TE Vwgh Beschluss 2017/10/25 Ra 2017/12/0112

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Veröffentlicht am 25.10.2017
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Index

10/01 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG);
10/07 Verwaltungsgerichtshof;
63/01 Beamten-Dienstrechtsgesetz;
63/02 Gehaltsgesetz;

Norm

BDG 1979 §51 Abs2;
B-VG Art133 Abs4;
GehG 1956 §12c Abs1 Z2;
VwGG §34 Abs1;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Köhler, Hofrat Dr. Zens und Hofrätin Mag.a Nussbaumer-Hinterauer als Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Mag. Artmann, über die außerordentliche Revision der L R in M, vertreten durch Dr. Bertram Grass und Mag. Christoph Dorner, Rechtsanwälte in 6900 Bregenz, Reichsstraße 7, gegen das Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes vom 7. August 2017, Zl. W129 2124682- 1/19E, betreffend Entfall der Bezüge (vor dem Bundesverwaltungsgericht belangte Behörde: Bundesminister für Verkehr, Innovation und Technologie), den Beschluss gefasst:

Spruch

Die Revision wird zurückgewiesen.

Begründung

1 Mit dem angefochtenen Erkenntnis bestätigte das Bundesverwaltungsgericht die mit Bescheid des Bundesministers für Verkehr, Innovation und Technologie vom 27. Jänner 2016 getroffene Feststellung, wonach die Bezüge der Revisionswerberin seit 15. Oktober 2015 gemäß § 12c Abs. 1 des Gehaltsgesetzes 1956, BGBl. Nr. 54 (im Folgenden: GehG), entfallen. Es sprach aus, dass die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG unzulässig sei.

2 In seinen Feststellungen ging das Bundesverwaltungsgericht davon aus, dass die Revisionswerberin - zumindest - seit 15. Oktober 2015 ununterbrochen vom Dienst abwesend sei, wiewohl (insbesondere auch aus medizinischer Sicht) durchgehend Dienstfähigkeit an ihrem aktuell zugewiesenen Arbeitsplatz vorliege.

3 In den Sachverhaltsfeststellungen heißt es:

"Mit Schreiben vom 07.10.2015 wurde zusammengefasst mitgeteilt, dass die Beamtin im Hinblick auf die Stellungnahme des Pensionsservice der Versicherungsanstalt öffentlich Bediensteter vom 24.03.2015 - die auf das Gutachten von Dr. H vom 11.02.2015 Bezug nimmt - als dienstfähig zu beurteilen ist. Gleichzeitig wurde sie zum unverzüglichen Dienstantritt aufgefordert. Dieses Schreiben wurde dem Rechtsanwalt übermittelt, der dieses wiederum am 08.10.2015 an die Beschwerdeführerin weiterleitete. Die Stellungnahme des Pensionsservice der Versicherungsanstalt öffentlich Bediensteter vom 24.03.2015 wurde dem Rechtsanwalt bereits am 15.04.2015 mit einer Aufforderung zum Dienstantritt übermittelt. Die Beschwerdeführerin hatte zumindest seit 14.10.2015 (aufgrund der Übernahme des Schreibens über die Aufforderung zum Dienstantritt durch den Rechtsanwalt und Übermittlung der Stellungnahme des Pensionsservice vom 24.03.2015) zur Kenntnis genommen, dass sie dienstfähig ist. Auch das Gutachten von Dr. H vom 11.02.2015 wurde der Beschwerdeführerin zur Kenntnis gebracht."

4 Die Feststellungen betreffend die Dienstfähigkeit der Revisionswerberin gründete das Bundesverwaltungsgericht auf das erwähnte Gutachten Dris. H vom 11. Februar 2015 sowie auf ein weiteres Gutachten des Sachverständigen Dr. J vom 30. Juli 2014. Soweit sich die Revisionswerberin auf gegenteilige von ihr vorgelegte Atteste, insbesondere solche des Dr. S vom 30. Dezember 2014 sowie vom 5. Jänner 2016 berufe und behaupte, aus diesen Attesten folge ihre gesundheitliche Dienstunfähigkeit am aktuellen Arbeitsplatz, sei ihr entgegenzuhalten, dass den erstzitierten Gutachten nur mit Gutachten auf gleicher fachlicher Ebene entgegengetreten werden könnte. Die von der Revisionswerberin vorgelegten Atteste erfüllten jedoch nicht die Kriterien eines (jenen des Dr. H und des Dr. J gleichwertigen) Gutachtens.

5 In rechtlicher Hinsicht erwog das Bundesverwaltungsgericht (auszugsweise) Folgendes:

"3.2. Solange ein Beamter seiner Mitwirkungspflicht gemäß § 51 Abs. 2 erster Satz BDG 1979 durch Vorlage einer ärztlichen Bestätigung eines privat beigezogenen Arztes nachkommt, darf er grundsätzlich so lange auf diese ärztliche Bestätigung vertrauen und von einer gerechtfertigten Dienstverhinderung ausgehen, bis ihm die Dienstbehörde Entgegenstehendes nachweislich mitteilt. Unter ‚Entgegenstehendes' ist in diesem Zusammenhang eine medizinische Beurteilung gemeint, die jener des privat beigezogenen Arztes entgegensteht. Das Vertrauen auf die ärztliche Bescheinigung und damit auf eine Rechtfertigung der Dienstverhinderung ist lediglich dann nicht geeignet, einen ausreichenden Entschuldigungsgrund im Sinne des § 12c Abs. 1 Z 2 GehG herzustellen, wenn der Beamte auf Grund besonderer Umstände keinesfalls mehr auf die Richtigkeit der ärztlichen Bescheinigung und somit auf das Vorliegen einer Rechtfertigung für die Dienstverhinderung vertrauen konnte oder durfte (vgl. VwGH 19.02.2003, 2002/12/0122).

...

Die nachweisliche Mitteilung des Entgegenstehenden im Sinne oben angeführter Judikatur erfolgte im vorliegenden Fall durch die Aufforderung zum Dienstantritt vom 07.10.2015. Die im Schreiben vom 07.10.2015 angeführte Stellungnahme des Pensionsservices der Versicherungsanstalt öffentlich Bediensteter vom 24.03.2015 - die auf das Gutachten von Dr. H vom 11.02.2015 Bezug nimmt - diente der belangten Behörde auch als Entscheidungsgrundlage zur Bejahung der Rechtsfrage der Dienstfähigkeit. Dieses Ergebnis wurde der Beschwerdeführerin durch Übermittlung an den Rechtsanwalt mitgeteilt. Dadurch durfte die Beschwerdeführerin nicht mehr auf die ärztliche Bescheinigung ihres behandelnden Arztes vertrauen, wodurch die gerechtfertigte Dienstverhinderung endete und die Bezüge gemäß § 12c Abs 1 Z 2 GehG jedenfalls ab 15.10.2015 einzustellen waren."

6 Die Revision sei gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG unzulässig, weil das vorliegende Erkenntnis der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht widerspreche, auch fehle es nicht an Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zu den hier maßgeblichen Rechtsfragen. Schließlich sei die bestehende diesbezügliche Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu qualifizieren.

7 Gegen dieses Erkenntnis richtet sich die außerordentliche Revision vor dem Verwaltungsgerichtshof, welche sich jedoch aus folgenden Gründen als unzulässig erweist:

8 Nach Art. 133 Abs. 4 B-VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

9 Nach § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegen der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zur Behandlung eignen, ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung mit Beschluss zurückzuweisen. Hat das Verwaltungsgericht - wie im gegenständlichen Fall - ausgesprochen, dass die Revision nicht gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist, hat die Revision gemäß § 28 Abs. 3 VwGG auch gesondert die Gründe zu enthalten, aus denen entgegen dem Ausspruch des Verwaltungsgerichtes die Revision für zulässig erachtet wird.

10 Nach § 34 Abs. 1a VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden. Die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG hat der Verwaltungsgerichtshof hingegen nur im Rahmen der dafür in der Revision vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3 VwGG) zu überprüfen.

11 Dem - weitwendig gehaltenen - abgesonderten Zulassungsvorbringen sind erkennbar folgende Zulassungsgründe zu entnehmen:

12 Zunächst vertritt die Revisionswerberin dort die Auffassung, das Bundesverwaltungsgericht hätte nicht den Gutachten Dris. H und Dris. J, sondern vielmehr den Attesten Dris. S zu folgen gehabt. Insbesondere sei es unzutreffend, dass es sich bei Letzteren nicht um den erstgenannten gleichwertige Gutachten gehandelt habe.

13 Damit bestreitet die Revisionswerberin nicht die Auffassung des Bundesverwaltungsgerichtes, wonach den erstgenannten Gutachten nur mit auf gleicher fachlicher Ebene angesiedelten Gegengutachten entgegengetreten werden könne. Sie vertritt vielmehr die Auffassung, das Erstgericht habe die Atteste Dris. S zu Unrecht nicht als Gutachten qualifiziert.

14 Die Frage, ob ein ärztliches Attest in seiner konkreten Ausgestaltung ein einem anderen Gutachten gleichwertiges ärztliches Sachverständigengutachten darstellt oder nicht, stellt aber keine grundsätzliche, sondern eine einzelfallbezogene Rechtsfrage dar, welche die Zulässigkeit einer Revision jedenfalls dann nicht zu begründen vermag, wenn das Verwaltungsgericht diese Frage vertretbar gelöst hat. Dies ist hier - im Hinblick darauf, dass die ärztlichen Atteste Dris. S keine Gliederung in Befund und Gutachten im engeren Sinn aufweisen und auch keine nähere Begründung für die dort vertretenen medizinischen Beurteilungen enthalten - jedenfalls der Fall.

15 Weiters macht die Revisionswerberin geltend, dass sie auf die zitierten Atteste Dris. S vom 30. Dezember 2014 und vom 5. Jänner 2016 habe vertrauen dürfen. Besondere Gründe, die dem entgegenstehen konnten, seien nicht vorgelegen.

16 Dem ist entgegenzuhalten, dass die Dienstbehörde der Revisionswerberin mit dem Gutachten Dris. H am 8. Oktober 2015 "Entgegenstehendes" im Verständnis der vom Bundesverwaltungsgericht zitierten Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes mitgeteilt hat. Damit kam aber ein geschütztes Vertrauen der Revisionswerberin auf das Attest Dris. S vom 30. Dezember 2014 keinesfalls mehr in Betracht.

17 Das Attest Dris. S vom 5. Jänner 2016 wurde zwar erst nach Verständigung der Revisionswerberin vom Gutachten Dris. H erstellt. Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes (vgl. insbesondere das hg. Erkenntnis vom 15. Dezember 2010, 2009/12/0203, sowie die dort zitierte Vorjudikatur) ist es aber - wenngleich bei der diesbezüglichen Beurteilung besondere Vorsicht geboten ist - nicht schlichtweg ausgeschlossen, dass auch die Mitteilung eines vor Ausstellung einer ärztlichen Krankenstandsbestätigung erstellten medizinischen Gutachtens ein geschütztes Vertrauen des Beamten in die Richtigkeit der Bescheinigung seiner Dienstunfähigkeit ausschließen kann.

18 In welchen konkreten Situationen dies der Fall ist, stellt ebenfalls keine grundsätzliche, sondern eine einzelfallbezogene Rechtsfrage dar. Letztere wurde hier vom Bundesverwaltungsgericht jedenfalls nicht völlig unvertretbar gelöst: Das Attest Dris. S vom 5. Jänner 2016 geht nämlich selbst nicht von einer maßgeblichen Änderung des Gesundheitszustandes der Revisionswerberin seit dem - durch das Gutachten Dris. H widerlegten - Attest Dris. S vom 30. Dezember 2014 aus. Damit ist aber davon auszugehen, dass Dr. H und Dr. S ein und denselben (nicht geänderten) psychischen Zustand der Revisionswerberin inhaltlich unterschiedlich beurteilt haben.

19 Schließlich bietet der vorliegende Sachverhalt auch keine Anhaltspunkte dafür, "Eigenmacht" im Verständnis des § 12c Abs. 1 GehG zu verneinen. Auf die von ihr vorgelegten ärztlichen Atteste durfte die Revisionswerberin nach dem Vorgesagten nicht vertrauen. Im Übrigen ergeben sich aus dem Zulassungsvorbringen keine Hinweise darauf, dass sie aus von ihr nicht beherrschbaren Gründen daran gehindert gewesen wäre, ihren Dienst anzutreten.

20 Aus diesen Erwägungen war die Revision gemäß § 34 Abs. 1 VwGG ohne weiteres Verfahren zurückzuweisen.

Wien, am 25. Oktober 2017

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2017:RA2017120112.L00

Im RIS seit

04.12.2017

Zuletzt aktualisiert am

21.05.2019
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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