TE Bvwg Erkenntnis 2017/11/21 W200 2120556-3

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Veröffentlicht am 21.11.2017
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Entscheidungsdatum

21.11.2017

Norm

AsylG 2005 §3 Abs1
AVG §13 Abs4
B-VG Art.133 Abs4
VwGVG §32 Abs1 Z2

Spruch

W200 2120556-3/8E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch die Richterin Mag. Scherz als Einzelrichterin über den Antrag von XXXX , geb. XXXX alias XXXX , StA. Afghanistan, auf Wiederaufnahme des mit Beschluss des Bundesverwaltungsgerichtes vom 01.03.2016, Zl. W200 2120556-1/6E, rechtskräftig abgeschlossenen Asylverfahrens beschlossen:

A) Der Antrag auf Wiederaufnahme des rechtskräftig abgeschlossenen

Asylverfahrens wird abgewiesen.

B) Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

Text

ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

I. Verfahrensgang:

Der Antragsteller führt nach eigenen Angaben den im Spruch genannten Namen, ist Staatsangehörige Afghanistans, paschtunischer Volksgruppenzugehörigkeit und sunnitischen Glaubens, wurde am 27.08.2014 im Rahmen einer sicherheitspolizeilichen Kontrolle im Gelände des Wiener Westbahnhofes angehalten und stellte am 27.08.2014 einen Antrag auf internationalen Schutz.

Im Rahmen der Erstbefragung gab er an, dass er bis zu seinem elften oder zwölften Lebensjahr in seinem Geburts- bzw. Heimatort in der Provinz Kunar wohnhaft war und dann mit seiner Familie nach Pakistan gegangen sei. Sein Vater sei nach Grundstücksstreitigkeiten von den Feinden der Familie ermordet worden. In Folge der Blutrache hätte sein älterer Bruder drei dieser Feinde getötet und sei selbst in Richtung Arabien geflüchtet. Er hätte selbst damals noch keinen eigenen Fluchtgrund gehabt. Nunmehr befürchte seine Familie, dass auch er oder sein jüngerer Bruder der Blutrache zum Opfer fallen könnten.

Im Rahmen der Einvernahme am 07.01.2016 gab er beim BFA an, dass sie in Kunar wegen ihrer vielen Grundstücke Streitigkeiten gehabt hätten. 2008 hätten dann Feinde seinen Vater erschossen. Sein älterer Bruder sei immer von den Feinden schikaniert und beleidigt worden, weshalb dieser aus Rache drei dieser Leute erschossen hätte. Er sei dann nach Hause gekommen und hätte alles der Mutter erzählt. Ein Freund der Familie hätte alle nach Jalalabad gebracht und am selben Tag sei sein Onkel mütterlicherseits nach Jalalabad gekommen und hätte alle nach Pakistan mitgenommen. Nach fünf bis sechs Monaten Aufenthalt sei sein Bruder nach Saudi Arabien gegangen, weil sein Leben auch in Pakistan in Gefahr gewesen sei. Er selbst sei damals 14 oder 15 Jahre gewesen. Sie hätten sich in Pakistan nicht wohl gefühlt, hätten dann in Pakistan den Wohnsitz verlegt und das Leben sei normal weitergegangen. Sie hätten immer das Gefühl gehabt, dass sie jemand verfolgt. Eines Tages seien vier Leute nach Pakistan gekommen und hätten geschossen und dabei den Hund getroffen. Er selbst hätte Gott sei Dank entkommen können. Diese Leute hätten ihn und seinen Bruder töten wollen. Er sei zu seinem Onkel geflohen und die Leute hätten in der Zwischenzeit seine Mutter geschlagen. Sie hätten seinen Bruder töten wollen und die Mutter sei dazwischen gegangen. Die Leute seien dann weggegangen und der Onkel hätte dann die Mutter und den Bruder zu sich genommen. Sie seien dort geblieben und am nächsten Tag hätte der Onkel dann ihn und den Bruder nach Europa geschickt. Auf dem Weg nach Europa hätte er jedoch seinen Bruder verloren. Er wisse nicht wo er sich aufhalte.

Mit Bescheid des BFA vom 13.01.2016 wurde der Antrag auf internationalen Schutz hinsichtlich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten gemäß § 3 Asylgesetz 2005 abgewiesen (Spruchpunkt I.). Weiters wurde der Antrag hinsichtlich der Zuerkennung des Status des subsidiären Schutzberechtigten in Bezug auf seinen Herkunftsstaat Afghanistan gemäß § 8 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z. 13 AsylG 2005 abgewiesen (Spruchpunkt II.). Unter Spruchpunkt III. wurde festgehalten, dass ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen gemäß § 57 und 55 AsylG 2005 nicht erteilt werde und es wurde gemäß § 10 Abs. 1 Z. 3 Asylgesetz 2005 iVm § 9 BFA-VG gegen den Antragstellereine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs. 2 Z. 2 FPG erlassen. Schließlich wurde gemäß § 52 Abs. 9 FBG festgestellt, dass die Abschiebung gemäß § 46 FPG nach Afghanistan zulässig sei. Als Frist für die freiwillige Ausreise wurde gemäß § 55 Abs. 1-3 14 Tage ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung festgehalten.

Mit Verfahrensanordnung von 14.01.2016 hat das BFA den "Verein Menschenrechte Österreich" dem Antragsteller als Rechtsberater amtswegig zur Seite gestellt.

Gegen den Bescheid vom 13.01.2016 brachte der unvertretene Antragsteller eine mit 26.01.2016 datierte Beschwerde ein, welche jedoch nicht unterschrieben war.

Mit Mängelbehebungsauftrag vom 08.10.2016 hat das BVwG dem Antragsteller gemäß § 13 Abs. 4 AVG den Auftrag erteilt, dass als Nachweis über die Identität des Einschreiters die eingebrachte Beschwerde von ihm zu unterschreiben sei, und nach fruchtlosem Ablauf dieser Frist die Beschwerde gemäß § 13 Abs. 4 AVG iVm § 17 VwGVG als zurückgezogen gelte.

Mit Beschluss des BVwG vom 01.03.2016 wurde das Verfahren des Antragstellers gemäß § 13 Abs. 4 iVm § 31 Abs. 1 VwGVG eingestellt, die Revision wurde gemäß Art. 133 Abs. 4 BV-G für zulässig erachtet.

Begründend wurde ausgeführt, dass der unvertretene Antragsteller eine mit 26.01.2016 datierte Beschwerde eingebracht hatte, die nicht unterfertigt gewesen sei. Bei dieser Beschwerde, welche per Telefax übermittelt wurde (Telefaxanschluss des Vereins Menschenrechte Österreich), handelte es sich um ein formularartiges Schreiben, dem kein individuelles Vorbringen zu entnehmen sei. Ein inhaltlicher Bezug zum Verfahren über den Antrag auf internationalen Schutz vom 27.08.2014 des Antragstellers bestehe nicht. Die Beschwerde reduziere sich auf die Anträge den Bescheid der Erstbehörde dahingehend abzuändern, den Antragstellerden Status des Asylberechtigten bzw. des subsidiär Schutzberechtigten zuzuerkennen bzw. die Rückkehrentscheidung aufzuheben bzw. dahingehend abzuändern, dass die Abschiebung nach Afghanistan nicht zulässig sei, bzw. einen Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen zu erteilen bzw. den Bescheid zur Gänze zu beheben und zu Verfahrensergänzung und neuerlichen Entscheidung an das BFA zurückzuverweisen bzw. eine mündliche Verhandlung beim BVwG anzuberaumen.

Eine mit 03.02.2016 datierte Beschwerdeergänzung, die ebenfalls nicht unterfertigt gewesen sei, sei in weiterer Folge dem BVwG übermittelt worden. Auch dieser Beschwerdeergänzung sei kein individuelles Vorbringen zu entnehmen gewesen. Weiters wurde in dem Beschluss ausgeführt, dass binnen der eingeräumten Frist dem Mängelbehebungsauftrag des BVwG vom 08.02.2016, zugestellt am 10.02.2016, nicht entsprochen worden sei. Es sei keinerlei Eingabe des Antragstellers eingelangt.

Das BVwG stellte fest, dass Zweifel über die Identität des Einschreiters bzw. die Authentizität der verfahrensgegenständlichen Beschwerde samt Beschwerdeergänzung bestünden.

Beweiswürdigend wurde ausgeführt, dass weder die Beschwerde noch die Beschwerdeergänzung unterfertigt worden seien. Der Inhalt der Beschwerde und der Beschwerdeergänzung bestünden jeweils aus Textbausteinen ohne jegliches individuelle Vorbringen, welches einen Schluss auf eine bestimmte Person als Antragsteller zulasse. Die ordnungsgemäße Zustellung des zuletzt erteilten Mängelbehebungsauftrages ergebe sich aus dem im Akt befindlichen Zustellnachweis.

Rechtlich wurde folgendes ausgeführt:

"Gemäß § 13 Abs. 3 AVG ermächtigen Mängel schriftlicher Anbringen die Behörde nicht zur Zurückweisung. Die Behörde hat vielmehr von Amts wegen unverzüglich deren Behebung zu veranlassen und kann dem Einschreiter die Behebung des Mangels innerhalb einer angemessenen Frist mit der Wirkung auftragen, dass das Anbringen nach fruchtlosem Ablauf dieser Frist zurückgewiesen wird. Wird der Mangel rechtzeitig behoben, so gilt das Anbringen als ursprünglich richtig eingebracht.

Gemäß § 13 Abs. 4 AVG gilt Abs. 3 bei Zweifeln über die Identität des Einschreiters oder die Authentizität eines Anbringens sinngemäß mit der Maßgabe, dass das Anbringen nach fruchtlosem Ablauf der Frist als zurückgezogen gilt.

Gemäß § 31 VwGVG ist, sofern nicht eine Erkenntnis zu fällen ist, ein Beschluss zu fassen.

Wie zuvor ausgeführt, mangelt es der Beschwerde und der Beschwerdeergänzung an einer Unterschrift.

Schriftliche Anbringen bedürfen nicht notwendig einer Unterschrift des Einschreiters; das folgt aus § 13 Abs 4 AVG, der nur bei Zweifeln über die Identität des Einschreiters und der Authentizität des Anbringens einen Nachweis vorsieht. (VwGH vom 26.04.2013, 2012/07/0236)

Im konkreten Fall bestehen darüber hinaus sowohl der Inhalt der Beschwerde als auch der Inhalt der Beschwerdeergänzung aus floskelhaften Textbausteinen ohne jeglichen Hinweis auf eine individuelle Person bzw. deren Vorbringen. Hinweise auf die Authentizität des Anbringens gibt es keine.

Da dem Mängelbehebungsauftrag gemäß § 13 Abs. 4 AVG im verfahrensgegenständlichen Fall nicht entsprochen wurde und die gesetzte Frist fruchtlos verstrichen ist, gilt die Beschwerde als zurückgezogen, weshalb das Verfahren einzustellen war.

Zu B) Zulässigkeit der Revision:

Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig, weil die Entscheidung von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, weil es an einer Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes fehlt.

Es erscheint die Frage, ob von Rechtsberatern verfasste Beschwerden in Form von allgemein gehaltenen Textbausteinen ohne jeglichen konkreten inhaltlichen Bezug zu einer individuellen Person oder einen inhaltlichen Hinweis auf eine individuelle Person sowie ohne Unterschrift des ursprünglichen Bescheidadressaten ausreichend determiniert im Hinblick auf die Voraussetzung einer Beschwerde iSd § 13 Abs. 4 AVG sind.

Da hiezu eine Rechtsprechung nicht aufzufinden war, erachtet das Bundesverwaltungsgericht die Revision für zulässig."

Am 15.03.2016 langte beim BVwG ein vom BFA übermitteltes Schreiben ein. Dabei handelte es sich um einen Antrag auf Wiederaufnahme des Verfahrens gemäß § 69 AVG, der per Fax am 11.03.2016 beim BFA eingebracht worden war. In diesem Schreiben wurde die Wiederaufnahme des Verfahrens gemäß § 69 AVG begehrt. Ausgeführt wurde, dass mit Mängelbehebungsauftrag des BVwG vom 08.02.2016, zugestellt am 10.02.2016, dem Antragsteller der Auftrag erteilt worden war, binnen zwei Wochen ab Zustellung die eingebrachte Beschwerde als Nachweis über die Identität des Einschreiters zu unterschreiben. Am gleichen Tag sei die Beschwerde vom Antragsteller unterschrieben und per Telefax geschickt worden. Zum Beweis dafür sei die Telefaxbestätigung angeschlossen. Bei der Telefaxbestätigung handle es sich um ein neues Beweismittel, das im Verfahren ohne Verschulden der Partei nicht geltend gemacht werden konnte und alleine einen im Hauptinhalt des Spruches anderslautenden Bescheid herbeigeführt hätte.

Die angeschlossene Telefaxbestätigung bestand aus der oberen Hälfte der ersten Seite der ursprünglichen Beschwerde, wobei nunmehr neben den Namen des Antragstellers eine Unterschrift angebracht war, sowie ein auf die untere Hälfte der ersten Seite kopierter Sendebericht von der Sendestelle des Vereins Menschenrechte Österreich, der als Gegenstelle die Faxnummer des BFA, Regionaldirektion Steiermark- und als Startzeit 10.02. 15:05 Uhr, 3 Seiten, Ergebnis "Ok" aufweist.

Eine Anfrage beim BFA, Regionaldirektion Steiermark ergab, dass beim BFA, Regionaldirektion Steiermark, am 10.02.2016 vom Verein Menschenrechte Österreich kein Dokument per Telefax eingelangt ist.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen:

Der oben dargestellte Verfahrensgang wird als entscheidungsrelevanter Sachverhalt festgestellt.

2. Beweiswürdigung:

Die Feststellungen zum Verfahrensgang ergeben sich aus dem Verwaltungsakt und den schriftlichen Eingaben.

3. Rechtliche Beurteilung:

Gegenständlich liegt Einzelrichterzuständigkeit vor.

Das Verfahren der Verwaltungsgerichte mit Ausnahme des Bundesfinanzgerichtes ist durch das VwGVG, BGBl. I 2013/33 idF BGBl. I 2013/122, geregelt (§ 1 leg.cit.). Gemäß § 58 Abs. 2 VwGVG bleiben entgegenstehende Bestimmungen, die zum Zeitpunkt des Inkrafttretens dieses Bundesgesetzes bereits kundgemacht wurden, in Kraft.

Gemäß § 17 VwGVG sind, soweit in diesem Bundesgesetz nicht anderes bestimmt ist, auf das Verfahren über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 B-VG die Bestimmungen des AVG mit Ausnahme der §§ 1 bis 5 sowie des IV. Teiles, die Bestimmungen der Bundesabgabenordnung – BAO, BGBl. Nr. 194/1961, des Agrarverfahrensgesetzes – AgrVG, BGBl. Nr. 173/1950, und des Dienstrechtsverfahrensgesetzes 1984 – DVG, BGBl. Nr. 29/1984, und im Übrigen jene verfahrensrechtlichen Bestimmungen in Bundes- oder Landesgesetzen sinngemäß anzuwenden, die die Behörde in dem dem Verfahren vor dem Verwaltungsgericht vorangegangenen Verfahren angewendet hat oder anzuwenden gehabt hätte.

Zur Abweisung des Antrages auf Wiederaufnahme :

Wie sich aus den obigen Ausführungen ergibt, ist § 69 AVG als Bestandteil des IV. Teiles dieses Gesetzes im gegenständlichen Verfahren nicht anwendbar. An seine Stelle tritt im gegenständlichen Fall § 32 VwGVG.

Gemäß § 32 Abs. 1 VwGVG ist dem Antrag einer Partei auf Wiederaufnahme eines durch Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes abgeschlossenen Verfahrens stattzugeben, wenn 1. das Erkenntnis durch Fälschung einer Urkunde, falsches Zeugnis oder eine andere gerichtliche strafbare Handlung herbeigeführt oder sonst wie erschlichen worden ist oder 2. neue Tatsachen oder Beweismittel hervorkommen, die im Verfahren ohne Verschulden der Partei nicht geltend gemacht werden konnten und allein oder in Verbindung mit dem sonstigen Ergebnis des Verfahrens voraussichtlich ein im Hauptinhalt des Spruchs anders lautendes Erkenntnis herbeigeführt hätten, oder

3. das Erkenntnis von Vorfragen (§ 38 AVG) abhängig war und nachträglich über eine solche Vorfrage von der zuständigen Verwaltungsbehörde bzw. vom zuständigen Gericht in wesentlichen Punkten anders entschieden wurde oder 4. nachträglich ein Bescheid oder eine gerichtliche Entscheidung bekannt wird, der bzw. die eine Aufhebung oder Abänderung auf Antrag einer Partei nicht unterliegt und die im Verfahren des Verwaltungsgerichtes die Einwendung der entschiedenen Sache begründet hätte.

Gemäß Abs. 2 leg. cit. ist der Antrag auf Wiederaufnahme binnen zwei Wochen beim Verwaltungsgericht einzubringen. Die Frist beginnt mit dem Zeitpunkt, in dem der Antragsteller von dem Wiederaufnahmegrund Kenntnis erlangt hat, wenn dies jedoch nach der Verkündung des mündlichen Erkenntnisses und vor Zustellung der schriftlichen Ausfertigung geschehen ist, erst mit diesem Zeitpunkt. Nach Ablauf von drei Jahren nach Erlassung des Erkenntnisses kann der Antrag auf Wiederaufnahme nicht mehr gestellt werden. Die Umstände, aus welchen sich die Einhaltung der gesetzlichen Frist ergibt, sind vom Antragsteller glaubhaft zu machen.

In der Regierungsvorlage zum Verwaltungsgerichtsbarkeits-Ausführungsgesetz 2013 (RV 2009 BlgNR 24. GP) ist festgehalten, dass die Bestimmungen über die Wiederaufnahme des Verfahrens und die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand im VwGVG weitgehend den Bestimmungen der §§ 69 bis 72 AVG mit den entsprechenden Anpassungen entsprechen.

Durch den Ausschluss der Anwendung des IV. Teiles des AVG ist das AVG in diesem Bereich für unanwendbar erklärt worden, wobei aufgrund der inhaltlichen Übereinstimmung und ähnlichen Formulierung der Bestimmung des §§ 32 Abs. 1 bis 3 VwGVG mit §§ 69 AVG die bisher ergangenen höchstgerichtlichen Entscheidungen sinngemäß anzuwenden sind bzw. die bisherigen Judikaturrichtlinien zu § 69 AVG herangezogen werden können. Dies gilt sinngemäß natürlich auch für Verfahren, die mit einer Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts rechtskräftig abgeschlossen worden sind.

In diesem Sinne hielt der Verwaltungsgerichtshof mit Erkenntnis vom 31.08.2015, Ro 2015/11/0012 fest, dass die Wiederaufnahmegründe des § 32 Abs. 1 VwGVG denjenigen des § 69 Abs. 1 AVG nachgebildet seien und daher auf das bisherige Verständnis dieser Wiederaufnahmegründe zurückgegriffen werden könne.

Der gegenständliche Antrag zielt darauf ab, das mit Beschluss des Bundesverwaltungsgerichtes vom 01.03.2016 rechtskräftig abgeschlossene vorangegangene Verfahren wiederaufzunehmen.

Betreffend die Zulässigkeit des Wiederaufnahmeantrags ist festzustellen, dass der Beschluss vom 01.03.2016, der am 08.03.2016 hinterlegt und somit zugestellt worden war, in Rechtskraft erwachsen war. (In diesem Beschluss wurde allerdings die Revision als zulässig erkannt. Zum Zeitpunkt der Antragstellung auf Wiederaufnahme hatte der Antragsteller noch die Möglichkeit eine ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof zu erheben. Nicht nachvollziehbar ist, warum der Antragsteller fristgerecht keine ordentliche Revision gegen den Beschluss vom 01.03.2016 erhoben hat.)

An der Rechtzeitigkeit des Wiederaufnahmeantrags im Sinne des § 32 Abs. 2 VwGVG bestehen keine Zweifel. Ausgehend von der Behauptung, dass der Antragsteller erst am Tag der Zustellung des Beschlusses davon erfahren hatte, dass der Mängelbehebungsauftrag nicht erfüllt wurde, übermittelte er drei Tage später am 11.03.2016 dem BFA die vorgelegte angeschlossene Telefaxbestätigung, die vom BFA am 15.03.2016 per Mail an das BVwG weitergeleitet wurde.

Voraussetzung für neu hervorgekommene Tatsachen oder Beweismittel ist das Vorliegen eines von der antragstellenden Partei nicht verschuldeten - Tatsachenirrtums des VwG. Abgestellt wird auf sogenannte nova reperta, die bereits vor Abschluss des Verfahrens vorhanden waren, aber erst danach hervorgekommen sind. Mit dem VwGH können auch "neu entstandene Beweismittel zur Wiederaufnahme des Verfahrens führen, sofern sie sich auf "alte", also nicht ebenfalls neu entstandene Tatsachen beziehen. (VwGH 19.04.2007, 2004/09/0159). Voraussetzung einer Wiederaufnahme ist weiters, dass die Tatsachen oder Beweismittel entweder allein oder in Verbindung mit dem sonstigen Ergebnis des Verfahrens die Eignung aufweisen, eine im Hauptinhalt des Spruchs anders lautende Entscheidung herbeizuführen.

Ob diese Eignung vorliegt, ist eine Rechtsfrage, die im Wiederaufnahmeverfahren zu beantworten ist. Ob das Verfahren tatsächlich einen anderen Ausgang nimmt, ist im wiederaufgenommenen Verfahren zu klären (VwGH 19.04.2007, 2004/09/0159). (Fister/Fuchs/Sachs, Verwaltungsgerichtsverfahren (2013) § 32 VwGVG Anm. 9)

Laut ständiger Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes kann der Antrag auf Wiederaufnahme des Verfahrens nach § 69 Abs. 1 Z 2 AVG nur auf solche Tatsachen, das heißt Geschehnisse im Seinsbereich (vgl. VwGH 15.12.1994, 93/09/0434; 4.9.2003, 2000/17/0024) oder Beweismittel, das heißt Mittel zur Herbeiführung eines Urteiles über Tatsachen (vgl. VwGH 16.11.2004, 2000/17/0022; 24.4.2007, 2005/11/0127), gestützt werden, die erst nach Abschluss eines Verfahrens hervorgekommen sind und deshalb von der Partei ohne ihr Verschulden nicht geltend gemacht werden konnten.

Ob diese Eignung vorliegt, ist eine Rechtsfrage, die im Wiederaufnahmeverfahren zu beantworten ist. Ob das Verfahren tatsächlich einen anderen Ausgang nimmt, ist im wiederaufgenommenen Verfahren zu klären (VwGH 19.04.2007, 2004/09/0159). (Fister/Fuchs/Sachs, Verwaltungsgerichtsverfahren (2013) § 32 VwGVG Anm. 9)

Nach Ansicht der BVwG ist das vorgelegte Beweismittel (Telefaxbestätigung) nicht geeignet allein oder in Verbindung mit dem sonstigen Ergebnis des Verfahrens eine im Hauptinhalt des Spruchs anders lautende Entscheidung herbeizuführen.

Bei der vorgelegten Telefaxbestätigung – der behaupteten nova reperta - handelt es sich deshalb nicht um ein für eine Wiederaufnahme geeignetes Beweismittel, da ein Telefax des VMÖ laut glaubwürdiger Auskunft des BFA am 10.02.2016 bei ihm nicht eingelangt ist. Bei diesem Beweismittel handelt es sich darüber hinaus um ein aus verschiedenen A4-Blättern zusammenkopiertes Stück Papier, das keinerlei Beweiskraft in sich birgt.

Abschließend ist auszuführen, dass der Antragsteller eine Summe an völlig ungeeigneten rechtlichen Schritten im Verfahren vor dem BVwG gesetzt hat. Er hat den Mangel angeblich beim unzuständigen BFA behoben, obwohl der Mängelbehebungsauftrag vom BVwG erlassen wurde. Er hat einen Wiederaufnahmeantrag für das beim BVwG rechtskräftig abgeschlossene Verfahren beim BFA gestellt und darüber hinaus mit diesem Wiederaufnahmenantrag ein völlig ungeeignetes Rechtsinstrument gewählt. Im gegenständlichen Fall – einer Fristversäumnis zur Vorlage der unterschriebenen Beschwerde an das BVwG (nicht an das BFA) – wäre das einzige Mittel der Wahl ein Wiedereinsetzungsantrag gewesen. Eine Umdeutung des Antrags auf Wiederaufnahme war vom BVwG aufgrund der genauen und detailreichen Begründung, warum ein neues Beweismittel iSd §69 AVG vorliegt, jedoch nicht möglich.

Zu B) Unzulässigkeit der Revision:

Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung; weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.

Schlagworte

Beweismittel, nova reperta, Wiederaufnahme, Wiederaufnahmegrund

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2017:W200.2120556.3.00

Zuletzt aktualisiert am

12.12.2017
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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