TE Dsk Empfehlung 2016/11/16 DSB-D213.481/0004-DSB/2016

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Veröffentlicht am 16.11.2016
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Norm

DSG 2000 §1 Abs1
DSG 2000 §1 Abs2
DSG 2000 §7 Abs1
DSG 2000 §7 Abs2 Z1
DSG 2000 §8 Abs1 Z1
DSG 2000 §8 Abs1 Z4
DSG 2000 §8 Abs3 Z2
DSG 2000 §30 Abs6
AMSG §3 Abs3 Z1
AMSG §21
AlVG §10 Abs1 Z1
AlVG §10 Abs3
AlVG §24 Abs1
AlVG §50 Abs2
AlVG §69 Abs1
WKG §68

Text

GZ: DSB-D213.481/0004-DSB/2016 vom 16.11.2016

[Anmerkung Bearbeiter: Namen und Firmen, Rechtsformen und Produktbezeichnungen, Adressen (inkl. URLs, IP- und E-Mail-Adressen), Aktenzahlen (und dergleichen), etc., sowie deren Initialen und Abkürzungen können aus Pseudonymisierungsgründen abgekürzt und/oder verändert sein. Offenkundige Rechtschreib-, Grammatik- und Satzzeichenfehler wurden korrigiert.]

EMPFEHLUNG

Die Datenschutzbehörde spricht aus Anlass eines amtswegigen Prüfverfahrens betreffend die Wirtschaftskammer Oberösterreich (Antragsgegnerin) folgende Empfehlung aus:

1.   Die zum Zweck der Erwirkung einer Sperre des Arbeitslosengeldes erfolgte Ermittlung von personenbezogenen Daten (Name) arbeitsunwilliger Arbeitsloser durch die Antragsgegnerin möge zukünftig unterbleiben.

2.   Diese Empfehlung ist umgehend umzusetzen.

Rechtsgrundlagen: § 1 Abs. 1, § 7, und § 30 Abs. 6 des Datenschutzgesetzes 2000 (DSG 2000), BGBl. I Nr. 165/1999 idgF; §§ 10, 50, 24 Abs. 1 und 69 des Arbeitslosenversicherungsgesetzes (AlVG), BGBl. Nr. 609/1977 idgF; § 3 Abs. 3 Z 1 und § 21 des Arbeitsmarktservicegesetzes (AMSG), BGBl. Nr. 313/1994 idgF; und § 68 des Wirtschaftskammergesetzes 1998 – Wirtschaftskammergesetz, BGBl. I Nr. 103 idgF.

Gründe für diese Empfehlung

A. Vorbringen der Beteiligten und Verfahrensgang

1. Die Datenschutzbehörde hat aufgrund eines in der Tageszeitung „Der Standard“ zum Thema „Wirtschaftskammern rufen zur Aktion scharf gegen 'Arbeitsunwillige'“ veröffentlichten Artikels vom 2. August 2016 ein amtswegiges Prüfverfahren (§ 30 DSG 2000) gegen die Antragsgegnerin eingeleitet. In dem Artikel wird im Wesentlichen behauptet, dass die Antragsgegnerin ihre Mitglieder dazu aufrufe, arbeitsunwillige Bewerber bei ihr zu melden.

2. In der Stellungnahme der Antragsgegnerin vom 26. August 2016 wird ausgeführt, Anlass der in Rede stehenden Aussendung sei der Umstand, dass sich jene Bewerbungsfälle häufen, in denen arbeitsunwillige Bewerber unmotiviert zum Bewerbungsgespräch erscheinen würden, um sich lediglich den „Stempel abzuholen“. Es zähle zu den Aufgaben der Wirtschaftskammer im Bereich der Arbeitsmarktpolitik, Problemfelder aus Sicht der Unternehmen zu erkennen und entsprechend aufzubereiten. Der Arbeitslosenversicherungsbeitrag werde zu 50 Prozent aus Dienstgeberbeiträgen finanziert – die Sicherstellung einer effizienten und nachhaltigen Verwendung dieser Mittel sei ein wichtiges Anliegen der Mitgliedsbetriebe.

In diesem Sinne sei der in Rede stehende „Aufruf“ an Mitgliedsbetriebe zu verstehen, sozial missbräuchliches Verhalten eines Stellenbewerbers gegebenenfalls zu melden.

Eine allfällige Meldung eines solchen Falles an das regionale AMS/den regionalen AMS-Beirat erscheine in Anbetracht des § 69 AlVG bzw. § 68 Wirtschaftskammergesetz im Übrigen geradezu geboten, ordne doch § 69 AlVG an, dass die gesetzlichen Interessenvertretungen verpflichtet sind, die Landesgeschäftsstellen und die regionalen Geschäftsstellen in der Erfüllung ihrer Aufgaben zu unterstützen. Die Prüfung, ob ein Stellenbewerber durch sein Verhalten beim Bewerbungsgespräch den Tatbestand der Vereitelung nach § 10 AlVG gesetzt habe, sei jedenfalls als eine der Kernaufgaben des AMS anzusehen.

Die Wirtschaftsvertreter in den AMS-Regionalbeiräten könnten zudem ihre Funktion als Interessenvertreter der Arbeitgeber gar nicht wahrnehmen, wenn sie nicht über die erforderlichen Detailinformationen der betroffenen potentiellen Arbeitgeber in ihrer Region verfügen dürfen. Der Informationsaustausch zwischen den Wirtschaftsvertretern und dem AMS – was etwaige Missbrauchsfälle in einer Region betreffe – sei auch kein Novum, sondern werde in der Praxis seit Jahren so gehandhabt.

Gerade aus Datenschutzgründen würden gerade die den Missbrauchsfall meldenden Betriebe eben nicht erfahren, was mit ihrer Rückmeldung passiert sei. Es erfolge eben keine Mitteilung, ob im konkreten Fall eine Sperre des Arbeitslosengeldes ausgesprochen worden sei.

3. Über Aufforderung der Datenschutzbehörde ein entsprechendes (Rechtshilfe)Ersuchen der ersuchenden Behörde nach den § 69 AlVG bzw. § 68 Wirtschaftskammergesetz vorzulegen, brachte die Antragsgegnerin vor, es sei richtig, dass die Antragsgegnerin in Anbetracht der genannten gesetzlichen Bestimmungen als gesetzliche Interessenvertretung verpflichtet sei, die Landesgeschäftsstellen und die regionalen Geschäftsstellen in Erfüllung ihrer Aufgaben zu unterstützen. Tatsächlich handle es sich um einen permanenten Auftrag des AMS an die WK-Vertreter, Fälle mit Aufklärungsbedarf bzw. Missbrauchsverdacht an das AMS zur definitiven Abklärung heranzutragen. Dies bestätige auch das angeschlossene Schreiben vom 6. Oktober 2016 des Landesgeschäftsführers des AMS Oberösterreich.

4. In ihrer Stellungnahme vom 19. Oktober 2016 verwies die Antragsgegnerin auf eine exemplarisch angeschlossene Pressekonferenzunterlage der Bezirksstelle N***. Im Rahmen dieser Pressekonferenz, die ganz bewusst und gezielt gemeinsam mit der Geschäftsstellenleiterin des AMS N*** abgehalten worden sei, habe der Obmann der WK N*** – der auch gleichzeitig Regionalvertreter im AMS N*** sei – die Empfehlung abgegeben, dass eine Meldung der Betriebe an das AMS oder die Antragsgegnerin erfolgen solle. Es sei demnach – was Meldungen betreffe – in erster Linie vom AMS die Rede. Der Vollständigkeit halber werde darauf hingewiesen, dass die jeweiligen Bezirksstellenleiter (WK-Vertreter im Regionalbeirat) über die Bezirksstellen informiert worden seien, dass die Informationen des potentiellen Arbeitgebers idealerweise direkt an das regional zuständige AMS zu richten seien. In diesem Zusammenhang werde auf ein Schreiben der Firma A*** & B*** an die WK-Vertreterin im AMS-Landesdirektorium verwiesen. Darin informiere die Firma über arbeitsunwillige Bewerberinnen und sei eine entsprechende Korrespondenz mit dem AMS beigelegt worden. Dieses Beispiel zeige anschaulich, dass seitens der Firma Probleme bei der Vermittlung erst mit dem regional zuständigen AMS und erst anschließend mit der WK-Vertreterin im AMS-Landesdirektorium besprochen worden seien. Wie von Beginn klargestellt worden sei, sei in diesem Zusammenhang keine Speicherung und Verarbeitung etwaiger übermittelter Daten erfolgt.

B. Sachverhaltsfeststellungen

Die Antragsgegnerin ruft Mitgliedsbetriebe dazu auf, arbeitsunwillige Arbeitnehmer beim Arbeitsmarktservice oder der Antragsgegnerin zum Zweck der Erwirkung einer Sperre des Arbeitslosengeldes durch das Arbeitsmarktservice (namentlich) zu melden.

Beweiswürdigung: Diese Feststellungen ergeben sich aus dem genannten Zeitungsartikel vom 2. August 2016 in Zusammenhalt mit dem Vorbringen der Antragsgegnerin in ihren im Rahmen des Verfahrens erstatteten Stellungnahmen sowie mit der von der Antragsgegnerin vorgelegten Pressekonferenzunterlage der Bezirksstelle N***. Insbesondere aus der Pressekonferenzunterlage geht hervor, dass der Leiter der Wirtschaftskammer N*** (in seiner Eigenschaft als Vertreter der Wirtschaftskammer) zu einer Meldung an das Arbeitsmarktservice oder an die Antragsgegnerin aufgerufen hat. Eine Aufforderung zur Meldung „in erster Linie“ an das Arbeitsmarktservice – wie von der Antragsgegnerin vorgebracht – kann daraus nicht abgeleitet werden, und würde dies davon abgesehen auch nichts daran ändern, dass die Antragsgegnerin jedenfalls zu einer Meldung, wenn auch nur „in zweiter Linie“, an die Antragsgegnerin aufgerufen hat. Dass solche „Aufrufe“ zukünftig unterbleiben würden, wurde von der Antragsgegnerin nicht vorgebracht.

Ein an die Antragsgegnerin gerichtetes auf § 69 AlVG bzw. § 68 Wirtschaftskammergesetz gestütztes Rechtshilfeersuchen des AMS Oberösterreich, arbeitsunwillige Arbeitslose zu ermitteln und namhaft zu machen, liegt nicht vor.

Beweiswürdigung: Die Antragsgegnerin hat trotz ausdrücklicher Aufforderung durch die Datenschutzbehörde ein dementsprechendes an die Antragsgegnerin gerichtetes Ersuchen durch das Arbeitsmarktservice nicht vorgelegt. Die bloße Behauptung der Antragsgegnerin, es liege ein diesbezüglicher permanenter Auftrag durch das Arbeitsmarktservice vor, reicht nicht aus. Das in diesem Zusammenhang von der Antragsgegnerin vorgelegte Schreiben des Arbeitsmarktservice Oberösterreich enthält lediglich allgemein die Ausführung, dass alle „Hinweise“, die das Vermeidungsverhalten von Arbeitslosen bei Vorstellungsgesprächen bei Vorstellungsgesprächen betreffen, „erwünscht“ seien. Ein konkretes (und damit auch verpflichtendes über eine bloße auf Hinweisen basierende Mithilfe hinausgehendes) Ersuchen zur Ermittlung und Namhaftmachung von arbeitsunwilligen Arbeitslosen, findet sich darin allerdings nicht.

C. In rechtlicher Hinsicht folgt daraus:

1. Eingangs ist zu erwähnen, dass für den Eingriff einer staatlichen Behörde in das Grundrecht auf Datenschutz gemäß § 1 Abs. 2 DSG 2000 eine gesetzliche Ermächtigung erforderlich ist. Auch Selbstverwaltungskörper fallen unter den Begriff „staatliche Behörde“ und bedürfen folglich für ihr Handeln einer – ausreichend determinierten – gesetzlichen Grundlage (vgl. dazu die Empfehlung der Datenschutzbehörde vom 9. Mai 2016, GZ DSB-D213.438/0002-DSB/2016, mwN).

Auch ist vorauszuschicken, dass im vorliegenden Fall die (nach wie vor aufrechte) Ermittlung von personenbezogenen Daten arbeitsunwilliger Arbeitsloser durch die Antragsgegnerin verfahrensgegenständlich ist. Die Ausführungen der Antragsgegnerin, es erfolge keine Speicherung der ermittelten Daten und werde auch eine – von der Antragsgegnerin aufgrund der Meldung erwirkte – allfällige Sperre des Arbeitslosengeldes den meldenden Unternehmen in weiterer Folge nicht rückgemeldet, ist für die Beurteilung der hier allein in Rede stehenden Zulässigkeit der festgestellten Ermittlung nicht von Belang.

2. Gemäß § 7 Abs. 1 DSG 2000 dürfen Daten nur verarbeitet werden, soweit Zweck und Inhalt der Datenanwendung von den gesetzlichen Zuständigkeiten oder rechtlichen Befugnissen des jeweiligen Auftraggebers gedeckt sind und die schutzwürdigen Geheimhaltungsinteressen der Betroffenen nicht verletzen.

§ 8 DSG 2000 nennt die Voraussetzungen, unter denen bei nichtsensiblen Daten eine Verletzung schutzwürdiger Interessen nicht anzunehmen ist, und zwar u.a. nach Abs. 1 Z 1 wenn eine ausdrückliche gesetzliche Ermächtigung oder Verpflichtung zur Verwendung von Daten besteht.

Wie aus den §§ 10 Abs. 1 Z 1 iVm § 50 Abs. 2 AlVG hervorgeht, obliegt die Überprüfung des Vorliegens der in § 7 Abs. 1 AlVG normierten Voraussetzungen des Anspruches auf Arbeitslosengeld ausschließlich der regionalen Geschäftsstelle des Arbeitsmarktservice, und hat diese bei Wegfall einer der Voraussetzungen die Auszahlung nach § 24 Abs. 1 AlVG einzustellen. Lediglich in berücksichtigungswürdigen Fällen (Aufnahme einer Beschäftigung) ist der Regionalbeirat nach § 10 Abs. 3 AlVG von der regionalen Geschäftsstelle anzuhören, und allenfalls der Verlust nachzusehen.

Eine rechtliche Befugnis der Antragsgegnerin zur Ermittlung personenbezogener Daten ist in diesem Kontext nicht vorgesehen.

Auch dem lediglich mit Anhörungsrechten ausgestatteten Regionalbeirat käme eine solche gesetzlich eingeräumte eigenständige (Ermittlungs)Berechtigung nicht zu, zumal der Regionalbeirat als Organ des Arbeitsmarktservice im Sinne des § 3 Abs. 3 Z 1 AMSG und damit auch dessen (zur unparteiischen Ausübung nach § 21 AMSG verpflichteten) Mitglieder der Antragsgegnerin bzw. der Wirtschaftskammer ohnedies nicht zugerechnet werden könnten.

3. Sofern die Antragsgegnerin ihre Zulässigkeit zur Datenermittlung auf ihre in § 69 Abs. 1 AlVG normierte Verpflichtung, die Landesgeschäftsstellen und die regionalen Geschäftsstellen in der Erfüllung ihrer Aufgaben zu unterstützen, und damit auf § 8 Abs. 1 Z 4 iVm § 8 Abs. 3 Z 2 DSG 2000 abstellt, übersieht sie, dass einer solchen Unterstützung ein entsprechendes (Amtshilfe)Ersuchen durch die Landesgeschäftsstellen und die regionalen Geschäftsstellen vorauszugehen hat (siehe Walter/Mayer/Kucsko-Stadlmayer, Bundesverfassungsrecht10 (2007) Rz 581 zu Art 22 B-VG).

Ein solches an die Antragsgegnerin gerichtetes Ersuchen liegt – wie festgestellt wurde – jedoch nicht vor.

4. Ein anderer Fall des § 8 Abs. 1 und Abs. 2 DSG 2000 ist nicht erkennbar. Eine Berechtigung zur Ermittlung von personenbezogenen Daten arbeitsunwilliger Arbeitsloser durch die Antragsgegnerin liegt daher nicht vor.

5. Es war folglich gemäß § 30 Abs. 6 DSG 2000 zur Herstellung des rechtmäßigen Zustandes die obige Empfehlung zu erteilen.

Schlagworte

Empfehlung, staatliche Behörde, Selbstverwaltungskörper, Wirtschaftskammer, Arbeitslose, Arbeitswilligkeit, Zulässigkeit der Ermittlung, gesetzliche Ermächtigung

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:DSB:2016:DSB.D213.481.0004.DSB.2016

Zuletzt aktualisiert am

01.12.2016
Quelle: Datenschutzbehörde Dsb, https://www.dsb.gv.at
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