TE Vwgh Erkenntnis 2017/11/22 Ra 2016/17/0304

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Veröffentlicht am 22.11.2017
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Index

E6J;
10/01 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG);
10/07 Verwaltungsgerichtshof;
34 Monopole;
40/01 Verwaltungsverfahren;

Norm

61989CJ0213 Factortame VORAB;
62005CJ0432 Unibet VORAB;
B-VG Art11 Abs2;
B-VG Art136 Abs2;
GSpG 1989 §53 Abs2;
GSpG 1989 §53;
GSpG 1989 §55;
GSpG 1989;
VStG §17;
VStG §39 Abs6 idF 2013/I/033;
VStG §39;
VwGG §30 Abs2;
VwGVG 2014 §13;
VwGVG 2014 §22;

Betreff

<betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Holeschofsky und Hofrätin Mag. Dr. Zehetner, Hofrat Mag. Brandl, Hofrätin Mag. Liebhart-Mutzl sowie Hofrätin Dr. Koprivnikar als Richterinnen und Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Mag.a Kratschmayr, über die Revision der n k.s. in B, nunmehr vertreten durch Rechtsanwälte Mag. Martin Paar, Mag. Hermann Zwanzger, Wiedner Hauptstraße 46/6, 1040 Wien, gegen das Erkenntnis des Landesverwaltungsgerichts Steiermark vom 3. Oktober 2016, LVwG 41.23-2546/2016-2, betreffend Abweisung eines Antrages auf Ausfolgung eines beschlagnahmten Glücksspielgerätes (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Bezirkshauptmannschaft Leoben), zu Recht erkannt:

Spruch

Das angefochtene Erkenntnis wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Unzuständigkeit des Landesverwaltungsgerichtes Steiermark aufgehoben.

Der Bund hat der revisionswerbenden Partei Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.346,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

1 Mit Bescheid der Bezirkshauptmannschaft Leoben vom 25. Mai 2016 wurde die Beschlagnahme eines Glücksspielgerätes, das im Eigentum der revisionswerbenden Partei stehe, gemäß § 51 Abs. 1 Z 1 lit. a in Verbindung mit § 52 Abs. 1 Z 1 Glücksspielgesetz (GSpG) verfügt.

2 Gegen diesen Bescheid erhob die revisionswerbende Partei fristgerecht Beschwerde an das Landesverwaltungsgericht Steiermark.

3 Mit Schreiben vom 26. Juli 2016 teilte das Landesverwaltungsgericht der revisionswerbenden Partei mit, dass das Beschlagnahmeverfahren aufgrund des Beschlusses des Verfassungsgerichtshofes vom 2. Juli 2016, E 945/2016-15, E 947/2016-4, E 1054/2016-10, unterbrochen sei.

4 Mit Schreiben vom 5. September 2016 stellte die revisionswerbende Partei einen Antrag auf Ausfolgung "der beschlagnahmten Geräte" bis zum Vorliegen einer rechtskräftigen Entscheidung über die Beschwerde gegen den Beschlagnahmebescheid.

5 Eine solche Entscheidung über den Beschlagnahmebescheid liegt derzeit noch nicht vor.

6 Das Landesverwaltungsgericht Steiermark wies den Ausfolgungsantrag mit dem angefochtenen Erkenntnis in der Folge ab. Begründend führte es aus, § 39 Abs. 6 VStG sei auch im Beschlagnahmeverfahren gemäß § 53 GSpG anwendbar, weil es sich bei der Beschlagnahme sowie dem Einziehungsverfahren nach dem GSpG um Verfahren wegen Verwaltungsübertretungen handle. Aus diesem Grund komme einer Beschwerde gegen einen Beschlagnahmebescheid gemäß § 39 Abs. 6 VStG keine aufschiebende Wirkung zu. Ein Ausfolgungsantrag sei nicht berechtigt, weil es einen Rechtsgrund für die Beschlagnahme, nämlich den Beschlagnahmebescheid, gebe.

7 Gegen diese Entscheidung richtet sich die vorliegende außerordentliche Revision.

8 Zur Zulässigkeit der Revision bringt die revisionswerbende Partei unter anderem vor, dass § 39 VStG ausschließlich in solchen Fällen gelte, in denen eine Verwaltungsvorschrift den Verfall von Gegenständen als Strafe vorsehe. Soweit der Verfall als bloße Sicherungsmaßnahme vorgesehen sei, komme die Anwendung von § 39 VStG nicht in Betracht. Überdies setze die Anwendung des § 39 VStG nach ständiger Rechtsprechung die Prüfung voraus, ob die Beschlagnahme zur Sicherung des Verfalls überhaupt geboten sei. Es fehle Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes, ob die Bestimmung des § 39 Abs. 6 VStG auf die Sonderbestimmungen des GSpG, insbesondere auf § 53 GSpG zur Anwendung gelange. In seiner Entscheidung vom 16. November 2011, 2011/17/0111, lasse dieser die Frage aber ausdrücklich offen.

9 Das Verwaltungsgericht legte die Verwaltungsakten vor. Die vor dem Verwaltungsgericht belangte Behörde erstattete keine Revisionsbeantwortung.

Der Verwaltungsgerichtshof hat in dem gemäß § 12 Abs. 2 VwGG gebildeten Senat erwogen:

10 Die Revision ist in Bezug auf die Rechtsfrage, ob § 39 Abs. 6 VStG auch im Beschlagnahmeverfahren nach dem GSpG zur Anwendung gelangt, zulässig.

11 Die Rechtslage stellt sich dar wie folgt:

§§ 17 und 39 VStG, BGBl. Nr. 52/1991 in der Fassung

BGBl. I Nr. 33/2013, lauten auszugsweise:

"Verfall

§ 17. (1) Sofern die Verwaltungsvorschriften nicht anderes bestimmen, dürfen nur Gegenstände für verfallen erklärt werden, die im Eigentum des Täters oder eines Mitschuldigen stehen oder ihnen vom Verfügungsberechtigten überlassen worden sind, obwohl dieser hätte erkennen müssen, daß die Überlassung des Gegenstandes der Begehung einer mit Verfall bedrohten Verwaltungsübertretung dienen werde.

(2) Gegenstände, die nach Abs. 1 verfallsbedroht sind, hinsichtlich deren aber eine an der strafbaren Handlung nicht als Täter oder Mitschuldiger beteiligte Person ein Pfandrecht oder Zurückbehaltungsrecht nachweist, dürfen nur für verfallen erklärt werden, wenn die betreffende Person fahrlässig dazu beigetragen hat, daß mit diesem Gegenstand die strafbare Handlung begangen wurde, oder bei Erwerb ihres Rechtes von der Begehung der den Verfall begründenden strafbaren Handlung wußte oder hätte wissen müssen.

(3) Kann keine bestimmte Person verfolgt oder bestraft werden, so kann auf den Verfall selbständig erkannt werden, wenn im übrigen die Voraussetzungen dafür vorliegen. Die Zustellung solcher Bescheide kann auch durch öffentliche Bekanntmachung bewirkt werden.

Beschlagnahme von Verfallsgegenständen

§ 39. (1) Liegt der Verdacht einer Verwaltungsübertretung vor, für die der Verfall von Gegenständen als Strafe vorgesehen ist, so kann die Behörde zur Sicherung des Verfalles die Beschlagnahme dieser Gegenstände anordnen.

(...)

(6) Die Beschwerde beim Verwaltungsgericht gegen einen Bescheid gemäß Abs. 1 oder 3 hat keine aufschiebende Wirkung."

12 Das Glücksspielgesetz (GSpG), BGBl 620/1989 in der Fassung BGBl. I Nr. 118/2015, lautet auszugsweise:

"Verwaltungsstrafbestimmungen

§ 52. (1) Es begeht eine Verwaltungsübertretung und ist von der Behörde in den Fällen der Z 1 mit einer Geldstrafe von bis zu 60 000 Euro und in den Fällen der Z 2 bis 11 mit bis zu 22 000 Euro zu bestrafen,

(...)

(4) Werden Verwaltungsübertretungen nach Abs. 1 nicht im Inland begangen, gelten sie als an jenem Ort begangen, von dem aus die Teilnahme im Inland erfolgt. Gegenstände, mit deren Hilfe eine verbotene Ausspielung im Sinne des § 2 Abs. 4 durchgeführt oder auf andere Weise in das Glücksspielmonopol des Bundes eingegriffen wird, unterliegen, sofern sie nicht gemäß § 54 einzuziehen sind, dem Verfall.

     (...)

     Beschlagnahmen

     § 53. (1) Die Behörde kann die Beschlagnahme der

Glücksspielautomaten, der sonstigen Eingriffsgegenstände und der

technischen Hilfsmittel anordnen, und zwar sowohl wenn der Verfall

als auch wenn die Einziehung vorgesehen ist, wenn

1.        der Verdacht besteht, dass

a)        mit Glücksspielautomaten oder sonstigen

Eingriffsgegenständen, mit denen in das Glücksspielmonopol des

Bundes eingegriffen wird, fortgesetzt gegen eine oder mehrere

Bestimmungen des § 52 Abs. 1 verstoßen wird, oder

b)        durch die Verwendung technischer Hilfsmittel gegen

§ 52 Abs. 1 Z 7 verstoßen wird oder

2.        fortgesetzt oder wiederholt mit Glücksspielautomaten

oder sonstigen Eingriffsgegenständen gemäß Z 1 lit. a gegen eine

oder mehrere Bestimmungen des § 52 Abs. 1 verstoßen wird oder

3.        fortgesetzt oder wiederholt durch die Verwendung

technischer Hilfsmittel gegen § 52 Abs. 1 Z 7 verstoßen wird.

(2) Die Organe der öffentlichen Aufsicht können die in Abs. 1 genannten Gegenstände auch aus eigener Macht vorläufig in Beschlag nehmen, um unverzüglich sicherzustellen, daß die Verwaltungsübertretungen gemäß einer oder mehrerer Bestimmungen des § 52 Abs. 1 nicht fortgesetzt begangen oder wiederholt werden. Sie haben darüber außer im Falle des § 52 Abs. 1 Z 7 dem Betroffenen sofort eine Bescheinigung auszustellen oder, wenn ein solcher am Aufstellungsort nicht anwesend ist, dort zu hinterlassen und der Behörde die Anzeige zu erstatten. In der Bescheinigung sind der Eigentümer der Gegenstände, der Veranstalter und der Inhaber aufzufordern, sich binnen vier Wochen bei der Behörde zu melden; außerdem ist auf die Möglichkeit einer selbständigen Beschlagnahme (Abs. 3) hinzuweisen. Tritt bei dieser Amtshandlung der Eigentümer der Gegenstände, der Veranstalter oder der Inhaber auf, so sind ihm die Gründe der Beschlagnahme bekanntzugeben.

(3) Die Behörde hat in den Fällen des Abs. 2 unverzüglich das Verfahren zur Erlassung des Beschlagnahmebescheides einzuleiten und Ermittlungen zur Feststellung von Identität und Aufenthalt des Eigentümers der Gegenstände, des Veranstalters und des Inhabers zu führen. Soweit nach der vorläufigen Beschlagnahme keine dieser Personen binnen vier Wochen ermittelt werden kann oder sich keine von diesen binnen vier Wochen meldet oder die genannten Personen zwar bekannt, aber unbekannten Aufenthaltes sind, so kann auf die Beschlagnahme selbständig erkannt werden, wenn im übrigen die Voraussetzungen dafür vorliegen. Die Zustellung des Bescheides kann in einem solchen Fall durch öffentliche Bekanntmachung erfolgen.

(4) Die beschlagnahmten Gegenstände sind amtlich zu verwahren. Bereitet die amtliche Verwahrung Schwierigkeiten, so sind die Gegenstände einer dritten Person in Verwahrung zu geben; sie können aber auch dem bisherigen Inhaber belassen werden, wenn hierdurch der Zweck der Beschlagnahme nicht gefährdet wird. In solchen Fällen ist ein Verbot zu erlassen, über die Gegenstände zu verfügen, wobei hinsichtlich der Benützung, Pflege und Wertsicherung der Gegenstände die erforderlichen Bedingungen und Auflagen festzulegen sind. Die Gegenstände können auch durch amtliche Verschlüsse gesichert werden.

(...)

Herausgabe beschlagnahmter Gegenstände

§ 55. (1) Beschlagnahmte Gegenstände, die nicht eingezogen werden und die auch nicht gemäß § 17 Abs. 1 oder 2 VStG für verfallen erklärt werden können, sind demjenigen, der ihren rechtmäßigen Erwerb nachweist, dann herauszugeben, wenn keiner der an der Verwaltungsübertretung gemäß einer oder mehrerer Bestimmungen des § 52 Abs. 1 Beteiligten (Veranstalter, Inhaber) innerhalb der letzten fünf Jahre (§ 55 VStG) schon einmal wegen einer solchen Verwaltungsübertretung bestraft worden ist. Die Herausgabe hat mit dem Hinweis zu erfolgen, daß im Falle einer weiteren Verwaltungsübertretung gemäß einer oder mehrerer Bestimmungen des § 52 Abs. 1 die Gegenstände, mit denen gegen eine oder mehrere Bestimmungen des § 52 Abs. 1 verstoßen wird, eingezogen werden. Davon ist auch der Eigentümer der herausgegebenen Gegenstände zu verständigen, soweit er ermittelbar ist und ihm die Gegenstände nicht herausgegeben wurden.

(...)"

13 Gegenstand des dem angefochtenen Erkenntnis zugrunde liegenden Verfahrens war ein Antrag auf Ausfolgung nach Erhebung einer Beschwerde gegen einen Beschlagnahmebescheid. Entscheidungsrelevant ist dabei ausschließlich die Frage der rechtlichen Wirkung von Bescheid und Beschwerde. Ob die Beschlagnahme geboten bzw. rechtmäßig war, ist davon unabhängig und getrennt im Beschwerdeverfahren gegen den Beschlagnahmebescheid zu prüfen, nicht jedoch im Verfahren über den Ausfolgungsantrag.

14 Diesem Ausfolgungsantrag steht jedoch im Fall des Ausschlusses der aufschiebenden Wirkung ein (zumindest vorläufig wirksamer) Beschlagnahmebescheid entgegen. Ein Ausfolgungsantrag ist nämlich nur dann berechtigt, wenn kein Rechtsgrund (mehr) für die Aufrechterhaltung der Beschlagnahme besteht.

15 Die revisionswerbende Partei ist der Auffassung, der Ausfolgungsantrag sei berechtigt, da ihrer Beschwerde gegen den Beschlagnahmebescheid aufschiebende Wirkung zukomme. § 39 Abs. 6 VStG sei auf Beschlagnahmen nach dem GSpG nicht anwendbar, da sowohl die Beschlagnahme nach § 53 GSpG als auch die Einziehung nach § 54 GSpG eine Sicherungsmaßnahme und keine Strafe darstellten (VwGH 14.12.2011, 2011/17/0084, sowie 26.5.2014, Ro 2014/17/0031).

16 Dem ist Folgendes entgegenzuhalten:

17 Der Verwaltungsgerichtshof hat bereits zu § 53 Abs. 2 GSpG, BGBl. Nr. 620/1989, in der Fassung BGBl. Nr. 747/1996, seit dem Erkenntnis vom 3. Juli 2009, 2005/17/0178, in ständiger Rechtsprechung ausgesprochen, dass die Vorschriften des § 53 Abs. 2 GSpG als Regelungen des Verwaltungsstrafverfahrens zu verstehen sind (vgl. auch VwGH 27.4.2012, 2012/17/0053).

18 Die in § 53 GSpG getroffenen Regelungen zur Beschlagnahme von Glücksspielautomaten, sonstigen Eingriffsgegenständen und technischen Hilfsmitteln stellen Abweichungen zu § 39 VStG dar (RV 1076 BlgNR 17. GP, 21). In der Regierungsvorlage wird darauf hingewiesen, dass "(s)chon zum Schutz des Spielerpublikums (...) rasch durchgreifende Maßnahmen erforderlich" seien und zur Bekämpfung von illegalen Glücksspielautomaten "eine rasch durchgreifende Beschlagnahme" erforderlich sei; § 53 Abs. 1 GSpG soll demnach "wirksame Maßnahmen dagegen setzen, dass im vorliegenden Bereich auch nach Einleitung eines Verwaltungsstrafverfahrens wegen Verstoßes gegen § 52 Abs. 1 Z 5 (GSpG idF BGBl. Nr. 620/1989) dieses strafbare Handeln fortgesetzt" werde.

19 Der Verwaltungsgerichtshof geht weiter in ständiger Rechtsprechung davon aus, dass eine Beschlagnahme nach § 53 Abs. 2 GSpG bereits bei Vorliegen eines Verdachts eines fortgesetzten Verstoßes gegen das Glücksspielgesetz gerechtfertigt ist, wobei dieser Verdacht hinreichend substantiiert sein muss (vgl. z.B. VwGH 3.7.2009, 2005/17/0178).

20 Wie sich aus den zitierten Erläuterungen ergibt, ging der Gesetzgeber davon aus, dass die Maßnahme der Beschlagnahme dazu dienen soll, die weitere Begehung des Verstoßes zu unterbinden, wenn (in der Vergangenheit) fortgesetzt gegen das Glücksspielgesetz verstoßen wurde bzw. der Verdacht vorliegt, dass fortgesetzt verstoßen wurde. Der Unterschied zu § 39 Abs. 1 VStG besteht darin, dass die Wendung "zur Sicherung des Verfalls" in § 53 Abs. 1 GSpG (wie sich aus den Erläuterungen ergibt: bewusst) nicht enthalten ist, sodass die nach der hg. Rechtsprechung erforderliche Prüfung, ob die Sicherung des Verfalls überhaupt geboten ist, entfallen kann (so VwGH 20.12.1999, 97/17/0233; 18.12.2002, 98/17/0218).

21 Mit § 53 GSpG wurde demnach eine Sonderregelung gegenüber § 39 VStG im Hinblick auf den Anwendungsbereich der Beschlagnahme (insbesondere kann eine Beschlagnahme nach § 53 GSpG auch angeordnet werden, wenn eine Einziehung vorgesehen ist) und das Beschlagnahmeverfahren getroffen. Von § 39 VStG abweichende Regelungen sind im Rahmen des Art. 11 Abs. 2 B-VG zulässig. Soweit eine Frage von den abweichenden Regelungen nicht angesprochen wird, ist auf § 39 VStG zurückzugreifen (Stöger, in Raschauer/Wessely (Hrsg.), VStG2, 2016, § 39 Rz 3).

22 § 39 VStG gilt ausschließlich in solchen Fällen, in denen eine Verwaltungsvorschrift den Verfall von Gegenständen zumindest auch als Strafe vorsieht (Stöger, aaO, § 39 Rz 1, mwN).

23 Dies ist in § 52 Abs. 4 GSpG der Fall:

§ 53 GSpG ermächtigt unter näher normierten Voraussetzungen zur Beschlagnahme, sowohl, wenn der Verfall als auch, wenn die Einziehung vorgesehen ist. § 17 VStG normiert Verfallsbestimmungen. In den Abs. 1 und 2 par. cit. ist der Verfall auch als Strafe, in Abs. 3 alleine als Sicherungsmaßnahme normiert. Auch der Verfall nach VStG kann somit eine "Art sichernde Maßnahme" darstellen (vgl. näher VwGH 3.7.2009, 2009/17/0065), ohne dass dadurch der Charakter des Beschlagnahmeverfahrens nach § 39 VStG (als ein "Verfahren wegen Verwaltungsübertretungen") geändert würde. § 55 GSpG nimmt nun bezüglich der Herausgabe beschlagnahmter Gegenstände auf die beiden ersten Varianten des § 17 VStG Bezug. Der Gesetzgeber hatte somit hier vor Augen, dass es sich bei einem Verfall nach dem GSpG auch um eine Strafe handeln kann (vgl. auch Wessely, in Raschauer/Wessely (Hrsg.), VStG2, 2016, § 17 Rz 2-4, mwN).

24 § 53 GSpG sieht daher den Verfall - zumindest auch - als Strafe vor (so auch das von der revisionswerbenden Partei zitierte hg. Erkenntnis vom 14.12.2011, 2011/17/0084), wenngleich die Beschlagnahme nach § 53 GSpG schon nach der Stammfassung des GSpG nicht an die Voraussetzung gebunden war, dass sie der Sicherung des Verfalls dienen müsse (vgl. VwGH 3.7.2009, 2009/17/0065).

25 Der gesetzliche Ausschluss der aufschiebenden Wirkung des § 39 Abs. 6 VStG gilt somit auch im Beschlagnahmeverfahren nach dem GSpG.

26 Einem Ausfolgungsantrag kann somit während des Laufes des Beschwerdeverfahrens über den Beschlagnahmebescheid aufgrund des gesetzlichen Ausschlusses der aufschiebenden Wirkung nicht stattgegeben werden (vgl. auch VwGH 15.12.2014, 2011/17/0276).

27 Soweit die revisionswerbende Partei auch unionsrechtliche Einwendungen erhoben hat, ist sie darauf zu verweisen, dass die Frage der Unionsrechtskonformität der in Rede stehenden Beschlagnahme im Beschlagnahmeverfahren zu prüfen ist. Die Wahrung der aus dem Unionsrecht ableitbaren Rechte hat nach der Rechtsprechung des EuGH im Rahmen des mitgliedstaatlichen Verfahrensrechts zu erfolgen. Die Einräumung eigener bzw. zusätzlicher Rechtsbehelfe, in denen über die Frage der Unionsrechtskonformität abzusprechen wäre, ist nach Unionsrecht nicht geboten (vgl. EuGH 13.3.2007, Unibet, Rs C-432/05, Rn 65, sowie VwGH 15.12.2014, 2011/17/0276).

28 Ein mit einem nach Unionsrecht zu beurteilenden Rechtsstreit befasstes Gericht muss jedoch in der Lage sein, vorläufige Maßnahmen zu erlassen, um die volle Wirksamkeit der späteren Gerichtsentscheidung über das Bestehen der aus dem Unionsrecht hergeleiteten Rechte sicherzustellen (EuGH 19.6.1990, Factortame u.a., C-213/89, Rn 21).

29 Da es an einer einschlägigen Unionsrechtsregelungen fehlt, bestimmt sich somit nach der nationalen Rechtsordnung eines jeden Mitgliedsstaats, unter welchen Voraussetzungen vorläufige Maßnahmen zum Schutz der den Einzelnen aus dem Unionsrecht erwachsenden Rechte gewährt werden können (so EuGH 13.3.2007, Unibet, C-432/05, Rn. 73).

30 Bei Rechtsstreitigkeiten vor nationalen Gerichten, in denen eine Person eine Verletzung von aus dem Unionsrecht resultierenden Rechten geltend macht, ist aufschiebende Wirkung nicht jedenfalls zwingend zuzuerkennen, sondern - neben anderen Voraussetzungen - nur dann, wenn anders die volle Wirksamkeit der späteren Gerichtsentscheidung über das Bestehen der aus dem Unionsrecht hergeleiteten Rechte nicht sichergestellt werden kann (vgl. VwGH 7.4.1997, AW 96/07/0069).

31 Dies trifft aber hier nicht zu, weil im Fall der Stattgabe der Beschwerde die beschlagnahmten Gegenstände auszufolgen sind.

32 Im Übrigen hat der Verwaltungsgerichtshof in seinem Erkenntnis vom 16. März 2016, Ro 2015/17/0022, auf Grundlage der vom Gerichtshof der Europäischen Union geforderten Gesamtwürdigung der Umstände, unter denen die Dienstleistungsfreiheit beschränkende Bestimmungen des GSpG erlassen worden sind und unter denen sie durchgeführt werden, eine Unionsrechtswidrigkeit der Bestimmungen des GSpG nicht erkannt. Dieser Rechtsansicht hat sich der Verfassungsgerichtshof in seinem Erkenntnis vom 15. Oktober 2016, E 945/2016-24, E 947/2016-23, E 1054/2016-19, angeschlossen. Für einen Anwendungsvorrang von Unionsrecht in Verfahren nach dem GSpG bzw. anders gewendet für eine Verdrängung von GSpG oder VStG besteht daher im vorliegenden Fall ohnehin kein Raum.

33 Gegen den gesetzlichen Ausschluss der aufschiebenden Wirkung bestehen nach Ansicht des Verwaltungsgerichtshofes aber auch keine verfassungsrechtlichen Bedenken:

34 Art. 136 Abs. 2 B-VG ordnet die einheitliche Regelung des Verfahrens der Verwaltungsgerichte (mit Ausnahme des Verwaltungsgerichtes des Bundes für Finanzen) in einem besonderen Bundesgesetz an. Davon abweichende Regelungen können durch Bundes- oder Landesgesetz nur getroffen werden, wenn sie zur Regelung des Gegenstandes erforderlich sind oder soweit das in Art. 136 Abs. 2 erster Satz B-VG genannte besondere Bundesgesetz (das VwGVG) dazu ermächtigt.

35 Der Verfassungsgerichtshof hat unter Verweis auf die Erläuterungen zur Regierungsvorlage der Verwaltungsgerichtsbarkeits-Novelle 2012 (BGBl. I 51/2012, Erläut. zur RV 1618 BlgNR 24. GP) wiederholt ausgesprochen, dass vom VwGVG abweichende Regelungen nur dann getroffen werden dürfen, wenn sie zur Regelung des Gegenstandes "unerlässlich" sind (vgl. VfSlg. 19.921/2014, 19.922/2014). Die für abweichende Regelungen in einem Materiengesetz erforderliche "Unerlässlichkeit" kann sich aus besonderen Umständen oder aus dem Regelungszusammenhang mit den materiellen Vorschriften ergeben (VfSlg. 19.969/2015).

36 Nach der Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes können von den allgemeinen Bestimmungen der Verfahrensgesetze abweichende Regelungen nur dann erforderlich sein, wenn sie nicht anderen Verfassungsbestimmungen, wie etwa dem Rechtsstaatsprinzip und dem daraus abgeleiteten Grundsatz der Effektivität des Rechtsschutzes widersprechen (vgl. VfSlg. 17.340/2004, 19.922/2014).

37 Nach Ansicht des Verwaltungsgerichtshofes ist § 39 Abs. 6 VStG zur Regelung des Gegenstandes deshalb erforderlich im Sinne von "unerlässlich" iSd Art. 136 Abs. 2 B-VG, weil auf Grund der Besonderheiten des Beschlagnahmeverfahrens dessen Zweck der Unterbindung weiterer Straftaten ansonsten gefährdet wäre. Dem Grundsatz der Effektivität des Rechtsschutzes wird dabei nicht widersprochen (VfSlg. 17.340/2004, 19.921/2014). Es besteht ein inhärentes öffentliches Interesse an der sofortigen Wirkung der Beschlagnahme, die nach ihrer gesetzlichen Ausgestaltung nur dann erfolgen darf, wenn ein substantiierter Verdacht vorliegt, dass gegen Bestimmungen des GSpG qualifiziert verstoßen wird (vgl. bereits Rn 19 und 20).

38 Die Abweisung des Ausfolgungsantrages erweist sich daher als rechtmäßig.

39 Das Verwaltungsgericht war jedoch zur Entscheidung über den Ausfolgungsantrag nicht zuständig:

40 Wie der Verwaltungsgerichtshof bereits wiederholt ausgesprochen hat, hat über den Anspruch auf Herausgabe eines beschlagnahmten Gegenstandes jene Behörde zu entscheiden, die die Beschlagnahme verfügt hat (vgl. grundlegend zu Ausfolgungsanträgen nach dem GSpG: VwGH 29.4.2002, 96/17/0431, sowie 4.11.2009, 2009/17/0147, jeweils mwN). Über den Ausfolgungsantrag hätte daher ungeachtet dessen, dass dieser von der revisionswerbenden Partei an das Landesverwaltungsgericht Steiermark gerichtet worden war, die Bezirkshauptmannschaft Leoben zu entscheiden gehabt.

41 Das angefochtene Erkenntnis war daher gemäß § 42 Abs. 2 Z 2 VwGG wegen Rechtswidrigkeit infolge Unzuständigkeit des Landesverwaltungsgerichtes Steiermark aufzuheben.

42 Von der beantragten mündlichen Verhandlung konnte gemäß § 39 Abs. 2 Z 2 VwGG abgesehen werden.

43 Der Ausspruch über den Aufwandersatz stützt sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. II Nr. 518/2013 idF Nr. 8/2014.

Wien, am 22. November 2017

Gerichtsentscheidung

EuGH 62005CJ0432 Unibet VORAB
EuGH 61989CJ0213 Factortame VORAB
EuGH 62005CJ0432 Unibet VORAB

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2017:RA2016170304.L00

Im RIS seit

14.12.2017

Zuletzt aktualisiert am

03.12.2018
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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