TE Dsk BescheidBeschwerde 2014/10/1 DSB-D122.020/0012-DSB/2014

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 01.10.2014
beobachten
merken

Norm

DSG 2000 §1 Abs3 Z1
DSG 2000 §26 Abs1
DSG 2000 §26 Abs4
DSG 2000 §31 Abs1
DSG 2000 §31 Abs7
DSG 2000 §31 Abs8
DSG 2000 §26 Abs7
DSG 2000 §52 Abs1 Z4
DSG 2000 §61 Abs9
TKG 2003 idF BGBl I Nr 102/2011 §102a
TKG 2003 idF BGBl I Nr 102/2011 §102a Abs2
TKG 2003 idF BGBl I Nr 102/2011 §102a Abs3
TKG 2003 idF BGBl I Nr 102/2011 §102b
TKG 2003 idF BGBl I Nr 102/2011 §109 Abs3 Z24
VStG §6

Text

GZ: DSB-D122.020/0012-DSB/2014 vom 1. Oktober 2014

[Anmerkung Bearbeiter: Namen und Firmen, Rechtsformen und Produktbezeichnungen, Adressen (inkl. URLs, IP- und E-Mail-Adressen), Aktenzahlen (und dergleichen), etc., sowie deren Initialen und Abkürzungen können aus Pseudonymisierungsgründen abgekürzt und/oder verändert sein. Offenkundige Rechtschreib-, Grammatik- und Satzzeichenfehler wurden korrigiert.]

BESCHEID

Spruch:

Die Datenschutzbehörde entscheidet über die Datenschutzbeschwerde des D.I. (FH) Gustav Z**** (Beschwerdeführer) aus Graz vom 2. September 2013 gegen die K*** Telekom Aktiengesellschaft (Beschwerdegegnerin), vertreten durch die G***, F**** & Partner Rechtsanwälte Ges.m.b.H. in **** V***, wegen Verletzung im Recht auf Auskunft in Folge Nichtbeauskunftung des Inhalts der gemäß § 102a des Telekommunikationsgesetzes 2003 (TKG 2003) in der Fassung BGBl. I Nr. 102/2011 zu speichernden Daten (im Folgenden kurz: Vorratsdaten) in Beantwortung des Auskunftsverlangens vom 22. Dezember 2012 wie folgt:

?    Die Beschwerde wird abgewiesen.

Rechtsgrundlagen: § 1 Abs. 3 Z 1, § 26 Abs. 1 und 4, § 31 Abs. 1, 7 und 8 und § 61 Abs. 9 des Datenschutzgesetzes 2000 (DSG 2000), BGBl. I Nr. 165/1999 idgF.

Begründung:

A. Vorbringen der Parteien und Verfahrensgang

Der Beschwerdeführer behauptet in seiner vom 2. September 2013 datierenden und am 11. September 2013 bei der früheren Datenschutzkommission eingelangten Beschwerde eine Verletzung im Recht auf Auskunft über eigene Daten dadurch, dass die Beschwerdegegnerin sein Auskunftsverlangen vom 22. Dezember 2012, das sich spezifisch auf die gemäß § 102a TKG 2003 über ihn zu speichernden Vorratsdaten bezogen habe, mit Schreiben vom 11. März 2013 inhaltlich unzureichend beantwortet habe. Die Vorratsdaten seien mit der Begründung nicht beauskunftet worden, dass gemäß § 102b TKG 2003 nur eine Auskunftserteilung an die Staatsanwaltschaft erlaubt sei. Er sehe sich dadurch in seinem Recht auf Auskunft gemäß Art 8 GRC, §§ 1 und 26 DSG 2000, sowie in seinen Rechten nach Art 7 GRC und Art 8 EMRK als verletzt. Er beantragte, die frühere Datenschutzkommission möge sein Recht auf Auskunft durch einen entsprechenden bescheidmäßigen Auftrag an die Beschwerdegegnerin durchsetzen.

Die Beschwerdegegnerin, zunächst unvertreten, hielt dem in ihrer Stellungnahme vom 19. September 2013 entgegen, der Gesetzgeber habe das Recht des Betroffenen auf Auskunft über eigene Daten in den gesetzlichen Bestimmungen zur Vorratsdatenspeicherung (in Folgenden kurz: VDS) entsprechend § 1 Abs. 3 DSG 2000 aus bestimmten Erwägungen eingeschränkt. § 102a Abs. 1 TKG 2003 sehe zunächst eine verpflichtende Speicherung gesetzlich festgelegter Daten für sechs Monate vor. Daraus folge, dass insbesondere die Rechte des Betroffenen auf Löschung und Richtigstellung dieser Daten für diesen Zeitraum nicht durchsetzbar seien. Dem Beschwerdeführer fehle es somit an einem Rechtsschutzinteresse; der 5. Abschnitt des DSG 2000 sei auf Vorratsdaten daher nicht anzuwenden. Darüber hinaus lege § 102a Abs. 9 TKG 2003 explizit fest, dass Ansprüche auf Information oder Auskunft über Vorratsdaten sich ausschließlich nach den Bestimmungen der StPO für die dort festgelegten Zwecke der Strafverfolgung richten würden. Die Strafbarkeit des Zuwiderhandelns gemäß § 109 Abs. 3 Z 24 TKG 2003 unterstreiche dies.

Darauf replizierte der Beschwerdeführer am 9. Oktober 2013 mit folgender Stellungnahme: § 26 DSG 2000 sei eine unmittelbar anwendbare Ausführungsbestimmung zum Grundrecht auf datenschutzrechtliche Auskunft gemäß § 1 Abs. 3 Z 1 DSG 2000. Der 5. Abschnitt des DSG 2000 sei daher anwendbar. Die gesetzlichen Bestimmungen zur VDS würden eine Auskunftserteilung an Sicherheitsbehörde und Staatsanwaltschaften auch nicht ausnahmslos an richterliche Genehmigungen binden. § 109 Abs. 3 Z 24 TKG 2003 könne daher nicht so ausgelegte werden, dass jede Auskunftserteilung ohne richterliche Genehmigung – auch eine solche in Erfüllung des Grundrechts auf Auskunft – eine Strafbarkeit der Verantwortlichen beim datenschutzrechtlichen Auftraggeber begründe. Weiters müssten Gesetze, die eine Einschränkung des Grundrechts auf Auskunft begründen würden, grundrechtskonform interpretiert werden. Aus Sicht des Beschwerdeführers stünde daher einer (um die Daten Dritter wie Telefonnummern, Kennungen etc. bereinigten) Auskunftserteilung über Vorratsdaten kein rechtliches Hindernis entgegen.

Mit Bescheid der früheren Datenschutzkommission vom 13. Dezember 2013, DSK-K122.020/0008-DSK/2013, ist das Verfahren bis zum Vorliegen einer Entscheidung des Gerichtshofs der Europäischen Union (kurz: EuGH) über das in der Sache Zl. DSK-K121.876 gestellte Vorabentscheidungsersuchen ausgesetzt worden.

Nach Ungültigerklärung der Richtlinie 2006/24/EG (kurz: VDS-RL) durch das Urteil des EuGH vom 8. April 2014, Rs C-293/12 und C-594/12, hat die seit 1. Jänner 2014 für diese Verwaltungssache zuständige Datenschutzbehörde mit Schreiben an den EuGH vom 29. April 2014 das von der früheren Datenschutzkommission gestellte Vorabentscheidungsersuchen (EuGH, Rs C-46/13) zurückgezogen.

Mit Schreiben der Datenschutzbehörde vom 27. Mai 2014, GZ: DSB-D122.020/0001-DSB/2014, ist den Parteien die Weiterführung des gegenständlichen Verfahrens mitgeteilt und ihnen Gelegenheit gegeben worden, sich zur durch den Wegfall der VDS-RL geänderten Rechtslage zu äußern.

Der Beschwerdeführer brachte dazu mit Stellungnahme vom 17. Juni 2014 vor, der Wegfall der VDS-RL ändere nichts an seiner Beschwerde, die er aufrecht erhalte, und dem bisher gemachten Vorbringen. Er betonte, dass er sein Recht auf Auskunft auch auf Art 8 Abs. 2 Satz 2 GRC stütze.

Die Beschwerdegegnerin, inzwischen rechtsfreundlich vertreten, brachte in ihrer Stellungnahme vom 24. Juni 2014 vor, die nationalen Regelungen zur VDS stünden unverändert in Geltung. Die Gründe, die den EuGH zur Ungültigerklärung der VDS-RL bewogen hätten, würden auf diese nationalen Rechtsvorschriften nicht zutreffen. Eine Entscheidung des Verfassungsgerichtshofs (VfGH) sei noch ausständig. Im Übrigen verwies die Beschwerdegegnerin auf das gemachte Vorbringen zu Unzulässigkeit der Auskunftserteilung im Hinblick auf den „alleinigen Auskunftszweck (nämlich Beauskunftung ausschließlich zur Aufklärung und Verfolgung von Straftaten)“.

Mit Erkenntnis vom 27. Juni 2014, Zl. G 47/2012 u.a., hat der VfGH die nationalen Bestimmungen zur VDS, darunter § 102a, § 102b und § 109 Abs. 3 Z 24 TKG 2003 idF BGBl. I Nr. 33/2011, als verfassungswidrig aufgehoben. Die Aufhebung wurde nach Kundmachung durch den Bundeskanzler in BGBl. I Nr. 44/2014 am 1. Juli 2014 allgemein wirksam.

Die Datenschutzbehörde hat daraufhin den Parteien mit Schreiben vom 23. Juli 2014, GZ: DSB-D122.020/0005-DSB/2014, nochmals Gehör zur wiederum geänderten Rechtslage gewährt.

Die Beschwerdegegnerin brachte nun mit Stellungnahme vom 21. August 2014 Folgendes vor: Da der VfGH keine Rückwirkung der Aufhebung angeordnet habe, seien die aufgehobenen Bestimmungen, insbesondere die des TKG 2003, auf Sachverhalte, die sich vor dem 1. Juli 2014 ereignet hätten, weiterhin anzuwenden. Der vorliegende Beschwerdefall zähle auch nicht zu den Anlassfällen des Gesetzesprüfungsverfahrens des VfGH. Die Beschwerdegegnerin vertrete daher weiterhin die Ansicht, nicht zur Erteilung der vom Beschwerdeführer begehrten Auskunft berechtigt zu sein. Weiters wäre sie auf Grund des VfGH-Erkenntnisses verpflichtet, die verarbeiteten Vorratsdaten wegen Wegfalls der Rechtsgrundlage der Verarbeitung unverzüglich zu löschen. Die Auskunftssperre gemäß § 26 Abs. 7 DSG 2000 würde einer solchen Löschung nicht entgegenstehen, da der Beschwerdeführer sinngemäß (sein Auskunftsbegehren sei dazu in ein Löschungsbegehren „umzudeuten“) ohnehin die Löschung der über ihn gespeicherten Vorratsdaten anstrebe.

Der Beschwerdeführer führte in seiner Stellungnahme vom 27. August 2014 aus, da er am 22. Dezember 2012 ein Auskunftsverlangen an die Beschwerdegegnerin gerichtet habe, dürfe diese gemäß § 26 Abs. 7 DSG 2000 die entsprechenden Daten bis zum Abschluss des Beschwerdeverfahrens nicht „vernichten“. Dies betreffe jedenfalls die Vorratsdaten, die bei Wegfall der Rechtsgrundlage bis zum 30. Juni 2014 und sechs Monate zurück angefallen seien. Seine Beschwerde sei demnach weiterhin begründet.

Mit Schreiben vom 2. September 2014 teilte die Beschwerdegegnerin der Datenschutzbehörde mit, dass die auf den Beschwerdeführer bezogenen Vorratsdaten gelöscht worden seien, und legte ein entsprechendes Auskunftsschreiben an den Beschwerdeführer (Negativauskunft vom 2. September 2014) in Kopie vor.

Die Datenschutzbehörde gewährte dem Beschwerdeführer dazu mit Schreiben vom 5. September 2014, GZ: DSB-D122.020/0011-DSB/2014, Parteiengehör gemäß § 31 Abs. 8 DSG 2000.

Daraufhin brachte der Beschwerdeführer mit Stellungnahme vom 20. September 2014 folgende Gründe für ein Weiterbestehen der in seiner Beschwerde geltend gemachten Rechtsverletzung vor: Er habe weiterhin gemäß § 31 Abs. 7 erster Satz DSG 2000 zumindest ein Feststellungsinteresse am Bestehen des Auskunftsrechts. Die Datenschutzbehörde sei verpflichtet, diese Feststellung unabhängig von der Frage zu treffen, „ob faktisch (noch) Daten vorhanden sind oder nicht.“ Im Übrigen ergehen die Anregung, zu prüfen, ob sich die Beschwerdegegnerin durch Löschung der Daten nach § 52 Abs. 1 Z 4 DSG 2000 strafbar gemacht habe.

B. Beschwerdegegenstand

Auf Grund des Vorbringens des Beschwerdeführers ergibt sich, dass Beschwerdegegenstand die Frage ist, ob die Beschwerdegegnerin das Auskunftsrecht des Beschwerdeführers über eigene Daten in Bezug auf gemäß § 102a TKG 2003 gespeicherte Vorratsdaten im Gefolge des Auskunftsverlangens vom 22. Dezember 2012 dem Gesetz entsprechend erfüllt hat.

C. Sachverhaltsfeststellungen

Ausgehend vom Beschwerdegegenstand wird der folgende Sachverhalt festgestellt:

Die Beschwerdegegnerin ist ein in der Rechtsform einer Aktiengesellschaft organisierter Rechtsträger, der als Unternehmer in Österreich ein Telekommunikationsnetz (Festnetz- und Mobilfunk-Netz) betreibt und Kommunikationsdienste anbietet (§ 3 Z 3, 4, 9 und 11 TKG 2003).

Der Beschwerdeführer ist Inhaber eines Mobilfunkanschlusses (Rufnummer 06***-*4*7**3) und Kunde der Beschwerdegegnerin.

Vom 1. April 2012 bis zu einem nicht genau feststellbaren Zeitpunkt zwischen dem 1. Juli 2014 und dem 23. Juli 2014 hat die Beschwerdegegnerin gemäß ihrer bis zum 1. Juli 2014 geltenden Pflicht nach § 102a Abs. 2 und 3 TKG 2003 idF BGBl. I Nr. 102/2011 den Beschwerdeführer betreffende Daten zu folgenden Datenarten für höchstens sechs Monate gespeichert (Vorratsdaten, VDS):

?    Name, Anschrift und Teilnehmerkennung des Teilnehmers, dem eine öffentliche IP-Adresse zu einem bestimmten Zeitpunkt unter Angabe der zugrunde liegenden Zeitzone zugewiesen war;

?    Datum und Uhrzeit der Zuteilung und des Entzugs einer öffentlichen IP-Adresse bei einem Internet-Zugangsdienst unter Angabe der zugrundeliegenden Zeitzone;

?    die Rufnummer des anrufenden Anschlusses für den Zugang über Wählanschluss;

?    die eindeutige Kennung des Anschlusses, über den der Internet-Zugang erfolgt ist;

?    Teilnehmernummer oder andere Kennung des anrufenden und des angerufenen Anschlusses;

?    bei Zusatzdiensten wie Rufweiterleitung oder Rufumleitung die Teilnehmernummer, an die der Anruf geleitet wird;

?    Name und Anschrift des anrufenden und des angerufenen Teilnehmers;

?    Datum, Uhrzeit des Beginns und Dauer eines Kommunikationsvorganges unter Angabe der zugrundeliegenden Zeitzone;

?    die Art des in Anspruch genommenen Dienstes (Anrufe, Zusatzdienste und Mitteilungs- und Multimediadienste);

?    die internationale Mobilteilnehmerkennung (IMSI) des anrufenden und des angerufenen Anschlusses;

?    die internationale Mobilfunkgerätekennung (IMEI) des anrufenden und des angerufenen Anschlusses;

?    Datum und Uhrzeit der ersten Aktivierung des Dienstes und die Standortkennung (Cell-ID), an dem der Dienst aktiviert wurde, wenn es sich um vorbezahlte anonyme Dienste handelt;

?    die Standortkennung (Cell-ID) bei Beginn einer Verbindung.

Zu dem oben erwähnten, nicht näher bestimmten Zeitpunkt wurden diese Vorratsdaten zu allen Betroffenen, den Beschwerdeführer eingeschlossen, von der Beschwerdegegnerin gelöscht.

Am 22. Dezember 2012 richtete der Beschwerdeführer ein datenschutzrechtliches Auskunftsverlangen mit folgendem Inhalt an die Beschwerdegegnerin:

„Sehr geehrte Damen und Herren!                                    

In Vollziehung des § 102a Telekommunikationsgesetz 2003 (TKG 2003) verwenden Sie iSd. § 4 Z 8 DSG 2000 Vorratsdaten iSd. § 92 Abs 3 6b TKG 2003. Ich fordere Sie daher auf, mir bekannt zu geben unter welcher Datenverarbeitungsnummer (DVR-Nummer) und unter welcher Datenanwendung Sie die Vorratsdatenspeicherung beim DVR gemeldet haben.

Weiters ersuche ich Sie gemäß den §§ 1 und 26 DSG 2000 ausdrücklich um die Beauskunftung sämtlicher Vorratsdaten die aufgrund des § 102a TKG 2003 zu meiner Person gespeichert sind.

Unter Hinweis auf §§ 1, 26 Datenschutzgesetz 2000 (DSG 2000) sowie alle weiteren anwendbaren datenschutzrechtlichen Bestimmungen ersuche ich Sie um Beantwortung der folgenden Fragen:

?        Welcher Art sind die Daten, die Sie über mich speichern?

?        Welchen Inhalt haben diese Daten, woher stammen sie, wozu werden sie verwendet, an wen wurden sie übermittelt?

?        Zu welchem Zweck werden die Datenanwendungen betrieben?

?        Aufgrund welcher Vertrags- bzw. Rechtsgrundlage werden die Daten verwendet?

Sie werden ersucht, auch alle anfallenden Daten zu beauskunften, die sich in anderen Dateien befinden, jedoch über Schlüssel-, Such- und Referenzbegriffe mit meinen personenbezogenen Daten direkt oder indirekt verknüpft werden können (§ 4 DSG 2000).

Werden die Daten nach § 10 DSG 2000 verarbeitet, ersuche ich um die zusätzliche Angabe von Name und Anschrift Ihres Dienstleisters.

Sollte keine Auskunft über Vorratsdaten erteilt werden können, so ersuche ich Sie mir iSd § 26 Abs 1 DSG 2000 bekannt zu geben aus welchem der nachfolgenden Gründe keine Vorratsdaten zu meiner Person verarbeitet werden:

¨        Sie betreiben keinen öffentlichen Kommunikationsdienst iSd § 3 Z 9 iVm § 102a TKG 2003,

¨        Sie sind gemäß § 102a Abs 6 TKG 2003 nicht verpflichtet Vorratsdaten zu speichern,

¨        Sie vertreiben lediglich Dienstleistung eines Dritten (sog. Reseller) – in diesem Fall werden Sie ersucht bekannt zu geben wessen Kommunikationsdienstleistungen Sie vertreiben: __________________________,

¨        Sie speichern aus einem sonstigen Grund keine Vorratsdaten – Angabe des Grundes: ___________________________.

Im Sinne einer weitestgehenden Mitarbeit nach § 26 Abs 3 DSG 2000 gebe ich Ihnen folgende zusätzliche Identifikationsdaten bekannt:

Geburtsdatum: **.**.1986 (Nur zur Verwendung im Rahmen des Auskunftsbegehrens)

Kundennummer: 6*4*00*99

[....]

Gemäß § 26 DSG 2000 hat die Auskunft binnen acht Wochen schriftlich, kostenlos und in allgemein verständlicher Form zu erfolgen.“

Als Antwort erhielt der Beschwerdeführer zunächst das Auskunftsschreiben der Beschwerdegegnerin (Abteilung Legal, Commercial & Security, Zeichen R**/§26-***/13) vom 11. Juni 2012. Dieses enthält in Bezug auf die VDS folgenden Inhalt:

Vorratsdaten

Wir erlauben uns Sie zu informieren, dass jedes österreichische Telekommunikationsunternehmen ab einer gewissen Größe unabhängig davon ob diese jemals benötigt werden, Vorratsdaten sechs Monate verfügbar halten muss.

Gemäß § 102a TKG 2003 iVm der StPO (Strafprozessordnung) kann im Rahmen eines Strafverfahrens eine Auswertung von Vorratsdaten ausschließlich durch die zuständige Staatsanwaltschaft angeordnet werden.

Auskunft wird ausschließlich der Staatsanwaltschaft gemäß § 102b TKG 2003 erteilt.

Darüber hinaus dürfen wir auf das laufende DSK-Verfahren DSK-K121.874/0002-DSK/2012 verweisen.“

Am 2. September erhielt der Beschwerdeführer weiters ein im Betreff als „Negativauskunft“ bezeichnetes Schreiben der Beschwerdegegnerin (Abteilung Data Privacy, National Data Privacy, Zeichen D**-DSK-***/13). Dieses hat folgenden relevanten Inhalt:

„Sehr geehrter Herr DI Z****,

mit Verweis auf ihr Auskunftsbegehren vom 22. Dez. 2012 und dem dahingehend anhängigen Verfahren vor der Datenschutzbehörde, dürfen wir ihnen mitteilen, dass die von ihnen geforderten Vorratsdaten nicht mehr beauskunftet werden können.

Dies aufgrund des Umstandes, dass die Rechtsgrundlage für die Verarbeitung der von ihnen begehrten Daten mit dem Folgetag der Kundmachung der höchstgerichtlichen Entscheidung G 47/2012 vom 27. Juni 2014 durch den Bundeskanzler aufgehoben wurde. Auf Basis dieses Erkenntnisses waren wir gefordert alle bis dahin erhobenen Vorratsdaten umgehend zu vernichten. Dieser Aufforderung konnte schnellstmöglich gefolgt werden.“

Beweiswürdigung: Diese Feststellungen beruhen hinsichtlich Auskunftsverlangen und erstem Antwortschreiben der Beschwerdegegnerin auf den vom Beschwerdeführer als Beilage zur Beschwerde vom 2. September 2013 vorgelegten Urkundenkopien. Echtheit und Richtigkeit sind unbestritten. Hinsichtlich der Tatsache, dass bis 1. Juli 2014 den Beschwerdeführer betreffende Vorratsdaten gespeichert worden sind, beruht die Sachverhaltsfeststellung auf dem Vorbringen beider Parteien in Übereinstimmung mit der damals geltenden Rechtslage. Hinsichtlich der Löschung der den Beschwerdeführer betreffenden Vorratsdaten folgt die Datenschutzbehörde dem glaubwürdigen Vorbringen der Beschwerdegegnerin (Stellungnahme vom 2. September 2014). Der Beschwerdeführer hat dem einerseits nichts entgegengehalten, andererseits ist kein Grund ersichtlich, warum die Beschwerdegegnerin ohne gesetzliche Grundlage, das heißt gegen die ab 1. Juli 2014 geltende allgemeine Rechtslage, weiterhin den Beschwerdeführer betreffende Vorratsdaten speichern sollte. Die Feststellung zum zweiten Antwortschreiben (Negativauskunft vom 2. September 2014) stützt sich auf die entsprechende, als Beilage zur zuletzt zitierten Stellungnahme von der Beschwerdegegnerin vorgelegte Urkundenkopie, deren Erhalt der Beschwerdeführer nicht bestritten hat.

D. In rechtlicher Hinsicht folgt daraus:

1. zur Zuständigkeit der Datenschutzbehörde

Dieses Beschwerdeverfahren, das noch bei der früheren Datenschutzkommission eingeleitet worden ist, wird gemäß § 61 Abs. 9 DSG 2000 idF BGBl. I Nr.83/2013 von der an die Stelle der Datenschutzkommission getretenen und damit nunmehr für diese Sache zuständigen Datenschutzbehörde entschieden.

Die Datenschutzbehörde erachtet sich gemäß § 31 Abs. 1 DSG 2000 auch als zur Entscheidung über die vorliegende Beschwerde zuständig.

2. in der Sache selbst

2.1. Das Beschwerdebegehren, das ist der an die Datenschutzbehörde gerichtete Antrag des Beschwerdeführers, lautete darauf, der Beschwerdegegnerin durch Bescheid aufzutragen, die datenschutzrechtliche Auskunft entsprechend seinem Vorbringen zu erteilen bzw. zu ergänzen.

Die Beschwerde richtet sich gegen eine Auftraggeberin aus dem privaten Bereich (§ 5 Abs. 3 DSG 2000).

2.2. Der Beschwerdeführer sieht auch nach erfolgter Löschung sein Recht auf Auskunft insoweit als verletzt, als er ein Recht auf Feststellung dieser Rechtsverletzung (Verweigerung der Auskunftserteilung bis zur erfolgten Löschung der Vorratsdaten) behauptet.

2.3. Aus einer Wortinterpretation und einer logisch-systematischen Auslegung von § 31 Abs. 7 und 8 DSG 2000 ergibt sich nun Folgendes:

Gemäß dem zweiten Satz dieser Gesetzesbestimmung ist einem Beschwerdegegner aus dem privaten Bereich „auf Antrag zusätzlich die – allenfalls erneute – Reaktion auf das Auskunftsbegehren [....] aufzutragen“ (Unterstreichung nicht im Original). Daraus folgt, dass die bescheidmäßige Feststellung einer Rechtsverletzung gemäß § 31 Abs. 7 erster Satz DSG 2000 hier der Mindestinhalt eines Bescheidspruchs ist, mit dem die Datenschutzbehörde einer Beschwerde Folge gibt, und ein Leistungsauftrag nur auf ausdrücklichen Antrag und getrennt davon (arg „zusätzlich“) zu ergehen hat.

Aus dem Zusammenhang mit § 31 Abs. 8 DSG 2000 ergibt sich jedoch auch, dass jeder Bescheid der Datenschutzbehörde im Beschwerdeverfahren wegen Verletzung der Rechte auf Auskunft, Richtigstellung und Löschung der Durchsetzung dieser Rechte dient und daher eine im Zeitpunkt der Bescheiderlassung andauernde Rechtsverletzung betreffen muss. Denn gemäß der zuletzt zitierten Gesetzesbestimmung hat ein als Beschwerdegegner belangter datenschutzrechtlicher Auftraggeber die Option, die Beschwerde durch Leistungserbringung (z.B. Erteilung oder Ergänzung der verlangten Auskunft, Richtigstellung der strittigen Daten, Löschung der strittigen Daten) und damit Erfüllung des jeweils geltend gemachten Anspruchs ganz oder teilweise „gegenstandslos“ zu machen (Beseitigung der Beschwer). Als Rechtsfolge ist vorgesehen, dass die Datenschutzbehörde das Verfahren in einem solchen Fall durch formlose Einstellung beenden kann, so der Beschwerdeführer nicht fristgerecht Gründe für das Fortbestehen der ursprünglich behaupteten Rechtsverletzung geltend macht. Eine solche formlose Einstellung hätte der Gesetzgeber nicht vorgesehen, wenn er dem Beschwerdeführer ein Recht einräumen wollte, auch eine in der Vergangenheit liegende und bereits beseitigte Rechtsverletzung durch Bescheid festgestellt zu erhalten.

2.4. Für den Beschwerdefall ergibt dies nun folgendes:

Durch die erfolgte Löschung der Vorratsdaten ist eine Auskunftserteilung über den Inhalt der gespeicherten Vorratsdaten unmöglich geworden, da der Inhalt gelöschter Daten nicht mehr in der entsprechenden Datenanwendung (für die Beschwerdegegnerin wäre das die Datenanwendung „DAN *******/055 Vorratsdatenspeicherung“ laut Stand des von der Datenschutzbehörde geführten Datenverarbeitungsregisters) enthalten sein darf. Auch der begehrte Leistungsauftrag ist damit nicht mehr möglich, da die Erbringung einer objektiv unmöglichen Leistung nicht durch eine Behörde angeordnet werden kann. Das subjektive Recht des Beschwerdeführers auf Durchsetzung seines verfassungsmäßigen Rechts auf inhaltliche Auskunft über eigene Daten ist damit erloschen.

Das Recht des Beschwerdeführers auf Erhalt einer begründeten Ablehnung der inhaltlichen Auskunftserteilung („Negativauskunft“) gemäß § 26 Abs. 4 DSG 2000 wurde von der Beschwerdegegnerin durch das Schreiben vom 2. September 2014 gesetzmäßig erfüllt.

Auch eine zumindest denkmögliche bescheidmäßige Feststellung dahingehend, dass die Beschwerdegegnerin vor Löschung der Vorratsdaten über deren Inhalt Auskunft erteilen hätte müssen, ist aus den oben dargelegten Gründen nicht geboten. Ein durch eingetretene faktische Unmöglichkeit nicht mehr durchsetzbares Recht kann gemäß § 31 Abs. 7 und 8 DSG 2000 auch nicht zum Gegenstand der Feststellung gemacht werden, in diesem Recht in der Vergangenheit verletzt gewesen zu sein.

Die Beschwerde erweist sich daher in Folge der Änderung der Sachlage jedenfalls im Entscheidungszeitpunkt als unbegründet.

2.5. Was das sinngemäße Vorbringen des Beschwerdeführers anbelangt, die Beschwerdegegnerin habe durch eine strafbare Handlung (Löschung der den Beschwerdeführer betreffenden Vorratsdaten entgegen § 26 Abs. 7 DSG 2000, Verwaltungsübertretung nach § 52 Abs. 1 Z 4 DSG 2000) gewissermaßen die Auskunftserteilung an ihn vereitelt, ist zu sagen: Zum einen liegt die Handhabung des Verwaltungsstrafrechts gemäß § 52 Abs. 5 DSG 2000 außerhalb des Zuständigkeitsbereichs der Datenschutzbehörde, zum anderen sieht die Datenschutzbehörde auch keinen entsprechenden Verdacht als gegeben, da die Beschwerdegegnerin hier nach dem 1. Juli 2014 eine schwierige Abwägung zwischen der Pflicht zur Einhaltung der Löschungssperre gemäß § 26 Abs. 7 DSG 2000 und der Löschungspflicht gemäß § 27 Abs. 1 Z 1 DSG 2000 wegen Wegfalls einer verfassungswidrigen Verarbeitungsgrundlage zu treffen hatte, sodass den Verantwortlichen aus Sicht der Datenschutzbehörde in jedem Fall der Entschuldigungsgrund gemäß § 6 VStG oder ein entsprechender entschuldigender Rechtsirrtum zu Gute kommt.

2.6. Die Beschwerde war daher gemäß § 31 Abs. 7 DSG 2000 als unbegründet abzuweisen.

Entscheidung über DSB-Dokument (BVwG)

Gegen diesen Bescheid ist am 29.10.2014 (Posteingang: 31.10.2014) Beschwerde an das Bundesverwaltungsgericht erhoben worden. Mit Erkenntnis vom 17.11.2015, W214 2014069-1/15E, hat das Bundesverwaltungsgericht die Beschwerde abgewiesen. Die ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof ist für nicht zulässig erklärt worden.Weitere Rechtsmittel (außerordentliche Revision, Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof) sind nicht eingebracht worden.

Schlagworte

Auskunft, Inhaltsmängel, Telekom-Unternehmen, Vorratsdatenspeicherung, VDS, Löschung der Vorratsdaten, Löschungssperre, faktische Unmöglichkeit, Umfang des Auskunftsrechts

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:DSB:2014:DSB.D122.020.0012.DSB.2014

Zuletzt aktualisiert am

07.03.2016
Quelle: Datenschutzbehörde Dsb, https://www.dsb.gv.at
Zurück Haftungsausschluss Vernetzungsmöglichkeiten

Sofortabfrage ohne Anmeldung!

Jetzt Abfrage starten