TE Vwgh Erkenntnis 2017/10/20 Ra 2017/02/0113

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Veröffentlicht am 20.10.2017
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Index

001 Verwaltungsrecht allgemein;
10/07 Verwaltungsgerichtshof;
90/02 Kraftfahrgesetz;

Norm

KFG 1967 §37;
KFG 1967 §79;
KFG 1967 §82 Abs8 idF 2002/I/132;
KFG 1967 §82 Abs8 idF 2014/I/026;
VwGG §42 Abs2 Z1;
VwRallg;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Beck sowie die Hofräte Dr. N. Bachler und Mag. Straßegger als Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Mag. Harrer, über die Revision der Landespolizeidirektion Wien, gegen das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes Wien vom 18. April 2017, Zl. VGW-031/073/1761/2017-7, betreffend Übertretungen des KFG (mitbeteiligte Parteien: 1. S, 2. G KFT, beide in J, beide vertreten durch die Marschall & Heinz Rechtsanwalts-Partnerschaft in 1010 Wien, Goldschmiedgasse 8), zu Recht erkannt:

Spruch

Das angefochtene Erkenntnis in seinen Spruchpunkten II. bis IV. wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Begründung

1 Mit Straferkenntnis der Landespolizeidirektion Wien vom 18. November 2016 wurde der Erstmitbeteiligte als handelsrechtlicher Geschäftsführer der zweitmitbeteiligten Partei wegen sieben Verstößen gegen verschiedene Bestimmungen des KFG schuldig erkannt. Der Spruch des Straferkenntnisses lautet in seinen Punkten 5. bis 7. wie folgt:

"5. Sie haben es bis 29.04.2016 in W als handelsrechtlicher

Geschäftsführer der Firma G(...), nach außen Berufener und somit Vertretung des Zulassungsbesitzers der Firma (G...) unterlassen, den Zulassungsschein und die Kennzeichentafeln der Behörde in deren örtlichen Wirkungsbereich sich das Fahrzeug mit dem ausländischen Kennzeichen K(...) (H) befindet, abzuliefern, obwohl dieses vor mehr als einem Monat von einer Person mit Hauptwohnsitz oder Sitz in Österreich in das Bundesgebiet eingebracht wurde.

6. Sie haben als handelsrechtlicher Geschäftsführer der

Firma G(...) nach außen Berufener und somit Vertretung des Zulassungsbesitzers diese ist Benutzer eines Fahrzeuges mit einem ausländischen Kennzeichen zu verantworten, dass dieses länger als einen Monat nach der Einbringung des Fahrzeuges nach Österreich verwendet wurde, obwohl Fahrzeuge mit ausländischem Kennzeichen, die von Personen mit dem Hauptwohnsitz oder Sitz im in Land in das Bundesgebiet eingebracht und in diesem verwendet werden, bis zum Gegenbeweis als Fahrzeug mit dem dauernden Standort im Inland anzusehen sind.

Die Verwendung solcher Fahrzeuge ohne Zulassung gemäß § 37 KFG ist nur während eines Monats ab ihrer Einbringung in das Bundesgebiet zulässig.

Das KFZ wurde vor ca. 2 Jahren in Österreich eingebracht.

Die angeführte Firma hat einen Sitz in Österreich und wurde das KFZ mit dem Kennzeichen K(...) (H) zum angeführten Zeitpunkt am angeführten Ort von A(...) (NiA) verwendet.

7. Sie haben sich am 29.04.2016 um 09:37 Uhr in (...) W, (...) als handelsrechtlicher Geschäftsführer der Firma G(...) nach außen Berufener und somit Vertretung des Zulassungsbesitzers des Kraftfahrzeuges mit dem Kennzeichen K(...) (H), das betroffene Fahrzeug auf einer öffentlichen Verkehrsfläche verwendet (abgestellt), obwohl diese nicht zum Verkehr auf öffentlichen Straßen zugelassen war."

Gegen den Erstmitbeteiligten wurden Geldstrafen sowie für den Fall der Uneinbringlichkeit Ersatzfreiheitsstrafen verhängt und es wurde ihm ein Beitrag zu den Kosten des Strafverfahrens zur Zahlung vorgeschrieben. Weiters wurde die Haftung der zweitmitbeteiligten Partei gemäß § 9 Abs. 7 VStG für die verhängten Geldstrafen und Verfahrenskosten zur ungeteilten Hand mit dem Erstmitbeteiligten angeordnet.

2 Die dagegen erhobene Beschwerde wies das Verwaltungsgericht Wien mit Spruchpunkt I. des angefochtenen Erkenntnisses hinsichtlich der ersten vier Spruchpunkte des Straferkenntnisses als unbegründet ab. In Spruchpunkt II. des angefochtenen Erkenntnisses gab das Verwaltungsgericht der Beschwerde hinsichtlich der Spruchpunkte 5. bis 7. des Straferkenntnisses Folge, hob diesbezüglich das bekämpfte Straferkenntnis auf und stellte das Strafverfahren in diesen Punkten gemäß § 45 Abs. 1 Z 2 VStG ein. Neben dem Ausspruch über die Kosten (Spruchpunkte III. und IV. des angefochtenen Erkenntnisses) und Haftung der zweitmitbeteiligten Partei erklärte das Verwaltungsgericht die ordentliche Revision nach Art. 133 Abs. 4 B-VG als unzulässig.

3 Begründend führte das Verwaltungsgericht zur Einstellung des Strafverfahrens wegen Verwendung des Lkw in Österreich aus, dass eine Bestrafung nach § 82 Abs. 8 KFG nur dann in Betracht käme, wenn das Kraftfahrzeug durchgehend einen Monat im Bundesgebiet verwendet worden wäre. Dies sei jedoch gegenständlich nicht erfolgt, weil der Lkw am 1. und am 21. April 2016 nach Ungarn verbracht und dann wieder nach Österreich eingebracht worden sei. Aus dem Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 30. Juni 2016, Ra 2016/16/0031, ergebe sich, dass die Frist nach jeder Verbringung des Kraftfahrzeuges in das Ausland und neuerlicher Einbringung erneut zu laufen beginne, sodass der Lkw nach seiner erneuten Einbringung nach Österreich im April 2016 nicht innerhalb der Frist dauerhaft in Österreich in Verwendung gewesen sei.

4 Die Unzulässigkeit der Revision "begründete" das Verwaltungsgericht im Wesentlichen mit der Wiedergabe der verba legalia.

5 Erkennbar nur gegen die Spruchpunkte II. bis IV. des angefochtenen Erkenntnisses richtet sich die vorliegende außerordentliche Revision der Landespolizeidirektion Wien mit dem Antrag, das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes Wien wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes oder wegen Verletzung von Verfahrensvorschriften "hinsichtlich der Spruchpunkte 5.,

6. und 7. aufzuheben".

6 Die mitbeteiligten Parteien erstatteten eine Revisionsbeantwortung mit dem Antrag, die außerordentliche Revision "als unzulässig abzuweisen."

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

7 Die revisionswerbende Landespolizeidirektion erachtet ihre Revision als zulässig, weil Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes über die Fristberechnung nach der mit BGBl. I Nr. 26/2014 novellierten Fassung des § 82 Abs. 8 KFG bislang fehle und - entgegen der Auffassung des Verwaltungsgerichts - die Monatsfrist der genannten Bestimmung durch eine vorübergehende Verbringung des Fahrzeuges aus dem Bundesgebiet nicht unterbrochen werde.

8 Die Revision ist aus dem von ihr aufgezeigten Grund zulässig und sie ist auch berechtigt.

9 § 82 Abs. 8 Kraftfahrgesetz 1967 (KFG), BGBl. Nr. 267/1967 in der Fassung des am 23. April 2014 kundgemachten BGBl. I Nr. 26/2014 lautet:

"(8) Fahrzeuge mit ausländischem Kennzeichen, die von Personen mit dem Hauptwohnsitz oder Sitz im Inland in das Bundesgebiet eingebracht oder in diesem verwendet werden, sind bis zum Gegenbeweis als Fahrzeug mit dem dauernden Standort im Inland anzusehen. Die Verwendung solcher Fahrzeuge ohne Zulassung gemäß § 37 ist nur während eines Monats ab der erstmaligen Einbringung in das Bundesgebiet zulässig. Eine vorübergehende Verbringung aus dem Bundesgebiet unterbricht diese Frist nicht. Nach Ablauf eines Monats ab der erstmaligen Einbringung in das Bundesgebiet sind der Zulassungsschein und die Kennzeichentafeln der Behörde, in deren örtlichem Wirkungsbereich sich das Fahrzeug befindet, abzuliefern. Wenn glaubhaft gemacht wird, dass innerhalb dieses Monats die inländische Zulassung nicht vorgenommen werden konnte, darf das Fahrzeug ein weiteres Monat verwendet werden. Danach sind der Zulassungsschein und die Kennzeichentafeln der Behörde, in deren örtlichem Wirkungsbereich sich das Fahrzeug befindet, abzuliefern. Die Ablieferung begründet keinen Anspruch auf Entschädigung."

10 Zuvor lautete diese Bestimmung in der Fassung des zweiten Abgabenänderungsgesetzes 2002 (2. AbgÄG 2002), BGBl. I Nr. 132, wie folgt:

"(8) Fahrzeuge mit ausländischem Kennzeichen, die von Personen mit dem Hauptwohnsitz oder Sitz im Inland in das Bundesgebiet eingebracht oder in diesem verwendet werden, sind bis zum Gegenbeweis als Fahrzeug mit dem dauernden Standort im Inland anzusehen. Die Verwendung solcher Fahrzeuge ohne Zulassung gemäß § 37 ist nur während eines Monats ab der Einbringung in das Bundesgebiet zulässig. Nach Ablauf dieser Frist sind der Zulassungsschein und die Kennzeichentafeln der Behörde, in deren örtlichem Wirkungsbereich sich das Fahrzeug befindet, abzuliefern.

..."

11 Dazu judizierte der Verwaltungsgerichtshof, dass § 82 Abs. 8 KFG beim Beginn der Frist auf denselben Vorgang abstellte wie § 79 leg. cit., nämlich auf das Einbringen des Fahrzeuges, und lediglich eine andere Dauer der Frist normierte. Auch für die Frist in § 82 Abs. 8 KFG galt, dass beim Verbringen des betreffenden Fahrzeuges ins Ausland und bei neuerlicher Einbringung dieses Fahrzeuges die Frist mit der neuerlichen Einbringung begann. Die (von der damals belangten Behörde vertretene) Ansicht, dass ein vorübergehendes Verbringen des Fahrzeuges ins Ausland die Frist des § 82 Abs. 8 KFG nicht unterbreche, das heißt bei neuerlicher Einbringung des Fahrzeuges die Frist nicht ab der (neuerlichen) Einbringung zu rechnen sei, findet nach Ansicht des Verwaltungsgerichtshofes im Gesetz der damaligen Fassung keine Deckung (vgl. VwGH 21.11.2013, 2011/16/0221, und 25.4.2016, Ro 2015/16/0031).

12 In Reaktion auf diese Rechtsprechung hat der Gesetzgeber § 82 Abs. 8 KFG mit dem Bundesgesetz BGBl. I Nr. 26/2014 dahin geändert, dass die Frist von einem Monat ab der "erstmaligen Einbringung" in das Bundesgebiet beginnt und eine vorübergehende Verbringung aus dem Bundesgebiet diese Frist nicht unterbricht.

13 Die mit demselben Bundesgesetz angeordnete Inkrafttretensbestimmung des § 135 Abs. 27 KFG, womit der geänderte § 82 Abs. 8 leg. cit. rückwirkend mit 14. August 2002 in Kraft trete, hob der Verfassungsgerichtshof auf und sprach dazu aus, dass die aufgehobene Bestimmung nicht mehr anzuwenden ist (VfGH vom 2.12.2014, G 72/2014, VfSlg. 19.920).

14 Demzufolge ist die geänderte Bestimmung des § 82 Abs. 8 KFG mit Ablauf des Tages ihrer Kundmachung, also mit Ablauf des 23. April 2014, in Kraft getreten (vgl. VwGH vom 25.4.2016, Ro 2015/16/0031).

15 Im vorliegenden Revisionsfall ist daher wegen des am 29. April 2016 gelegenen Tatzeitpunktes § 82 Abs. 8 KFG in der Fassung des BGBl. I Nr. 26/2014 anzuwenden.

16 Demnach ist für die Verwendung von Fahrzeugen mit ausländischem Kennzeichen und mit dem dauernden Standort im Inland (vgl. dazu VwGH 3.10.2016, Ra 2016/02/0151) durch Personen mit Hauptwohnsitz oder Sitz im Inland auf die erstmalige Einbringung in das Bundesgebiet abzustellen und es wird die Monatsfrist durch eine vorübergehende Verbringung aus dem Bundesgebiet nicht unterbrochen. Dem Verwaltungsgericht kann daher nicht gefolgt werden, wenn es auf das Verbringen des Lkw an zwei Tagen im April 2016 abstellt und sich dazu auf das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 30.6.2016, Ra 2016/16/0031 beruft, welches zu § 82 Abs. 8 KFG in der Fassung des 2. AbgÄG 2002, BGBl. I Nr. 132 erging.

17 Es fehlen daher Feststellungen über den nach § 82 Abs. 8 KFG relevanten Zeitpunkt der erstmaligen Einbringung des Lkw in das Bundesgebiet.

18 Darüber hinaus ist auf die Anforderungen an eine ordnungsgemäße Begründung einer Entscheidung eines Verwaltungsgerichtes hinzuweisen, wonach die drei logisch aufeinander aufbauenden und formal zu trennenden Elemente in einer im Indikativ gehaltenen Tatsachenfeststellung, in der Beweiswürdigung und in der rechtlichen Beurteilung bestehen (vgl. VwGH 18.2.2015, Ra 2014/03/0045, mwN).

19 Das angefochtene Erkenntnis war aus den dargelegten Gründen schon wegen prävalierender Rechtswidrigkeit seines Inhaltes gemäß § 42 Abs. 2 Z 1 VwGG aufzuheben.

Wien, am 20. Oktober 2017

Schlagworte

Anzuwendendes Recht Maßgebende Rechtslage VwRallg2Rechtsgrundsätze Fristen VwRallg6/5Besondere Rechtsgebiete

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2017:RA2017020113.L00

Im RIS seit

15.11.2017

Zuletzt aktualisiert am

16.11.2017
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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