TE Vwgh Erkenntnis 2000/7/12 2000/04/0064

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Veröffentlicht am 12.07.2000
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Index

50/01 Gewerbeordnung;
83 Naturschutz Umweltschutz;

Norm

GewO 1994 §74 Abs2;
GewO 1994 §77;
GewO 1994 §81;
UIG 1993 §2 Z2;
UIG 1993 §2;
UIG 1993 §4;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Vizepräsident Dr. W. Pesendorfer und die Hofräte DDr. Jakusch, Dr. Gruber, Dr. Blaschek und Dr. Baur als Richter, im Beisein des Schriftführers Dr. Martschin, über die Beschwerde des Dr. NK, des Dr. WN, des Mag. AK, alle Rechtsanwälte in K, gegen den Bescheid des Unabhängigen Verwaltungssenates im Land Niederösterreich vom 1. Februar 2000, Zl. Senat-AB-99-020, betreffend Zurückweisung eines Antrages auf Mitteilung von Umweltdaten, zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird in seinem über die Zurückweisung der Frage nach dem Zeitpunkt des Ansuchens zur Errichtung der Parkplätze hinausgehenden Umfang wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Im Übrigen wird die Beschwerde als unbegründet abgewiesen.

Der Bund hat den Beschwerdeführern Aufwendungen in der Höhe von S 15.000,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Die Beschwerdeführer richteten an die Erstbehörde ein mit 21. April 1999 datiertes Schreiben folgenden Inhaltes:

"Gemäß § 5 UIG dürfen wir Sie höflich um Mitteilung nachstehender Umweltdaten, die ein Klient unserer Kanzlei zur Erhebung der Umweltauswirkungen von Verkehrsströmen benötigt, ersuchen:

-

Über wie viele Parkplätze verfügt das Möbelhaus X in A?

-

Wann wurde das Ansuchen zur Errichtung dieser Parkplätze

gestellt und mit welchem Bescheid wurden diese Parkplätze wann bewilligt?

-

Gibt es bei der BH Informationen darüber, wie hoch die tägliche Fahrzeugfrequenz im Schnitt ist bzw. gibt es bei der BH Informationen über die Entwicklung der Fahrzeugbewegungen im Bereich des Möbelhauses?

Wir dürfen höflich um Beantwortung dieser Fragen innerhalb der in § 5 Abs. 6 festgelegten Frist von acht Wochen ersuchen".

Mit dem im Instanzenzug ergangenen Bescheid des Unabhängigen Verwaltungssenates im Land Niederösterreich vom 1. Februar 2000 wurde dieses Ansuchen gemäß § 66 Abs. 4 AVG i.V.m. § 8 Abs. 4 und 6 sowie §§ 2, 4 und 5 Umweltinformationsgesetz (UIG) zurückgewiesen. Nach Darstellung des Verfahrensganges und des Inhaltes der maßgeblichen Gesetzesstellen führte der unabhängige Verwaltungssenat im Wesentlichen aus, die Anfrage, wie viele Parkplätze an einer bestimmten Stelle vorhanden seien, stelle nicht eine solche nach Umweltdaten im Sinn des § 2 UIG dar. Es handle sich bei dem dieser Anfrage korrelierenden Informationsgehalt nicht um Daten im Sinn der §§ 2 und 4 Abs. 2 UIG, sondern um einen statistischen Zählwert, welcher von jedermann, so auch von den Beschwerdeführern mittels eines einfachen Zählvorganges durch Besichtigung der frei zugänglichen Parkplatzfläche erhoben werden könnte. Auch die Anfrage, wann ein Ansuchen zur Errichtung der Parkplätze gestellt und mit welchem Bescheid dieses bewilligt worden sei, bilde nicht ein Begehren um Informationen, die als Umweltdaten im Sinn des § 2 UIG qualifiziert werden könnten. Die mit dieser Frage angestrebten Informationen entbehrten vielmehr für sich alleine jeglichen Aussagegehaltes, wie er im § 2 UIG für das Vorliegen eines Umweltdatums gefordert werde. Unabhängig davon, dass auch die Anfrage, ob die Bezirksverwaltungsbehörde über Informationen verfüge, wie hoch die tägliche Fahrzeugfrequenz im Schnitt sei bzw. ob es bei dieser Behörde Informationen über die Entwicklung der Fahrzeugbewegungen im Bereich des Möbelhauses gebe, ebenfalls eine nicht ausreichend konkretisierte Anfrage nach Umweltdaten im Sinne des § 2 UIG darstelle, sei hiezu festzustellen, dass eine Anfrage betreffend zukünftige Entwicklungen ebenfalls nicht geeignet sein könne, eine Auskunftspflicht der Verwaltungsbehörde nach dem Umweltinformationsgesetz zu begründen. Konträr zu dem von den Beschwerdeführern begehrten Informationsgehalt über die Entwicklung der Fahrzeugbewegungen im Bereich des Möbelhauses sehe nämlich § 4 UIG i.V.m. § 5 leg. cit. ein Recht auf Erteilung einer Mitteilung lediglich in Bezug auf solche Umweltdaten vor, über die die Organe der Verwaltung in Wahrnehmung bundesgesetzlich übertragener Aufgaben im Bereich des Umweltschutzes verfügten. Ein konkretes Ersuchen um Bekanntgabe von detaillierten Umweltdaten, über welche die Organe der Verwaltung in Wahrnehmung bundesgesetzlich übertragener Aufgaben im Bereich des Umweltschutzes verfügten, sei dem klar zuordenbaren und zweifelsfrei aufzufassenden, somit nicht verbesserungsbedürftigen Inhalt der Anfrage nicht zu entnehmen. Eine konkrete Anfrage betreffend die zum Schutz vor Lärmbelästigungen getroffenen Maßnahmen, konkrete Lärmmesswerte bzw. konkrete Emissionsmesswerte sei zu keinem Zeitpunkt von den Beschwerdeführern an die Verwaltungsbehörde gerichtet worden.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde.

Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und erstattete eine Gegenschrift mit dem Antrag, die Beschwerde kostenpflichtig abzuweisen.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Im Verfahren vor dem Verwaltungsgerichtshof erachten sich die Beschwerdeführer in dem Recht auf freien Zugang zu Umweltdaten, über die Organe der Verwaltung in Wahrnehmung bundesgesetzlich übertragener Aufgaben im Bereich des Umweltschutzes verfügen, verletzt. In Ausführung des so zu verstehenden Beschwerdepunktes bringen sie vor, die enge Auslegung des Begriffes "Umweltdaten" durch die belangte Behörde stehe (aus näher dargestellten Gründen) im Widerspruch zum Gemeinschaftsrecht. Auch der Verwaltungsgerichtshof habe bereits ausgesprochen, dass der Inhalt eines Betriebsanlagengenehmigungsbescheides und der Zeitpunkt seiner Erlassung als Umweltdatum angesehen werden müsse. Die Interpretation des § 2 UIG durch die belangte Behörde mache es nahezu unmöglich, überhaupt Daten welcher Art immer über das UIG zu erhalten. Damit werde aber gerade das Ziel dieses Gesetzes, nämlich die Information der Öffentlichkeit und der Bürger über die bei der Verwaltung vorhandenen Umweltdaten sowie die Möglichkeit zu einer effizienten Rechtsverfolgung gemäß § 79a GewO 1994 missachtet. Unter dem Gesichtspunkt einer Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften rügen die Beschwerdeführer, dass es die belangte Behörde unterlassen habe, wenn sie schon das Ansuchen der Beschwerdeführer als nicht ausreichend konkretisiert erachtete, ein entsprechendes Verbesserungsverfahren einzuleiten. Schließlich regen die Beschwerdeführer die Einleitung eines Vorabentscheidungsverfahrens beim Europäischen Gerichtshof gemäß Art. 234 EGV zur Auslegung des Begriffes "Umweltdaten" an.

Gemäß § 2 Umweltinformationsgesetz (UIG), BGBl. Nr. 495/1993, sind Umweltdaten auf Datenträgern festgehaltene Informationen über

1. den Zustand der Gewässer, der Luft, des Bodens, der Tier- und Pflanzenwelt und der natürlichen Lebensräume sowie seine Veränderungen oder die Lärmbelastung;

2. Vorhaben oder Tätigkeiten, die Gefahren für den Menschen hervorrufen oder hervorrufen können oder die Umwelt beeinträchtigen oder beeinträchtigen können, insbesondere durch Immissionen, Einbringung oder Freisetzung von Chemikalien, Abfällen, gefährlichen Organismen oder Energie einschließlich ionisierender Strahlen in die Umwelt oder durch Lärm;

3. umweltbeeinträchtigende Eigenschaften, Mengen und Auswirkungen von Chemikalien, Abfällen, gefährlichen Organismen, freigesetzter Energie einschließlich ionisierender Strahlen oder Lärm;

4. bestehende oder geplante Maßnahmen zur Erhaltung, zum Schutz und zur Verbesserung der Qualität der Gewässer, der Luft, des Bodens, der Tier- und Pflanzenwelt und der natürlichen Lebensräume, zur Verringerung der Lärmbelastung sowie Maßnahmen zur Schadensvorbeugung und zum Ausgleich eingetretener Schäden, insbesondere auch in Form von Verwaltungsakten und Programmen.

Gemäß § 4 Abs. 1 UIG wird jedermann ohne Nachweis eines Rechtsanspruches oder eines rechtlichen Interesses das Recht auf freien Zugang zu Umweltdaten, über die Organe der Verwaltung in Wahrnehmung bundesgesetzlich übertragener Aufgaben im Bereich des Umweltschutzes verfügen, nach Maßgabe der folgenden Bestimmungen gewährleistet.

Dem freien Zugang unterliegen gemäß § 4 Abs. 2 leg. cit. jedenfalls Daten über

1. den Zustand der Gewässer, der Luft, des Bodens und der Tier- und Pflanzenwelt, der natürlichen Lebensräume oder die Lärmbelastung;

2. den Verbrauch der natürlichen Ressourcen Wasser, Luft oder Boden in aggregierter oder statistisch dargestellter Form;

3. Emissionen von Stoffen oder Abfällen aus einer Anlage in die Umwelt (Wasser, Luft, Boden) in zeitlich aggregierter oder statistisch dargestellter Form;

4. Überschreitungen von Emissionsgrenzwerten.

Andere als die im § 4 Abs. 2 UIG genannten Umweltdaten sind gemäß § 4 Abs. 3 leg. cit. mitzuteilen, sofern ihre Geheimhaltung nicht im überwiegenden Interesse der Aufrechterhaltung der öffentlichen Sicherheit, der umfassenden Landesverteidigung oder der Parteien geboten ist.

Der Verwaltungsgerichtshof vermag sich zunächst nicht der Ansicht der belangten Behörde anzuschließen, als Umweltdaten im Sinne des § 2 UIG, die von der Behörde gemäß § 4 leg. cit. mitzuteilen seien, seien jedenfalls nicht solche Informationen anzusehen, die der Antragsteller auch auf andere Weise leicht erlangen könne. Eine derartige Beschränkung der Auskunftspflicht der Behörden, ist dem Umweltinformationsgesetz nicht zu entnehmen.

Im Übrigen vermag sich der Verwaltungsgerichtshof aber auch nicht der Rechtsansicht der belangten Behörde anzuschließen, bei der Frage nach der Anzahl der bei einem gewerblichen Betrieb bestehenden Parkplätze handle es sich nicht um eine solche nach Umweltdaten im Sinn des § 2 UIG. Es trifft nämlich nicht zu, wie die belangte Behörde offenbar meint, dass als derartige Daten im gegebenen Zusammenhang nur "die zum Schutz vor Lärmbelästigungen getroffenen Maßnahmen, konkrete Lärmmesswerte bzw. konkrete Emissionswerte" in Betracht kämen. Denn § 2 Z. 2 UIG stellt ausdrücklich auf "Vorhaben oder Tätigkeiten" ab, zu welch letzteren zweifellos der Betrieb eines Parkplatzes im Zusammenhang mit einer gewerblichen Betriebsanlage zählt. Es kann auch nicht zweifelhaft sein, dass der Betrieb eines derartigen Parkplatzes Gefahren für den Menschen hervorrufen oder die Umwelt beeinträchtigen kann, sind doch mit dem Befahren eines Parkplatzes durch Kraftfahrzeuge regelmäßig zumindest Lärm- und Geruchsemissionen sowie die Freisetzung von Luftschadstoffen verbunden. Außerdem geht von sowohl fahrenden wie auch stehenden Kraftfahrzeugen immer die Gefahr einer Verschmutzung des Grundwassers durch austretenden Treibstoff oder sonstige Mineralöle aus. Mit der Frage nach der Zahl der Parkplätze, über die die in Rede stehenden Betriebsanlage verfügt, haben die Beschwerdeführer daher zweifellos nach einem Umweltdatum im Sinne des § 2 Z. 2 UIG gefragt.

Bescheide, mit denen Betriebsanlagen oder deren Änderung im Sinn der §§ 77 oder 81 GewO 1994 genehmigt werden, enthalten mit Rücksicht darauf, dass es deren Ziel ist, den Schutz der im § 74 Abs. 2 genannten Interessen sicherzustellen, regelmäßig Feststellungen über die von der jeweiligen Betriebsanlage ausgehenden Emissionen. Sie enthalten daher in aller Regel Umweltdaten im Sinn des § 2 UIG. Das Verlangen nach Bekanntgabe der Daten eines derartigen Bescheides ist daher ebenfalls als ein solches nach Bekanntgabe von Umweltdaten im Sinne des § 2 UIG zu qualifizieren. Der belangten Behörde ist allerdings einzuräumen, dass die von den Beschwerdeführern in diesem Zusammenhang gestellte Frage nach dem Zeitpunkt, in dem das zu Grunde liegende Genehmigungsansuchen gestellt wurde, mit Umweltdaten nichts zu tun hat.

Dass es sich bei der dritten Frage nach der täglichen Fahrzeugfrequenz und der Entwicklung der Fahrzeugbewegungen im Bereich der fraglichen Betriebsanlage um eine solche nach Umweltdaten im Sinn des § 2 UIG handelt, wird auch von der belangten Behörde nicht in Zweifel gezogen. Sie begründete die Zurückweisung der diesbezüglichen Frage aber damit, dass das Umweltinformationsgesetz nur ein Recht auf Mitteilung solcher Umweltdaten vorsehe, über die die Organe der Verwaltung in Wahrnehmung bundesgesetzlich übertragener Aufgaben im Bereich des Umweltschutzes verfügten. Letzteres ist zwar für sich allein richtig, doch entbehrt der angefochtene Bescheid jeglicher Feststellung, dass im konkreten Fall die Erstbehörde nicht über entsprechende Daten verfüge. Dies ist auch eher unwahrscheinlich, weil die derzeitige und in Hinkunft zu erwartende Frequenz eines im Rahmen einer gewerblichen Betriebsanlage errichteten Parkplatzes - sofern die Gefährdung von Nachbarinteressen grundsätzlich in Betracht kommt - regelmäßig Gegenstand der Prüfung im Verfahren zur Genehmigung der gewerblichen Betriebsanlage bzw. deren Änderung zu sein hat.

Die belangte Behörde verkannte daher die Rechtslage, wenn sie den an sie gerichteten Fragen (ausgenommen den Zeitpunkt des "Ansuchens zur Errichtung dieser Parkplätze") die Qualifikation als solcher nach Umweltdaten im Sinn des § 2 UIG absprach. Der angefochtene Bescheid war daher in dem über die Zurückweisung der Frage nach dem Zeitpunkt des Ansuchens zur Errichtung der Parkplätze hinausgehenden Umfang gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufzuheben, im Übrigen aber gemäß 42 Abs. 1 leg. cit. als unbegründet abzuweisen.

Die Entscheidung über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994.

Wien, am 12. Juli 2000

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2000:2000040064.X00

Im RIS seit

20.11.2000
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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