TE Vwgh Erkenntnis 2000/8/29 98/12/0506

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Veröffentlicht am 29.08.2000
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Index

L22003 Landesbedienstete Niederösterreich;
40/01 Verwaltungsverfahren;
65/01 Allgemeines Pensionsrecht;

Norm

AVG §56;
DPL NÖ 1972 §77 Abs2;
DPL NÖ 1972 §77 Abs3;
PG 1965 §9 Abs1;
PG 1965 §9 Abs2;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Waldner und die Hofräte Dr. Germ und Dr. Riedinger als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Ogris, über die Beschwerde der P in W, vertreten durch Dr. Walter Riedl, Dr. Peter Ringhofer, Dr. Martin Riedl und Dr. Georg Riedl, Rechtsanwälte in Wien I, Franz Josefs-Kai 5, gegen den Bescheid der Niederösterreichischen Landesregierung vom 28. Oktober 1998, Zl. LAD2B-147.5277/59, betreffend Zurechnung von Jahren für die Pensionsbemessung, zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.

Das Land Niederösterreich hat der Beschwerdeführerin Aufwendungen in der Höhe von S 15.000,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Die 1944 geborene Beschwerdeführerin steht seit 1. Juli 1979 als Diplomkrankenschwester in einem öffentlich-rechtlichen Dienstverhältnis zum Land Niederösterreich. Vor ihrer Versetzung in den Ruhestand wegen dauernder Dienstunfähigkeit mit Ablauf des 30. Juni 1997 war sie im Landeskrankenhaus Mödling tätig. Da die Beschwerdeführerin 82 Monate vor der Vollendung ihres 60. Lebensjahres pensioniert worden war, wurde ihr Ruhegenuss ausgehend von einer gemäß § 76 Abs. 8 DPL (Abschlagsregelung) auf 66,33 % verringerten Ruhegenussbemessungsgrundlage und im Hinblick auf ihre ruhegenussfähige Gesamtdienstzeit von lediglich etwas mehr als 31 Jahren mit 92,17 % der gekürzten Ruhegenussbemessungsgrundlage berechnet.

Nach Durchführung eines Verfahrens nach dem Behinderteneinstellungsgesetz, das aber nur eine gesamte Minderung ihrer Erwerbsfähigkeit von 40 v. H. ergab, beantragte die Beschwerdeführerin mit Schreiben vom 6. April 1998 die Zurechnung von Jahren zur Erreichung eines Ruhegenusses im Ausmaß der Ruhegenussbemessungsgrundlage. In diesem Schreiben wies sie auch noch auf eine beim Sozialgericht anhängige Klage wegen einer Berufskrankheit hin.

Mit Schreiben der belangten Behörde vom 8. September 1998 wurde der Beschwerdeführerin nach Hinweis auf § 77 Abs. 2 DPL eine ergänzende Stellungnahme zu dem ihrer Ruhestandsversetzung zu Grunde gelegten Gutachten des Amtsarztes der Bezirkshauptmannschaft Mödling zur Kenntnis gebracht. In Wahrnehmung des Parteiengehörs verwies die Beschwerdeführerin im Wesentlichen auf ihre im Zeitpunkt der Ruhestandsversetzung insbesondere aus psychiatrischen Gründen gegebene Hilflosigkeit und bezeichnete die Regelung, dass für eine Zurechnung angeblich Blindheit oder Geisteskrankheit vorliegen müsse, für sie als nicht nachvollziehbar.

Mit dem angefochtenen Bescheid entschied die belangte Behörde wie folgt:

"Ihr Ansuchen vom 6. April 1998 um begünstigte Zurechnung von Jahren zu Ihrer ruhegenussfähigen Gesamtdienstzeit wird abgewiesen.

Rechtsgrundlage: § 77 Abs. 2 der Dienstpragmatik der Landesbeamten 1972 (DPL 1972)"

Zur Begründung verweist die belangte Behörde auf das der Ruhestandsversetzung der Beschwerdeführerin seinerzeit zu Grunde gelegte Gutachten des Amtsarztes der Bezirkshauptmannschaft Mödling, in dessen abschließender Stellungnahme ausgeführt worden sei, dass die Beschwerdeführerin auf Grund des chronischen Leidenszustandes und unter Berücksichtigung insbesondere des letzten neurologisch-psychiatrischen Befundes vom 6. Mai 1997 nicht mehr in der Lage sei, ihren beruflichen Aufgaben als Krankenschwester nachzukommen. Zufolge des Antrages der Beschwerdeführerin um begünstigte Zurechnung von Jahren zu ihrer Gesamtdienstzeit sei eine ergänzende Stellungnahme des genannten Amtsarztes eingeholt worden, in der auch um Stellungnahme ersucht worden sei, ob zum genannten Zeitpunkt die Gesamtbeeinträchtigung der Beschwerdeführerin durch die Summe der Leiden und der dadurch bedingten Einschränkungen einer schweren Krankheit entsprochen habe, die dem Leidensgehalt infolge (praktischer) Blindheit oder Geisteskrankheit vergleichbar erscheine.

In der Folge wird dann die Stellungnahme der Amtsärztin vom 30. Juli 1998 wie folgt - auszugsweise - wiedergegeben:

"Zum Zeitpunkt der seinerzeitigen Untersuchung wären leichte bis mittelschwere Tätigkeiten im Ausmaß von halber Dienstzeit mit Sitz- und Bewegungspausen ausführbar gewesen, die offensichtlich nicht für einen zumutbaren Erwerb zur Verfügung standen. Laut Bescheid vom 23.2.1998 des Bundessozialamtes besteht eine 40 %ige Minderung der Erwerbsfähigkeit. Zum genannten Zeitpunkt bestand auch auf Grund des psychischen Krankheitsbildes ein höherer Prozentsatz, wobei die Summe der Leiden allerdings nicht dem Leidensgehalt nach mit praktischer Blindheit oder Geisteskrankheit vergleichbar waren."

Nach Hinweis auf das Parteiengehör, das angeblich keine neuen Gesichtspunkte gebracht habe, gibt die belangte Behörde den § 77 Abs. 2 DPL wieder und trifft dann abschließend folgende Aussage:

Wie das durchgeführte Ermittlungsverfahren ergeben habe, liege bei der Beschwerdeführerin zwar eine Krankheit vor, die zur Dienstunfähigkeit geführt habe, die aber nicht so weit reichend sei, dass damit schwer wiegende Einschränkungen in den Lebensbetätigungen einhergingen, wie sie bei schwerer Krankheit gegeben seien. Da die im § 77 Abs. 2 DPL geforderten Voraussetzungen für die Zurechnung von Jahren nicht gegeben seien, sei spruchgemäß zu entscheiden gewesen.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde, mit der die kostenpflichtige Aufhebung des angefochtenen Bescheides wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes bzw. wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften begehrt wird.

Die belangte Behörde hat die Akten des Verwaltungsverfahrens vorgelegt, eine Gegenschrift erstattet und die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragt.

Der Verwaltungsgerichtshof hat in einem gemäß § 12 Abs. 1 Z. 2 VwGG gebildeten Senat erwogen:

Die Beschwerdeführerin sieht sich durch den angefochtenen Bescheid in ihrem Recht auf Zurechnung von zehn Jahren zur ruhegenussfähigen Dienstzeit nach § 77 Abs. 2 DPL, in eventu in ihrem Recht auf gesetzmäßige Entscheidung über einen Antrag auf Zurechnung eines Zeitraumes von bis zu zehn Jahren nach § 77 Abs. 3 leg. cit., durch unrichtige Anwendung dieser Bestimmungen sowie der Vorschriften über die Sachverhaltsermittlung, das Parteiengehör und die Bescheidbegründung verletzt.

Nach § 77 Abs. 2 der Dienstpragmatik der Landesbeamten 1972 (DPL), LGBl. 2200, ist einem Beamten, der ohne sein vorsätzliches Verschulden infolge

a)

Blindheit oder praktischer Blindheit,

b)

Geisteskrankheit oder

c)

einer anderen schweren Krankheit

zu einem zumutbaren Erwerb unfähig geworden ist, aus Anlass der Versetzung in den Ruhestand zu seiner ruhegenussfähigen Gesamtdienstzeit ein Zeitraum von zehn Jahren zuzurechnen.

Ist der Beamte infolge einer von ihm nicht vorsätzlich herbeigeführten schweren körperlichen Beschädigung zu einem zumutbaren Erwerb unfähig geworden und sind berücksichtigungswürdige Gründe vorhanden, so kann ihm nach Abs. 3 aus Anlass der Versetzung in den Ruhestand zu seiner ruhegenussfähigen Gesamtdienstzeit ein Zeitraum bis zu zehn Jahren zugerechnet werden.

Diese Regelung ist mit der "Begünstigung bei Erwerbsunfähigkeit" nach § 9 Abs. 1 und Abs. 2 des Pensionsgesetzes 1965, in der Fassung vor der 8. Pensionsgesetz-Novelle, ident.

Zutreffend geht die belangte Behörde zwar davon aus, dass für die Beurteilung des Anspruches auf eine solche Begünstigung bei Erwerbsunfähigkeit die Verhältnisse im Zeitpunkt der Versetzung der Beschwerdeführerin in den Ruhestand maßgebend sind (siehe das zu einer vergleichbaren Rechtslage ergangene Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 5. März 1968, Slg. N. F. Nr. 7303/A, bzw. die bei Zach, Das Pensionsrecht, zu § 9 wiedergegebene ältere Rechtsprechung), hat aber offensichtlich den Antrag der Beschwerdeführerin, der ersichtlicherweise - auch - auf § 77 Abs. 3 DPL abzielte, verkannt. Dies ergibt sich sowohl aus dem Spruch des angefochtenen Bescheides wie auch aus dessen Begründung. Da mit dem angefochtenen Bescheid der Antrag der Beschwerdeführerin zur Gänze abschlägig erledigt wurde, aber von vornherein nur eine Auseinandersetzung mit den Tatbestandsvoraussetzungen des § 77 Abs. 2 DPL erfolgte, die sich im Wesentlichen aber nur in der auszugsweise Wiedergabe ärztlicher Gutachten erschöpfte, was ebenfalls für die Feststellung des entscheidenden Sachverhaltes nicht ausreicht, erweist sich der angefochtene Bescheid mit Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften belastet. Mangels hinreichender Feststellungen zum Gesundheitszustand der Beschwerdeführerin (insbesondere auch des Wirbelsäulenschadens) ist zum einen eine Wertung nach § 77 Abs. 3 DPL nicht von vornherein auszuschließen und zum anderen die getroffene Entscheidung auch in Ansehung des Tatbestandes des § 77 Abs. 2 DPL nicht nachvollziehbar. Der angefochtene Bescheid war daher gemäß § 42 Abs. 2 Z. 3 lit. b und c VwGG aufzuheben.

Der in der Gegenschrift unternommene Versuch, die unterlassene Begründung nachzuholen, ist nicht geeignet, die dem angefochtenen Bescheid anhaftende Mangelhaftigkeit zu beheben (ständige Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes, siehe beispielsweise das Erkenntnis vom 27. Jänner 1960, Slg. N. F. Nr. 5186/A).

Die Kostenentscheidung stützt sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Pauschalierungsverordnung BGBl. Nr. 416/1994.

Wien, am 29. August 2000

Schlagworte

Maßgebende Rechtslage maßgebender Sachverhalt

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2000:1998120506.X00

Im RIS seit

12.06.2001
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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