TE Pvak 2016/11/14 A 21-PVAB/16

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Veröffentlicht am 14.11.2016
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Norm

PVG §22 Abs4
PVG §22 Abs8
PVG §22 Abs9
PVG §41 Abs1
PVGO §17 Abs2

Schlagworte

Antragslegitimation von PV an PVAB; Beschlussfassung im DA; Übertragung der Erfüllung von Angelegenheiten an DA-Mitglieder; Umlaufbeschluss; Einstimmigkeit; Geschäftsführung ohne vorangehenden Beschluss; Anwendung von §17 Abs2 PVGO; Geschäftsführung ohne vorhergehenden Beschluss; keine Heilung (Sanierung) gesetzwidriger Geschäftsführung durch nachträglichen Beschluss

Text

A 21-PVAB/16

Bescheid

Die Personalvertretungsaufsichtsbehörde (PVAB) hat durch ihre Mitglieder Dr.in Eva-Elisabeth SZYMANSKI als Vorsitzende sowie Dr.in Anita PLEYER als Vertreterin des Dienstgebers und Mag. Walter HIRSCH als Vertreter der Dienstnehmer/innen über den Antrag des GrInsp A, vertreten durch Rechtsanwalt Mag. B, die Geschäftsführung des Fachausschusses für die Bediensteten der Landespolizeidirektion für *** (FA) im Zusammenhang mit der Weiterleitung eines Antrags des FA ohne vorherige Beschlussfassung auf ihre Gesetzmäßigkeit zu prüfen, gemäß § 41 Abs. 1 des Bundes-Personalvertretungsgesetzes, BGBl. Nr. 133/1967, zuletzt geändert durch BGBl. I Nr. 64/2016, entschieden:

Dem Antrag wird stattgegeben und festgestellt, dass die Geschäftsführung des FA durch die Übermittlung eines Antrags des FA an den Zentralausschuss für die Bediensteten des öffentlichen Sicherheitswesens beim Bundesministerium für Inneres (ZA) durch den FA-Vorsitzenden ohne vorhergehenden Beschluss des FA mit Gesetzwidrigkeit belastet ist.

Begründung

Mit Schreiben vom 20. Oktober 2016 beantragte der Antragsteller, vertreten durch Rechtsanwalt Mag. B, die Rechtswidrigkeit der Verhaltensweise des Vorsitzenden des FA festzustellen, der einen Akt der Geschäftsführung des FA, nämlich die Übermittlung eines Antrags des FA an den ZA, ohne ordnungsgemäße Beschlussfassung im Kollegialorgan FA gesetzt habe.

Dem Antrag liegt folgender Sachverhalt zugrunde:

Mit Schreiben vom 25. Mai 2016, protokolliert im FA am 27. Mai 2016, verfasste der Vorsitzende des FA einen Antrag an den ZA betreffend die Aufnahme einer Übergangsbestimmung in das Bundes-Personalvertretungsgesetz (PVG) im Zusammenhang mit der Auflösung einer Bezirkshauptmannschaft im Bundesland. Dieses Schreiben erfolgte auf dem offiziellen Briefpapier des FA, war als Antrag des FA formuliert und mit „C, Vorsitzender des Fachausschusses“ gefertigt. Dieses Schreiben wurde in der Folge dem ZA übermittelt und dessen Eingang vom ZA mit 8. Juni 2016 protokolliert.

Der Übermittlung des Antrags an den ZA ging keine Beschlussfassung in einer Sitzung des Kollegialorgans FA voraus.

Der Antragsteller befand sich vom 25. Mai 2016 bis 7. Juni 2016 auf Urlaub. Während seiner Abwesenheit wurde der von ihm namhaft gemachte Stellvertreter, GrInsp D, vom FA-Vorsitzenden mit dieser Angelegenheit befasst. Der Stellvertreter gab weder seine Zustimmung noch seine Ablehnung zum Inhalt des Antrags bekannt, sondern verwies auf den Antragsteller, der ab 8. Juni 2016 wieder im Dienst sein werde.

Der Antrag wurde wegen der Dringlichkeit der Angelegenheit noch vor der Rückkehr des Antragstellers vom Urlaub dem ZA übermittelt, wobei der FA-Vorsitzende den ZA darüber informierte, dass der Antrag mit den Stimmen der Wählergruppen X und XY angenommen worden wäre. In der ZA-Sitzung vom 16. Juni 2016 wurde der Antrag des FA vom ZA einstimmig angenommen.

Am 8. Juni 2016 konfrontierte der FA-Vorsitzende den Antragsteller nach dessen Rückkehr vom Urlaub mit dem Inhalt des Antrags sowie der Dringlichkeit der Angelegenheit und verwies darauf, dass alle anderen Mitglieder des FA dem Antrag bereits zugestimmt hätten. Der Antragsteller erklärte, dass er diesem Antrag mit Sicherheit nicht zustimmen werde.

In seiner Sitzung vom 17. Juni 2016 fasste der FA zu Tagesordnungspunkt VI/3 (Antrag FA – Erwirkung einer Übergangsbestimmung im PVG anlässlich der Zusammenlegung politischer Bezirke) den nachträglichen Beschluss zu diesem bereits dem ZA übermittelten (und von diesem am 16. Juni 2016 beschlossenen) Antrag gegen die Stimme des Antragstellers.

Mit Schriftsatz vom 20. Oktober 2016 wurde der Antrag samt Anlagen dem FA übermittelt und ihm Gelegenheit gegeben, binnen zwei Wochen dazu Stellung zu nehmen.

Mit Schreiben vom 7. November 2016 übermittelte der FA fristgerecht seine Stellungnahme. In dieser Stellungnahme wurde vom FA nicht bestritten, dass die Beschlussfassung über diesen Antrag vor dessen Weiterleitung an den ZA nicht in einer Sitzung des FA erfolgte und dass diesem Antrag weder der Antragsteller noch sein Vertreter, der sich der Stimme enthalten und auf die Rückkehr des Antragstellers vom Urlaub verwiesen hatte, zugestimmt hätten.

Ebenso wenig wurde vom FA bestritten, dass der FA dem gegenständlichen Antrag an den ZA erst in seiner Sitzung vom 17. Juni 2016 nachträglich mit Beschluss zugestimmt hat.

Der FA führte in seiner Stellungnahme aus, dass der FA-Vorsitzende wegen der Dringlichkeit der Angelegenheit „den beschleunigten Prozess der Beschlussfassung nach § 17 Abs. 2 PVGO“ gewählt habe, weil für die Anwendung von § 17 Abs. 2 der Bundes-Personalvertretungs-Geschäftsordnung (PVGO), BGBl. Nr. 35/1968, zuletzt geändert durch BGBl. II Nr. 143/2014, ein gültiger Beschluss des FA vom 14. Jänner 2014 vorliege. Dies sei auch dem Antragsteller bewusst gewesen, der keine Einwände gegen eine Vorgangsweise iSd § 17 Abs. 2 PVGO gehabt habe, weshalb von seiner „konkludenten Zustimmung“ zur gewählten Vorgangsweise auszugehen sei.

Da vom FA in seiner Stellungnahme vom 7. November 2016 keine Einwände gegen die Sachverhaltsdarstellungen im Antragsvorbringen erhoben wurden, steht der entscheidungsrelevante Sachverhalt unbestritten fest, weshalb die PVAB von einem Vorgehen nach § 45 Abs. 3 AVG aus Gründen der Verfahrensökonomie und der gebotenen Raschheit des Verfahrens Abstand nehmen konnte.

Der Sachverhalt steht somit fest.

Rechtliche Beurteilung

Der Antragsteller ist Mitglied des FA, gegen dessen Vorsitzenden sich der Antrag richtet. Antragsberechtigt an die PVAB iSd § 41 Abs. 1 zweiter Satz des Bundes-Personalvertretungsgesetzes (PVG) sind nach ständiger Rechtsprechung der Personalvertretungsaufsicht auch Mitglieder eines Personalvertretungsorgans (PVO). Die einzelnen Personalvertreter/innen haben nämlich Anspruch darauf, dass auch die interne Geschäftsführung des PVO, dem sie angehören, so geschieht, dass ihre aus dem PVG erwachsenden Rechte nicht verletzt werden. Voraussetzung für das Antragsrecht ist allerdings, dass der/die Personalvertreter/in nicht selbst zuvor mit dem Vorgehen der Personalvertretung einverstanden war, indem er/sie beispielsweise für einen Beschluss gestimmt hat (Schragel, PVG, § 41, Rz 22, mwN; PVAB 25. Juli 2016, A 17-PVAB/16; 8. August 2016, A 19-PVAB/16). Diese rechtlichen Voraussetzungen sind im vorliegenden Fall erfüllt. Der Antragsteller hat in der FA-Sitzung vom 17. Juni 2016 gegen die nachträgliche Beschlussfassung über den Antrag an den ZA gestimmt.

Die Antragslegitimation des Antragstellers ist gegeben.

Die Personalvertretungsaufsicht ist gemäß § 41 Abs. 1 und 2 PVG zur Prüfung der Gesetzmäßigkeit der Geschäftsführung von PVO berufen und nicht zur Beurteilung des Verhaltens einzelner Personalvertreter/innen, es sei denn, deren Verhalten ist dem PVO zuzurechnen.

Das PVG und die PVGO übertragen verschiedene Tätigkeiten der Personalvertretung (PV) einzelnen Mitgliedern des PVO, insbesondere der/dem Vorsitzenden. Die Vorsitzenden handeln daher insoweit für das PVO, dem sie angehören bzw. haben für dieses zu handeln, sodass ihre Handlungen oder Unterlassungen dem PVO zuzurechnen sind und demnach der Aufsicht über dieses PVO durch die PVAB unterliegen (Schragel, PVG, § 41, Rz 2, mwN; PVAB 9. September 2015, A 10-PVAB/15; 10. September 2015, A 11-PVAB/15).

Die Handlungen und Unterlassungen des FA-Vorsitzenden C für das PVO „Fachausschuss“ sind somit dem FA als Kollegialorgan zuzurechnen und belasten dessen Geschäftsführung, insoweit sie entgegen Vorgaben des PVG oder der PVGO erfolgen, mit Gesetzwidrigkeit.

Nach § 22 Abs. 4 PVG fasst ein PVO seine Beschlüsse grundsätzlich mit einfacher Mehrheit der Stimmen, sofern gesetzlich nicht anderes bestimmt ist. §§ 8 bis 13 PVGO regeln den Verlauf der Debatte, die der Beschlussfassung im PVO voranzugehen hat, und den Prozess ordnungsgemäßer Abstimmung im PVO. Diese Regelungen lassen keinen Zweifel darüber, dass Beschlüsse im Kollegialorgan PVO grundsätzlich nur nach ordnungsgemäßer Debatte in einer Sitzung gefasst werden können, sofern es sich nicht, was im vorliegenden Fall jedoch nicht zum Tragen kommt, um die Übertragung der Erfüllung bestimmter genau umschriebener Angelegenheiten iSd § 22 Abs. 8 PVG an ein Mitglied des PVO oder um einen iSd § 22 Abs. 9 PVG gesetzeskonform zustande gekommenen Umlaufbeschluss handelt.

Nach § 22 Abs. 9 PVG können Vorsitzende von PVO die Beschlussfassung durch Einholen der Zustimmung der anderen Mitglieder im Umlaufweg ersetzen. Für Entscheidungen im Umlaufweg ist Stimmeneinhelligkeit sowie das Vorliegen eines begründeten Beschlussantrages erforderlich. Die Zustimmung kann mündlich, telefonisch oder in jeder anderen technisch möglichen Weise erteilt werden. Eine nicht schriftlich erteilte Zustimmung ist in einem Aktenvermerk (§ 16 AVG) festzuhalten.

Der FA-Vorsitzende holte im Umlaufweg zwar die Zustimmung der X- und XY-Mitglieder des FA ein, doch fehlte die Zustimmung des FA-Mitglieds der Wählergruppe XYZ, weil sich das vom Dienst abwesenden Antragsteller namhaft gemachte Ersatzmitglied der Stimme enthielt und auf den Zeitpunkt der Rückkehr des Antragstellers vom Urlaub verwies. Da vom Gesetz für Umlaufbeschlüsse jedoch Stimmeneinhelligkeit verlangt wird, ist kein entsprechender FA-Beschluss zustande gekommen. Die Zustimmung der FA-Mitglieder zu dem vom FA-Vorsitzenden vorgeschlagenen Antrag an den ZA erfolgte nur mehrheitlich, weil sich das den Antragsteller vertretende Ersatzmitglied seiner Stimme enthielt. Bei Vorliegen auch nur einer Stimmenthaltung ist die für das gesetzeskonforme Zustandekommen von Umlaufbeschlüssen in § 22 Abs. 9 PVG zwingend geforderte Einstimmigkeit ohne jeden Zweifel nicht mehr gegeben.

Die Zählweise, wonach Stimmenthaltungen unbeachtlich sind und nur die abgegebenen Stimmen gezählt werden, kann nämlich nur für Beschlüsse Geltung haben, für die vom Gesetzgeber keine Einstimmigkeit innerhalb eines Kollegialorgans gefordert wird. Sind nach einer gesetzlichen Bestimmung nur die „abgegebenen“ Stimmen von Bedeutung, bedeutet das, dass Stimmenthaltungen weder als Zustimmung noch als Ablehnung gewertet werden können, sondern neutral zu sehen sind, während bei Stimmeneinhelligkeit die explizite Zustimmung aller Mitglieder des PVO erforderlich ist (vgl. dazu auch Schragel, PVG, § 22, Rz 43; PVAB, 25. April 2016, A 9-PVAB/16).

Durch die Übermittlung des Antrags zur Novellierung des PVG an den ZA ohne Deckung durch vorangehenden Beschluss des FA, obwohl dieses Schreiben aufgrund von Form und Textierung eindeutig dem FA zuzuordnen ist, hat der FA-Vorsitzende, dessen Handlungen für das PVO dem FA zuzurechnen sind, das PVG verletzt und die Geschäftsführung des FA insoweit mit Rechtswidrigkeit belastet.

Daran vermag auch die Auffassung des FA, durch § 17 Abs. 2 PVGO werde ein „beschleunigter Prozess der Beschlussfassung“ ermöglicht, der vom Vorsitzenden im vorliegenden Fall gesetzeskonform angewendet wurde, nichts zu ändern.

Diese Rechtsansicht findet im geltenden Recht nämlich keine Deckung. § 17 Abs. 2 PVGO stellt - ganz im Gegenteil - vielmehr explizit darauf ab, dass der Anwendung dieser Bestimmung eine korrekte Beschlussfassung in einer Sitzung des PVO voranzugehen hat, indem § 17 Abs. 2 PVGO normiert, dass Beschlüsse des PVO vor der Genehmigung (§ 16 Abs. 3 PVGO) des den Beschluss enthaltenden Protokolls ausgefertigt werden können, wenn es das PVO ausdrücklich beschließt. Bei der Anwendung von § 17 Abs. 2 PVGO muss es sich also immer um in einer Sitzung des PVO bereits gefasste Beschlüsse des PVO handeln, für die (nur) das Protokoll jener Sitzung, in der die Beschlussfassung erfolgte, noch nicht durch Beschluss des PVO genehmigt wurde. Keinesfalls stellt diese Bestimmung eine Regelung zu einer „beschleunigten“ Beschlussfassung ohne Sitzung des PVO dar, wie es der FA in seiner Stellungnahme ohne entsprechende Rechtsgrundlage irrtümlich vermeint. Daher geht auch der Hinweis des FA in seiner Stellungnahme vom 7. November 2016, der Antragsteller hätte im persönlichen Gespräch mit dem FA-Vorsitzenden am 8. Juni 2016 „konkludent“ der Vorgangsweise nach § 17 Abs. 2 PVGO zugestimmt, als rechtlich irrelevant ins Leere, ganz abgesehen davon, dass der Antragsteller bereits in diesem Gespräch darauf hingewiesen hatte, er werde dem Antrag an den ZA mit Sicherheit nicht zustimmen, was in der FA-Sitzung vom 17. Juni 2016 auch der Fall war, indem vom Antragsteller seine Zustimmung zum nachträglichen Beschluss über diesen Antrag verweigert wurde.

Letztlich ist auch die nachträglich mit Stimmenmehrheit durch Beschluss gefasste Zustimmung des FA in seiner Sitzung vom 17. Juni 2016 ohne rechtliche Relevanz, weil ein gesetzwidriges Vorgehen eines PVO nicht im Nachhinein saniert werden kann.

Es war daher spruchgemäß zu entscheiden.

Wien, am 14. November 2016

Die Vorsitzende:

Sektionschefin i.R. Prof.in Dr.in Eva-Elisabeth SZYMANSKI

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:PVAB:2016:A.21.PVAB.16

Zuletzt aktualisiert am

18.01.2017
Quelle: Personalvertretungsaufsichtsbehörde Pvab, https://www.bundeskanzleramt.gv.at/personalvertretungsaufsichtsbehorde
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