TE Vwgh Erkenntnis 2000/7/12 2000/04/0022

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Veröffentlicht am 12.07.2000
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Index

40/01 Verwaltungsverfahren;
50/01 Gewerbeordnung;

Norm

AVG §59 Abs1;
GewO 1994 §359 Abs2;
GewO 1994 §81;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Vizepräsident Dr. W. Pesendorfer und die Hofräte DDr. Jakusch, Dr. Gruber, Dr. Blaschek und Dr. Baur als Richter, im Beisein des Schriftführers Dr. Martschin, über die Beschwerde des J B in L, vertreten durch H, M, S, Rechtsanwälte in W, gegen den Bescheid des Landeshauptmannes von Tirol vom 21. Dezember 1999, Zl. U-3638/65, betreffend Verfahren gemäß § 81 GewO 1994 (mitbeteiligte Partei:

J & Co. in W), zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von S 15.000,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen. Das Mehrbegehren wird abgewiesen.

Begründung

Der erstbehördliche Bescheid vom 29. März 1999 hat eingangs folgenden Wortlaut:

"Die J & Co. hat bei der Bezirkshauptmannschaft Kufstein um die gewerbebehördliche Genehmigung zur Betriebsanlagenänderung durch Verlegung bzw. Errichtung folgender Betriebsanlagenteile von der Gp. 3119/1, KG L auf die Gp'n 3113, 3114 und 3116, KG L, angesucht.

1. Baurestmassen-Recyclinganlage der Type RAP 2030 VV 800/3/2 System B:

Bei dieser Baurestmassen-Recyclinganlage handelt es sich um genau

jene, die mit Bescheid des Landeshauptmannes von Tirol vom 30.03.1995, Zahl U-3638/25 (modifiziert gemäß § 78 Abs 2 GewO mit Bescheid des Landeshauptmannes von Tirol vom 11.12.1995, Zahl U-3638/36) gewerbebehördlich genehmigt wurde:

Die Anlage soll lediglich einen anderen Aufstellungsort (ca. 300 m nordöstlich) erfahren und Montag bis Freitag in der Zeit von 07.00 Uhr - 18.00 Uhr und am Samstag von 07.00 Uhr - 13.00 Uhr betrieben werden.

2.

LKW-Aufgabeeinrichtung:

Die LKW-Aufgabeeinrichtung wird vom derzeitigen Standort auf Gp. 3119/1, KG L, (nahe der Landesstraße) verlegt.

3. Zwischenlager für Rohstoffe (Schotter) und vorsortiertes inertes Baustoffrecyclingmaterial

Spruch

Die Bezirkshauptmannschaft Kufstein erteilt der J & Co., W, gemäß § 81 Abs 1 Gewerbeordnung 1994 i.d.F., BGBl. Nr. 116/1998, und § 93 Abs. 2 des ArbeitnehmerInnenschutzgesetzes die gewerbebehördliche Genehmigung zur oben beschriebenen Betriebsanlagenänderung gemäß den einen wesentlichen Bestandteil dieses Bescheides bildenden Projektsunterlagen (Übersichtsplan M 1:500 vom Jänner 1998, Plan M 1:25 'Stellwändeeinfriedung' vom Jänner 1998, Plan M 1:100 'LKW-Aufgabeeinrichtung' vom Jänner 1998, technische Beschreibung (ohne Datumsangabe). Betreffend die Baurestmassen-Recyclinganlage wird auf den Akt U-3638 des Landeshauptmannes von Tirol verwiesen.

Diese Betriebsanlagenänderungsgenehmigung wird unter folgenden Auflagen erteilt:

A) Gewerbetechnische Auflagen:

1. Bei Verarbeitung von trockenem und hartem Brechgut ist innerhalb der Brechanlage eine Besprinkelung durchzuführen.

2. Bei Trockenperioden sind die Lagerbereiche staubender Materialien zu besprinkeln, um eine Staubentwicklung hintanzuhalten.

....."

Mit dem vor dem Verwaltungsgerichtshof angefochtenen Bescheid vom 21. Dezember 1999 gab der Landeshauptmann von Tirol der Berufung des Beschwerdeführers gegen diesen Bescheid Folge und änderte diesen dahin ab, dass die gewerbetechnischen Auflagen wie folgt zu lauten haben:

"1. Bei Verarbeitung von trockenem und hartem Brechgut sowohl in der Brecheranlage als auch in der Siebanlage ist zu besprenkeln.

2. Bei Trockenperioden ist die gesamte Betriebsfläche und der Zufahrtsbereich zur Straße mit Wasser zu besprenkeln, um eine Staubentwicklung hintanzuhalten.

Insbesondere sind auch die Verkehrsflächen auf den Gstn. 3113, 3114 und 3116, alle GB L, während Trockenwetter bzw. bei Verarbeitung von trockenem und hartem Material zu befeuchten."

Zur Begründung führte der Landeshauptmann nach Darstellung des Verfahrensganges aus, er habe ein ergänzendes Gutachten des Amtssachverständigen Dipl.-Ing. W.S. eingeholt, welcher im Wesentlichen ausgeführt habe:

"Wiederkäuer (Rinder, Schafe) sind ihres Verdauungssystemes wegen überaus empfindlich gegen verschmutztes Futter. Bakterien vergären in einem Magenabschnitt (Pansen) das Futter - dadurch findet eine Vorverdauung von sonst unverdaulichen Futterteilen statt. Diese Bakterien sind überaus empfindlich gegen Verschmutzungen des Futters jeglicher Art. Somit beeinträchtigt verstaubtes Futter die Verdauung von Wiederkäuern, auch wenn in diesem Staub keine besonderen Schadstoffe bzw. Giftstoffe enthalten sind. Ohne Maßnahmen bzw. nur mit der Maßnahme einer Besprenkelung von trockenem und hartem Brechgut innerhalb der Brechanlage ist eine Staubimmission der gegenständlichen Betriebsanlage auf Pflanzen und Tiere, sodass Schäden an den Kulturen oder am weidenden Vieh auftreten, nicht nur wahrscheinlich, sondern sogar sicher.

Folgende Auflagen (Maßnahmen) können Schäden an den Kulturen und am weidenden Vieh eingrenzen, aber nicht verhindern:

a)

Besprühung der Werkstraßen;

b)

Verwendung einer Reifenwaschanlage;

c)

Abdeckung der Lkw;

d)

Begrünung der jetzt schon bestehenden Dämme und der Zwischenlager mit schnell wachsenden Pflanzen;

e)

Umhausung der Aufbereitungsanlagen und Förderbänder;

f)

als vertrauensbildende Maßnahme jährlich einen Tag der

offenen Türe.

Im vorliegenden Fall ist eine sinnvolle Nutzung des Grundstückes Nr. 3112 durch die Betriebsanlage im benachbarten Bereich wesentlich beeinträchtigt, aber möglich - bei Einhaltung der geforderten Auflagen."

Der daraufhin beigezogene gewerbetechnische Amtssachverständige habe dazu Folgendes ausgeführt:

"Die Auflage 1 im Bescheid vom 29.3.1999 ist daher aufrecht zu erhalten bzw. auch auf die Siebanlage auszudehnen.

Die Auflage 2 wurde im Bescheid vom 29.3.1999 nicht zur Gänze so wiedergegeben, wie sie im Bescheid der Abteilung Umweltschutz vom 30.3.1995, Zl. U-3638/25, formuliert wurde. Dies erscheint im Hinblick auf die möglichen Staubverfrachtungen auf die Gp. 3112 insofern von Bedeutung, dass nicht nur die Lagerbereiche, sondern insbesondere auch die Verkehrsflächen auf den Gpn. 3113, 3114 und 3116 während Trockenwetter bzw. bei Verarbeitung von trockenem und hartem Material befeuchtet werden. In diesem Sinne wäre die Auflage 2 neu zu formulieren.

Bei strikter Einhaltung dieser Auflagen und unter Hinweis darauf, dass über die gesamte Länge der Betriebsfläche an der Ostseite eine 3,9 m hohe Einfriedung in Form von Stellwänden mit zusätzlich vorgelagerter Bepflanzung, die als Lärm-, Sicht- und Staubschutz dienen soll, beabsichtigt ist, erscheinen die im Bescheid vom 30.5.1995 formulierten Auflagen zur Hintanhaltung von Staubverfrachtungen ausreichend.

In diesem Zusammenhang wird noch darauf verwiesen, dass eine unangemeldete Überprüfung durch den gewerbetechnischen Sachverständigen der Bezirkshauptmannschaft Kufstein Ing. G ergeben hat, dass die Baurestmassen-Recyclinganlage im Wesentlichen bescheidgemäß errichtet und auflagenkonform betrieben wird. Eine unzumutbare Staubentwicklung konnte im Rahmen dieser Überprüfung nicht festgestellt werden."

Nach Darstellung der maßgeblichen Bestimmungen der Gewerbeordnung führte der Landeshauptmann weiter aus, er habe zu klären gehabt, ob hinsichtlich des landwirtschaftlichen Betriebes des Beschwerdeführers eine Gefährdung des Eigentums zu erwarten sei, und zwar ob die Immissionen aus der gegenständlichen Betriebsanlage die dem landwirtschaftlichen Betrieb dienenden Grundstücke und sonstigen Sachen, etwa durch eine Beeinträchtigung des Ertrages des landwirtschaftlichen Betriebes, in ihrer Substanz bedrohten. Die Kernaussage des Sachverständigen Dipl.-Ing. W.S. gehe dahin, dass im vorliegenden Fall Schäden an Kulturen und am weidenden Vieh bei Einhaltung der Vorschreibungen eingegrenzt werden könnten. Die sinnvolle Nutzung des Grundstückes Nr. 3112 GB L des Beschwerdeführers sei im vorliegenden Fall durch die Betriebsanlage im benachbarten Bereich beeinträchtigt, aber bei Einhaltung der geforderten Vorschreibungen möglich. Diese begründeten Aussagen habe der Beschwerdeführer nicht auf gleicher fachlicher Ebene widerlegt. Die Berufungsbehörde habe keinen Zweifel, dass die Ausführungen dieses Amtssachverständigen zuträfen. Das Gleiche gelte für die Aussagen des Amtssachverständigen für Gewerbetechnik, der auf diesen Ausführungen aufbaue. Auch gegen Forderungen dieses Amtssachverständigen seien Darlegungen, die sich auf gleicher fachlicher Ebene befänden, nicht vorgebracht worden. Bei diesem Ermittlungsergebnis sei die Berufungsbehörde verpflichtet, im Sinne des § 81 Abs. 1 GewO 1994 die gewerbetechnischen Auflagen des erstinstanzlichen Bescheides entsprechend den Forderungen des letztgenannten Amtssachverständigen zu ergänzen.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde.

Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und erstattete eine Gegenschrift mit dem Antrag, die Beschwerde kostenpflichtig abzuweisen. Die mitbeteiligte Partei erstattete ebenfalls eine Gegenschrift.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Im Verfahren vor dem Verwaltungsgerichtshof erachtet sich der Beschwerdeführer in seinen aus der Gewerbeordnung erfließenden Nachbarrechten verletzt. In Ausführungen des so zu verstehenden Beschwerdepunktes bringt er vor, der Spruch des angefochtenen Bescheides verstoße gegen die Bestimmung des § 59 Abs. 1 AVG, weil im erstbehördlichen Bescheid und damit auch im angefochtenen Bescheid lediglich pauschal auf Projektunterlagen verwiesen werde, die für sich nicht ausreichend konkretisiert seien. Sie seien im Akt auch nicht besonders gekennzeichnet und im Übrigen, falls überhaupt, kaum auffindbar. Unklar sei weiters, was mit der "technischen Beschreibung ohne Datumsangabe" gemeint sei. Im Akt befände sich zwar eine solche technische Beschreibung ohne Datum, tatsächlich handle es sich dabei aber im Wesentlichen nur um eine relativ ungenaue Lagebeschreibung ohne ausreichende detaillierte technische Details. Besonders unzureichend sei der Hinweis betreffend die Baurestmassen-Recyclinganlage auf einen näher bezeichneten Akt. Ob und inwieweit bezüglich dieses Anlagenteils allfällige weitere Vorschreibungen und Auflagen aus anderen Akten zu gelten hätten, sei mit diesem Hinweis nicht ausreichend klargestellt. Die Undeutlichkeit des erstbehördlichen Bescheidabspruches sei auch daran zu erkennen, dass sich der gewerbetechnische Amtssachverständige veranlasst gesehen habe, in seinem an die Berufungsbehörde erstatteten Gutachten eine Beschreibung der Betriebsanlage zu geben, weil, wie er gemeint habe, "keine konkrete technische Beschreibung (Befund)" im erstbehördlichen Bescheid enthalten sei. In der Sache selbst weist der Beschwerdeführer darauf hin, dass der Sachverständige Dipl.-Ing. W.S. ausdrücklich eine wesentliche Beeinträchtigung der Nutzung der fraglichen Liegenschaft für unvermeidbar erklärt habe. Dies hätte die belangte Behörde zum Anlass nehmen müssen, die beantragte Genehmigung der mitbeteiligten Partei zur Gänze zu versagen. Zumindest aber hätte sie jene Auflagen, die von Dipl.-Ing. W.S. gefordert worden seien, vorschreiben müssen.

Wie der Verwaltungsgerichtshof bereits in seinem Erkenntnis vom 22. Dezember 1999, Zl. 99/04/0006, zu einem vergleichbaren Fall ausgeführt hat, ist es zulässig, im Spruch eines Bescheides auf außerhalb des Bescheides gelegene Schriftstücke oder Pläne Bezug zu nehmen und deren Aussagen und Darstellungen rechtlich in den normativen Bescheid zu integrieren und solcherart zum Inhalt des rechtserzeugenden oder rechtsfeststellenden Bescheides zu machen, sofern der Bescheidspruch den Integrationsakt unzweifelhaft klargestellt hat und die im Spruch genannten Unterlagen, Beilagen, Pläne, Befundausführungen oder Erklärungen in Verhandlungsschriften ihrerseits das für den jeweiligen Abspruch nötige Bestimmtheitserfordernis erfüllen (§ 359 Abs. 2 letzter Halbsatz GewO 1994).

Von dieser Rechtslage ausgehend begegnet der Hinweis im erstbehördlichen Bescheid (der durch seine Bestätigung zum Inhalt des angefochtenen Bescheides erhoben wurde) auf die dort näher bezeichneten und datumsmäßig individualisierten Projektunterlagen keinen Bedenken. Das Gleiche gilt für den die Baurestmassen-Recyclinganlage betreffenden Hinweis auf einen näher bezeichneten Akt des Landeshauptmannes von Tirol, weil dieser Hinweis im Zusammenhang mit dem Inhalt des (eingangs wiedergegebenen) Vorspruches des erstbehördlichen Bescheides unzweifelhaft als Verweis auf den Bescheid des Landeshauptmannes von Tirol vom 30. März 1995, Zl. U-3638/25 (modifiziert gemäß § 78 Abs. 2 GewO 1994 mit Bescheid des Landeshauptmannes von Tirol vom 11. Dezember 1995, Zl. U-3638/36), zu verstehen ist.

Zu Recht rügt der Beschwerdeführer allerdings den Hinweis auf die "technische Beschreibung (ohne Datumsangabe)" als mangelhaft, weil es diesem Hinweis jeglicher Determinierung mangelt. Dazu kommt, dass sich eine solche technische Beschreibung auch in den dem Verwaltungsgerichtshof von der belangten Behörde vorgelegten Akten des Verwaltungsverfahrens nicht befindet. Da die belangte Behörde diese Akten offensichtlich nicht vollständig vorgelegt hat, ist gemäß § 38 Abs. 2 VwGG diesbezüglich dem Vorbringen des Beschwerdeführers zu folgen, dass diese technische Beschreibung den an eine solche zu stellenden Anforderungen nicht entspricht.

Da somit in diesem Punkt der Spruch des angefochtenen Bescheides den Bestimmtheitsanforderungen des § 59 Abs. 1 AVG nicht entspricht, war der angefochtene Bescheid schon aus diesem Grund wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufzuheben.

Aus Gründen der Prozessökonomie sieht sich der Verwaltungsgerichtshof veranlasst, darauf hinzuweisen, dass die Begründung des angefochtenen Bescheides in sich insofern widersprüchlich ist, als die belangte Behörde darin sowohl das Gutachten des Dipl.-Ing. W.S. als auch das von ihr eingeholte gewerbetechnische Gutachten für schlüssig hält, dabei aber übersieht, dass der erstgenannte Sachverständige seine Aussage, eine sinnvolle Nutzung des fraglichen Grundstückes sei, wenn auch wesentlich beeinträchtigt, doch möglich, von der Einhaltung wesentlich weitergehender Auflagen abhängig macht, als der gewerbetechnische Amtssachverständige für die Hintanhaltung von Staubverfrachtungen für ausreichend erklärt.

Die Entscheidung über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994. Das Begehren auf Zuspruch von Umsatzsteuer zum Schriftsatzaufwand war im Hinblick auf die Pauschalierung des diesbezüglichen Aufwandersatzes in der genannten Verordnung, die auch die Umsatzsteuer umfasst, abzuweisen.

Wien, am 12. Juli 2000

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2000:2000040022.X00

Im RIS seit

20.11.2000
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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