TE Lvwg Erkenntnis 2017/7/4 VGW-221/V/049/RP05/1638/2017

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Veröffentlicht am 04.07.2017
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Entscheidungsdatum

04.07.2017

Index

40/01 Verwaltungsverfahren

Norm

AVG §71

Text

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Verwaltungsgericht Wien hat durch seinen Landesrechtspfleger AR Hugl über die Beschwerde der C. GmbH, vertreten durch Rechtsanwältin, vom 20.1.2017 gegen den Bescheid des Magistrates der Stadt Wien, Magistratisches Bezirksamt für den ... Bezirk, vom 22.12.2016, Zl. 112553/2016, mit welchem der Antrag der C. GmbH auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand vom 16.11.2016 wegen Versäumung der Frist zur Einbringung eines Rechtsmittels gegen den Bescheid des Magistratischen Bezirksamtes für den ... Bezirk vom 30.6.2016, Zl. MBA … - 112553/2016, gemäß § 71 Abs. 1 AVG abgewiesen wurde, zu Recht

e r k a n n t:

Gemäß § 28 Abs. 1 VwGVG wird die Beschwerde als unbegründet abgewiesen und der angefochtene Bescheid bestätigt.

ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE

Der Spruch des angefochtenen Bescheides lautet wie folgt:

„Das Magistratische Bezirksamt für den ... Bezirk weist den Antrag der C. GmbH auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gemäß § 71 Abs. 1 Allgemeines Verwaltungsverfahrensgesetz – AVG 1991 vom 16. November 2016 wegen Versäumung der Frist zur Einbringung eines Rechtsmittels gegen den Bescheid des Magistratischen Bezirksamtes für den … Bezirk vom 30.06.2016, MBA … – 112553/2016, ab.“

Begründend wurde seitens der belangten Behörde ausgeführt, dass der Umstand, dass auf den Schriftstücken durch die Parteienvertreterin nicht der Zeitpunkt der spätesten Einbringung vermerkt sei, sondern je nach Adressat von den Kanzleimitarbeiterinnen ein Tag selbständig abgezogen werden müsse, die Organisation der Kanzlei der Parteienvertreterin fehleranfällig mache. Zudem gebe es auch keine Überwachungsschleifen, die sicherstellen würden, dass das Rechtsmittel auch tatsächlich rechtzeitig eingebracht werde. Es werde im Gegenteil im Antrag ausgeführt, dass eine Überprüfung der ordnungsgemäßen Kalendierung durch die Kanzleimitarbeiterin nicht zumutbar sei. Ein beruflich rechtskundiger Parteienvertreter habe nach Rechtsprechung des VwGH seine Kanzlei aber so zu organisieren, dass nach menschlichem Ermessen die Versäumung von Fristen ausgeschlossen sei. Daher seien mangels einer Darlegung eines wirksamen Kontrollsystems die Voraussetzungen für die Bewilligung eines Wiedereinsetzungsantrages nicht erfüllt. Die Festsetzung einer Frist und die Anordnung ihrer Vormerkung würden laut VwGH allein in die Verantwortung des Rechtsanwalts fallen und obliege es ihm auch, die richtige Eintragung der Fristen in den Terminkalender zu überwachen. Die Parteienvertreterin könne zudem nicht angeben, welche ihrer Mitarbeiterinnen die betreffenden Tätigkeiten überhaupt vorgenommen habe. Selbst wenn von einem tauglichen Wiedereinsetzungsgrund ausgegangen werden würde, ließen sich die Angaben mangels einer ladungsfähigen Adresse der involvierten Mitarbeiterin zur Bescheinigung des Vorbringens der Parteienvertreterin nicht verifizieren.

In ihrer dagegen rechtzeitig eingebrachten Beschwerde führte die anwaltlich vertretene Beschwerdeführerin aus, dass, sobald ein fristauslösendes Schreiben per Post in der Kanzlei der Rechtsvertreterin der Beschwerdeführerin einlange, die Frist vom Sekretariat berechnet und im Kalender sowie am Schreiben selbst vermerkt werde. Sodann werde das Schreiben umgehend der Rechtsvertreterin vorgelegt. Diese überprüfe die am Schriftsatz vorgemerkte Frist und ergänze diese gegebenenfalls mit der einzubringenden Behörde bzw. Gericht. Die Kanzleimitarbeiter der Beschwerdeführerin würden sodann die bestätigte Frist endgültig sowohl im elektronischen Kalender als auch im Fristenkalender eintragen. In Verwaltungssachen werde die Frist mit dem letzten Tag der Frist kalendiert, wenn das Rechtsmittel an die Erstbehörde gesendet werden sollte. Für den Fall, dass die Rechtsvertreterin allerdings „Verwaltungsgericht Wien“ oder „Bundesverwaltungsgericht“ als Adressaten der Frist auf dem fristauslösenden Schreiben vermerke, hätten sämtliche Kanzleimitarbeiter die Weisung, als Frist im Kanzleikalender den Vortag des Fristendes einzutragen, da der Rechtsvertreterin bewusst sei, dass die Amtsstunden sowohl des Verwaltungsgerichtes Wien wie auch des Bundesverwaltungsgerichts von Montag bis Freitag von 07.30 Uhr bis 13.00 Uhr lauten würden und dass Einbringungen nur innerhalb dieses Zeitraumes möglich wären. Bei Verwaltungsbehörden erster Instanz, insbesondere bei jenen, bei denen die Einbringung mittels E-Mail möglich sei, könne die Einbringung hingegen bis 24.00 Uhr fristwahrend erfolgen. Im Sekretariat der Rechtsvertreterin der Beschwerdeführerin hänge für jede ihrer Mitarbeiterinnen gut sichtbar ein Informationsblatt mit sämtlichen zivil- und verwaltungsrechtlichen Fristen samt Dauer, Beginn der Fristenläufe und angewiesenen Kalendierungsdaten. Im gegenständlichen Fall sei der Bescheid vom 30.6.2016 der Rechtsvertreterin der Beschwerdeführerin am 7.7.2016 zugestellt worden. Die vierwöchige Beschwerdefrist habe daher am 7.7.2016 zu laufen begonnen und am 4.8.2016 geendet. Dies habe die Kanzleiangestellte auf dem Bescheid auch vermerkt. Der Bescheid mit dem Fristvormerk sei der Rechtsvertreterin vorgelegt worden. Diese habe die Frist überprüft und auf dem Bescheid irrtümlich als Adressaten „Verwaltungsgericht Wien“ vermerkt. Hätte sich die Kanzleimitarbeiterin an die Weisung gehalten, so hätte sie als letzten Tag der Frist den 3.8.2016 kalendiert. Sie habe jedoch entgegen der ausdrücklichen Weisung, Fristeintragungen bezüglich Einbringungen an das Verwaltungsgericht Wien mit einem Tag vor dem Fristende im Fristenkalender einzutragen, den 4.8.2016 als Fristende eingetragen. Als letzter Tag einer Frist würden in der Kanzlei der Rechtsvertreterin ausschließlich volle Tage (bis 24.00 Uhr) gelten. Dies nicht zuletzt deshalb, da die Rechtsvertreterin aus Gründen der Kindesbetreuung häufig von zuhause aus arbeite bzw. ihre Arbeitstage unterbreche und abends wieder aufnehme. Welche Kanzleimitarbeiterin diese Fristeintragung vorgenommen habe, lasse sich nicht mehr eruieren, wobei ausdrücklich festgehalten werde, dass beide Kanzleimitarbeiterinnen äußerst zuverlässig seien und über große Erfahrung verfügen würden. Ein derartiger Fehler sei bislang noch nie passiert. Die Rechtsvertreterin habe die Beschwerde innerhalb der offenen Frist ausgearbeitet. Da sie als „Sicherheitsfrist“ stets den 4.8.2016 vor Augen gehabt habe, sei sie davon ausgegangen, dass eine Einbringung vor dem 4.8.2016, 24.00 Uhr, jedenfalls fristwahrend sei. Entgegen den Ausführungen der belangten Behörde habe die Rechtsvertreterin der Beschwerdeführerin sehr wohl eine ordnungsgemäße Kontrolleinrichtung in ihrer Kanzlei installiert. Die Organisation des Kanzleibetriebes sehe eine umfassende Kontrolle und Überwachung der Kanzleiangestellten durch die Rechtsvertreterin stets vor. Wie bereits ausgeführt, würden Fristen zunächst vom Sekretariat berechnet und im Kalender sowie am Schreiben vermerkt. Die Rechtsvertreterin kontrolliere diese Fristenberechnung und bestätige bzw. korrigiere diese. Das Verschulden einer Kanzleiangestellten des Rechtsanwalts sei der Partei nicht zurechenbar; entscheiden sei ausschließlich, ob den Rechtsanwalt ein Verschulden treffe. Hier treffe das Verschulden die Kanzleiangestellte, nicht jedoch die Rechtsvertreterin der Beschwerdeführerin.

Dem Inhalt des von der belangten Behörde übermittelten Verwaltungsaktes ist Folgendes zu entnehmen:

Mit Bescheid vom 30.6.2016, Zl. MBA … -112553/2016, wurde das Ansuchen der Beschwerdeführerin vom 5.2.2016 auf Erteilung der Gebrauchserlaubnis zur Bewilligung eines Schanigartens abgewiesen und die beantragte Gebrauchserlaubnis versagt.

Die dagegen erhobene Beschwerde vom 4.8.2016 wurde vom Verwaltungsgericht Wien mit Beschluss vom 24.10.2016 als verspätet zurückgewiesen.

Mit Schriftsatz vom 16.11.2016 stellte die anwaltlich vertretene Beschwerdeführerin einen Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand und erhob gleichzeitig Beschwerde. Begründet wurde der Wiedereinsetzungsantrag im Wesentlichen gleichlautend mit der späteren Beschwerde gegen den verfahrensgegenständlichen Bescheid, mit welchem der Wiedereinsetzungsantrag abgewiesen wurde.

Das Verwaltungsgericht Wien hat erwogen:

Gemäß § 71 Abs. 1 AVG ist gegen die Versäumung einer Frist oder einer mündlichen Verhandlung auf Antrag der Partei, die durch die Versäumung einen Rechtsnachteil erleidet, die Wedereinsetzung in den vorigen Stand zu bewilligen, wenn

1.   die Partei glaubhaft macht, dass sie durch ein unvorhergesehenes oder unabwendbares Ereignis verhindert war, die Frist einzuhalten oder zur Verhandlung zu erscheinen und sie kein Verschulden oder nur ein minderer Grad des Versehens trifft, oder

2.   die Partei die Rechtsmittelfrist versäumt hat, weil der Bescheid keine Rechtsmittelbelehrung, keine Rechtsmittelfrist oder fälschlich die Angabe enthält, dass kein Rechtsmittel zulässig sei.

Gemäß § 71 Abs. 2 AVG muss der Antrag auf Wiedereinsetzung binnen zwei Wochen nach dem Wegfall des Hindernisses oder nach dem Zeitpunkt, in dem die Partei von der Zulässigkeit der Berufung Kenntnis erlangt hat, gestellt werden.

Die Rechtsvertreterin der Beschwerdeführerin wandte ein, dass sie kein Verschulden treffe, sondern die verspätete Einbringung der Beschwerde auf einen Fehler einer ihrer Mitarbeiterinnen zurückzuführen sei. Eine ihrer Mitarbeiterinnen habe entgegen der diesbezüglichen ausdrücklichen Kanzleiweisung für den Fall, dass ein Rechtsmittel beim Verwaltungsgericht Wien einzubringen sei, nicht den vorletzten Tag der Vierwochenfrist, sondern den letzten Tag der gesetzlichen Frist vermerkt und im Kalender eingetragen. Hierzu wird seitens des Verwaltungsgerichtes Wien Folgendes bemerkt:

Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes hat ein Parteienvertreter durch entsprechende Kontrollen dafür vorzusorgen, dass Unzulänglichkeiten wie die Versäumung von Fristen durch menschliches Versagen aller Voraussicht nach auszuschließen sind (VwGH vom 14.10.2016, Zl. Ra 2016/09/0001). Die Festsetzung einer Frist und die Anordnung ihrer Vormerkung fallen jedoch in die alleinige Verantwortung des Rechtsanwalts und obliegt es ihm daher auch, die richtige Eintragung der Fristen im Terminkalender zu überwachen. Es gehört zu den Organisationserfordernissen, dass in der Kanzlei des Parteienvertreters eine Kontrolle der Terminwahrung stattfindet, die gewährleistet, dass fristgebundene Schriftsätze tatsächlich erstattet und abgefertigt werden (VwGH vom 18.9.2013, Zl. 2013/03/0094).

Im Hinblick auf diese Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes war daher die Rechtsvertreterin der Beschwerdeführerin allein für die Festsetzung einer Frist verantwortlich und konnte das Verschulden keineswegs auf ihre Kanzleibedienstete abwälzen. Die Rechtsvertreterin gab ausdrücklich an, dass sie die Fristberechnung ihrer Kanzleibediensteten kontrolliere und diese entweder bestätige oder korrigiere (Beschwerdeschriftsatz Bl. 5, 3. Abs.). Der Rechtsvertreterin hätte daher bei ihrer Kontrolle der Frist auffallen müssen, dass es sich um einen Bescheid handelte, gegen den Beschwerde beim Verwaltungsgericht Wien zu erheben ist. Demzufolge hätte sie überprüfen müssen, ob ihre Kanzleibedienstete – weisungsgemäß – tatsächlich nicht den letzten Tag der Vierwochenfrist, sondern den vorletzten Tag dieser Frist eingetragen hat. Da die Rechtsvertreterin bei ihrer Kontrolle der Frist sicher einen Taschenkalender zur Hand hatte, hätte ihr somit jedenfalls auffallen müssen, dass die Kanzleibedienstete den letzten Tag der Vierwochenfrist als Fristende vermerkt hat. Die Rechtsvertreterin hätte demnach das Fristende im gegenständlichen Fall auf den 3.8.2016, also den selbst auferlegten „Sicherheitspolster“, korrigieren müssen. Dies hat sie jedoch nicht getan und hat offensichtlich das von ihrer Kanzleibediensteten eingetragene Datum „4.8.2016“ bestätigt und dabei übersehen, dass sie ihrer eigenen Weisung gemäß im gegenständlichen Fall den 3.8.2016 als Fristende eingetragen hätte wollen. Die Rechtsvertreterin ist daher in der (nach ihren Ausführungen durchaus nachvollziehbaren) Annahme verblieben, dass sie zur Einbringung der Beschwerde den ganzen 4.8.2016 bis 24.00 Uhr Zeit hätte.

Insgesamt gesehen handelte es sich bei der Versäumung der Beschwerdefrist im vorliegenden Fall daher eindeutig um ein Versehen (bzw. „Übersehen“) seitens der Rechtsvertreterin der Beschwerdeführerin und daher auch um das eigene Verschulden der Rechtsvertreterin und nicht das ihrer Kanzleibediensteten. Die Rechtsvertreterin der Beschwerdeführerin konnte daher nicht im Sinne des § 71 Abs. 1 AVG glaubhaft machen, dass sie durch ein unvorhergesehenes oder unabwendbares Ereignis verhindert war, im vorliegenden Fall die Beschwerdefrist einzuhalten. Aber selbst wenn man von einem tauglichen Wiedereinsetzungsgrund ausgehen würde (was nicht der Fall ist!), ließen sich die Angaben der Rechtsvertreterin mangels der Angabe einer ladungsfähigen Adresse ihrer Mitarbeiterin zur Bescheinigung ihres Vorbringens nicht verifizieren, zumal sie selbst angab, nicht zu wissen, wer von ihren Mitarbeiterinnen die gegenständliche Fristeintragung vorgenommen hatte („Zwar kann die Parteienvertreterin nicht benennen, welche ihrer Mitarbeiterinnen die betreffenden Tätigkeiten vorgenommen hat, …“ – Beschwerdeschriftsatz Bl. 6, vorletzter Abs.). Vergleiche hierzu auch VwGH vom 15.3.2001, Zl. 2001/16/0136: „Der Wiedereinsetzungswerber hat zur Glaubhaftmachung des behaupteten Wiedereinsetzungsgrundes im Wiedereinsetzungsantrag ladungsfähige Adressen der zur Bescheinigung seines Vorbringens geführten Personen anzugeben, widrigenfalls dem Wiedereinsetzungsantrag nicht stattzugeben ist.“.

Die Abweisung des Wiedereinsetzungsantrages erfolgte daher seitens der belangten Behörde zu Recht, weswegen der Beschwerde keine Folge zu geben und der angefochtene Bescheid spruchgemäß zu bestätigen war.

Gemäß § 24 Abs. 4 VwGVG wurde trotz diesbezüglichen Antrages der Rechtsvertreterin der Beschwerdeführerin von der Durchführung einer mündlichen Verhandlung abgesehen, da der Akteninhalt erkennen ließ, dass die mündliche Erörterung eine weitere Klärung der Rechtssache nicht erwarten hätte lassen.

Außerdem konnte die Verhandlung gemäß § 24 Abs. 2 Z 3 VwGVG entfallen, weil die Rechtssache durch einen Rechtspfleger erledigt wurde.

Schlagworte

Verfahrensrecht; Abweisung der Wiedereinsetzung in den vorigen Stand; Verantwortung des Rechtsanwaltes für Fristvormerkung, Kontrollpflicht über Kanzleimitarbeiter

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:LVWGWI:2017:VGW.221.V.049.RP05.1638.2017

Zuletzt aktualisiert am

06.11.2017
Quelle: Landesverwaltungsgericht Wien LVwg Wien, http://www.verwaltungsgericht.wien.gv.at
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