TE Lvwg Erkenntnis 2017/8/21 VGW-242/021/RP25/5750/2017

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Veröffentlicht am 21.08.2017
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Entscheidungsdatum

21.08.2017

Index

L92009 Sozialhilfe Grundsicherung Mindestsicherung Wien

Norm

WMG §4 Abs3
WMG §14 Abs1

Text

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Verwaltungsgericht Wien hat durch seinen Landesrechtspfleger OAR Neustifter über die Beschwerde des Herrn E. K., Wien, S., gegen den Bescheid des Magistrates der Stadt Wien, Magistratsabteilung 40, Soziales, Sozial- u. Gesundheitsrecht, Region .., Sozialzentrum …, vom 07.03.2017, Zl. MA 40 - SH/2017/01365438-001,

zu Recht e r k a n n t:

Gemäß § 28 Abs. 1 VwGVG wird die Beschwerde als unbegründet abgewiesen und der angefochtene Bescheid bestätigt.

Entscheidungsgründe

Mit dem angefochtenen Bescheid wurde der Antrag des Hilfe suchenden vom 28.11.2016 auf Zuerkennung einer Leistung zur Deckung des Lebensunterhaltes und Wohnbedarfes (Grundbetrag zur Deckung des Wohnbedarfes und Mietbeihilfe) abgewiesen. Als Rechtsgrundlage wurde § 4 des Wiener Mindestsicherungsgesetzes angeführt.

Begründet wurde der Bescheid vor allem damit, dass gemäß § 4 Abs. 3 WMG Personen, die bereits eine für Erwerbszwecke geeignete abgeschlossene Ausbildung oder eine Schulausbildung auf Maturaniveau hätten und ihre Arbeitskraft allein deshalb nicht voll einsetzen könnten, weil sie eine weiterführende Ausbildung absolvieren, ein Anspruch auf Leistungen der bedarfsorientierten Mindestsicherung nicht zustehe.

Der Hilfe suchende habe eine Semesterübersicht vorgelegt. Er besuche Vorlesungen, bei denen keine Anwesenheitspflicht bestehe. Über bereits abgelegte Prüfungen, Dauer und Ausmaß des weiteren Studiums seien keine Angaben gemacht worden. Es sei nicht glaubhaft, dass es während eines zielstrebig verfolgten Studiums möglich sei, dem Arbeitsmarkt voll zur Verfügung zu stehen.

Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes sei mit Abschluss einer höheren Schule mit Reifeprüfung die Erwerbsbefähigung gegeben, weshalb jede darüber hinausgehende Ausbildung keine Voraussetzung für die Erwerbsbefähigung darstelle.

Es sei nicht Aufgabe der Mindestsicherung, einer volljährigen Person, die bereits über eine abgeschlossene Schul- bzw. Berufsausbildung verfüge, durch Gewährung von Leistungen eine weitere (höhere) Ausbildung zu ermöglichen.

Der Hilfe suchende könne seine Arbeitskraft derzeit allein deshalb nicht voll einsetzen, weil er eine weiterführende Ausbildung absolviere. Er erfülle daher nicht die Allgemeinen Anspruchsvoraussetzungen für den Bezug von Leistungen der Mindestsicherung.

Seiner fristgerecht erhobenen Beschwerde legte der Hilfe suchende und nunmehrige Beschwerdeführer eine Kopie von abgelegten Prüfungen und Übungen bei. Dies seien ALLE Übungen, „Studios“(?) und Prüfungen, die eine Anwesenheitsvoraussetzung hätten. Auch eine Liste von noch zu absolvierende Prüfungen legte er als Kopie bei.

Er habe sogar bis 28.11.2016 gewartet, um einen Antrag zu stellen, da er eine Woche davor eine „schriftliche Abgabe“ gehabt hätte. Er hätte sich genauso im Jahr 2015 als arbeitslos anmelden können. Das habe absichtlich nicht gemacht, da er damals noch offene Übungen und „eine Studio“(?) gehabt hätte und nicht 20-40 Stunden Arbeit pro Wochen leisten hätte können.

Da er seine Prüfungen in Wien absolvieren müsse, habe er seine Vollzeitstelle in Tirol im September gekündigt und suche seit dem eine Stelle hier. Wie die belangte Behörde wisse, sei er beim AMS als arbeitslos angemeldet und suche eine Stelle zwischen 20-40 Stunden pro Woche als Verkäufer/Technischer Zeichner. Dass das AMS bis jetzt keine Stelle gefunden habe, sei nicht seine persönliche Schuld.

Er bekomme weiterhin Vermittlungsvorschläge vom AMS und bewerbe sich ständig für offene Stellen. (Dazu legte er eine Kopie seiner AMS-Terminkarte und ein Stellenangebot bei).

Er wünsche daher, dass sein Antrag mit diesen Überlegungen noch einmal bewertet werde.

Beweis wurde erhoben durch Einsicht in den unbedenklichen Administrativakt der belangten Behörde.

Der Beschwerdeführer ist laut aktenkundiger Zentralmelderegisterbestätigung am 17.11.2016 von T. nach Wien, S. (neuer Hauptwohnsitz) gezogen. Laut eigenen Angaben in der Beschwerde hat er eine Vollzeitstelle im September 2016 gekündigt, was hinsichtlich des Endes des Dienstverhältnisses durch einen ebenfalls aktenkundigen Sozialversicherungsauszug unterlegt wird.

Beweiswürdigend ist auszuführen:

Durch die Verlegung des Wohnsitzes und die Kündigung eines Vollbeschäftigungsverhältnisses und die damit nach außen in Erscheinung tretenden Umstände ist ganz offenkundig ersichtlich, dass der Beschwerdeführer der Fortsetzung und dem Abschluss seines Studiums gegenüber einer weiteren Berufstätigkeit unter gleichzeitiger Verlegung des Wohnsitzes nach Wien, wo auch die Technische Universität ihren Sitz hat, den Vorzug eingeräumt hat.

Auch, wenn der Beschwerdeführer versucht, dies dadurch zu relativieren, dass er „sogar bis 28.11.2016 gewartet“ hätte, um seinen Antrag zu stellen, da er eine Woche davor eine „schriftliche Abgabe“ gehabt hätte und er sich genauso im Jahr 2015 als arbeitslos anmelden hätte können und dies absichtlich nicht gemacht hätte, da er damals noch offene Übungen und eine ‚Studio‘(?) gehabt hätte und nicht 20-40 Stunden Arbeit pro Wochen leisten hätte können, vermag dies an der grundsätzlichen Prävalenz für sein Studium nichts zu ändern.

Bei einer vom Beschwerdeführer selbst vorgelegten Liste von insgesamt immerhin noch 18(!) ausgewiesenen offenen Prüfungen erscheint es im Übrigen nicht glaubhaft, dass neben dem Studium bzw. neben der Prüfungsphase Raum für ein Vollbeschäftigungsverhältnis bleibt. Dies wird dadurch unterstrichen, dass der Beschwerdeführer als Arbeitsuchender eine Stelle zwischen 20 und 40 Stunden pro Woche als Verkäufer oder Technischer Zeichner sucht, also dabei zwar eine Vollbeschäftigung (40 Stunden) mit einschließt, jedoch auch eine bloße Teilbeschäftigung ab 20 Stunden. Dieser immerhin bis zu einem halben Vollzeitäquivalent umfassende mögliche Teilbeschäftigungsumfang gibt ebenfalls klar zu erkennen, dass auch aus dieser Sicht klare Präferenz für das Studium gezeigt wird.

Das Verwaltungsgericht Wien hat erwogen:

Das Wiener Mindestsicherungsgesetz lautet auszugsweise:

§ 1.

Ziele und Grundsätze

(1) Die Bedarfsorientierte Mindestsicherung hat zum Ziel, Armut und soziale Ausschließung verstärkt zu bekämpfen und zu vermeiden sowie die dauerhafte Eingliederung oder Wiedereingliederung in das Erwerbsleben weitest möglich zu fördern.

(2) Die Bedarfsorientierte Mindestsicherung erfolgt durch Zuerkennung von pauschalierten Geldleistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts und Wohnbedarfs sowie von den bei Krankheit, Schwangerschaft und Entbindung erforderlichen Leistungen. Auf diese Leistungen besteht ein Rechtsanspruch.

(3) Die Zuerkennung von Leistungen der Bedarfsorientierten Mindestsicherung ist subsidiär. Sie erfolgt nur, wenn der Mindestbedarf nicht durch Einsatz eigener Arbeitskraft, eigener Mittel oder Leistungen Dritter gedeckt werden kann.

(4) Die Bedarfsorientierte Mindestsicherung dient der Beseitigung einer bestehenden Notlage. Sie erfolgt auch vorbeugend, wenn dadurch einer drohenden Notlage entgegengewirkt werden kann. Eine Fortsetzung ist solange möglich, als dies notwendig ist, um die Wirksamkeit und Nachhaltigkeit der Hilfeleistung zu sichern. Die Mindestsicherung hat rechtzeitig einzusetzen. Eine Zuerkennung von Leistungen für die Vergangenheit ist nicht möglich.

§ 4.

Allgemeine Anspruchsvoraussetzungen

(1) Anspruch auf Leistungen der Bedarfsorientierten Mindestsicherung hat, wer

1. zum anspruchsberechtigten Personenkreis (§ 5 Abs. 1 und 2) gehört,

2. seinen Lebensmittelpunkt in Wien hat, sich tatsächlich in Wien aufhält und seinen Lebensunterhalt in Wien bestreiten muss,

3. die in § 3 definierten Bedarfe nicht durch den Einsatz seiner Arbeitskraft, mit eigenen Mitteln oder durch Leistungen Dritter abdecken kann,

4. einen Antrag stellt und am Verfahren und während des Bezuges von Leistungen der Bedarfsorientierten Mindestsicherung entsprechend mitwirkt.

(2) Ein Anspruch auf Mindestsicherung des Lebensunterhalts und Wohnbedarfs einschließlich Mietbeihilfe besteht ab einem errechneten Mindestbetrag von fünf Euro monatlich.

(3) Personen, die bereits eine für Erwerbszwecke geeignete abgeschlossene Ausbildung oder eine Schulausbildung auf Maturaniveau haben und ihre Arbeitskraft allein deshalb nicht voll einsetzen können, weil sie eine weiterführende Ausbildung absolvieren, steht ein Anspruch auf Leistungen aus der Bedarfsorientierten Mindestsicherung nicht zu.

§ 6.

Pflichten der Hilfe suchenden oder empfangenden Personen

Hilfe suchende oder empfangende Personen haben nach Maßgabe der gesetzlichen Bestimmungen

1. zur Abwendung und Beseitigung der Notlage ihre Arbeitskraft einzusetzen,

2. an arbeitsintegrativen Maßnahmen teilzunehmen,

3. eigene Mittel vorsorglich und zweckmäßig einzusetzen,

4. Ansprüche, die der Deckung der Bedarfe nach diesem Gesetz dienen, nachhaltig zu verfolgen, soweit dies nicht offensichtlich aussichtslos, unzumutbar oder mit unverhältnismäßigem Kostenrisiko verbunden ist,

5. zuerkannte Leistungen zweckentsprechend, das heißt zur Abdeckung der Bedarfe für die sie zuerkannt wurden, zu verwenden und

6. ihre Mitwirkungspflichten im Verfahren und während des Bezuges von Leistungen zu erfüllen.

§ 14.

Einsatz der Arbeitskraft

Mitwirkung an arbeitsintegrativen Maßnahmen

(1) Hilfe suchende oder empfangende Personen sind verpflichtet, zumutbare Beschäftigungen anzunehmen, sich nach- oder umschulen zu lassen, an einer Maßnahme zur Wiedereingliederung in den Arbeitsmarkt teilzunehmen und von sich aus alle zumutbaren Anstrengungen zur Erlangung einer Beschäftigung zu unternehmen. Diese Pflichten bestehen insbesondere auch dann, wenn mit einer ausgeübten Beschäftigung der Lebensunterhalt und Wohnbedarf nicht gedeckt werden kann oder das volle Beschäftigungsausmaß nicht erreicht wird. Wenn die Hilfe suchende oder empfangende Person nach angemessener Frist keinen geeigneten Arbeitsplatz erlangen kann, ist sie verpflichtet, auch Arbeitsmöglichkeiten zu ergreifen, die nicht unmittelbar ihrer beruflichen Eignung und Vorbildung entsprechen, die ihr jedoch im Hinblick auf diese zugemutet werden können. Bei weiter andauernder Arbeitslosigkeit ist sie verpflichtet, andere Arbeitsmöglichkeiten zu ergreifen, auch wenn sie nicht der beruflichen Eignung und Vorbildung entsprechen.

(2) Der Einsatz der eigenen Arbeitskraft darf nicht verlangt werden von Personen, die

1. das Regelpensionsalter nach dem ASVG erreicht haben,

2. erwerbsunfähig sind,

3. Betreuungspflichten gegenüber Kindern haben, welche das dritte Lebensjahr noch nicht vollendet haben und keiner Beschäftigung nachgehen können, weil keine geeigneten Betreuungsmöglichkeiten zur Verfügung stehen,

4. pflegebedürftige Angehörige, welche ein Pflegegeld mindestens der Stufe 3 beziehen, überwiegend betreuen,

5. Sterbebegleitung oder Begleitung von schwersterkrankten Kindern (§§ 14a, 14b Bundesgesetz, mit dem arbeitsvertragsrechtliche Bestimmungen an das EG-Recht angepasst, Arbeitsvertragsrechts-Anpassungsgesetz– AVRAG, und das Angestelltengesetz, das Gutsangestelltengesetz und das Hausgehilfen- und Hausangestelltengesetz geändert werden) leisten,

6. in einer bereits vor Vollendung des 18. Lebensjahres begonnenen und zielstrebig verfolgten Erwerbs- oder Schulausbildung stehen, sofern sie noch keine abgeschlossene Erwerbsausbildung oder Schulausbildung auf Maturaniveau haben.

Diese Rechtslage führt beim folgenden entscheidungsrelevanter Sachverhalt zwangsläufig zur Ablehnung des Mindestsicherungsantrages bzw. nunmehr des Beschwerdezieles:

Der Beschwerdeführer hat seinen Wohnsitz unter Kündigung eines Vollbeschäftigungsverhältnisses in Tirol zumindest stark überwiegend für Zwecke der Fortsetzung und des Abschlusses eines Studiums an der in Wien ansässigen Technischen Universität nach Wien verlegt. Es besteht lediglich Bereitschaft, eine Beschäftigung zwischen 20 und 40 Wochenstunden - und auch das nur beschränkt auf die Tätigkeitsfelder eines Verkäufers oder eines Technischen Zeichners (letzteres kann auch durchaus als studieneinschlägig bezeichnet werden) - anzunehmen. Eindeutige (und einzig erforderliche) Bereitschaft zur Vollbeschäftigung besteht nicht.

Versuche des Beschwerdeführers, im Lichte der Nachrangigkeit (Subsidiarität) der bedarfsorientierten Mindestsicherung Ansprüche gegenüber Dritten (z.B. Unterhaltsansprüche) geltend zu machen oder durchzusetzen, sind nicht aktenkundig.

Hinzu kommt, dass der Beschwerdeführer in der Beschwerdeschrift ausführt, dass es „nicht seine persönliche Schuld“ sei, „dass das AMS bis jetzt keine Stelle gefunden“ habe. Offensichtlich betrachtet der Beschwerdeführer es als die ausschließliche Pflicht des AMS, ihm einen Arbeitsplatz zu vermitteln. Dass das AMS letztlich dazu berufen ist, IHM bei der Vermittlung eines Arbeitsplatzes zwar behilflich zu sein, es letztlich aber vor allem im Interesse und wohl auch in der Hand des Beschwerdeführers selbst liegt, für sich einen Arbeitsplatz zu finden und dabei Bereitschaft zur Vollbeschäftigung, und zwar durchaus auch in Bereichen, die nicht seiner Ausbildung entsprechen, wird dabei freilich ebenso übersehen, wie § 14 Abs. 1 WMG übersehen („…und von sich aus alle zumutbaren Anstrengungen zur Erlangung einer Beschäftigung zu unternehmen“).

Im konkreten Fall reicht es daher nicht aus, wenn der Beschwerdeführer mit seiner Terminkarte nachweist, dass er zwar Termine beim AMS wahrnimmt und sich allenfalls um vom AMS bekannt gegebene Stellenangebote bewirbt, von sich aus jedoch nicht alle zumutbaren Anstrengungen zur Erlangung einer (Voll-) Beschäftigung unternimmt.

Um Missverständnisse zu vermeiden, sei hier erwähnt, dass es gesellschaftlich durchaus positiv zu sehen ist, wenn sich jemand - wie im vorliegenden Fall der Beschwerdeführer - bemüht, berufliche Zusatzqualifikationen durch Abschluss eines Studiums zu erwerben.

Wie jedoch die belangte Behörde bereits zutreffend sinngemäß ausgeführt hat, ist es aus rechtlicher Sicht gemäß § 4 Abs. 3 WMG nicht Aufgabe der Bedarfsorientierten Mindestsicherung, die Erlangung dieser Zusatzqualifikationen durch Sicherung des Lebensunterhaltes einer volljährigen Person, die bereits über eine abgeschlossene Schul- bzw. Berufsausbildung verfügt während der Zeit, in der man deshalb dem Arbeitsmarkt nicht voll zur Verfügung steht, zu finanzieren.

Es war daher spruchgemäß zu entscheiden.

Schlagworte

Mindestsicherung, Ausbildung, Erwerbszwecke, Weiterbildung, Student, Arbeitsmarkt, Selbstkündigung, Anstrengungen, Vollbeschäftigung

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:LVWGWI:2017:VGW.242.021.RP25.5750.2017

Zuletzt aktualisiert am

21.11.2017
Quelle: Landesverwaltungsgericht Wien LVwg Wien, http://www.verwaltungsgericht.wien.gv.at
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