TE Lvwg Erkenntnis 2017/10/5 LVwG-2017/14/2198-1

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Veröffentlicht am 05.10.2017
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Entscheidungsdatum

05.10.2017

Index

40/01 Verwaltungsverfahren;

Norm

VStG §24
AVG §69 Abs1

Text

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Landesverwaltungsgericht Tirol hat durch seinen Richter Dr. Klaus Dollenz über die Beschwerde des Herrn AA, vertreten durch Mag. BB, Rechtsanwalt in Z, Adresse 1, gegen den Bescheid der Bürgermeisterin der Stadt Z vom 27.07.2017, Zahl ****

zu Recht erkannt:

1.       Gemäß § 50 VwGVG iVm § 38 VwGVG wird die Beschwerde als unbegründet abgewiesen.

2.       Gegen diese Entscheidung ist gemäß § 25a VwGG eine ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art 133 Abs 4 B-VG unzulässig.

R e c h t s m i t t e l b e l e h r u n g

Gegen diese Entscheidung kann binnen sechs Wochen ab der Zustellung Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof, Freyung 8, 1010 Wien, oder außerordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof erhoben werden. Die Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof ist direkt bei diesem, die außerordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof ist beim Landesverwaltungsgericht Tirol einzubringen.

Die genannten Rechtsmittel sind von einem bevollmächtigten Rechtsanwalt bzw einer bevollmächtigten Rechtsanwältin abzufassen und einzubringen, und es ist eine Eingabegebühr von Euro 240,00 zu entrichten.

Es besteht die Möglichkeit, auf die Revision beim Verwaltungsgerichtshof und die Beschwerde beim Verfassungsgerichtshof zu verzichten. Ein solcher Verzicht hat zur Folge, dass eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof und eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof nicht mehr erhoben werden kann.

E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e

Am 31.07.2017 wurde an den Beschwerdeführer zu Handen seines Vertreters nachstehender Bescheid mit folgendem Spruch zugestellt:

„Sehr geehrter Herr AA,

gemäß § 69 Abs. 1 des Allgemeinen Verwaltungsverfahrensgesetzes 1991 (AVG), BGBl. Nr. 51/1991, i.d.g.F., wird der Ihrerseits im Wege Ihres Rechtsvertreters mit Schriftsatz vom 13.07.2017 erstattete Antrag auf Wiederaufnahme jenes wegen Übertretung des Allgemeinen Sozialversicherungsgesetzes durchgeführten Verwaltungsstrafverfahrens, welches mit hieramtlichen, rechtskräftigen Straferkenntnis vom 03.11.2015, Zl. ****, abgeschlossen wurde,

als unzulässig zurückgewiesen.“

Innerhalb offener Frist wurde nachangeführte Beschwerde erhoben:

„Der Beschwerdeführer erhebt durch seinen bevollmächtigten Vertreter gegen den Bescheid der Behörde vom 27.7.2017

fristgerecht

Beschwerde

an das Landesverwaltungsgericht in Tirol.

der Bescheid wird wegen wegen wesentlichen Verfahrensmängeln und rechtswidrigkeit des Inhaltes angefochten und

gestellt der

ANTRAG

Den Bescheid abzuändern, das Verfahren wieder aufzunehmen und das Verwaltungsstrafverfahren einzustellen.

Gründe:

Entgegen der Ansicht der Behörde ist es eine neue Tatsache wenn ein Gericht nach Prüfung einer Urkunde erkannt hat, dass es sich dabei entgegen der Behauptung der Behörde bzw. der Abgabenbehörde erkannt hat, dass es sich bei einer ausländischen gefälschten Urkunde um einen gefälschten Personalausweis und nicht um einen gefälschten Aufenthaltstitel gehandelt hat. Diese Erkenntnis führt nämlich dazu wie das Landesverwaltungsgericht zutreffend erkannt hatte, dass nicht zu strafen ist.

Abgesehen davon wäre das genannte Erkenntnis auch ein Anlaß für eine amtswegige Wiederaufnahm e des Verfahrens um den "Irrtum der Finanzpolizei" zu sanieren und dfie daran geknüpfte Rechtsfolge der Bestrafung des Beschuldigten zu beseitigen. Es sit wohl nicht im staatlichen Interesse Bürger wegen finanzpolizeilicher Irrtüm er zu bestrafen.“

Am 27.07.2015 wurde vom Finanzamt Y X Finanzpolizei eine Anzeige an die Bürgermeisterin der Stadt Z erstattet, wonach am 01.07.2015 um 07.10 Uhr auf der Baustelle Neubau Bildungszentrum in W eine Kontrolle nach dem Ausländerbeschäftigungsgesetz sowie § 89 Abs 3 ESTG durchgeführt worden sei.

Im Rahmen dieser Kontrolle sei ein „CC, geboren am xx.xx.xxxx“ bei Eisenverlegearbeiten angetroffen worden, der angegeben habe, dass er slowenischer Staatsbürger sei, seit 27.04.2015 an fünf Tagen pro Woche jeweils acht Stunden täglich für die Firma DD GesmbH arbeite. Da für CC keine Meldung im zentralen Melderegister vorlag, sowie aufgrund der Beschaffenheit des vorgelegten slowenischen Aufenthaltstitels die Vermutung bestanden habe, dass es sich dabei um eine Fälschung handle, wurde die Polizeiinspektion V telefonisch zur Unterstützung angefordert und CC der Polizei übergeben.

Von dieser wurde kurz darauf telefonisch bestätigt, dass es sich bei dem vorgelegten Aufenthaltstitel um eine Totalfälschung handle. CC wurde seitens der Polizeiinspektion an die Wohnadresse verbracht, wo unter Beisein der Finanzpolizei ein serbischer Reisepass lautend auf EE vorgefunden wurde. Bei der Beschuldigteneinvernahme gab „EE“ an, dass ihm bekannt sei, dass er als Serbe in Österreich nicht arbeiten dürfe, weshalb er eine slowenische ID-Card benötigt habe, die er im Internet für 100,-- Euro erhalten habe.

Ferner gab EE an, dass er die E-Card von FF, dem Geschäftsführer der Firma DD GmbH, bekommen zu haben, da dieser ihn normal zur Sozialversicherung angemeldet habe. EE alias CC wurde am 04.07.2015 rückwirkend mit 29.06.2015 von der Sozialversicherung abgemeldet.

Im vorgelegten Akt erliegt auch ein Versicherungsdatenauszug betreffend CC, wonach dieser vom 27.04.2015 bis 29.06.2015 als Arbeiter bei der DD GesmbH angemeldet gewesen ist.

Dem Beschwerdeführer wurde die Aufforderung zur Rechtfertigung, den Dienstnehmer „EE“ in der Zeit vom 30.06.2015 bis 01.07.2015 ohne Anmeldung bei der Gebietskrankenkasse beschäftigt zu haben, am 06.08.2015 zugestellt.

In weiterer Folge wurde eine Äußerung dahingehend erstattet. dass der Beschwerdeführer die ihm zur Last gelegte Tat nicht begangen habe. Der Beschwerdeführer habe vom Arbeitnehmer, wie sich später herausgestellt habe, eine falsche Identität genannt erhalten und sich mit einem gefälschten Dokument ausgewiesen. Es sei unter der vorgegebenen Identität zur Sozialversicherung angemeldet worden. Die Fälschung sei von der Finanzpolizei aufgedeckt worden. Mangels spezifischem Fachwissen im Bereich des Urkundenwesens habe der Beschwerdeführer nicht wissen können, dass es sich um eine Person handle, die über keine Zulassung zum Arbeitsmarkt verfüge.

In der Stellungnahme vom 16.09.2015 wurde seitens der Finanzpolizei mitgeteilt, dass Fakt sei, das EE unter falscher Identität tätig gewesen sei. Dies würde dem Beschwerdeführer in keinster Weise von der Sozialversicherungspflicht befreien. Die rückwirkende Abmeldung des Dienstnehmers EE erscheine daher nicht gerechtfertigt. Es werde um antragsmäßige Bestrafung ersucht.

Am 05.11.2015 wurde das Straferkenntnis der Bürgermeisterin der Stadt Z vom 03.11.2015 zu Handen des Rechtsvertreters zugestellt, indem diesem eine Übertretung nach § 111 Abs 1 Zif 1 ASVG angelastet und über ihn gemäß § 111 Abs 2 AVRAG (richtig wohl ASVG) eine Geldstrafe von 730,-- Euro (Ersatzfreiheitsstrafe 3 Tage) verhängt wurde. Ferner wurde er zu Kostenersatz verpflichtet.

Am 03.12.2015 wurde per E-Mail eine Beschwerde an das Landesverwaltungsgericht Tirol erhoben, in der unter anderem vorgebracht wurde, dass der Arbeitnehmer ordnungsgemäß gemeldet gewesen sei, dem Beschwerdeführer jedoch wie sich später herausgestellt habe, einen gefälschten slowenischen Ausweis vorgelegt habe. Der Beschwerdeführer sei von seinem Arbeitnehmer getäuscht worden.

Am 19.08.2016 wurde die erhobene Beschwerde mit Beschluss vom Landesverwaltungsgericht Tirol zu Aktenzahl LVwG-**** als verspätet zurückgewiesen und ist diese Zurückweisung nach Zustellung am 25.08.2016 in Rechtskraft erwachsen.

Infolge der Entscheidung des Landesverwaltungsgerichts Tirol vom 29.06.2017, Zahl **** (Übertretung nach dem AuslBG) wurde ein Antrag auf Wiederaufnahme des Strafverfahrens bei der Bürgermeisterin der Stadt Z betreffen des ASVG Verfahrens gestellt.

Nach § 69 Abs 1 ist dem Antrag einer Partei auf Wiederaufnahme eines durch Bescheid abgeschlossenen Verfahrens stattzugeben, wenn ein Rechtsmittel gegen den Bescheid nicht oder nicht mehr zulässig ist und

1.   der Bescheid durch Fälschung einer Urkunde, falsches Zeugnis oder eine andere gerichtliche strafbare Handlung herbeigeführt oder sonst wie erschlichen worden ist oder

2.   neue Tatsachen oder Beweismittel hervorgekommen, dem Verfahren ohne Verschulden der Parteien nicht geltend gemacht werden konnten und allein oder in Verbindung mit dem sonstigen Ergebnis des Verfahrens voraussichtlich einen im Hauptinhalt des Spruches anders lautenden Bescheid herbeigeführt hätten, oder

3.   der Bescheid gemäß § 38 von Vorfragen abhängig war und nachträglich um eine solche Vorfrage von der zuständigen Verwaltungsbehörde bzw vom zuständigen Gericht in wesentlichen Punkten anders entschieden wurde.

4.   nachträglich ein Bescheid oder eine gerichtliche Entscheidung bekannt wird, der bzw die eine Aufhebung oder Abänderung auf Antrag einer Partei nicht unterliegt und die im Verfahren die Einwendung der entschiedenen Sache begründet hätte.

Nach Absatz 2 ist der Antrag auf Wiederaufnahme binnen zwei Wochen bei der Behörde einzubringen, die den Bescheid in 1. Instanz erlassen hat. Die Frist beginnt mit dem Zeitpunkt, in dem der Antragsteller von dem Wiederaufnahmegrund Kenntnis erlangt hat, wenn dies jedoch nach der Verkündung des mündlichen Bescheides und vor Zustellung der schriftlichen Ausfertigung geschehen ist, erst mit diesem Zeitpunkt nach Ablauf von drei Jahren nach Erlassung des Bescheides kann der Antrag auf Wiederaufnahme nicht mehr gestellt werden. Die Umstände, aus welchen sich die Einhaltung der gesetzlichen Frist ergibt, sind vom Antragsteller glaubhaft zu machen.

Unter den Voraussetzungen des Abs 1 kann die Wiederaufnahme des Verfahrens auch von Amtswegen verfügt werden.

Nach Ablauf von drei Jahren nach Erlassung des Bescheides kann die Wiederaufnahme auch von Amtswegen nur mehr aus den Gründen des Absatz 1 Ziffer 1 stattfinden.

Die Entscheidung über die Wiederaufnahme steht der Behörde zu, die den Bescheid in letzter Instanz erlassen hat.

Die Bürgermeisterin der Stadt Z ist in ihrem Bescheid davon ausgegangen, dass der vom Beschwerdeführer vom 13.07.2017 gestellte Antrag nicht zulässig ist. Sie führt dazu aus, dass nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes das Wiederaufnahmeverfahren nicht dazu dient, eine eventuelle Mangelhaftigkeit des früheren Verfahrens nachträglich geltend zu machen. Zudem wird ausgeführt, dass neue Schlussfolgerungen weder Tatsachen, noch Beweismittel seien, die nach § 69 Abs 1 Ziffer 2 AVG einen Wiederaufnahmegrund darstellen. Das Erkenntnis des Landesverwaltungsgerichtes Tirol vom 29.06.2017 beruhe auf eine Einschätzung, dass das gefälschte Identitätsdokument nicht von einem Leien als solches erkennbar gewesen sei, dem Beschuldigten somit an der Übertretung kein Verschulden treffe. Es sei daher spruchgemäß zu entscheiden gewesen.

Die Entscheidung der Bürgermeister der Stadt Z ist von Seiten des Landesverwaltungsgerichtes Tirol nicht zu bemängeln. Der Beschwerdeführer hat am 06.08.2015 die Aufforderung zur Rechtfertigung betreffend einer Übertretung nach ASVG erhalten und schon in der Äußerung vorgebracht, dass der Beschwerdeführer die ihm zur Last gelegte Tat (objektiv und subjektiv) nicht begangen hat. Es sei ihm ein gefälschtes Dokument vorgewiesen worden. Es sei die Fälschung erst von der Finanzpolizei – im Zuge der Kontrolle vom 01.07.2015 – aufgedeckt worden und das gleiche Vorbringen findet sich in der Beschwerde gegen das Straferkenntnis der Bürgermeisterin der Stadt Z vom 03.11.2015, welche letztendlich wegen Verspätung vom Landesverwaltungsgericht Tirol zurückgewiesen wurde.

Das Landesverwaltungsgericht Tirol ist der Ansicht, dass weder ein Wiedereinsetzungsgrund nach § 69 Abs 1 Ziffer 1 oder 2 vorhanden ist, noch die Frist nach Abs 2 eingehalten wurde. Die Frage der Auswirkung des Vorliegens einer gefälschten Urkunde war Gegenstand im Verfahren ****, auch das Erkenntnis des Landesverwaltungsgerichts Tirol vom 29.06.2017 enthält auch keine neue Tatsache oder kein neues Beweismittel im Sinne des § 69 Abs 1 2. Satz VStG. sodass die Voraussetzungen nach § 69 nicht vorliegen. Die Beschwerde gegen den Bescheid der Bürgermeisterin der Stadt Z vom 28.07.2017 ist nicht gerechtfertigt und war daher diese abzuweisen.

Die ordentliche Revision ist unzulässig, da keine Rechtsfrage iSd Art 133 Abs 4 B-VG zu beurteilen war, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes. Weiters ist die dazu vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Ebenfalls liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.

Landesverwaltungsgericht Tirol

Dr. Klaus Dollenz

(Richter)

Schlagworte

Abweisung des Antrages auf Wiederaufnahme des Strafverfahrens; Ausländerbeschäftigung; Sozialversicherungspflicht; falsche Identität; E-Card;

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:LVWGTI:2017:LVwG.2017.14.2198.1

Zuletzt aktualisiert am

06.11.2017
Quelle: Landesverwaltungsgericht Tirol LVwg Tirol, https://www.lvwg-tirol.gv.at
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