TE Lvwg Erkenntnis 2017/8/1 VGW-242/003/RP08/10189/2017

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Veröffentlicht am 01.08.2017
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Entscheidungsdatum

01.08.2017

Index

L92009 Sozialhilfe Grundsicherung Mindestsicherung Wien

Norm

WMG §16 Abs1

Text

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Verwaltungsgericht Wien hat durch die Landesrechtspflegerin Bannauer-Mathis über die Beschwerde des Herrn M. P. gegen den Bescheid des Magistrates der Stadt Wien, Magistratsabteilung 40, vom 31.05.2017, Zl. SH/2017/1664731-001, betreffend Abweisung des Antrages auf Zuerkennung von Leistungen nach dem Wiener Mindestsicherungsgesetz (WMG),

zu Recht e r k a n n t:

Gemäß § 28 Abs. 1 VwGVG wird die Beschwerde als unbegründet abgewiesen und der angefochtene Bescheid bestätigt.

Entscheidungsgründe

Mit Bescheid des Magistrates der Stadt Wien, Magistratsabteilung 40, vom 31.05.2017, Zl. SH/2017/1664731-001, wurde der Antrag des Beschwerdeführers vom 05.05.2017 auf Gewährung von Mindestsicherung wegen Verletzung der Mitwirkungspflicht gemäß den §§ 4, 7, 9, 10, 12 und 16 WMG abgewiesen. Begründend wurde ausgeführt, der Antragsteller hätte notwendige Unterlagen bis zum vorgegebenen Termin am 26.05.2017 nicht vorgelegt. Da die Behörde ohne die verpflichtende Mitwirkung außer Stande gewesen sei, die für die Bemessung der Geldleistung rechtserheblichen Tatsachen festzustellen, seien die fehlenden Angaben bzw. Unterlagen zur Beurteilung des Anspruches unerlässlich im Sinne des § 16 WMG gewesen.

Dagegen richtet sich die fristgerecht eingelangte Beschwerde, in der der Beschwerdeführer im Wesentlichen vorbringt, dass es bei der Nachreichung der geforderten Unterlagen zu erheblichen Missverständnissen gekommen und keinesfalls eine Verletzung der Mitwirkungspflicht beabsichtigt gewesen sei. Zum Beispiel sei die gewünschte, neuerliche Übersendung des Originalantrages nicht eindeutig kommuniziert gewesen ebenso wie über die Unterscheidung der Begriffe Wohngemeinschaft, PartnerIn bzw. Lebensgemeinschaft eine falsche Beurteilung der Sachlage entstanden sei. Nach den Angaben über die Einkommenssituation (kein Einkommen, kein Vermögen, Vorliegen von Bezügen vom Finanzamt) sei eine weitere Dokumentation für nicht relevant eingeschätzt worden. Auch nach dem telefonischen Erstkontakt beim AMS durch die Auskunft, dass keine Ansprüche zustehen würden, auch keine Krankenversicherung, sei ein falscher Eindruck entstanden. Im Hinblick auf seine schwierige Lage und der fehlenden Routine im Umgang mit behördlichen Forderungen und Auflagen, ersuche er um Aufhebung des Bescheides.

Die belangte Behörde legte die Beschwerde sowie den Akt des Verwaltungsverfahrens dem Verwaltungsgericht Wien zur Entscheidung vor.

Das Verwaltungsgericht Wien hat erwogen:

Das Gesetz zur Bedarfsorientierten Mindestsicherung in Wien (Wiener Mindestsicherungsgesetz – WMG), LGBl. Nr. 38/2010 in der geltenden Fassung lautet auszugsweise wie folgt:

„Ziele und Grundsätze

§ 1. (1) Die Bedarfsorientierte Mindestsicherung hat zum Ziel, Armut und soziale Ausschließung verstärkt zu bekämpfen und zu vermeiden sowie die dauerhafte Eingliederung oder Wiedereingliederung in das Erwerbsleben weitest möglich zu fördern.

(2) Die Bedarfsorientierte Mindestsicherung erfolgt durch Zuerkennung von pauschalierten Geldleistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts und Wohnbedarfs sowie von den bei Krankheit, Schwangerschaft und Entbindung erforderlichen Leistungen. Auf diese Leistungen besteht ein Rechtsanspruch.

(3) Die Zuerkennung von Leistungen der Bedarfsorientierten Mindestsicherung ist subsidiär. Sie erfolgt nur, wenn der Mindestbedarf nicht durch Einsatz eigener Arbeitskraft, eigener Mittel oder Leistungen Dritter gedeckt werden kann.

(4) Die Bedarfsorientierte Mindestsicherung dient der Beseitigung einer bestehenden Notlage. Sie erfolgt auch vorbeugend, wenn dadurch einer drohenden Notlage entgegengewirkt werden kann. Eine Fortsetzung ist solange möglich, als dies notwendig ist, um die Wirksamkeit und Nachhaltigkeit der Hilfeleistung zu sichern. Die Mindestsicherung hat rechtzeitig einzusetzen. Eine Zuerkennung von Leistungen für die Vergangenheit ist nicht möglich.

Pflichten der Hilfe suchenden oder empfangenden Personen

§ 6. Hilfe suchende oder empfangende Personen haben nach Maßgabe der gesetzlichen Bestimmungen

         1.       zur Abwendung und Beseitigung der Notlage ihre Arbeitskraft einzusetzen,

         2.       an arbeitsintegrativen Maßnahmen teilzunehmen,

         3.       eigene Mittel vorsorglich und zweckmäßig einzusetzen,

         4.       Ansprüche, die der Deckung der Bedarfe nach diesem Gesetz dienen, nachhaltig zu verfolgen, soweit dies nicht offensichtlich aussichtslos, unzumutbar oder mit unverhältnismäßigem Kostenrisiko verbunden ist,

         5.       zuerkannte Leistungen zweckentsprechend, das heißt zur Abdeckung der Bedarfe für die sie zuerkannt wurden, zu verwenden und

         6.       ihre Mitwirkungspflichten im Verfahren und während des Bezuges von Leistungen zu erfüllen.

Ablehnung und Einstellung der Leistungen

§ 16. (1) Wenn eine Hilfe suchende oder empfangende Person trotz Aufforderung unter Setzung einer angemessenen Frist und nachweislichem Hinweis auf die Rechtsfolgen ohne triftigen Grund nicht rechtzeitig mitwirkt, indem sie

         1.       die zur Durchführung des Verfahrens von der Behörde verlangten Angaben nicht macht oder

         2.       die von der Behörde verlangten Unterlagen nicht vorlegt oder

         3.       soweit nicht für die Anrechnung die statistisch errechneten Durchschnittsbedarfssätze herangezogen werden können, gesetzliche oder vertragliche Ansprüche, die der zumindest teilweisen Deckung der Bedarfe nach § 3 dienen, nicht nachhaltig, auch behördlich (gerichtlich), verfolgt, wobei eine offenbar aussichtslose, unzumutbare oder mit unverhältnismäßigem Kostenrisiko verbundene Geltendmachung von Ansprüchen nicht verlangt werden kann,

ist die Leistung einzustellen oder abzulehnen. Eine Nachzahlung für die Zeit der Einstellung oder Ablehnung unterbleibt. Ein triftiger Verhinderungsgrund ist von der Hilfe suchenden oder empfangenden Person glaubhaft zu machen und entsprechend zu bescheinigen.

(2) Die im Rahmen der Bemessung auf eine Hilfe suchende oder empfangende Person entfallende Leistung ist einzustellen oder abzulehnen, wenn sie unter den in Abs. 1, erster Halbsatz genannten Voraussetzungen nicht mitwirkt, indem sie der Aufforderung zu einer ärztlichen Untersuchung nicht nachkommt.

(3) Bei einer Einstellung oder Ablehnung nach Abs. 2 ändert sich der auf die übrigen Mitglieder der Bedarfsgemeinschaft anzuwendende Mindeststandard nicht.“

Auf Grund des Akteninhaltes steht folgender Sachverhalt fest:

Der Beschwerdeführer ist österreichischer Staatsbürger, hat seine Schulausbildung mit Matura abgeschlossen und beantragte am 05.05.2017 Bedarfsorientierte Mindestsicherung. Im Antragsformular wurden bei der Art des Einkommens keine Angaben gemacht. Dem Antrag angeschlossen waren u.a. die Mitteilung der NÖGKK über die Selbstversicherung bei geringfügiger Beschäftigung (AS. 8 und 9), die Information der V. Vorsorgekasse über die Mitarbeitervorsorge (AS. 10) sowie ein Informationsschreiben der AK Niederösterreich über die Forderungen gegenüber der E. BetriebsgmbH (AS. 11).

Dem Portalauszug des AMS vom 10.05.2017 ist zu entnehmen, dass der Beschwerdeführer nicht als arbeitssuchend gemeldet war (AS. 13).

Mit Schreiben des Magistrates der Stadt Wien vom 10.05.2017 (AS. 18) wurde der Beschwerdeführer aufgefordert, bis spätestens 26.05.2017 in Kopie folgende Unterlagen zu übermitteln:

?        „Personaldokumente: amtlicher Lichtbildausweis, Staatsbürgerschaftsnachweis von Ihrer Lebensgefährtin.

?        Einkommensbelege:

?        schriftliche Bekanntgabe, von welchen finanziellen Mitteln Sie Ihren Lebensunterhalt bis dato bestritten haben

?        Vollständige Kontoauszüge für den Zeitraum von 01.03.2017 – 14.05.2017 (inkl. schriftlicher Erklärung zu sämtlichen Zahlungseingängen)

?        Einkommensnachweise Ihrer Lebensgefährtin für die Monate März und April 2017 (z.B. Nettolohnzettel, AMS-Leistungen, Stipendium etc.)

?        Nachweise über die Beantragung folgender Ansprüche:

?        Arbeitslosengeld AMS

?    Sonstiges:

?    Sie leben in einer Einzimmer-Wohnung mit einer Mitbewohnerin, welche Sie auch auf Ihrem Antrag auf Mindestsicherung angeführt haben. Die Behörde geht aufgrund vorliegender Tatsachen von einer Lebens-, jedoch zumindest von einer Wirtschaftsgemeinschaft aus. Beigefügter Originalantrag ist von Ihrer Lebensgefährtin ausgefüllt sowie unterschrieben zu retournieren.

Studium: (von allen Antragsteller/Innen, welche ein laufendes Studium betreiben)

?        aktueller Stundenplan

?        Nachweis über die Lehrveranstaltungen, Seminare, Vorlesungen, etc. zu welchen Sie zugelassen/eingeschrieben sind

?        Nachweis über die Phase des Studiums (Kernphase, etc.)

?        aktuelle Inskriptionsbestätigung

?        Nachweis ob Ihr Studium eine berufsbegleitende oder Vollzeitform ist

?        Niederschriftliche Bekanntgabe der höchsten abgeschlossenen Ausbildung (Matura, Lehre, etc.)

?        Nachweis über die Beantragung eines Stipendiums (falls nicht bereits bezogen)

?        aktuelle Betreuungsvereinbarung des AMS Wien

AMS-Betreuungsvereinbarung, alle Seiten: Vollzeit/40 Wochenstunden

?    Einsatz der Arbeitskraft

aktuelle Arbeitssuche Meldung beim AMS (kein schriftlicher Nachweis erforderlich) von folgenden Personen:

Herr P.“

Gleichzeitig wurde der Beschwerdeführer darauf hingewiesen, dass nach fruchtlosem Ablauf der Frist die Hilfeleistung gemäß § 16 WMG abgelehnt oder eingestellt werde. Eine Nachzahlung für die Zeit der Ablehnung oder Einstellung der Hilfeleistung unterbleibe.

Am 24.05.2017 langte per E-Mail bei der Behörde eine Bestätigung vom 22.05.2017 ein, dass der Antragsteller mit Frau F. S. in einer Wohngemeinschaft (und nicht Lebenspartnerschaft) an der Adresse Wien, N.-Gasse lebt (AS. 25).

Festgestellt wird aufgrund des unbedenklichen Akteninhaltes, dass bis zum 31.05.2017 keine weiteren Unterlagen beim Magistrat der Stadt Wien einlangten, keine Anmeldung des Beschwerdeführers beim AMS als arbeitssuchend erfolgte und daher mit Bescheid des Magistrates der Stadt Wien der Antrag abgewiesen wurde.

Am 16.06.2017 wurde durch den Beschwerdeführer ein neuerlicher Antrag auf Zuerkennung von Leistungen nach dem Wiener Mindestsicherungsgesetz gestellt und mit Bescheid vom 20.06.2017 zur Zahl MA 40 – SH/2017/1730337-001 zuerkannt.

Rechtliche Beurteilung:

In der hier zu beurteilenden Fallkonstellation wurde der Beschwerdeführer mit Schreiben vom 10.05.2017 aufgefordert, zahlreiche Unterlagen die Wohn-/Lebensgemeinschaft sowie ihn selbst betreffend, vorzulegen.

Dieser Aufforderung ist der Beschwerdeführer insofern unzureichend nachgekommen, als lediglich eine Bestätigung, dass eine Wohngemeinschaft und keine Lebensgemeinschaft mit Frau F. S. vorliegt, übermittelt wurde.

Der Beschwerdeführer ist daher seiner aus § 16 Abs. 1 WMG resultierenden Verpflichtung in wesentlichen Punkten nicht nachgekommen. Dies ergibt sich auch eindeutig aus seinem Beschwerdevorbringen, in dem er ausführt, dass es „zu erheblichen Missverständnissen gekommen ist und keinesfalls eine Verletzung der Mitwirkungspflicht beabsichtigt war“ sowie „dass eine weitere Dokumentation [der Einkommenssituation] für nicht relevant eingeschätzt wurde“.

Unerheblich ist in diesem Zusammenhang, dass der Beschwerdeführer keine Routine im Umgang mit behördlichen Verfahren hat, zumal bereits im Informationsblatt zum Mindestsicherungsantrag angeführt ist, welche Unterlagen für die Antragstellung erforderlich sind. Hier wird unter anderem auch bereits auf die bestehende Verpflichtung zum vollen Einsatz der Arbeitskraft und der daraus resultierenden Meldung beim AMS als arbeitssuchend – welche eine Grundvoraussetzung für die Gewährung der Bedarfsorientierten Mindestsicherung ist - hingewiesen.

Der Beschwerdeführer hat somit die für die Durchführung des Verfahrens unerlässlichen Unterlagen nicht beigebracht, obwohl er auf die Folgen dieser Weigerung nachweislich aufmerksam gemacht wurde. Es liegen daher die Voraussetzungen des § 16 WMG für die Ablehnung des Antrages vor. Ein triftiger Verhinderungsgrund, der gemäß § 16 Abs. 1 letzter Satz WMG zu berücksichtigen wäre, ist somit nicht gegeben.

Im vorliegenden Verfahren ist vom Verwaltungsgericht nicht zu beachten, dass der Beschwerdeführer die Unterlagen am 16.06.2017 vorgelegt hat: Zwar ist nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes eine vollinhaltliche Bestätigung des angefochtenen Bescheides im Fall der späteren Vorlage der Unterlagen nicht rechtskonform, da das erkennende Gericht nicht bloß zu prüfen hat, ob im Zeitpunkt der Erlassung des Bescheides die geforderten Unterlagen vorlagen, sondern auch darauf Bedacht zu nehmen hat, dass die Unterlagen während des (Berufungs-) bzw. Beschwerdeverfahrens vorgelegt worden waren. Unter anderem folgt aus § 37a Abs. 2 letzter Satz WSHG (wortgleich § 16 Abs. 1 zweiter Satz WMG), dass die Sanktion nur bis zum Vorliegen der Unterlagen reicht (VwGH 13.5.2011, Zl. 2009/10/0127).

Da jedoch vom Beschwerdeführer am 16.06.2017 ein neuerlicher Antrag auf Bedarfsorientierte Mindestsicherung gestellt hat, ist Verfahrensgegenstand die Abweisung vom 05.05.2017 bis zum 15.06.2017.

Die durch den angefochtenen Bescheid vom 31.05.2017 verfügte Abweisung erweist sich somit bis zur Vorlage der Unterlagen als rechtmäßig und entspricht den Bestimmungen des § 16 Abs. 1 und 2 WMG. Eine Nachzahlung für die Zeit vom 05.05.2017 bis zum 15.06.2017 ist demgemäß daher nicht möglich (vgl. zu § 16 WMG: VwGH 25.4.2014, Ro 2014/10/0029; 27.3.2014, Zl. Ro 2014/10/0026).

Der Magistrat der Stadt Wien war daher berechtigt, den Antrag abzuweisen, weshalb der Beschwerde ein Erfolg zu versagen war.

Da die Sach- und Rechtslage ausreichend geklärt ist und eine Erörterung eine weitere Klärung der Rechtssache nicht erwarten lässt, konnte gemäß § 24 Abs. 4 VwGVG von der Durchführung einer Verhandlung abgesehen werden. Überdies wurde von keiner Verfahrenspartei die Durchführung einer Verhandlung beantragt.

Schlagworte

Mindestsicherung; Abweisung; spätere Mitwirkung bei neuerlichem Antrag nicht Beschwerdegegenstand

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:LVWGWI:2017:VGW.242.003.RP08.10189.2017

Zuletzt aktualisiert am

08.11.2017
Quelle: Landesverwaltungsgericht Wien LVwg Wien, http://www.verwaltungsgericht.wien.gv.at
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