TE Vwgh Erkenntnis 2000/8/31 99/16/0273

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Veröffentlicht am 31.08.2000
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Index

001 Verwaltungsrecht allgemein;
22/02 Zivilprozessordnung;
25/01 Strafprozess;
32/01 Finanzverfahren allgemeines Abgabenrecht;

Norm

BAO §116 Abs2;
StPO 1975 §458;
VwRallg;
ZPO §268;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Mag. Meinl und die Hofräte Dr. Steiner und Dr. Fellner als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Valenta, über die Beschwerde des Mag. Wolfgang K in E, vertreten durch Dr. Christian Adam, Rechtsanwalt in Salzburg, Sigmund-Haffner-Gasse 3, gegen den Bescheid der Finanzlandesdirektion für Salzburg vom 17. Mai 1999, GZ. ZRV 2/1-3/98, betreffend Einforderung einer kraft Gesetzes entstandenen Zollschuld, zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Der Beschwerdeführer hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von S 4.565,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Am 25. Jänner 1994 langte beim Zollamt Salzburg als Finanzstrafbehörde erster Instanz die Durchschrift einer Anzeige der Kriminalabteilung des Landesgendarmeriekommandos Salzburg an die Staatsanwaltschaft Salzburg vom 11. Jänner 1994 ein, worin dem Beschwerdeführer vorgeworfen wurde, in der Zeit von Herbst 1991 bis Frühjahr 1993 in Egglkofen/BRD viermal Suchtgift (jeweils 7 bis 10 g, zusammengesetzt aus Kokain und Heroin) erworben und dieses nach Österreich gebracht zu haben. Wörtlich heißt es darin unter anderem, der Beschwerdeführer habe nach den Käufen das Suchtgift "jeweils mit seinem Pkw über den Grenzübergang Autobahn-Walserberg geschmuggelt".

Über Ersuchen vom 2. Februar 1994 erhielt das Zollamt Salzburg in der Folge eine Ausfertigung der Strafverfügung des BG Salzburg vom 11. Juli 1994, GZ. 27 U 522/94-12 zugestellt, deren Spruch (auszugsweise) lautet:

"Herr Mag. Wolfgang K, geboren am in R, Pressefotograf, wohnhaft in Elsbethen hat laut Anzeige des LandesGen.Kdo. Salzburg und nach dem Ergebnis der durchgeführten Ermittlungen vom Herbst 1992 bis 31. März 1993 Kokain und Heroin, welches er von dem abgesondert verfolgten V in E, BRD, erworben hat, bei mehreren Gelegenheiten im Ausmaß von insgesamt 28 Gramm nach Österreich eingeführt und konsumiert."

Diese Strafverfügung ist am 12. Oktober 1994 in Rechtskraft erwachsen.

Unter ausdrücklicher Bezugnahme auf die Strafverfügung erließ das Hauptzollamt Salzburg mit Bescheid vom 15. Jänner 1997 gegen den Beschwerdeführer folgenden Spruch:

"Herr Mag. K hat über die in beiliegender Abgabenrechnung näher beschriebenen einfuhrzollpflichtigen zollanhängigen Waren erstmalig im Zeitraum Herbst 1992 bis 31. März 1993 vorschriftswidrig so verfügt, als wären sie im freien Verkehr. Gemäß § 174 Abs. 3 lit. a Zollgesetz 1988 (ZollG) in Verbindung mit § 3 Abs. 2 ZollG ist für Sie die Eingangsabgabenschuld daher kraft Gesetzes in folgender Höhe entstanden:

     Zoll (ZO)                                  S 2.800,--

     Einfuhrumsatzsteuer (EU                    S 5.488,--

     Außenhandelsförderungsbeitrag (AF)            ---

     Gleichzeitig ist gemäß § 217 Abs. 1 Bundesabgabenordnung (BAO)

der Säumniszuschlag in Höhe von 166,-- S entstanden und gemäß § 220

Abs. 1 BAO auch fällig geworden.

     Gesamtbetrag                               S 8.454,--."

Gegen diesen Bescheid berief der Beschwerdeführer im Wesentlichen mit der Begründung, der gerichtlichen Strafverfügung sei keine mündliche Verhandlung vorangegangen und entbehrten die gerichtlichen Feststellungen, die Waren seien nach Österreich eingeführt worden, jeder Grundlage. In der Sache brachte der Beschwerdeführer vor, das Suchtgift im Ausland verbraucht zu haben.

Daraufhin forderte das Hauptzollamt Salzburg den Beschwerdeführer unter Vorhalt, dass die gerichtliche Strafverfügung in Rechtskraft erwachsen sei, zur Stellungnahme auf.

Der Beschwerdeführer verwies daraufhin auf seine Berufung und wandte sich vor allem dagegen, dass ihm Schmuggel vorgeworfen werde. Er machte dabei geltend, es sei ihm noch niemals Gelegenheit geboten worden, sich hinsichtlich des Schmuggelvorwurfs zu rechtfertigen.

Mit Berufungsvorentscheidung vom 14. November 1997 wurde die Berufung vom Hauptzollamt Salzburg als unbegründet abgewiesen, wobei sich die Abgabenbehörde wiederum auf die gerichtliche Strafverfügung stützte.

Über Ersuchen des Beschwerdeführers ergänzte die Abgabenbehörde erster Instanz die Begründung ihrer Berufungsvorentscheidung insbesondere im Wege eines Hinweises auf die Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zur Bindungswirkung von Strafurteilen. Mit Rücksicht auf den in der rechtskräftigen Strafverfügung genannten Zeitraum sei dieser als Zeitpunkt des Entstehens der Zollschuld anzunehmen gewesen.

Schließlich stellte der Beschwerdeführer (nach gewährter Fristverlängerung) einen Antrag auf Entscheidung über die Berufung durch die Abgabenbehörde zweiter Instanz. Dabei rügte er den Umstand, dass die Abgabenbehörde erster Instanz offenbar dem Inhalt der durch die Gendarmerie erstatteten Strafanzeige gefolgt sei, wehrte sich gegen die Unterstellung eines Schmuggels und stellte den Antrag auf Vernehmung der Gendarmeriebeamten, die die Anzeige erstattet hatten.

Die belangte Behörde forderte den Beschwerdeführer daraufhin auf, geeignete Nachweise für den behaupteten Verbrauch des Suchtgiftes im Ausland zu erbringen.

Daraufhin legte der Beschwerdeführer die Kopie eines Schreibens der G. Dorner vom 31. August 1998 vor, das folgenden Wortlaut hat:

"Ich gebe hiermit bekannt, dass Herr Wolfgang Kirchner im Zeitraum 1991 - 1993 einige Male zu Besuch weilt und dabei Substanzen von meinem damaligen Freund V erworben hat.

Meiner Erinnerung nach waren dies jeweils kleinere Mengen, die Hr. Kirchner zum größten Teil mit Hr. V konsumiert hat. Auch kann ich mich erinnern, dass einmal die Rede davon war, dass Hr. Kirchner niemals Drogen über die Grenze mitnehmen würde, da ihm dies seinen Job bei einer Tageszeitung kosten würde.

Hochachtungsvoll"

Daraufhin wies die belangte Behörde die Berufung als unbegründet ab, wobei sie den Spruch des angefochtenen Bescheides wie folgt abänderte:

"Mag. Wolfgang K hat in der Zeit von Herbst 1992 bis Ende März 1993 vom in E, Bayern, wohnhaften V erworbene Suchtgifte, nämlich Kokain und Heroin in einer Gesamtmenge von 28 Gramm (davon 3/4 Kokain und 1/4 Heroin) ohne diese Suchtgifte dem Zollamt zu stellen, in 4 Fahrten in das Zollgebiet eingebracht und dadurch über einfuhrpflichtige zollhängige Waren erstmalig vorschriftswidrig so verfügt, als wären sie im freien Verkehr. Für ihn ist daher gem. § 174 Abs. 3 lit. a erster Halbsatz Zollgesetz 1988 (ZollG) i.V.m. § 3 Abs. 2 ZollG 1988 die Zollschuld in nachstehender Höhe entstanden (Abgabenfestsetzung unverändert):"

Die belangte Behörde erachtete dabei die Behauptung des Beschwerdeführers, er habe das Suchtgift im Ausland verbraucht, mit Rücksicht auf die Kürze seiner Auslandsaufenthalte und den Zeitraum, den man für den Konsum einer entsprechenden Suchtgiftmenge benötigt für unglaubwürdig; das Schreiben der G. Dorner sah die belangte Behörde als Gefälligkeitsbestätigung an. Im Übrigen ging die belangte Behörde davon aus, an die rechtskräftige Strafverfügung des BG Salzburg gebunden zu sein.

Betreffend den Zeitpunkt des Entstehens der Zollschuld bezog sich die belangte Behörde auf den in der Strafverfügung genannten Tatzeitraum, wobei sie allerdings die Meinung vertrat, auch zum Zeitpunkt der Entdeckung sei die Abgabenbelastung der Suchtgifte dieselbe gewesen.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Verwaltungsgerichtshofbeschwerde wegen Rechtswidrigkeit seines Inhalts und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften. Der Beschwerdeführer erachtet sich in seinem Recht darauf verletzt, Eingangsabgaben nur entrichten zu müssen, wenn der gesetzliche Tatbestand erfüllt ist.

Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens und eine Gegenschrift vor, in der sie die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde als unbegründet beantragt.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Auf den Beschwerdefall ist noch das Zollgesetz 1988 anzuwenden.

Gemäß § 174 Abs. 3 lit. a leg. cit. entsteht die Zollschuld kraft Gesetzes für den, der über eine einfuhrzollpflichtige zollhängige Ware erstmals vorschriftswidrig so verfügt, als wäre sie im freien Verkehr, oder der eine solche Ware an sich bringt, obwohl ihm die Zollhängigkeit bekannt oder nur infolge grober Fahrlässigkeit unbekannt war.

Nach § 46 Abs. 1 ZollG wird jede Ware, die über die Zollgrenze eintritt, mit Ausnahme der in § 49 Abs. 1 Z. 1 genannten Waren, zollhängig und unterliegt dem Zollverfahren.

§ 174 Abs. 3 letzter Satz ZollG bestimmt Folgendes:

"Die Zollschuld entsteht in den Fällen der lit. a bis e in dem Zeitpunkt, in dem der Tatbestand, an den die Entstehung der Zollschuld geknüpft ist, verwirklicht ist; kann dieser Zeitpunkt nicht ermittelt werden, so gilt die Zollschuld als im Zeitpunkt der Entdeckung entstanden."

Gemäß § 6 Abs. 2 leg. cit. ist bei Waren, die dem Zollamt nicht gestellt worden sind, für die Anwendung der zolltarifarischen Bestimmungen der Zeitpunkt maßgebend, in dem die Zollschuld entstanden ist; kann dieser Zeitpunkt nicht ermittelt werden, so ist der Zeitpunkt der Entdeckung der Zuwiderhandlung maßgebend.

Gemäß § 116 Abs. 2 BAO sind Entscheidungen der Gerichte, durch die privatrechtliche Vorfragen als Hauptfragen entschieden wurden, im Sinn des Abs. 1 zu beurteilen. Eine Bindung besteht nur insoweit, als in dem gerichtlichen Verfahren, in dem die Entscheidung ergangen ist, bei der Ermittlung des Sachverhaltes von Amts wegen vorzugehen war.

Nach ständiger hg. Judikatur ist die Abgabenbehörde an die im Spruch eines die Partei betreffenden rechtskräftigen Strafurteiles festgestellten Tatsachen bzw. an die tatsächlichen Feststellungen, auf denen dieser Spruch beruht, gebunden (vgl. dazu insbesondere die bei Ritz, BAO Kommentar2 unter Rz 14 zu § 116 BAO referierte hg. Judikatur; siehe dazu auch Stoll, BAO-Kommentar II 1331 letzter Absatz und 1332 bis 1334).

Die Bindung ist auch für rechtskräftige Strafverfügungen zu bejahen, handelt es sich doch dabei ebenfalls um in Rechtskraft erwachsene gerichtliche Entscheidungen, wobei das Gericht bei der Ermittlung des der Strafverfügung zugrundeliegenden Sachverhaltes von Amts wegen vorzugehen hat (vgl. dazu auch die zahlreiche Judikatur der ordentlichen Gerichte zum aufgehobenen § 268 ZPO z. B. unter E 6 zu § 268 ZPO in MGA JN-ZPO14).

Kern der Beschwerde ist das Argument, die belangte Behörde habe keinen Zeitpunkt für die Entstehung der Zollschuld festgestellt und liege der Zeitpunkt der Entdeckung nach dem 10. Dezember 1996; seit dem 1. Jänner 1995 bestehe zwischen Österreich und der BRD keine Zollgrenze mehr.

Dazu räumt die belangte Behörde in ihrer Gegenschrift ein, der Entdeckungszeitpunkt liege tatsächlich nach dem 1. Jänner 1995, weil die Abgabenbehörde erst durch die gerichtliche Strafverfügung von dem gegenständlichen Vorfall Kenntnis erlangt habe.

Ungeachtet dessen ist im vorliegenden Fall aber von einem Zeitpunkt des Entstehens der Zollschuld vor dem 1. Jänner 1995 auszugehen, weil als Tatbestand, an den sich die Entstehung der Zollschuld gemäß § 174 Abs. 3 letzter Satz ZollG knüpft, die Einführung der Waren durch den Beschwerdeführer aus der BRD nach Österreich in der Zeit von Herbst 1992 bis 31. März 1993 anzusehen ist, wie es im Spruch der rechtskräftigen gerichtlichen Strafverfügung (dessen Bindungswirkung die Beschwerde nicht mehr in Frage stellt!) festgestellt wurde. Mit Rücksicht darauf kommt der Entdeckung für die Frage des Zeitpunkts der Entstehung der Zollschuld im vorliegenden Fall keinerlei Bedeutung zu.

Im Übrigen wendet sich die Beschwerde in Ausführung ihrer Verfahrensrüge nur gegen den in der Gendarmerieanzeige erhobenen Schmuggelvorwurf und macht Ermittlungsfehler der belangten Behörde geltend.

Dem Beschwerdeführer ist diesbezüglich zu entgegnen, dass es im vorliegenden Fall tatbestandsmäßig betreffend die für den Beschwerdeführer gemäß § 174 Abs. 3 lit. a ZollG kraft Gesetzes entstandene Zollschuld nicht darauf ankommt, ob ein Schmuggel vorliegt, sondern nur auf das durch den oben schon wiedergegebenen Spruch der rechtskräftigen gerichtlichen Strafverfügung festgestellte Verhalten. Sämtliche Vorwürfe der Beschwerde, der Sachverhalt sei nicht ausreichend ermittelt worden, gehen daher von vornherein ins Leere, sodass eine weitere Auseinandersetzung mit den Beschwerdeargumenten entbehrlich ist.

Die Beschwerde war daher gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen, wobei die Entscheidung mit Rücksicht auf die einfache Sach- und Rechtslage in einem gemäß § 12 Abs. 1 Z. 2 gebildeten Senat getroffen werden konnte.

Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG iVm VO BGBl. Nr. 416/1994.

Wien, am 31. August 2000

Schlagworte

Individuelle Normen und Parteienrechte Bindung der Verwaltungsbehörden an gerichtliche Entscheidungen VwRallg9/4

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2000:1999160273.X00

Im RIS seit

11.07.2001
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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