch dahingehend kritisiert wurde, daß der Arbeitslose - wegen des vollen Prozeßkostenrisikos bei geringer Beteiligung an einem allfälligen Erfolg - zur Durchsetzung der Ansprüche nicht ermuntert werde und "möglicherweise erst recht wieder (und diesmal nur) die Arbeitslosenversicherung in Anspruch genommen" werden würde (Pfeil, DRdA 1985, 180 (191 f)). Der Gesetzgeber hat inzwischen (ohne Einschränkung auf einzelne der von Pfeil, a.a.O. 186, gebildeten Fallgruppen) "klargestellt", daß in den Fällen des § 16 Abs. 2 (und damit auch des Abs. 4) AlVG "das Klagsrecht auf die volle Kündigungsentschädigung" (bzw. Urlaubsabfindung oder Urlaubsentschädigung) "beim Arbeitnehmer verbleibt" (1302 BlgNR 17. GP, Seite 5, zum Einschub des diesbezüglichen Satzes in § 16 Abs. 2 AlVG durch die AlVG-Novelle 1990, BGBl. Nr. 412). Auch dies scheint zu bestätigen, daß die Regelung nur auf die Vermeidung von Doppelbezügen für den Fall abzielt, daß die Kündigungsentschädigung oder Urlaubsabfindung (Urlaubsentschädigung) tatsächlich gezahlt wird. Für den Fall, daß es dazu (aus welchen Gründen auch immer) nicht kommt, bietet sie ihrem klaren Inhalt nach aber jedenfalls keine Handhabe zur Vorenthaltung - falls die Durchsetzbarkeit der Ansprüche von Anfang an unwahrscheinlich oder eine entsprechende Absicht beim Arbeitslosen nicht vorhanden ist - oder zum Widerruf - falls sich derartiges später herausstellt - des als "Vorschuß" zu gewährenden Arbeitslosengeldes.

3.2.4. Im Falle eines strittigen Anspruches auf Kündigungsentschädigung bzw. Urlaubsersatzleistung ist der Vorschuss gemäß § 16 Abs. 2 AlVG vom Arbeitsmarktservice (zwingend) zu gewähren. Sowohl der Normzweck als auch der Gesetzeswortlaut dem Arbeitsmarktservice verbieten eine Prüfung im Sinne des § 11 AlVG vorzunehmen und die Vorfrage, ob das Dienstverhältnis vom Arbeitslosen aus eigenem Verschulden beendet wurde, nach eigener Anschauung zu entscheiden bzw. das Verfahren bis zur gerichtlichen Entscheidung darüber auszusetzen (vgl. Krapf/Keul, Arbeitslosenversicherungsgesetz, Praxiskommentar, § 16 Rz 402).

3.2.5. Im gegenständlichen Fall steht unbestritten fest, dass das Hauptbegehren des Beschwerdeführers auf die Feststellung des Fortbestehens des Dienstverhältnisses über den 17.01.2017 hinaus auf unbestimmte Zeit gerichtet war. Nur für den Fall der Zurück- oder Abweisung des Hauptbegehrens machte der Beschwerdeführer ein Leistungsbegehren auf Kündigungsentschädigung und Urlaubsersatzleistung in bestimmter Höhe geltend. Die Ansprüche auf Kündigungsentschädigung und Urlaubsersatzleistung sind sohin bis zum rechtskräftigen Abschluss des arbeitsgerichtlichen Verfahrens strittig.

Die Arbeitslosenversicherung verfolgt primär den Zweck, den Arbeitslosen gegen den Notfall der Arbeitslosigkeit zu schützen, ihm also letztlich die Existenz zu sichern. Der Zweck der Vorschussleistung, eine Existenzsicherung bis zur gerichtlichen Klärung der strittigen Frage sicherzustellen, lässt eine die Vorenthaltung des Vorschusses bewirkende Aussetzung des Verfahrens gemäß § 38 AVG nicht zu, weil dies dem Leistungszweck geradezu zuwiderliefe.

Mit dem Argument der belangten Behörde, eine einstweilige Auszahlung des Arbeitslosengeldes sei gemäß § 16 Abs. 2 AlVG nicht möglich, weil das Hauptbegehren des Beschwerdeführers auf das Fortbestehen eines Dienstverhältnisses und nicht auf eine Kündigungsentschädigung gerichtet sei, übersieht sie, dass die Ansprüche auf Kündigungsentschädigung und auf Ersatzleistung für Urlaubsentgelt zwischen dem Arbeitgeber und dem Arbeitnehmer (bloß) "strittig" sein müssen. Der Arbeitnehmer hat mehrere Möglichkeiten, seine Meinung zum Ausdruck zu bringen, er habe Anspruch auf Kündigungsentschädigung und auf Urlaubsersatzleistung. Er kann zum einen außergerichtlich diese Forderungen gegenüber dem Arbeitgeber geltend machen oder - so wie der Beschwerdeführer - beim Arbeits- und Sozialgericht seine Ansprüche einklagen.

Es kann dem Gesetzgeber nicht unterstellt werden, dass er die Gewährung eines Vorschusses auf Arbeitslosengeld, welchem eine existenzsichernde Funktion zukommen soll, bei Erhebung einer Klage davon abhängig machen wollte, ob die klagende Partei den Anspruch auf Kündigungsentschädigung und/oder den Anspruch auf Ersatzleistung für Urlaubsentgelt als Hauptbegehren oder als Eventualbegehren geltend macht. Die von der belangten Behörde vertretene Ansicht, den Vorschuss nur bei Geltendmachung der Ansprüche als Hauptbegehren gewähren zu müssen, würde dem Arbeitslosen die Dispositionsfreiheit über seinen Anspruch auf Kündigungsentschädigung und auf Ersatzleistung für Urlaubsentgelt (massiv) beschränken und zu einer sachlich nicht begründbaren Schlechterstellung des Arbeitslosen führen.

Ist aber - wie im konkreten Fall - noch ungewiss, ob dem Beschwerdeführer eine Kündigungsentschädigung und Urlaubsersatzleistung gebührt, sind diese Ansprüche also "strittig", so hat er gemäß § 16 Abs. 2 und Abs. 4 AlVG unmissverständlich und vorbehaltslos einen Anspruch auf Arbeitslosengeld.

In diesem Zusammenhang gilt es auf § 16 Abs. 2 zweiter Satz AlVG hinzuweisen, dass der Anspruch auf diese (klagsweise geltend gemachten) Leistungen mittels Legalzession auf den Bund zugunsten der Arbeitslosenversicherung in Höhe des als Arbeitslosengeld (Notstandshilfe) geleisteten Vorschusses übergeht, wenn der Arbeitgeber von der Vorschussleistung verständigt wird. Da sich eine Frist, bis wann die Verständigung des Arbeitgebers durch das Arbeitsmarktservice zu erfolgen hat, in dieser Bestimmung nicht findet, obliegt es der belangten Behörde, so sie es nicht bereits getan hat, den Arbeitgeber von der (noch vorzunehmenden) Bevorschussung des Arbeitslosengeldes zu verständigen.

Da § 16 Abs. 2 AlVG keine Handhabe für eine Differenzierung zwischen der gerichtlichen Geltendmachung des strittigen Anspruches auf Kündigungsentschädigung und auf finanzielle Abgeltung nicht konsumierter Urlaubstage als Hauptbegehren oder als Eventualbegehren bietet, kommt eine Verfahrensaussetzung im Sinne des § 38 AVG und damit ein Vorenthalten des Vorschusses (bis zur gerichtlichen Entscheidung über die geltend gemachten Ansprüche) nicht in Betracht.

Der erhobenen Beschwerde war aus den dargelegten Gründen Folge zu geben und der bekämpfte Bescheid vom 11.08.2017 ersatzlos zu beheben.

3.2.6. Mit der Entscheidung über die Beschwerde erübrigt sich eine Entscheidung über den mit Spruchpunkt B) des bekämpften Bescheides entschiedenen Antrag auf (Nicht-) Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung.

Zu B) Unzulässigkeit der Revision:

Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung (siehe insbesondere die zur Zuweisungsfähigkeit und Vereitelungshandlung zitierte Rechtsprechung); weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich anzusehen. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.

Schlagworte

Arbeitslosengeld, aufschiebende Wirkung, Aussetzung, ersatzlose
Behebung, Klagebegehren

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2017:I401.2171127.1.00

Zuletzt aktualisiert am

14.12.2017
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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