TE Vwgh Erkenntnis 2000/7/7 2000/19/0006

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Veröffentlicht am 07.07.2000
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Index

24/01 Strafgesetzbuch;
41/02 Passrecht Fremdenrecht;

Norm

FrG 1997 §47 Abs2;
FrG 1997 §47 Abs3;
FrG 1997 §49 Abs1;
StGB §15;
StGB §269 Abs1;
StGB §83 Abs2;
StGB §84 Abs2 Z1;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Stoll und die Hofräte Dr. Zens, Dr. Bayjones, Dr. Schick und Dr. Hinterwirth als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Hanslik, über die Beschwerde des 1975 geborenen TD in Wien, vertreten durch Dr. K, Rechtsanwalt in Wien, gegen den Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Wien vom 6. Oktober 1999, Zl. SD 583/99, betreffend Niederlassungsbewilligung, zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Der Beschwerdeführer hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von S 4.565,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Der Beschwerdeführer beantragte am 11. Februar 1999 bei der Bundespolizeidirektion Wien die Erteilung einer Niederlassungsbewilligung zum Zweck der Familiengemeinschaft mit seiner österreichischen Ehegattin, welche er am 5. Februar 1999 geehelicht hatte.

Aus einer in den Verwaltungsakten enthaltenen gekürzten Urteilsausfertigung ist ersichtlich, dass der Beschwerdeführer mit Urteil des Landesgerichtes für Strafsachen Wien vom 18. September 1998 für schuldig erkannt wurde, er habe am 12. Juni 1998

1. Beamte mit Gewalt an einer Amtshandlung zu hindern versucht, indem er gegen die ihn festnehmenden Polizeibeamten J und

K mit den Händen schlug "und mit den Fäusten trat";

2. zugleich durch die unter 1. beschriebenen Gewalttätigkeiten, welche bei J eine Schürfwunde am linken Schienbein zur Folge hatten, einen Beamten während der Vollziehung seiner Aufgaben am Körper verletzt.

Der Beschwerdeführer wurde wegen §§ 15, 269 Abs. 1 StGB und §§ 83 Abs. 2 und 84 Abs. 2 Z. 1 StGB zu einer Freiheitsstrafe in der Dauer von vier Monaten verurteilt, welche unter Setzung einer dreijährigen Probefrist bedingt nachgesehen wurde.

Mit dem im Instanzenzug ergangenen Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Wien vom 6. Oktober 1999 wurde der Antrag des Beschwerdeführers vom 11. Februar 1999 gemäß § 47 Abs. 2 und 3 in Verbindung mit § 49 Abs. 1 des Fremdengesetzes 1997 (FrG 1997) abgewiesen.

Begründend führte die belangte Behörde aus, der Beschwerdeführer halte sich seit 2. April 1998 in Österreich auf. Nachdem über den Beschwerdeführer zunächst eine Ausweisung verhängt worden sei, habe er in der Folge eine vorläufige Aufenthaltsberechtigung nach dem Asylgesetz 1997 zuerkannt erhalten. Nach Abweisung seines Asylantrages in zweiter Instanz habe der Verwaltungsgerichtshof seiner dagegen erhobenen Beschwerde die aufschiebende Wirkung zuerkannt.

Am 12. Juni 1998, also etwa zwei Monate nach seiner Einreise, habe er das dem Urteil des Landesgerichtes für Strafsachen Wien vom 18. September 1998 zu Grunde liegende Fehlverhalten gesetzt. Dieses sei auch nicht zu verharmlosen. Wer - wie der Beschwerdeführer - mit Gewalt gegen rechtmäßig einschreitende Polizeiorgane vorgehe, könne sich nicht auf Anpassungsschwierigkeiten kurz nach der Einreise in das Bundesgebiet berufen. Vom Beschwerdeführer gehe eine nicht unerhebliche Gefahr für die öffentliche Ordnung und Sicherheit aus.

Auch sei der Beschwerdeführer derzeit bei einem inländischen Unternehmen beschäftigt, ohne dass er über die hiezu erforderliche Bewilligung nach dem Ausländerbeschäftigungsgesetz verfüge. Er falle unter keine der gemäß § 1 Abs. 2 AuslBG von der Anwendung dieses Gesetzes ausgenommenen Personengruppen. Durch seine unrechtmäßige Erwerbstätigkeit habe er die öffentliche Ordnung, nämlich das öffentliche Interesse an der Aufrechterhaltung eines geordneten Arbeitsmarktes, geschädigt.

Das Verhalten des Beschwerdeführers während seines erst kurzzeitigen Aufenthaltes in Österreich lasse seine Geringschätzung für die österreichische Rechtsordnung erkennen. Der Versagungsgrund des § 47 Abs. 2 FrG 1997 liege vor. Die durch das Fehlverhalten des Beschwerdeführers bewirkte Gefährdung der öffentlichen Ordnung und Sicherheit sei von solchem Gewicht, dass ihm der von ihm begehrte Aufenthaltstitel auch in Ansehung seiner privaten Verhältnisse nicht erteilt habe werden können.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

§ 47 und § 49 FrG 1997 lauten (auszugsweise):

"§ 47. (1) Angehörige von EWR-Bürgern, die Staatsangehörige eines Drittstaates sind, unterliegen der Sichtvermerkspflicht.

(2) Sofern die EWR-Bürger zur Niederlassung berechtigt sind, genießen begünstigte Drittstaatsangehörige (Abs. 3) Niederlassungsfreiheit; ihnen ist eine Niederlassungsbewilligung auszustellen, wenn ihr Aufenthalt nicht die öffentliche Ordnung oder Sicherheit gefährdet. ...

(3) Begünstigte Drittstaatsangehörige sind folgende Angehörige eines EWR-Bürgers:

1. Ehegatten;

...

§ 49. (1) Angehörige von Österreichern gemäß § 47 Abs. 3, die Staatsangehörige eines Drittstaates sind, genießen Niederlassungsfreiheit; für sie gelten, sofern im Folgenden nicht anderes gesagt wird, die Bestimmungen für begünstigte Drittstaatsangehörige nach dem 1. Abschnitt. ..."

Der Beschwerdeführer bekämpft die Ansicht der belangten Behörde, das seiner Verurteilung zu Grunde liegende Fehlverhalten rechtfertige die Annahme, sein Aufenthalt im Bundesgebiet werde die öffentliche Ordnung und Sicherheit gefährden. Er bringt vor, er habe stets beteuert, dass ihm der in Rede stehende Zwischenfall Leid tue. Er habe sich auch in der Folge wohlverhalten und damit gezeigt, dass er durchaus bereit sei, die österreichischen Gesetze einzuhalten. Zum Zeichen seiner Reue habe er auch erklärt, er sei sogar bereit, zum Nutzen der Allgemeinheit unentgeltlich zu arbeiten. Entgegen der Auffassung der belangten Behörde liege beim Beschwerdeführer kein erhöhtes Gewaltpotenzial vor.

Diesen Ausführungen ist Nachstehendes entgegenzuhalten:

Der Verwaltungsgerichtshof hat (vgl. das Erkenntnis vom 21. Mai 1997, Zl. 96/19/0510) ausgesprochen, dass die Annahme, ein Fremder gefährde die öffentliche Sicherheit im Sinne des § 10 Abs. 1 Z. 4 FrG 1992, auf Grund des einer Verurteilung wegen §§ 15 und 269 Abs. 1 StGB zu einer bedingt nachgesehenen Freiheitsstrafe von drei Monaten zu Grunde liegenden Fehlverhaltens gerechtfertigt ist.

Im vorliegenden Fall kann der Verwaltungsgerichtshof der belangten Behörde nicht entgegentreten, wenn sie diese Gefährdungsprognose schon auf Grund des hier in Rede stehenden gerichtlich strafbaren Fehlverhaltens des Beschwerdeführers getroffen hat (vgl. das zu einer insofern ähnlichen Konstellation ergangene hg. Erkenntnis vom 4. Februar 2000, Zl. 99/19/0075).

Vorliegendenfalls legt die belangte Behörde dem Beschwerdeführer neben seiner gerichtlich strafbaren Handlung überdies zur Last, dass er (auch noch im Zeitpunkt der Erlassung des angefochtenen Bescheides) in Österreich einer ausländerbeschäftigungsrechtlich unzulässigen unselbstständigen Erwerbstätigkeit nachgegangen sei. Ob diese Auffassung im Hinblick auf die Ausnahmebestimmung des § 1 Abs. 2 lit. a AuslBG zutreffend ist, kann hier dahingestellt bleiben, weil auf Basis der Vorjudikatur die Gefährdungsprognose schon auf Grund des gerichtlich strafbaren Verhaltens des Beschwerdeführers nicht zu beanstanden ist.

Der Zeitraum eines (allfälligen) Wohlverhaltens von nur etwas über einem Jahr ist noch zu kurz, als dass er der von der belangten Behörde getroffenen Beurteilung gemäß § 47 Abs. 2 FrG 1997 entgegenstünde. Der in der Beschwerde weiters ins Treffen geführte Umstand, dass dem Beschwerdeführer der seiner Verurteilung zu Grunde liegende Zwischenfall sehr Leid tue, vermag an der Berechtigung der von der belangten Behörde getroffenen Gefährdungsprognose ebenso wenig zu ändern wie die vom Beschwerdeführer geäußerte Bereitschaft, zum Nutzen der Allgemeinheit unentgeltlich zu arbeiten. Aus diesen Umständen ist nämlich nicht abzuleiten, dass der Beschwerdeführer seine Unbeherrschtheit, auf die seine Gefährlichkeit zurückzuführen ist, endgültig abgelegt hätte.

Wenn der Beschwerdeführer sich in der Folge auf § 37 Abs. 1 FrG 1997 beruft und vorbringt, eine Ausweisung stelle einen schwer wiegenden Eingriff in sein Privat- und Familienleben dar, so ist ihm zu entgegnen, dass mit dem hier angefochtenen Bescheid nicht über eine Ausweisung, sondern über einen Antrag auf Erteilung einer Niederlassungsbewilligung entschieden wurde.

Im Gegensatz zur Auffassung des Beschwerdeführers steht der Versagung einer Niederlassungsbewilligung vorliegendenfalls aber auch Art. 8 Abs. 2 MRK nicht entgegen:

Wie der Verwaltungsgerichtshof (vgl. das Erkenntnis vom 12. März 1999, Zl. 96/19/3206) unter Bezugnahme auf die Judikatur des EGMR ausgesprochen hat, genießt das Familienleben eines Fremden mit österreichischen Staatsangehörigen einen erhöhten Schutz. Voraussetzung dafür ist allerdings, dass die familiären Beziehungen zu einem Zeitpunkt begründet wurden, als der Fremde rechtmäßig im Bundesgebiet niedergelassen war und mit der Erteilung weiterer Bewilligungen rechnen durfte.

Diese Voraussetzung ist jedoch beim Beschwerdeführer nicht gegeben. Es bestehen keine Hinweise darauf, dass dem Beschwerdeführer je ein Aufenthaltstitel erteilt worden wäre. Dies wird auch in der Beschwerde nicht behauptet. Auf Basis der Bescheidfeststellungen hält sich der Beschwerdeführer auf Grund eines vorläufigen Aufenthaltsrechtes nach dem Asylgesetz im Bundesgebiet auf. Er durfte daher bei Begründung seiner familiären Interessen in Österreich nicht davon ausgehen, dass ihm unabhängig vom Ausgang seines Asylverfahrens eine dauernde Niederlassung in Österreich gestattet werde (vgl. hiezu das hg. Erkenntnis vom 9. April 1999, Zl. 97/19/0365).

Ein allfälliger Eingriff in ein durch Art. 8 MRK geschütztes Recht des Beschwerdeführers auf Familiennachzug zu seiner österreichischen Ehegattin wäre vorliegendenfalls im Interesse der Verteidigung der Ordnung und zur Verhinderung von strafbaren Handlungen gemäß Art. 8 Abs. 2 MRK gerechtfertigt. Es kann daher dahingestellt bleiben, ob dem Beschwerdeführer ein derartiges Recht zukommt.

Aus diesen Erwägungen war die Beschwerde gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994.

Wien, am 7. Juli 2000

Schlagworte

VwRallg7 Widerstand gegen die Staatsgewalt schwere Körperverletzung

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2000:2000190006.X00

Im RIS seit

20.11.2000
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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