TE Lvwg Erkenntnis 2017/11/2 LVwG-2017/26/2178-1

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Veröffentlicht am 02.11.2017
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Entscheidungsdatum

02.11.2017

Index

L82007 Bauordnung Tirol;
40/01 Verwaltungsverfahren;

Norm

BauO Tir 2011 §2 Abs1
BauO Tir 2011 §27 Abs10 lita
BauO Tir 2011 §39 Abs6
AVG §18 Abs4
AVG §58 Abs1
AVG §58 Abs3

Text

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Landesverwaltungsgericht Tirol hat durch seinen Richter Dr. Maximilian Aicher über die Beschwerde von A und BA, beide vertreten durch RA CC, Adresse 1, **** Y, gegen den Bescheid des Bürgermeisters der Gemeinde Z vom 22.06.2017, Zl ****, betreffend die Verpflichtung zur Errichtung einer Absturzsicherung sowie ein Benützungsverbot auf dem Gst **1 KG Z,

zu Recht erkannt:

1.   Gemäß § 28 VwGVG wird der Beschwerde Folge gegeben und der angefochtene Bescheid ersatzlos behoben.

2.   Gegen dieses Erkenntnis ist gemäß § 25a VwGG eine ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art 133 Abs 4 B-VG unzulässig.

R e c h t s m i t t e l b e l e h r u n g

Gegen diese Entscheidung kann binnen sechs Wochen ab der Zustellung Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof, Freyung 8, 1010 Wien, oder außerordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof erhoben werden. Die Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof ist direkt bei diesem, die außerordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof ist beim Landesverwaltungsgericht Tirol einzubringen.

Die genannten Rechtsmittel sind von einem bevollmächtigten Rechtsanwalt bzw einer bevollmächtigten Rechtsanwältin abzufassen und einzubringen und es ist eine Eingabegebühr von Euro 240,00 zu entrichten.

Sie haben die Möglichkeit, auf die Revision beim Verwaltungsgerichtshof und die Beschwerde beim Verfassungsgerichtshof zu verzichten. Ein solcher Verzicht hat zur Folge, dass eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof und eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof nicht mehr erhoben werden können.

E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e

I.       Sachverhalt und Beschwerdevorbringen:

1)

Mit dem nunmehr in der Beschwerde als Bescheid bezeichneten „Schreiben“ des Bürgermeisters der Gemeinde Z vom 22.06.2017, Zl ****, wurden die Beschwerdeführer als Grundeigentümer des Gst **1 KG Z verpflichtet, eine Absturzsicherung auf diesem Grundstück zu errichten. Zugleich wurde die Benützung der betroffenen Gartenfläche bis zur Errichtung dieser Absturzsicherung gemäß OIB-Richtlinie untersagt.

Als Frist für die Ausführung der Absturzsicherung wurden vier Wochen festgesetzt.

Zur Begründung ihrer Entscheidung führte die belangte Behörde lediglich aus, dass der Nachbar am selben Tag bei der belangten Behörde vorstellig geworden sei und festgestellt habe, dass er sich für die Errichtung einer Absturzsicherung auf seinem tiefer gelegenen Grundstück **2 KG Z nicht zuständig erkläre. Es gehe in diesem Falle um die Sicherheit von Personen, die sich im Garten aufhielten (Gefahr in Verzug!). Vor Ausführung der Absturzsicherung müsse die Grundgrenze des Grundstücks der Beschwerdeführer (Gst **1) zum Grundstück des Nachbarn (Gst **2) von einer hiefür befugten Person kenntlich gemacht werden.

2)

Gegen diese Entscheidung richtet sich die vorliegende Beschwerde der rechtsfreundlich vertretenen Beschwerdeführer A und BA, mit welcher der bekämpfte Bescheid zur Gänze angefochten wird.

Zur Begründung ihres Rechtsmittels führten die Beschwerdeführer zusammengefasst aus, dass sie je zur Hälfte Eigentümer der Liegenschaft EZ **, bestehend aus Grundstück **1, seien. Auf dem Grundstück **2 befinde sich in einem Abstand von 30 bis 40 cm zur Grenze des Grundstückes **1 eine circa 3 bis 4 m hohe Mauer. Das Gelände des Nachbargrundstückes liege also 3 bis 4 m tiefer als jenes des Grundstückes der Beschwerdeführer. Auf der innerhalb des Nachbargrundstückes bestehenden Mauer befinde sich ein Zaun, welcher jedoch weder die nach OIB-Richtlinie 4 vorgeschriebene Höhe von 1 m noch eine ausreichende Festigkeit aufweise.

Mit dem angefochtenen Bescheid seien die Beschwerdeführer verpflichtet worden, eine Absturzsicherung zu errichten und sei ihnen die Benützung der betroffenen Gartenfläche auf ihrem Grundstück bis zur Errichtung dieser Absturzsicherung untersagt worden. Dass dies lediglich in der äußeren Form eines Schreibens geschehen sei, ändere nichts daran, dass dieses Schreiben Bescheidcharakter habe. Aus dem Wortlaut ergebe sich kein Zweifel, dass in diesem Schreiben die belangte Behörde verbindliche normative Anordnungen treffen habe wollen und getroffen habe.

Für diese Anordnung bestehe aber keine Rechtsgrundlage. Der Garten sei keine bauliche Anlage, weshalb es keine Grundlage dafür gebe, dass die Behörde den Beschwerdeführern den Auftrag erteilen könnte, dort eine Absturzsicherung anzubringen, gleichermaßen sei die Behörde nicht berechtigt, ihnen die Benützung des Gartens zu untersagen.

II.      Rechtslage:

Für den Gegenstandsfall sind folgende Bestimmungen der Tiroler Bauordnung 2011 (TBO), LGBl Nr 57/2011, letztmalig geändert durch das Gesetz LGBl Nr 32/2017, relevant:

„§ 2

Begriffsbestimmungen

(1)      Bauliche Anlagen sind mit dem Erdboden verbundene Anlagen, zu deren fachgerechten Herstellung bautechnische Kenntnisse erforderlich sind.

§ 27

Baubewilligung

(10) Ergibt sich nach der Erteilung der Baubewilligung, dass trotz bewilligungsgemäßer Ausführung des Bauvorhabens eine Gefahr für das Leben oder die Gesundheit von Menschen besteht, so hat die Behörde dem Inhaber der Baubewilligung mit schriftlichem Bescheid

a)       andere oder zusätzliche Auflagen im Sinn des Abs. 7 vorzuschreiben oder

b)       in den Fällen des § 3 Abs. 2 erster Satz oder 3 gegebenenfalls auch die Vorlage eines Sicherheitskonzeptes oder die Änderung eines bestehenden Sicherheitskonzeptes aufzutragen; dabei ist auf die Rechtsfolge nach Abs. 11 dritter und vierter Satz hinzuweisen.

Diese Maßnahmen sind nur insoweit zulässig, als der mit den Auflagen bzw. dem Sicherheitskonzept oder seiner Änderung verbundene Aufwand in einem vertretbaren Verhältnis zum damit erzielbaren Erfolg steht.

§ 39

Herstellung des gesetzmäßigen Zustandes

(6) Die Behörde hat dem Eigentümer einer baulichen Anlage oder, wenn diese durch einen Dritten benützt wird, diesem deren weitere Benützung ganz oder teilweise zu untersagen,

a)   wenn er sie benützt, obwohl es sich um ein bewilligungspflichtiges Bauvorhaben handelt, für das eine Baubewilligung nicht vorliegt,

b)   wenn er sie benützt, obwohl es sich um ein anzeigepflichtiges Bauvorhaben handelt, das ohne eine entsprechende Bauanzeige, erheblich abweichend von der Bauanzeige oder ungeachtet einer Untersagung nach § 23 Abs. 3 fünfter Satz ausgeführt wurde,

c)   wenn er sie zu einem anderen als dem bewilligten bzw. dem aus der baulichen Zweckbestimmung hervorgehenden Verwendungszweck benützt,

d)   wenn er eine bauliche Anlage, die keiner Benützungsbewilligung nach § 38 Abs. 1 bedarf, ohne Vorliegen der Voraussetzungen nach § 37 Abs. 2 oder ungeachtet des Vorliegens der Voraussetzungen nach § 39 Abs. 1 dritter Satz benützt,

e)   wenn er ein Gebäude im Sinn des § 38 Abs. 1 ohne Vorliegen einer Benützungsbewilligung benützt,

f)   wenn einem Auftrag nach § 27 Abs. 11 dritter oder vierter Satz nicht oder nicht ausreichend entsprochen wird,

g)   wenn er einen Wohnsitz entgegen dem § 13 Abs. 3 oder 7 des Tiroler Raum-ordnungsgesetzes 2016 als Freizeitwohnsitz oder ungeachtet des Erlöschens seiner Eigenschaft als Freizeitwohnsitz (§ 16 des Tiroler Raumordnungsgesetzes 2016) weiter als Freizeitwohnsitz verwendet oder

h)   wenn er im Rahmen einer Hofstelle entgegen dem § 44 Abs. 9 erster Satz oder 10 des Tiroler Raumordnungsgesetzes 2016 eine gewerbliche Tätigkeit ausübt, und zwar hinsichtlich der weiteren Ausübung dieser Tätigkeit.

Im Fall der Untersagung der weiteren Benützung hat die Behörde dem Eigentümer der baulichen Anlage erforderlichenfalls geeignete Maßnahmen zur Durchsetzung dieses Verbotes, wie eine entsprechende Beschilderung, die Anbringung von Absperrungen und dergleichen, aufzutragen. Bei Gefahr im Verzug kann die Behörde die bauliche Anlage durch Ausübung unmittelbarer Befehls- und Zwangsgewalt räumen.

…“

Weiters ist folgende Bestimmung des Allgemeinen Verwaltungsverfahrensgesetzes 1991 (AVG), BGBl Nr 51/1991 idgF, entscheidungswesentlich:

㤠58

Inhalt und Form der Bescheide

(1) Jeder Bescheid ist ausdrücklich als solcher zu bezeichnen und hat den Spruch und die Rechtsmittelbelehrung zu enthalten.

(2) Bescheide sind zu begründen, wenn dem Standpunkt der Partei nicht vollinhaltlich Rechnung getragen oder über Einwendungen oder Anträge von Beteiligten abgesprochen wird.

(3) Im übrigen gilt auch für Bescheide § 18 Abs. 4.“

III.    Erwägungen:

1)

Im vorliegenden Fall war zunächst die Frage zu klären, ob das mit Beschwerde angefochtene „Schreiben“ der belangten Behörde vom 22.06.2017, Zl ****, einen Bescheid darstellt.

Nach § 58 Abs 1 AVG ist jeder Bescheid ausdrücklich als solcher zu bezeichnen und hat den Spruch und die Rechtsmittelbelehrung zu enthalten. Bescheide sind zu begründen, wenn dem Standpunkt der Partei nicht vollinhaltlich Rechnung getragen oder über Einwendungen oder Anträge von Beteiligten abgesprochen wird (Abs 2).

Weiters ordnet § 58 Abs 3 iVm § 18 Abs 4 AVG bezüglich schriftlicher Ausfertigungen von Bescheiden ausdrücklich an, dass sie die Bezeichnung der Behörde, das Datum der Genehmigung sowie den Namen des Genehmigenden zu enthalten haben und grundsätzlich entweder von diesem zu unterzeichnen oder von der Kanzlei zu beglaubigen sind.

Die in diesen Bestimmungen normierten Voraussetzungen sind gegenständlich weitgehend erfüllt, jedoch ist das vorliegende „Schreiben“ des Bürgermeisters der Gemeinde Z vom 22.06.2017, Zl ****, weder als Bescheid bezeichnet noch enthält es eine Rechtsmittelbelehrung.

Nach der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes in Wien stellt jedoch die Rechtsmittelbelehrung eines Bescheides keinen normativen Abspruch dar, der der Rechtskraft fähig wäre (vgl das Erkenntnis des VwGH vom 23.04.1990, Zl 90/10/0051). Enthält eine Erledigung eindeutig einen normativen Abspruch, so ist das Fehlen von Rechtsmittelbelehrung (und Begründung [§ 56 Rz 8, § 60 Rz 2]) sowie der Gliederung der Erledigung nach Spruch und Begründung für deren Bescheidcharakter nicht entscheidend (vgl Hengstschläger/Leeb, AVG § 58, Rz 11).

Für den Bescheidcharakter einer behördlichen Erledigung sind nicht nur die äußere Form, sondern auch der Inhalt maßgebend; eine Erledigung, die nicht die Form eines Bescheides aufweist, ist dann ein Bescheid, wenn sie nach ihrem deutlich erkennbaren objektiven Gehalt eine Verwaltungsangelegenheit normativ regelt, also für den Einzelfall Rechte oder Rechtsverhältnisse bindend gestaltet oder feststellt (vgl. etwa VfSlg 12.753 und die Erkenntnisse des Verfassungsgerichtshofes vom 8. Oktober 2009, B 1776/08 u.a., und vom 1. März 2010, B 570/09 u.a., jeweils mit weiteren Nachweisen; vgl. weiters aus der VwGH-Rechtsprechung etwa die Erkenntnisse vom 21. März 2007, Zl. 2004/05/0240, mit weiteren Nachweisen, und vom 4. Februar 2009, Zl. 2008/12/0059).

Wenn nach der anzuwendenden Rechtslage überhaupt kein Bescheid zu erlassen war, ist nicht anzunehmen, dass einem formlosen Schreiben Bescheidqualität inne wohnt. Ob eine Erledigung, die nicht als Bescheid bezeichnet ist, inhaltlich dennoch als Bescheid zu werten ist, ist vor dem Hintergrund der geltenden Rechtslage zu beurteilen (vgl das Erkenntnis des VwGH vom 06.10.2010, Zl 2008/19/0527 mwN).

Allerdings setzt der Bescheidcharakter einer Erledigung voraus, dass die Verwaltungsbehörde ihren Bescheidwillen, dh ihren Willen, hoheitlich und in förmlicher Weise über Rechtsverhältnisse individuell bestimmter Personen abzusprechen, auch in der Erledigung entsprechend zum Ausdruck bringt (§ 56 Rz 16). Die Bedeutung der in § 58 Abs 1 und 2 AVG genannten Formalbestandteile erschöpft sich insofern darin, dass ihr Vorliegen bzw ihr (rechtswidriges) Fehlen – nach der Rsp des VwGH allen voran die ausdrückliche Bezeichnung als Bescheid – bei der Beantwortung dieser Frage mit ins Kalkül zu ziehen sind (vgl Hengstschläger/Leeb, AVG § 58, Rz 3).

Mit Blick auf die vorstehenden Erwägungen und unter Berücksichtigung der zitierten Judikatur kann daher gefolgert werden, dass das gegenständliche „Schreiben“ normativen Charakter aufweist, da den Betroffenen eine Verpflichtung zur Errichtung einer Absturzsicherung auferlegt und ihnen die Benützung der Gartenfläche auf ihrem Grundstück untersagt wurde und sohin Rechte bzw Rechtsverhältnisse bindend gestaltet wurden. Überdies wurde zur Erfüllung der geforderten Leistung eine Frist festgesetzt.

Das entscheidende Verwaltungsgericht geht sohin in Übereinstimmung mit der Argumentation der Rechtsmittelwerber davon aus, dass das „Schreiben“ der belangten Behörde vom 22.06.2017, Zl ****,

-   mit welchem die Beschwerdeführer als Grundeigentümer des Gst **1 KG Z verpflichtet wurden, eine Absturzsicherung auf diesem Grundstück zu errichten, und

-   mit dem ihnen die Benützung der betroffenen Gartenfläche bis zur Errichtung dieser Absturzsicherung untersagt wurde,

einen Bescheid darstellt, da die belangte Behörde mit diesem „Schreiben“ eindeutig verbindliche normative Anordnungen treffen wollte – daher auch der geforderte Bescheidwille zum Ausdruck kommt - und auch getroffen hat.

Es verbleibt sohin für das erkennende Verwaltungsgericht, die bekämpfte Verpflichtung zur Errichtung der Absturzsicherung sowie die Benützungsuntersagung in Bezug auf die Gartenfläche auf dem Gst **1 KG Z inhaltlich zu überprüfen.

2)

Die Rechtsmittelwerber monieren in ihrer Beschwerde, dass es für die von der belangten Behörde aufgetragene Verpflichtung zur Errichtung der Absturzsicherung keine rechtliche Grundlage gebe.

Im bekämpften Bescheid ist jedenfalls keine gesetzliche Bestimmung angeführt, auf die sich diese Verpflichtung stützen würde.

Eine allenfalls denkbare Rechtsgrundlage für die strittige Anordnung der belangten Behörde könnte in der Bestimmung des § 27 Abs 10 lit a TBO 2011 erblickt werden:

Nach dieser gesetzlichen Regelung hat die Behörde nämlich dem Inhaber der Baubewilligung mit schriftlichem Bescheid andere oder zusätzliche Auflagen im Sinn des Abs 7 vorzuschreiben, wenn sich nach der Erteilung der Baubewilligung ergibt, dass trotz bewilligungsgemäßer Ausführung des Bauvorhabens eine Gefahr für das Leben oder die Gesundheit von Menschen besteht.

Voraussetzung ist aber, dass die Gefahr für Leben und Gesundheit von Menschen trotz Einhaltung der im Genehmigungsbescheid normierten Auflagen entsteht. Werden diese Auflagen vom Bauwerber nicht erfüllt, sind die unterschiedlichen Maßnahmen zur Herstellung des rechtmäßigen Zustands von der Behörde zu ergreifen (Verwaltungsstrafverfahren, Verfahren nach § 39).

Die Behörde muss die Grundlagen für die Erteilung zusätzlicher Auflagen – in der Regel anhand von Sachverständigengutachten - ermitteln und begründen. Nachträgliche Auflagen sind nur zulässig, wenn nachweislich eine Gefahr für das Leben und die Gesundheit von Menschen besteht.

Eine abstrakte Gefährdungslage reicht zur Vorschreibung nachträglicher Auflagen grundsätzlich nicht aus (VwGH 21.11.2003, 2003/02/0175), es muss eine konkrete Gefahr bestehen, die die Behörde benennen und beschreiben muss. Gefahr in Verzug, dh eine akut bestehende Gefährdung, ist aber nicht vorausgesetzt (VwGH 5.11.1991, 91/04/0136 zur GewO).

An dieser Stelle ist festzuhalten, dass bauliche Anlagen gemäß § 2 Abs 1 TBO 2011 mit dem Erdboden verbundene Anlagen sind, zu deren fachgerechten Herstellung bautechnische Kenntnisse erforderlich sind.

Mit dem bekämpften Bescheid wurden die Beschwerdeführer als Grundeigentümer des Gst **1 KG Z verpflichtet, eine Absturzsicherung auf diesem Grundstück zu errichten, da es im gegenständlichen Fall um die Sicherheit von Personen, die sich in dem Garten aufhielten, gehe.

Ein Garten bzw eine Gartenfläche ist jedoch keine bauliche Anlage im Sinne des § 2 Abs 1 TBO 2011.

Hinzu kommt, dass nach dem Ausweis der dem erkennenden Verwaltungsgericht vorgelegten Aktenunterlagen vom Grundstück der Beschwerdeführer und den darauf errichteten baulichen Anlagen keine Gefahr für das Leben und die Gesundheit von Menschen ausgeht, da sich aus dem Akteninhalt ergibt, dass der relevante Niveauunterschied erst - in einem gewissen Abstand zum Grundstück der Beschwerdeführer **1 - auf dem Nachbargrundstück **2 beginnt.

Gerade in diesem Niveauunterscheid hat die belangte Behörde die verfahrensmaßgebliche Gefahr für das Leben und die Gesundheit von Menschen erblickt, die sie zu ihrem Einschreiten gemäß dem streitverfangenen „Schreiben“ vom 22.06.2017 veranlasste.

Ein die Beschwerdeführer als Eigentümer des Grundstückes **1 KG Z und der darauf befindlichen Bauwerke betreffender Anwendungsfall des § 27 Abs 10 lit a TBO 2011 kann demgemäß vorliegend nicht angenommen werden.

Daher kann den Rechtsmittelwerbern als Eigentümern des Grundstückes **1 keine Anordnung zur Errichtung einer Absturzsicherung erteilt werden.

3)

Davon ausgehend hat der Bürgermeister der Gemeinde Z zu Unrecht eine Benützungsuntersagung für die betroffene Gartenfläche auf dem Grundstück der Rechtsmittelwerber ausgesprochen. Auch diesbezüglich wird im bekämpften Bescheid keine Rechtsgrundlage angeführt.

Nach § 39 Abs 6 TBO 2011 hat die Behörde in den dort aufgezählten Fällen dem Eigentümer einer baulichen Anlage oder, wenn diese durch einen Dritten benützt wird, diesem deren weitere Benützung ganz oder teilweise zu untersagen.

Nach dem klaren Gesetzeswortlaut des § 39 Abs 6 TBO 2011 ist die darin geregelte Benützungsuntersagung auf bauliche Anlagen bezogen.

Wie bereits vorstehend ausgeführt, handelt es sich bei einem Garten bzw bei einer Gartenfläche um keine bauliche Anlage im Sinne der TBO 2011.

Im Gegenstandsfall ist zudem nicht hervorgekommen, dass ein in § 39 Abs 6 TBO 2011 angeführter Fall gegeben wäre, die Beschwerdeführer also etwa ihr baurechtlich genehmigtes Vorhaben auf dem Gst **1 KG Z (Errichtung eines Wohnhauses mit Garage) in irgendeiner Weise ohne oder abweichend vom dafür erteilten Baukonsens ausgeführt haben oder ein sonstiger Anwendungsfall der angeführten Gesetzesbestimmung vorliegen würde.

Den Eigentümern der verfahrensbetroffenen Gartenfläche, sohin den Beschwerdeführern, kann daher die Benützung derselben nicht gemäß § 39 Abs 6 TBO 2011 untersagt werden.

Dementsprechend erging die Anordnung der belangten Behörde an die Rechtsmittelwerber, einen Teil ihrer Gartenfläche nicht zu benützen, rechtlich unzutreffend und mangelt es dem angefochtenen Bescheid an einer entsprechenden Rechtsgrundlage.

Daher erweist sich die gegenständliche Beschwerde als berechtigt und war infolgedessen der angefochtene Bescheid ersatzlos zu beheben.

IV.      zum Absehen von einer mündlichen Beschwerdeverhandlung:

Die Beschwerdeführer haben in ihrem Rechtsmittelschriftsatz vom 17.07.2017 keinen Antrag auf Durchführung einer mündlichen Verhandlung vor dem Landesverwaltungsgericht Tirol gestellt, wie dies in § 24 Abs 3 VwGVG vorgesehen ist.

Auch die belangte Behörde hat in ihrem Vorlageschreiben vom 14.09.2017 keinen derartigen Antrag eingebracht.

In der vorliegenden Rechtssache konnte von einer mündlichen Rechtsmittelverhandlung schon deshalb abgesehen werden, weil in der gegenständlichen Beschwerdesache ausschließlich Rechtsfragen zu beantworten waren, welche sich anhand der in der vorliegenden Beschwerdeentscheidung zitierten Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes einer eindeutigen Beantwortung zuführen ließen.

Auf der Tatsachenebene war im Gegenstandsfall nach Meinung des erkennenden Gerichts keine weitere Erhebung vorzunehmen, da der Sachverhalt in den entscheidungsrelevanten Punkten als unbestritten und geklärt angesehen werden kann.

Eine mündliche Erörterung ließ daher eine weitere Klärung der vorliegenden Rechtssache nicht erwarten, einem Entfall der Verhandlung standen demgemäß weder Art 6 Abs 1 EMRK noch Art 47 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union entgegen (vgl dazu § 24 Abs 4 VwGVG und etwa die beiden Erkenntnisse des Verwaltungsgerichtshofes in Wien vom 03.10.2013, Zl 2012/06/0221, und vom 21.03.2014, Zl 2011/06/0024).

Schließlich liegen im Gegenstandsfall die Voraussetzungen des § 24 Abs 2 Z 1 zweiter Fall VwGVG für den Entfall der Rechtsmittelverhandlung vor, zumal schon aufgrund der gegebenen Aktenlage feststand, dass der mit Beschwerde angefochtene Bescheid aufzuheben war.

V.       Unzulässigkeit der ordentlichen Revision:

Die ordentliche Revision ist unzulässig, da keine Rechtsfrage iSd Art 133 Abs 4 B-VG zu beurteilen war, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes. Weiters ist die dazu vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Ebenfalls liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.

Die in der gegenständlichen Beschwerdesache zu lösenden Rechtsfragen, insbesondere jene, ob das bekämpfte „Schreiben“ der belangten Behörde einen Bescheid darstellt sowie die Fragen, ob sowohl die Verpflichtung zur Errichtung einer Absturzsicherung als auch die Untersagung der Benützung zu Recht ausgesprochen wurden, konnten anhand der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes in Wien einwandfrei einer Beantwortung zugeführt werden.

An die in der vorliegenden Beschwerdeentscheidung aufgezeigte Judikatur des Höchstgerichts hat sich das erkennende Verwaltungsgericht auch gehalten, sodass eine Rechtsfrage grundsätzlicher Bedeutung im Gegenstandsfall für das Landesverwaltungsgericht Tirol nicht hervorgekommen ist.

Landesverwaltungsgericht Tirol

Dr. Maximilian Aicher

(Richter)

Schlagworte

Bescheidqualität; Gartenfläche; baupolizeilicher Auftrag;

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:LVWGTI:2017:LVwG.2017.26.2178.1

Zuletzt aktualisiert am

22.11.2017
Quelle: Landesverwaltungsgericht Tirol LVwg Tirol, https://www.lvwg-tirol.gv.at
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