TE OGH 1984/11/8 7Ob672/84

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Veröffentlicht am 08.11.1984
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Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Flick als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Petrasch, Dr. Wurz, Dr. Warta und Dr. Egermann als Richter in der Vormundschaftssache des mj M***** M*****, geboren am 18. September 1979, in Pflege und Erziehung bei seiner Mutter Annemarie K*****, infolge Rekurses der Bezirkshauptmannschaft Feldkirch gegen den Beschluss des Landesgerichts Feldkirch als Rekursgericht vom 15. Oktober 1984, GZ R 627/84-9, womit der Rekurs der Bezirkshauptmannschaft Feldkirch gegen den Beschuss des Bezirksgerichts Feldkirch vom 12. September 1984, GZ P 265/84-2, zurückgewiesen wurde, folgenden

Beschluss

gefasst:

Spruch

Dem Rekurs wird Folge gegeben.

Der angefochtene Beschluss wird aufgehoben und dem Rekursgericht die Entscheidung über das Rechtsmittel gegen den Beschluss des Erstgerichts aufgetragen.

Text

Begründung:

Der am 18. 8. 1979 geborene M***** M***** ist ein außereheliches Kind der Annemarie K*****. Vater des Kindes ist Hubert W*****, der bisher freiwillig einen monatlichen Unterhalt von 1.600 S für das Kind an die Mutter gezahlt hat.

Mit Beschluss vom 12. 9. 1984 hat das Erstgericht für den mj M***** M***** die Vormundschaft eröffnet und ausgesprochen, dass Amtsvormund die Bezirkshauptmannschaft Feldkirch ist. Hierauf wurde der Akt der Bezirkshauptmannschaft-Jugendfürsorge mit dem Ersuchen um begründete Stellungnahme zum Unterhaltsherabsetzungsbegehren des Vaters übersandt. Mit Note vom 24. 9. 1984 stellte die Bezirkshauptmannschaft Feldkirch den Akt dem Gericht mit dem Bemerken zurück, M***** M***** sei deutscher Staatsbürger, weshalb die Bezirkshauptmannschaft nicht als Amtsvormund einschreiten könne. Schließlich langte am 4. 10. 1984 eine mit 2. 10. 1984 datierte Vorstellung (Rekurs) der Bezirkshauptmannschaft beim Erstgericht ein, in der gegen die Bestellung zum Amtsvormund Stellung genommen aber die Bereitschaft zur Übernahme des Amts als Unterhaltssachwalter für den Minderjährigen ausgedrückt wurde.

Das Rekursgericht wies den Rekurs der Bezirkshauptmannschaft als verspätet mit der Begründung zurück, nach Angabe einer Kanzleibeamtin des Erstgerichts stehe fest, dass der Vormundschaftsakt am 12. 9. 1984 beim Erstgericht zur Zustellung an die Bezirkshauptmannschaft abgefertigt worden sei. Daraus ergebe sich aber, dass der Akt samt dem Beschluss bereits am 12. 9. 1984 zugestellt worden sei. Der Rekurs erweise sich daher als verspätet.

Rechtliche Beurteilung

Der von der Bezirkshauptmannschaft Feldkirch gegen den Beschluss des Rekursgerichts erhobene Rekurs ist berechtigt.

Fest steht lediglich, dass der erstgerichtliche Beschluss am 12. 9. 1984 abgefertigt worden ist. Ferner steht fest, dass er spätestens am 24. 9. 1984 bei der Bezirkshauptmannschaft Feldkirch eingelangt sein muss, weil die Bezirkshauptmannschaft an diesem Tag auf den erstgerichtlichen Beschluss reagiert hat.

Ob die Abfertigung eines Akts grundsätzlich die sichere Annahme des Einlangens beim Adressaten rechtfertigt, kann hier dahingestellt bleiben. Keinesfalls kann aus dieser Abfertigung ein sicherer Schluss auf den Zugang beim Adressaten zu einem bestimmten Zeitpunkt gezogen werden.

Ein Rechtsmittel hat in dem Sinn die Vermutung der Rechtzeitigkeit für sich, als es jedenfalls entgegengenommen und sachlich erledigt werden muss, solange nicht seine Verspätung durch die Aktenlage eindeutig ausgewiesen ist (SZ 46/86 ua).

Im vorliegenden Fall ergibt sich aus der Aktenlage keineswegs eindeutig der Zeitpunkt des Zugangs des erstgerichtlichen Akts an die Bezirkshauptmannschaft Feldkirch. Demnach muss bei der Prüfung der Rechtzeitigkeit eines Rechtsmittels dieser Bezirkshauptmannschaft gegen den erstgerichtlichen Beschluss von jenem Zeitpunkt ausgegangen werden, zu dem nach der Aktenlage der Beschluss eindeutig bei dieser Behörde war. Die oben aufgezeigte Vermutung der Rechtzeitigkeit kann zwar widerlegt werden, doch ist diese Widerlegung nur durch die Feststellung eines Sachverhalts möglich, der einen Zugang der angefochtenen Entscheidung zu einem früheren als dem sich aus dem Akt ergebenden Zeitpunkt praktisch als sicher erscheinen lässt. Die Abfertigung eines gerichtlichen Akts an eine andere Behörde schließt keineswegs mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit aus, dass der Postlauf bezüglich dieses Akts mehrere Tage in Anspruch genommen hat, und zwar auch dann nicht, wenn sich die Behörde am selben Ort befindet, wie das Gericht, das den Akt abgefertigt hat. Andere Umstände, als die Abfertigung des erstgerichtlichen Akts am 12. 9. 1984 sind der Aktenlage hier nicht zu entnehmen.

Da sohin die Behauptung der Bezirkshauptmannschaft Feldkirch, der erstgerichtliche Akt sei bei ihr erst am 24. 9. 1984 eingelangt, nicht mit einer derartigen Wahrscheinlichkeit widerlegt werden konnte, dass von einem anderen Datum ausgegangen werden durfte, erweist sich der am 22. 10. 1984 verfasste und am 4. 10. 1984 beim Erstgericht eingelangte Rekurs der Bezirkshauptmannschaft Feldkirch als rechtzeitig.

Der angefochtene Beschluss musste daher aufgehoben werden.

Schlagworte

kein Abo

Textnummer

E119752

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:1984:0070OB00672.840.1108.000

Im RIS seit

09.11.2017

Zuletzt aktualisiert am

09.11.2017
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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