TE Vfgh Beschluss 1998/2/24 B1387/96

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Veröffentlicht am 24.02.1998
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Index

10 Verfassungsrecht
10/07 Verfassungsgerichtshof, Verwaltungsgerichtshof

Norm

VfGG §33
ZPO §63 Abs1
VfGG §82 Abs1

Leitsatz

Abweisung eines Wiedereinsetzungsantrages; Rechtsirrtum kein Wiedereinsetzungsgrund; Zurückweisung der Beschwerde und des Verfahrenshilfeantrags als verspätet

Spruch

I. Die Beschwerde wird zurückgewiesen.

II. Der Antrag auf Abtretung der Beschwerde an den Verwaltungsgerichtshof wird abgewiesen.

III. Dem Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand "gegen die Versäumung der Frist zur Einbringung eines Wiedereinsetzungsantrages gegen die Versäumung der Frist auf Einbringung eines Antrages auf Verfahrenshilfe" wird keine Folge gegeben.

IV. Der Antrag auf Bewilligung der Verfahrenshilfe wird zurückgewiesen.

Begründung

Begründung:

I. 1. Am 24. April 1996 langte beim Verfassungsgerichtshof die am 23. April 1996 zur Post gegebene, auf Art144 B-VG gestützte Beschwerde gegen den Bescheid des Bundesministers für Inneres vom 2. November 1995 ein; eventualiter wurde die Abtretung der Beschwerde an den Verwaltungsgerichtshof begehrt.

Dem eingebrachten Schriftsatz fehlte entgegen §82 Abs4 VerfGG 1953 die Angabe des Tages der Zustellung des angefochtenen Bescheides. Weiters wurde entgegen §17 Abs2 VerfGG 1953 iVm §35 leg. cit. sowie §30 ZPO weder eine urkundliche Vollmacht vorgelegt noch erfolgte eine Berufung auf die erteilte Vollmacht iSd §30 Abs2 ZPO. Im Hinblick darauf erteilte der Verfassungsgerichtshof gemäß §18 VerfGG 1953 am 30. April 1996 den Auftrag, die genannten Formmängel innerhalb einer Frist von zwei Wochen zu beheben.

2. Mit einem am 14. Mai 1996 zur Post gegebenen Schriftsatz gab der Beschwerdeführer innerhalb der gesetzten Frist zur Mängelbehebung bekannt, daß der angefochtene Bescheid am 12. März 1996 der "Verfahrenshelferin" des Beschwerdeführers zugestellt worden sei und daß sich die mit Beschluß des Verwaltungsgerichtshofes zur Verfahrenshelferin bestellte Rechtsanwältin "natürlich im Sinne des §30 Abs2 ZPO" auf diese Bestellung berufe.

3. In der Folge beantragte der Beschwerdeführer mit einem weiteren, am 23. Mai 1996 verfaßten und am darauffolgenden Tag im Verfassungsgerichtshof eingelangten Schriftsatz die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gemäß §33 VerfGG wegen "Versäumung der Frist zur Einbringung eines Wiedereinsetzungsantrages gegen die Versäumung der Frist auf Einbringung eines Antrages auf Verfahrenshilfe" sowie die "Bewilligung der Verfahrenshilfe vor dem Verfassungsgerichtshof".

Zur Begründung dieses Antrages wird im wesentlichen folgendes vorgebracht:

   "Mit Bescheid des Bundesasylamtes ... vom 24.3.1995 ... wurde

mein Antrag auf Gewährung von Asyl gemäß §3 des Asylgesetzes

1991 abgewiesen ... Am 14.4.1995 richtete ich eine Berufung gegen

diesen Bescheid an das Bundesministerium für Inneres, jedoch wurde meine Berufung mit Bescheid vom 2.11.1995 abgewiesen. Dieser Bescheid enthielt den Hinweis, daß ich innerhalb von 6 Wochen ab der Zustellung beim Verwaltungsgerichtshof und/oder Verfassungsgerichtshof Beschwerde erheben könne, dafür jedoch die Unterschrift eines Rechtsanwalts bräuchte. Da ich mir jedoch keinen Rechtsanwalt leisten konnte, stellte ich einen Antrag auf Bewilligung der Verfahrenshilfe für diese Angelegenheit. Davor war ich nicht durch einen Rechtsanwalt vertreten. Den Antrag auf Verfahrenshilfe brachte ich beim VwGH im Glauben ein, daß dieser Antrag sowohl für den VfGH als auch für den VwGH gelten würde, dies deswegen, da VfGH und VwGH im selben Gebäude sind und der Hinweis im Bescheid des Bundesministeriums für Inneres vom 2.11.1995 keine Angaben darüber macht, daß ich für die Verfahrenshilfe vor dem VfGH einen eigenen Antrag hätte einbringen müssen. Ich dachte, daß mit diesem Antrag mir Verfahrenshilfe sowohl für den VfGH als auch für den VwGH bewilligt werden würde.

Als Ausländer, der der deutschen Sprache nicht mächtig ist und der zu diesem Zeitpunkt auch nicht durch einen Rechtsanwalt vertreten war, war es für mich unmöglich dies zu erkennen.

Somit war es für mich zu keinem Zeitpunkt erkennbar, jedenfalls aber nicht vor Ablauf der 6 Wochen nach Erhalt des Bescheides vom Bundesministerium für Inneres, daß mir durch die bewilligte Verfahrenshilfe nur eine Beschwerdemöglichkeit vor dem VwGH zustand. Somit wurde mir die Möglichkeit genommen, meine Rechte vor dem VfGH zu wahren, da für diesen die Verfahrenshilfe nicht bewilligt wurde und ich einen Rechtsanwalt aus eigener Tasche nicht bezahlen kann, sowie die Möglichkeit einer Bescheidbeschwerde vor dem VwGH, da ich im Glauben war, daß die Verfahrenshilfe auch für den VfGH galt. Somit ist mir ein Rechtsnachteil entstanden, da es mir nicht möglich ist, meine Rechte, welche durch den Bescheid des Bundesministeriums für Inneres verletzt wurden, zu wahren.

...

Der beiliegende zu bekämpfende Bescheid des Bundesministeriums für Inneres vom 2.11.1995 und der beiliegende Beschluß über die Bestellung von Dr. A F als mein Verfahrenshelfer langten am 12. März 1996 in der Rechtsanwaltskanzlei ein. Das Poststück wurde der Verfahrenshelferin vorgelegt, die einen Akt anlegen ließ und eine Aktennotiz verfaßte, mit der der Kanzleimitarbeiter RAA Mag. M P mit der Ausarbeitung einer VwGH-Beschwerde beauftragt wurde. In der Folge wurde aber der Bestellungsbeschluß von Frau U H, welche an diesem Tag die Post bearbeitet hatte, irrtümlich in einen anderen Akt gelegt und blieb sodann unauffindbar. RAA Mag. P prüfte den Akt und kam zum Schluß, daß sowohl eine VfGH-Beschwerde wie auch eine VwGH-Beschwerde geeignet erschienen, weswegen er eine Beschwerde gemäß Art144 B-VG, mit Abtretungsantrag an den VwGH, anfertigte. RA MMag. J H, Partner von Dr. A F, überprüfte in ihrer Vertretung die Beschwerde bevor sie weggeschickt wurde, konnte jedoch nicht überprüfen, ob die Verfahrenshilfe auch tatsächlich für den VfGH erteilt worden war, da er die Beschwerde am letzten Tag der Frist, nämlich am 23. April 1996, unterschrieb und der Bestellungsbeschluß, der ja verlegt war, nicht im Akt einlag. Dieser Fehler, daß nämlich eine Beschwerde an einen Gerichtshof verfaßt und geschickt wurde, für den es keine Bestellung zum Verfahrenshelfer gab, wurde erst aufgrund des Schreibens vom 30.4.1996 vom VfGH, welches in der Kanzlei Dr. A F am 9.5.1996 eintraf, erkannt. Dieser Ablauf wird durch die beiliegende eidesstattliche Erklärung bescheinigt. Frau U H kann auch jederzeit über die Kanzlei meiner Vertreterin stellig gemacht werden.

Nach diesem Zeitpunkt war also die Möglichkeit zur Beantragung einer Verfahrenshilfe für den VfGH nicht mehr gegeben, da die 6-wöchige Frist längst abgelaufen war. Ab diesem Zeitpunkt hätte der Antrag auf Wiedereinsetzung eingebracht werden müssen, was aber nicht geschehen ist, da der Beschluß über die Bewilligung für eine Verfahrenshilfe vor dem VwGH nicht gefunden, und der auf einem Versehen beruhende Fehler nicht erkannt werden konnte.

Erkannt wurde dieser Fehler erst durch die Aufforderung des VfGH vom 30. April (eingelangt in der Kanzlei am 9. Mai 1996), den Mangel der fehlenden Vollmacht zu beheben. Ab diesem Zeitpunkt läuft die nächste Frist zur Erhebung eines Antrages auf Wiedereinsetzung gegen die Versäumung der Frist zur Einbringung eines Wiedereinsetzungsantrages gegen die Versäumung der Frist auf Einbringung eines Antrages auf Verfahrenshilfe.

Daß der Bestellungsbeschluß irrtümlich in einen anderen Akt gelangen würde, konnte nicht vorhergesehen werden und konnte zum Zeitpunkt des Abschickens der Beschwerde an den VfGH nicht mehr behoben werden. Durch dieses unvorhergesehene Ereignis, welches auf ein Versehen einer Kanzleimitarbeiterin meiner Verfahrenshelferin im VwGH-Beschwerdeverfahren beruht, ist mir ein Rechtsnachteil entstanden, da nämlich die gegenständliche Beschwerde beim VfGH eingebracht wurde und nicht, wie es in der Verfahrenshilfe bewilligt worden war, beim VwGH. Somit wurde mir meine Möglichkeit genommen, gegen den meine Rechte verletzenden Bescheid des Bundesministeriums für Inneres vom 2.11.1995 wirksame Schritte zu setzen."

II. Dem Antrag auf Bewilligung der Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wegen Versäumung einer Frist ist schon nach dem eigenen Vorbringen des Beschwerdeführers keine Folge zu geben.

1. Da das VerfGG 1953 in seinem §33 die Voraussetzungen für die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand nicht selbst regelt, sind nach §35 dieses Gesetzes die entsprechenden Bestimmungen des §146 Abs1 ZPO sinngemäß anzuwenden. Danach ist einer Partei, soweit das Gesetz nichts anderes bestimmt, auf Antrag die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu bewilligen, wenn sie durch ein "unvorhergesehenes oder unabwendbares Ereignis" an der rechtzeitigen Vornahme einer befristeten Prozeßhandlung gehindert wurde und die dadurch verursachte Versäumung für sie den Rechtsnachteil des Ausschlusses von der vorzunehmenden Prozeßhandlung zur Folge hatte. Daß der Partei ein Verschulden an der Versäumung zur Last liegt, hindert die Bewilligung der Wiedereinsetzung nicht, wenn es sich nur um einen minderen Grad des Versehens handelt. Darunter ist nach der Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes leichte Fahrlässigkeit zu verstehen, die dann vorliegt, wenn ein Fehler unterläuft, den gelegentlich auch ein sorgfältiger Mensch begeht (vgl. VfSlg. 9817/1983, 11706/1988).

Der Antrag setzt jedoch voraus, daß sich das unvorhergesehene und unabwendbare Ereignis, das behauptetermaßen den Antragsteller an der Vornahme einer befristeten Prozeßhandlung hinderte, vor Ablauf der Frist ereignet haben muß.

2. Im vorliegenden Fall erweist sich aber schon aus dem eigenen Vorbringen des Wiedereinsetzungswerbers, daß er innerhalb der Frist, die ihm zur Erhebung einer Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof offenstand - wie sich aus dem an den Verwaltungsgerichtshof gerichteten Antrag auf Bewilligung der Verfahrenshilfe ergibt, ist der angefochtene Bescheid dem Beschwerdeführer spätestens am 14. November 1995 tatsächlich zugekommen (§7 ZustellG) - ausschließlich um Bewilligung der Verfahrenshilfe zur Erhebung einer Beschwerde an den Verwaltungsgerichtshof ansuchte.

Die Bewilligung einer Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zur Erhebung der Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof wäre jedoch nur dann möglich, wenn der Beschwerdeführer durch ein unvorhergesehenes oder unabwendbares Ereignis aus der Zeit vor Ablauf der sechswöchigen Frist ab Zustellung des angefochtenen Bescheides, gehindert gewesen wäre, beim Verfassungsgerichtshof Beschwerde gemäß Art144 B-VG zu erheben oder einen Antrag auf Bewilligung der Verfahrenshilfe zur Beschwerdeeinbringung an den Verfassungsgerichtshof zu stellen. Da das Vorliegen eines solchen Ereignisses vom Wiedereinsetzungswerber nicht einmal behauptet wurde, ist dem Antrag auf Bewilligung der Wiedereinsetzung in den vorigen Stand daher schon aus diesem Grunde der Erfolg zu versagen. Soweit er sich darauf beruft, daß er rechtsunkundig sei und sich daher des Unterschiedes zwischen Verwaltungsgerichtshof und Verfassungsgerichtshof nicht bewußt gewesen sei, ändert das an diesem Ergebnis nichts. Dieses Vorbringen ist nicht geeignet, das Vorliegen der für die Bewilligung der Wiedereinsetzung in den vorigen Stand erforderlichen Voraussetzungen darzutun, da ein Rechtsirrtum über das Bestehen einer Beschwerdemöglichkeit an den Verfassungsgerichtshof nicht als unvorhergesehenes oder unabwendbares Ereignis, das nach den §§33 und 35 Abs1 VerfGG 1953 iVm §146 Abs1 erster Satz ZPO die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand rechtfertigen würde, qualifiziert werden kann (vgl. VfSlg. 13924/1994). Denn grundsätzlich kommt im Tatbestand der Wiedereinsetzung in den vorigen Stand dem Begriff "Ereignis" eine besondere Bedeutung zu. Ein Rechtsirrtum, in dem die Partei befangen war, ist kein Ereignis, das eine Wiedereinsetzung zu rechtfertigen vermag (vgl. VfSlg. 1562/1947, 3537/1959, 5629/1967, 7035/1973). Schon aus diesem Grund war dem Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand war daher keine Folge zu geben.

3. Angesichts dessen erübrigt es sich, auf das weitere Vorbringen in diesem Antrag näher einzugehen, wonach "der Fehler, daß nämlich eine Beschwerde an einen Gerichtshof verfaßt und geschickt wurde, für den es keine Bestellung zum Verfahrenshelfer gab," auf ein Versehen einer Kanzleimitarbeiterin in der Rechtsanwaltskanzlei der im verwaltungsgerichtlichen Verfahren zur Verfahrenshelferin bestellten Rechtsanwältin zurückzuführen sei. Dieses Vorbringen wäre übrigens auch völlig unglaubwürdig! Noch im oben erwähnten Schriftsatz vom 14. Mai 1996 beruft sich nämlich diese Rechtsanwältin im verfassungsgerichtlichen Verfahren ausdrücklich auf den Beschluß des Verwaltungsgerichtshofes vom 27. November 1995, mit dem sie im verwaltungsgerichtlichen Verfahren zur Verfahrenshelferin bestellt wurde. Für den Verfassungsgerichtshof erhellt daraus, daß auch sie - jedenfalls im Zeitpunkt der Abfassung des Schriftsatzes - dem Rechtsirrtum unterlag, daß die Bewilligung der Verfahrenshilfe durch den Verwaltungsgerichtshof auch für das verfassungsgerichtliche Verfahren Wirkung entfalte!

III. Die am 23. April 1996 eingebrachte Beschwerde nach Art144 B-VG war wegen Versäumung der sechswöchigen Beschwerdefrist (§82 Abs1 VerfGG) zurückzuweisen; der Antrag auf Abtretung der Beschwerde an den Verwaltungsgerichtshof war bei diesem Ergebnis abzuweisen.

IV. Der unter einem mit dem Wiedereinsetzungsantrag am 25. Mai 1996 eingebrachte Antrag auf Bewilligung der Verfahrenshilfe war somit ebenso wegen Versäumung der sechswöchigen Beschwerdefrist (§82 Abs1 VerfGG) zurückzuweisen.

V. Diese Beschlüsse konnten gemäß §33 zweiter Satz und §19 Abs3 Z2 litb VerfGG ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung gefaßt werden.

Schlagworte

VfGH / Wiedereinsetzung, VfGH / Verfahrenshilfe, VfGH / Fristen

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VFGH:1998:B1387.1996

Dokumentnummer

JFT_10019776_96B01387_00
Quelle: Verfassungsgerichtshof VfGH, http://www.vfgh.gv.at
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