TE Vwgh Erkenntnis 2017/10/24 Ra 2016/10/0070

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Veröffentlicht am 24.10.2017
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Index

001 Verwaltungsrecht allgemein;
10/07 Verwaltungsgerichtshof;
40/01 Verwaltungsverfahren;

Norm

AVG §18 Abs3;
AVG §18 Abs4;
AVG §56;
VwGG §42 Abs4;
VwGVG 2014 §28;
VwGVG 2014 §7;
VwGVG 2014 §9 Abs1 Z1;
VwRallg;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Stöberl, den Hofrat Dr. Fasching und die Hofrätin Dr. Leonhartsberger als Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Kacic-Löffler, LL.M., über die Revision des J E in S, vertreten durch Mag. Nikolaus Weiser, Rechtsanwalt in 1080 Wien, Hamerlingplatz 7/14, gegen das Erkenntnis des Landesverwaltungsgerichts Salzburg vom 19. April 2016, Zl. 405- 9/31/1/5-2016, betreffend Mindestsicherung (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Bürgermeister der Landeshauptstadt Salzburg), zu Recht erkannt:

Spruch

Der Revision wird Folge gegeben und das angefochtene Erkenntnis dahingehend abgeändert, dass die Beschwerde des Revisionswerbers gegen die als Bescheid bezeichnete Erledigung der belangten Behörde vom 02.06.2015, Zl. 3/01-BMS/050685102/3-2015, als unzulässig zurückgewiesen wird.

Das Land Salzburg hat dem Revisionswerber Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.346,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

1 Mit Erledigung vom 02.06.2015 wies der Bürgermeister der Landeshauptstadt Salzburg (die belangte Behörde) den Antrag des Revisionswerbers auf Gewährung von Bedarfsorientierter Mindestsicherung für den Zeitraum 01.03. bis 31.05.2015 gemäß § 10 Abs. 1 Salzburger Mindestsicherungsgesetz ab.

2 Die Erledigung enthielt - sowohl in ihrer Urschrift als auch in der Ausfertigung an den Revisionswerber - als Fertigungsklausel den Hinweis auf eine Fertigung "für den Bürgermeister" sowie einen vorgedruckten Namen, sonst jedoch keine weiteren Zusätze. Insbesondere fehlt es an einer Unterschrift, einem sonstigen Hinweis auf eine erfolgte (allenfalls elektronische) Genehmigung oder an einer Beglaubigung der Kanzlei.

3 Das der dagegen erhobenen Beschwerde stattgebende Erkenntnis des Landesverwaltungsgerichts Salzburg vom 07.10.2015 behob der Verwaltungsgerichtshof mit Erkenntnis vom 24.02.2016 unter Hinweis darauf, dass die Aufhebung von maßgeblichen gesetzlichen Bestimmungen mit Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes vom 10. Dezember 2015, G 364/2015, mangels Anlassfallwirkung auf den vorliegend verwirklichten Sachverhalt keine Anwendung finde.

4 Mit dem nunmehr angefochtenen Erkenntnis vom 19.04.2016 wies das VwG die Beschwerde des Revisionswerbers als unbegründet ab; gleichzeitig erklärte es die Revision an den Verwaltungsgerichtshof für nicht zulässig.

5 Dagegen richtet sich die vorliegende Revision, die in der Zulassungsbegründung eine Abweichung von näher bezeichneter Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zur Frage der Bescheidqualität einer Erledigung, die keine Unterschrift aufweist, behauptet.

6 Die belangte Behörde erstattete eine Revisionsbeantwortung, in der sie darauf verwies, dass die erstinstanzliche Erledigung zwar keine Unterschrift der Genehmigenden, keine Beglaubigung der Kanzlei und auch keine Amtssignatur aufweise, jedoch für den Revisionswerber zweifelsfrei erkennbar gewesen sei, wer diese ausgefertigt habe bzw. welcher Behörde sie zuzurechnen sei. Sie beantragte daher die kostenpflichtige Abweisung der Revision.

7 Der Verwaltungsgerichtshof hat - in einem gemäß § 12 Abs. 1 Z 2 VwGG gebildeten Senat - erwogen:

8 Die Revision ist aus dem in der Zulassungsbegründung ausgeführten Grund zulässig; sie ist auch begründet.

9 Unbestritten ist im vorliegenden Fall, dass die Erledigung der belangten Behörde vom 02.06.2015 weder im Original noch in der dem Revisionswerber zugestellten Ausfertigung die Unterschrift der genehmigenden Person trägt oder einen sonstigen Hinweis auf eine erfolgte Genehmigung (zB Amtssignatur, Beglaubigungsvermerk) aufweist.

10 Gemäß § 18 Abs. 3 AVG sind schriftliche Erledigungen vom Genehmigungsberechtigten mit seiner Unterschrift zu genehmigen; wurde die Erledigung elektronisch erstellt, kann an die Stelle dieser Unterschrift ein Verfahren zum Nachweis der Identität (§ 2 Z 1 E-GovG) des Genehmigenden und der Authentizität (§ 2 Z 5 E-GovG) der Erledigung treten.

11 Gemäß § 18 Abs. 4 AVG hat jede schriftliche Ausfertigung die Bezeichnung der Behörde, das Datum der Genehmigung und den Namen des Genehmigenden zu enthalten. Ausfertigungen in Form von elektronischen Dokumenten müssen mit einer Amtssignatur (§ 19 E-GovG) versehen sein; Ausfertigungen in Form von Ausdrucken von mit einer Amtssignatur versehenen elektronischen Dokumenten oder von Kopien solcher Ausdrucke brauchen keine weiteren Voraussetzungen zu erfüllen. Sonstige Ausfertigungen haben die Unterschrift des Genehmigenden zu enthalten; an die Stelle dieser Unterschrift kann die Beglaubigung der Kanzlei treten, dass die Ausfertigung mit der Erledigung übereinstimmt und die Erledigung gemäß Abs. 3 genehmigt worden ist.

12 Gemäß § 18 Abs. 3 AVG muss also jede schriftliche Erledigung durch die Unterschrift - bzw. bei elektronisch erstellten Erledigungen durch ein Verfahren zum Nachweis der Identität des Genehmigenden und der Authentizität der Erledigung - genehmigt und einem bestimmten Organwalter zurechenbar sein. Andernfalls kommt eine Erledigung selbst dann nicht zustande, wenn ihre Ausfertigung allen Anforderungen des § 18 Abs. 4 AVG genügt (vgl. VwGH vom 29.11.2011, 2010/10/0252, unter Hinweis auf die in Hengstschläger/Leeb, AVG, Rz 8 zu § 18, zitierte Literatur und Judikatur). Im vorliegenden Fall erfolgte keine iSd § 18 Abs. 3 AVG dokumentierte Genehmigung der Erledigung vom 02.06.2015, sodass diese nichtig ist. Darüber hinaus entspricht auch deren Ausfertigung nicht den in § 18 Abs. 4 AVG festgelegten Fertigungserfordernissen.

13 Die Zulässigkeit einer Beschwerde vor dem VwG setzt einen wirksam erlassenen Bescheid, gegen den sie sich richtet, voraus (vgl. Leeb in Hengstschläger/Leeb, AVG ErgBd (2017) § 28 VwGVG 24). Ein solcher liegt hier nicht vor. Der Zulässigkeit der Beschwerde steht somit das Fehlen eines erstbehördlichen Bescheides entgegen.

14 Gemäß § 42 Abs. 4 VwGG kann der Verwaltungsgerichtshof in der Sache selbst entscheiden, wenn sie entscheidungsreif ist und die Entscheidung in der Sache selbst im Interesse der Einfachheit, Zweckmäßigkeit und Kostenersparnis liegt. Dies trifft im vorliegenden Fall zu (vgl. VwGH vom 13.04.2016, Ra 2016/02/0027).

15 Das angefochtene Erkenntnis des Verwaltungsgerichts war daher dahingehend abzuändern, dass die Beschwerde des Revisionswerbers mangels Bescheidqualität der Erledigung der belangten Behörde zurückzuweisen war.

16 Die Entscheidung über den Kostenersatz beruht auf den §§ 47 ff VwGG iVm der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2014.

Wien, am 24. Oktober 2017

Schlagworte

Bescheidbegriff Mangelnder Bescheidcharakter Individuelle Normen und Parteienrechte Rechtsanspruch Antragsrecht Anfechtungsrecht VwRallg9/2

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2017:RA2016100070.L00

Im RIS seit

04.12.2017

Zuletzt aktualisiert am

05.12.2017
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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