TE Vwgh Erkenntnis 2000/9/4 97/10/0167

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Veröffentlicht am 04.09.2000
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Index

E000 EU- Recht allgemein;
E3L E13301400;
82/05 Lebensmittelrecht;

Norm

31974L0409 Honig-RL Art4 Abs4;
EURallg;
HonigV 1994 §1 Abs5 litb;
LMG 1975 §74 Abs1;
LMG 1975 §8 litf;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Präsident Dr. Jabloner und die Hofräte Dr. Novak und Dr. Mizner als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Killian, über die Beschwerde des F in Itter, vertreten durch Dr. Stefan Kofler, Rechtsanwalt in 6020 Innsbruck, Maria-Theresien-Straße 24, gegen den Bescheid des Unabhängigen Verwaltungssenates in Tirol vom 10. Juni 1997, Zl. 1997/13/4-6, betreffend Übertretung des Lebensmittelgesetzes, zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von S 12.500,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit dem im Instanzenzug ergangenen angefochtenen Bescheid wurde der Beschwerdeführer schuldig erkannt, er habe in der Zeit vom 15. bis 20. Dezember 1996 an einen näher genannten Abnehmer ein Glas mit Honig, bezeichnet als "Slowakischer Gebirgshonig 500 g", geliefert, dessen Bezeichnung insofern falsch und irreführend gewesen sei, als es sich bei der Probe dem von der Bundesanstalt für Lebensmitteluntersuchung Innsbruck erstellten Befund zufolge um einen Waldhonig gehandelt habe und die für einen Gebirgshonig typischen Pollen von Ericaceen gefehlt hätten. Er habe somit ein falsch bezeichnetes Lebensmittel in Verkehr gebracht und hiedurch die Verwaltungsübertretung gemäß § 74 Abs. 1 iVm § 7 Abs. 1 lit. c und § 8 lit. f LMG sowie § 1 Abs. 5 lit. b der Verordnung des Bundesministers für Gesundheit, Sport und Konsumentenschutz über Honig, BGBl. 1994/941, begangen. Es wurde eine Geldstrafe von S 3.000,-- (Ersatzfreiheitsstrafe drei Tage) verhängt.

Begründend wurde dargelegt, die Bundesanstalt für Lebensmitteluntersuchung Innsbruck habe dargelegt, im untersuchten Honig fänden sich zahlreiche verschiedene Blütenpollen, unter anderem vereinzelt Pinaceae sowie Honigtau, jedoch keine Ericaceen. Bei der vorliegenden Probe handle es sich somit um einen Waldhonig, da die für einen Gebirgshonig typischen Pollen von Ericaceen vollständig fehlten. In Österreich als Gebirgsland verstehe man unter Gebirge nicht ein Mittelgebirge, sondern das Hochgebirge. Selbstverständlich gebe es im Mittelgebirge auch Wälder; aus diesen Wäldern stamme jedoch ein typischer Waldhonig. Dem gegenüber gebe es den typischen Gebirgshonig, der insbesondere durch das Enthalten von Ericaceen ausgewiesen sei. Zwischen Gebirgs- und Waldhonig bestehe ein Geschmacksunterschied. Eine entsprechend differenzierte Bezeichnung des Honigs sei aus der Sicht des Konsumenten von Bedeutung. Der Beschwerdeführer habe vorgebracht, dass er den Honig aus der Slowakei als Waldhonig beziehe. Da es sich um einen dunklen Honig handle, werde er von ihm in Österreich zulässigerweise als Gebirgshonig bezeichnet und verkauft. Der Beschwerdeführer habe anlässlich der Berufungsverhandlung ferner ein amtliches Untersuchungszeugnis der Bundesanstalt für Lebensmitteluntersuchung und -forschung in Wien vorgelegt, wonach der Honig entsprechend der Honigverordnung gekennzeichnet sei, weil das Pollenbild der vorgelegten Probe der Herkunftsangabe nicht widerspreche. Die belangte Behörde habe daraufhin das Gutachten der Innsbrucker Bundesanstalt der Wiener Bundesanstalt zur Stellungnahme übermittelt. Diese legte dar, Gebirge seien räumlich geschlossene, höhere Teile der Erdoberfläche, die sich von der tieferen, ebenen Umgebung deutlich absetzten. Am gebräuchlichsten sei die Einstufung der Gebirge nach den relativen Höhenunterschieden im Hochgebirge und Mittelgebirge. Unter der Bezeichnung Gebirgshonig sei nicht nur Honig zu verstehen, der zumindest teilweise Pollen enthalte, die auf eine Herkunft aus Regionen oberhalb der Waldgrenze (Hochgebirge) hinweisen. Die vorliegende Probe widerspreche im mikroskopischen Pollenbefund nicht der weiten Definition von Gebirge. Es bestehe kein Anlass, nur Hochgebirgshonig als Gebirgshonig gelten zu lassen bzw. einen Anteil an Pollen von Hochgebirgspflanzen im Honig vorauszusetzen. Es gebe durchaus Gebirgshonige, die keine Pollen von Ericaceen aufweisen. Der Begriff Gebirgshonig könne einen Überbegriff für viele Honigarten darstellen wie z.B. Almhonig, Hochgebirgshonig, Waldhonig, Wald-Blütenhonig, Blütenhonig, Alpenrosenhonig, Fichtenhonig, Tannenhonig, sofern die Tracht von den Bienen im Gebirge eingetragen wurde. Die belangte Behörde vertrat sodann die Auffassung, lege man das Vorbringen des Beschwerdeführers zugrunde, wonach er den Honig aus der Slowakei als Waldhonig bezogen habe, wobei das schlüssige Gutachten der Bundesanstalt in Innsbruck auf Grund eingehender Untersuchung diese Herkunft als zutreffend begutachtet habe, so dürfe unter Zugrundelegung der Honigverordnung der Honig lediglich als Waldhonig bezeichnet werden. Denkbar wäre allerdings, dass eine regionale Bezeichnung beigefügt und das Produkt etwa als "Honig aus dem slowakischen Erzgebirge" bezeichnet werde. Die Bezeichnung als slowakischer Gebirgshonig entspreche jedoch nicht der Verordnung, weil es sich einerseits unbestrittenermaßen um Waldhonig handle und andererseits eine regionale Bezeichnung "slowakisches Gebirge" keine ausreichend konkrete regionale Bezeichnung darstelle. Die Stellungnahme der Bundesanstalt in Wien könne das schlüssige und umfängliche Gutachten der Bundesanstalt in Innsbruck nicht widerlegen, weil der bloße Hinweis auf die Definition von Gebirge im Lexikon die Differenzierung zwischen Wald- und Gebirgshonig nicht zu begründen vermöge. Folge man der Ansicht der Wiener Bundesanstalt, wäre im Extremfall der von Bienen auf Kalvarienbergen gesammelte Honig zulässigerweise als Gebirgshonig zu bezeichnen, weil es sich auch bei Kalvarienbergen im Sinne der Definition um "räumlich geschlossene, höhere Teile der Erdoberfläche, die sich von der tieferen, ebeneren Umgebung durch einen mehr oder weniger deutlichen Gebirgsfuß absetzen", handle.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde,

die Rechtswidrigkeit des Inhaltes geltend macht.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Nach § 74 Abs. 1 LMG begeht eine Verwaltungsübertretung, wer (u.a.) Lebensmittel falsch bezeichnet oder Lebensmittel, die falsch bezeichnet sind, in Verkehr bringt.

Nach § 8 lit. f LMG sind Lebensmittel Verzehrprodukte und Zusatzstoffe falsch bezeichnet, wenn sie mit zur Irreführung geeigneten Angaben über Umstände, die nach der Verkehrsauffassung, insbesondere nach der Verbrauchererwartung, wesentlich sind, wie über Art, Herkunft, Verwendbarkeit, Haltbarkeit, Zeitpunkt der Herstellung, Beschaffenheit, Gehalt an wertbestimmenden Bestandteilen, Mengen, Maß, Zahl oder Gewicht, oder in solcher Form oder Aufmachung oder mit verbotenen gesundheitsbezogenen Angaben (§ 9) in Verkehr gebracht werden.

Mit der gemäß §§ 10 Abs. 2 und 19 Abs. 1 LMG erlassenen Verordnung des Bundesministers für Gesundheit, Sport und Konsumentenschutz über Honig, BGBl. Nr. 141/1994, wurden die Absätze 1 bis 7 samt Anlage des österreichischen Lebensmittelbuches, III. Auflage, Kapitel B 3 (Honig) als Verordnung erlassen. Nach § 1 Abs. 5 der zitierten Verordnung dürfen die Bezeichnung "Honig" oder eine der in Abs. 3 genannten Bezeichnungen unter anderem ergänzt werden durch

a) eine Angabe betreffend die Herkunft aus bestimmten Blüten oder Pflanzen, wenn das Erzeugnis überwiegend der angegebenen Herkunft entstammt und wenn es deren organoleptische, physikalisch-chemische und mikroskopische Merkmale aufweist;

b) einen territorialen, regionalen oder topografischen (z.B. Wald, Heide, Almen) Namen, wenn das Erzeugnis insgesamt der angegebenen Herkunft entstammt.

Diese Regelung entspricht (wortgleich) dem Art. 4 Abs. 4 der Richtlinie 74/409 EWG des Rates vom 22. Juli 1974 zur Angleichung der Rechtsvorschriften der Mitgliedsstaaten betreffend Honig, ABl. L 221/1974.

Nach dieser Regelung sind die im Beschwerdefall in Rede stehenden Zusätze zur Sachbezeichnung Honig als territoriale ("slowakischer") und topografische ("Gebirgs-") Angabe nicht schon an sich unzulässig. Ob der dem Beschwerdeführer vorgeworfene Verstoß gegen das Verbot der Falschbezeichnung durch die Verwendung des Zusatzes "Gebirge" vorliegt, richtet sich somit danach, ob der Zusatz geeignet ist, einen nicht unerheblichen Teil der in Frage kommenden Abnehmer über einen Umstand in Irrtum zu führen, der nach der Erwartung der Verbraucher wesentlich ist (vgl. das Erkenntnis vom 9. November 1992, 91/10/0105). Im Hinblick auf § 1 Abs. 5 lit. b der Verordnung ist der Zusatz insbesondere darauf zu prüfen, ob er zur Irreführung über die (damit) "angegebene Herkunft" und mit der Herkunft allenfalls verbundene Wertvorstellungen geeignet ist.

Bei der Beurteilung der Wirkung einer Ankündigung auf die angesprochenen Verkehrskreise handelt es sich - wenigstens dann, wenn die Erfahrungssätze des täglichen Lebens ausreichen - um die Lösung einer Rechtsfrage (vgl. das Erkenntnis vom 18. Oktober 1993, 93/10/0143-0151 mwN).

Im Beschwerdefall unternahm die Behörde den Versuch, die Verkehrsauffassung, von deren Feststellung die Lösung dieser Frage abhängt, durch Befassung von Bundesanstalten für Lebensmitteluntersuchung, bei denen entsprechende Sachkunde auch betreffend die Verbrauchererwartung vorauszusetzen ist, zu ermitteln. Dieser Versuch führte letztlich nicht zum Erfolg, nämlich zur Ermittlung einer insoweit gesicherten Entscheidungsgrundlage, weil die befassten Stellen durchaus unterschiedliche Auffassungen vertraten. Die belangte Behörde hat dargelegt, aus welchen Gründen sie sich einer der vertretenen Auffassungen angeschlossen hat; die dafür herangezogenen Gründe überzeugen indes nicht. Die belangte Behörde folgte der Auffassung der Bundesanstalt für Lebensmitteluntersuchung in Innsbruck insbesondere auf Grund des von ihr hervorgehobenen Umstandes, dass der Beschwerdeführer selbst erklärt habe, den Honig "als Waldhonig" bezogen zu haben. Auf die Vorstellungen des Beschwerdeführers kommt es im Zusammenhang mit der Verkehrsauffassung aber nicht an; entsprechende Angaben des Beschwerdeführers könnten aber auch mangels Klärung des nach der Verkehrsauffassung gegebenen Verhältnisses der Begriffe "Waldhonig" und "Gebirgshonig" zueinander zur Lösung der Frage, welche Eigenschaften der Verbraucher auf Grund der Bezeichnung "Gebirgshonig" erwartet oder welche für den Kaufentschluss wesentlichen Vorstellungen über die Herkunft des Produktes der Zusatz "Gebirgs-" hervorruft, nichts beitragen. Dies gilt auch für jene Darlegungen des angefochtenen Bescheides, die auf einen im Beschwerdefall nicht in Rede stehenden Sachverhalt ("auf Kalvarienbergen gesammelter Honig") aufbauen und die im erwähnten Zusammenhang referierte Definition des Begriffes "Gebirge" missverstehen.

Auch der Rückgriff auf die im angefochtenen Bescheid wiedergegebenen Darlegungen der Bundesanstalt in Innsbruck kann den angefochtenen Bescheid nicht tragen. Danach verstehe man in Österreich als Gebirgsland unter "Gebirge" nur das Hochgebirge. "Typischer Gebirgshonig" sei durch einen Gehalt an Pollen der Ericaceen "in entsprechender Menge" gekennzeichnet. Daraus ergebe sich ein für den Konsumenten bedeutender Geschmacksunterschied zwischen Gebirgs- und Waldhonig. Diese Darlegungen geben die Auffassungen des Sachverständigen wieder, nennen aber keinen Beleg dafür, dass der Konsument bei einem "Gebirgshonig" einen Gehalt an Pollen der Ericaceen in entsprechender Menge voraussetzen oder wenigstens davon ausgehen werde, dass der Honig in Hochgebirgslagen (oberhalb der Baumgrenze) gesammelt worden sei, und dies für seinen Kaufentschluss von Bedeutung wäre. Mit der Bedeutung des Begriffes "Gebirge" im allgemeinen Sprachgebrauch kann diese Auffassung nicht in Einklang gebracht werden. Der Sachverständige hat aber auch nicht auf das Bestehen eines entsprechenden Handelsbrauches oder einer entsprechenden Auffassung der beteiligten Fachkreise - etwa der Imker oder im Lebensmittelhandel - verwiesen; dies kann im vorliegenden Fall im Hinblick auf die gegenteiligen Äußerungen der Bundesanstalt für Lebensmitteluntersuchung in Wien auch nicht ohne weiteres angenommen werden.

Mangels entsprechend begründeter Feststellungen über eine Verbrauchererwartung, die mit der Bezeichnung "Gebirgshonig" die Vorstellung eines nicht bloß im "Gebirge", sondern im "Hochgebirge" gesammelten Honigs verbindet und daran bestimmte Vorstellungen über die Zusammensetzung bzw. Beschaffenheit des Honigs knüpft, besteht keine hinreichende Grundlage im Sachverhalt für die Annahme einer Täuschungseignung der vom Beschwerdeführer verwendeten Bezeichnung. Dass das Produkt in seiner Zusammensetzung auch nicht der Erwartung entspreche, dass der Honig in der "Gebirgsregion" - bei einem Verständnis, das auch Lagen unterhalb der Baumgrenze umfasst - gesammelt worden wäre, ist nach der Aktenlage nicht hervorgekommen.

Der angefochtene Bescheid war daher gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufzuheben.

Von einer mündlichen Verhandlung konnte gemäß § 39 Abs. 2 Z. 6 VwGG abgesehen werden.

Die Entscheidung über den Aufwandersatz beruht auf den §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994. Wien, am 4. September 2000

Schlagworte

Gemeinschaftsrecht Richtlinie EURallg4 EURallg8 Gebirgshonig EURallg7 Gebirgshonig

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2000:1997100167.X00

Im RIS seit

17.07.2001
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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