TE Lvwg Erkenntnis 2017/10/19 VGW-251/080/RP17/12156/2017

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Veröffentlicht am 19.10.2017
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Entscheidungsdatum

19.10.2017

Index

40/01 Verwaltungsverfahren

Norm

VVG §3
VVG §10

Text

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Verwaltungsgericht Wien hat durch seine Landesrechtspflegerin Horngacher über die Beschwerde des Herrn Mi. M. gegen die Vollstreckungsverfügung des Magistrates der Stadt Wien, Magistratsabteilung 6, Buchhaltungsabteilung 32, vom 30.06.2017, Zahlungsreferenz: 716060492099 (Zl. der Strafbehörde MA 67-RV-037061/7/5), gemäß §§ 3 und 10 Verwaltungsvollstreckungsgesetz 1991 (VVG), BGBl. Nr. 53/1991,

zu Recht e r k a n n t:

Gemäß § 28 Abs. 1 VwGVG wird die Beschwerde als unbegründet abgewiesen und die angefochtene Vollstreckungsverfügung bestätigt.

Entscheidungsgründe

Verfahrensgang und maßgeblicher Sachverhalt:

Mit Strafverfügung vom 19.05.2017, Zl. MA 67-RV-037061/7/5, verhängte der Magistrat der Stadt Wien, Magistratsabteilung 67, über den Beschwerdeführer wegen einer Verwaltungsübertretung gemäß § 99 Abs. 3 lit. a Straßenverkehrsordnung 1960 (StVO 1960) in Verbindung mit § 8 Abs. 4 StVO 1960 eine Geldstrafe in der Höhe von EUR 98,-- (20 Stunden Ersatzfreiheitsstrafe im Nichteinbringungsfall). Die Zustellung dieser Strafverfügung war mit Rückscheinbrief RSb an die Justizanstalt … angeordnet und wurde am 29.05.2017 nachweislich vom Beschwerdeführer übernommen.

Der Beschwerdeführer erhob keinen Einspruch. Die Geldstrafe wurde bisher nicht bezahlt. Der Beschwerdeführer befindet sich seit April 2017 im Strafvollzug.

Mit der nunmehr angefochtenen Vollstreckungsverfügung der belangten Behörde vom 30.06.2017 wurde die Zwangsvollstreckung zur Einbringung der verhängten Geldstrafe in der Höhe von EUR 98,-- gemäß § 3 und § 10 VVG verfügt.

Der Beschwerdeführer beantragte in seiner ua. dagegen fristgerecht erhobenen (handschriftlich verfassten) Beschwerde vom 07.07.2017 die Aufhebung der angefochtenen Vollstreckungsverfügung und begründete dies auszugsweise wie folgt (Seite 2, letzten drei Absätze der Beschwerde):

"Die nunmehr angefochtenen Vollstreckungsverfügungen wurden ohne rechtlichem Fundament und gesetzlichen Voraussetzungen erlassen. Zudem ist die Durchsetzung der bekämpften Vollstreckungsverfügungen ohne Erfolg gekrönt, da der Einschreiter sich dzt. in Haft befindet und Einkünfte ohnehin unpfändbar sind (Drexler, StVG3 § 54, RZ 1).

Auf die Durchführung einer öffentlichen Anhörung wird iSd Art. 6 EMRK iVm § 25 VwGVG verzichtet.

Jedenfalls war antragsgemäß vorzugehen."

Die belangte Behörde legte dem Verwaltungsgericht Wien die Beschwerde unter Anschluss der Akten des Verwaltungsvollstreckungs- und Verwaltungsstrafverfahrens zur Zl. MA 67-RV 37061/7/5 vor (hier eingelangt am 04.09.2017).

Das Verwaltungsgericht Wien hat erwogen:

§ 14 Abs. 1 und § 54b Abs. 1 bis 2 Verwaltungsstrafgesetz 1991 - VStG, BGBl. Nr. 52/1991 (jeweils in ihrer heute geltenden Stammfassung, ausgenommen § 54b Abs. 1 und 1a in der seit 1.7.2013 in Kraft stehenden Fassung  des Verwaltungsgerichtsbarkeits-Ausführungsgesetzes 2013, BGBl. I Nr. 33/2013), samt Überschrift haben folgenden Wortlaut:

"Verhängung einer Geldstrafe

§ 13. …

§ 14. (1)  Geldstrafen dürfen nur insoweit zwangsweise eingebracht werden, als dadurch weder der notwendige Unterhalt des Bestraften und derjenigen, zu deren Unterhalt ihn das Gesetz verpflichtet, noch die Erfüllung der Pflicht, den Schaden gutzumachen, gefährdet wird.

Vollstreckung von Geldstrafen

§ 54b. (1) Rechtskräftig verhängte Geldstrafen oder sonstige in Geld bemessene Unrechtsfolgen sind binnen zwei Wochen nach Eintritt der Rechtskraft zu bezahlen. Erfolgt binnen dieser Frist keine Zahlung, kann sie unter Setzung einer angemessenen Frist von höchstens zwei Wochen eingemahnt werden. Nach Ablauf dieser Frist ist die Unrechtsfolge zu vollstrecken. Ist mit Grund anzunehmen, dass der Bestrafte zur Zahlung nicht bereit ist oder die Unrechtsfolge uneinbringlich ist, hat keine Mahnung zu erfolgen und ist sofort zu vollstrecken oder nach Abs. 2 vorzugehen.

(1a)  Im Fall einer Mahnung gemäß Abs. 1 ist ein pauschalierter Kostenbeitrag in der Höhe von fünf Euro zu entrichten. Der Kostenbeitrag fließt der Gebietskörperschaft zu, die den Aufwand der Behörde zu tragen hat.

(2)  Soweit eine Geldstrafe uneinbringlich ist oder dies mit Grund anzunehmen ist, ist die dem ausstehenden Betrag entsprechende Ersatzfreiheitsstrafe zu vollziehen. Der Vollzug der Ersatzfreiheitsstrafe hat zu unterbleiben, soweit die ausstehende Geldstrafe erlegt wird. Darauf ist in der Aufforderung zum Strafantritt hinzuweisen."

Die maßgeblichen Bestimmungen des Verwaltungsvollstreckungsgesetz 1991 - VVG, BGBl. Nr. 53/1991, samt Überschrift lauten:

"Allgemeine Grundsätze

§ 1. …

§ 1a. (1)  Die Vollstreckung von Verpflichtungen, deren Erfüllung im öffentlichen Interesse gelegen ist, ist von der Vollstreckungsbehörde

1.     wenn ein von ihr selbst erlassener Bescheid zu vollstrecken ist, von Amts wegen,

2.     wenn ein sonstiger Vollstreckungstitel zu vollstrecken ist, auf Ersuchen der Stelle, von der er ausgegangen ist,

einzuleiten.

(2)  Die Vollstreckung von Verpflichtungen, auf deren Erfüllung ein Anspruch besteht, ist auf Antrag des Berechtigten (betreibender Gläubiger) einzuleiten.

(3)  Die Vollstreckung ist von Amts wegen durchzuführen.

§ 2. (1)  Bei der Handhabung der in diesem Bundesgesetz geregelten Zwangsbefugnisse haben die Vollstreckungsbehörden an dem Grundsatz festzuhalten, daß jeweils das gelindeste noch zum Ziel führende Zwangsmittel anzuwenden ist.

(2)  Geldleistungen dürfen nur insoweit zwangsweise eingebracht werden, als dadurch der notwendige Unterhalt des Verpflichteten und der Personen, für die er nach dem Gesetz zu sorgen hat, nicht gefährdet wird.

Eintreibung von Geldleistungen

§ 3. (1)  Die Verpflichtung zu einer Geldleistung ist in der Weise zu vollstrecken, dass die Vollstreckungsbehörde durch das zuständige Gericht nach den für das gerichtliche Exekutionsverfahren geltenden Vorschriften die Eintreibung veranlasst. In diesem Fall schreitet die Vollstreckungsbehörde namens des Berechtigten als betreibenden Gläubigers ein. Die Vollstreckungsbehörde kann die Eintreibung unter sinngemäßer Anwendung der Vorschriften über die Einbringung und Sicherung der öffentlichen Abgaben selbst vornehmen, wenn dies im Interesse der Raschheit und der Kostenersparnis gelegen ist.

(2)  Der Vollstreckungstitel muss mit einer Bestätigung der Stelle, von der er ausgegangen ist, oder der Vollstreckungsbehörde versehen sein, dass er einem die Vollstreckbarkeit hemmenden Rechtszug nicht mehr unterliegt (Vollstreckbarkeitsbestätigung). Einwendungen gegen den Anspruch im Sinne des § 35 der Exekutionsordnung - EO, RGBl. Nr. 79/1896, sind bei der Stelle zu erheben, von der der Vollstreckungstitel ausgegangen ist.

(3)  Natürliche Personen, juristische Personen des Privatrechts sowie der Bund, die Länder und die Gemeinden können die Eintreibung einer Geldleistung unmittelbar beim zuständigen Gericht beantragen. Andere juristische Personen des öffentlichen Rechts können dies nur, soweit ihnen zur Eintreibung einer Geldleistung die Einbringung im Verwaltungsweg (politische Exekution) gewährt ist.

Verfahren

§ 10. (1)  Auf das Vollstreckungsverfahren sind, soweit sich aus diesem Bundesgesetz nicht anderes ergibt, der I. Teil, hinsichtlich der Rechtsmittelbelehrung die §§ 58 Abs. 1 und 61 und der 2. und 3. Abschnitt des IV. Teiles des AVG sinngemäß anzuwenden.

(2)  Die Beschwerde beim Verwaltungsgericht gegen die Vollstreckungsverfügung hat keine aufschiebende Wirkung."

Als "Vollstreckungsverfügungen" sind Verfügungen von Vollstreckungsbehörden anzusehen, die im Zuge des Vollstreckungsverfahrens ergehen und unmittelbar die Durchführung der Vollstreckung zum Gegenstand haben (vgl. bereits das Erkenntnis des VwGH vom 6.6.1989, 84/05/0035). Dabei ist die Voraussetzung für die Zulässigkeit einer Vollstreckung gemäß § 1 Abs. 1 VVG, dass überhaupt ein entsprechender Titelbescheid vorliegt, dass dieser gegenüber dem Verpflichteten wirksam geworden ist und dass der Verpflichtete seiner Verpflichtung innerhalb der festgesetzten Frist und bis zur Einleitung des Vollstreckungsverfahrens nicht nachgekommen ist (vgl. etwa die Erkenntnisse des VwGH vom 21.11.2012, 2008/07/0235; und 16.11.2010, 2009/05/0001).

Der Beschwerdeführer bringt vor, dass (unter anderem) die angefochtene Vollstreckungsverfügung "ohne rechtlichem Fundament und gesetzlichen Voraussetzungen" erlassen worden sei. Unter diesem Aspekt führt er jedoch nicht aus, dass die (von ihm persönlich am 29.05.2017 übernommene) Strafverfügung vom 19.05.2017 (als zu vollstreckender Titelbescheid) ihm gegenüber nicht wirksam erlassen worden oder die Geldstrafe von EUR 98,-- mittlerweile bezahlt worden sei. Damit liegt - insoweit nicht substantiiert bestritten - ein rechtskräftig erlassener Titelbescheid in Form der Strafverfügung vom 19.05.2017 vor. Der Beschwerdeführer hat - ebenso unbestritten - die verhängte Geldstrafe nicht bezahlt. Schließlich sind keine die Fälligkeit ausschließende Zahlungserleichterungen eingewendet worden oder aktenkundig.

Im vorliegenden Verfahren geht es um die Eintreibung von Geldleistungen aufgrund einer rechtskräftigen und vollstreckbaren Strafverfügung. Die Behördenzuständigkeit sowie das einzuhaltende Verfahren richten sich dabei nach dem VVG, wobei bei der Vollstreckung einer Verwaltungsstrafe - wie hier - das VStG ergänzende Regelungen trifft. In diesem Kontext stellt § 14 Abs. 1 VStG eine dem § 2 Abs. 2 VVG vorgehende Sonderbestimmung dar, die (anders als § 19 VStG erst) bei der Vollstreckung von Geldstrafen zu beachten ist. (vgl. Kolonovits/Muzak/Stöger, Verwaltungsverfahrensrecht10 (2014), Rz. 1238; sowie das Erkenntnis eines verstärkten Senats des VwGH vom 2.6.2008, 2007/17/0155). § 14 Abs. 1 VStG bezweckt bei der Vollstreckung von Geldstrafen, den "notwendigen Unterhalt" vor der zwangsweisen Einbringung von Strafen zu schützen, indem sie "nur insoweit" eingehoben werden dürfen, als der eigene Unterhalt des Bestraften nicht gefährdet wird. Wäre dies der Fall, so ist grundsätzlich die Ersatzfreiheitsstrafe zu vollziehen (vgl. Weilguni in Lewisch/Fister/Weilguni, VStG2 (Stand 1.5.2017, rdb.at) § 14 VStG Rz. 3 und § 54b Rz. 4; und Wessely in Raschauer/Wessely, Kommentar zum Verwaltungsstrafgesetz2 (Jänner 2016), § 54b VStG Rz. 8).

In seiner Beschwerde wendet der Beschwerdeführer (mit Verweis auf Drexler, StVG3 § 54 Rz. 1) ein, dass er sich "dzt. in Haft befindet und Einkünfte ohnehin unpfändbar sind". Die Unzulässigkeit der Vollstreckung der Geldstrafe bzw. der Erlassung der angefochtenen Vollstreckungsverfügung ergibt sich daraus jedoch nicht, zumal damit die Vermögenslosigkeit des Beschwerdeführers weder eingewendet noch eindeutig evident ist. Auch von der Gefährdung seines eigenen notwendigen Unterhalts im Sinne des § 14 Abs. 1 VStG ist im Hinblick auf die Unterhaltspflicht der Justizanstalt gemäß § 31 Abs. 1 StVG nicht auszugehen (vgl. dazu Drexler, StVG3 § 31 Rz. 1).

Zwar ist das Hausgeld und die Rücklage im Sinne des § 54 Abs. 1 VStG während des Strafvollzugs nach § 290 Abs. 1 Z 16 EO unpfändbar. Das bedeutet aber nicht, dass allfälliges anderes Vermögen des Beschwerdeführers der Exekution entzogen wäre oder dass der Beschwerdeführer über sein Vermögen außerhalb der Anstalt nicht verfügen könnte (vgl. abermals Drexler, StVG3 § 30 Rz. 1 sowie § 31 Rz. 1 am Ende). Die Inhaftierung des Beschwerdeführers rechtfertigt für sich noch nicht die Annahme im Sinne des § 54b Abs. 2 VStG, dass die Geldstrafe offenkundig uneinbringlich ist (vgl. zur Offenkundigkeit Walter/Thienel, Verwaltungsverfahrensgesetze, Band II2 (2000), § 54b VStG Anm. 6). Unzweifelhaft tritt die Uneinbringlichkeit einer Geldstrafe bei einem erfolglosen Vollstreckungsversuch in einem Vollstreckungsverfahren gemäß § 3 VVG zu Tage (vgl. abermals Weilguni in Lewisch/Fister/Weilguni, VStG2 (Stand 1.5.2017, rdb.at) § 54b VStG Rz. 6 und 7). Die Erlassung der angefochtenen Vollstreckungsverfügung (als Vollstreckungsversuch) begegnet demnach auch unter dem Aspekt des § 14 Abs. 1 und §54b Abs. 2 VStG keinen rechtlichen Bedenken.

Die Beschwerde erweist sich daher als unbegründet und ist abzuweisen.

Schlagworte

Eintreibung von Geldleistungen; Vollstreckungsverfahren

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:LVWGWI:2017:VGW.251.080.RP17.12156.2017

Zuletzt aktualisiert am

12.12.2017
Quelle: Landesverwaltungsgericht Wien LVwg Wien, http://www.verwaltungsgericht.wien.gv.at
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