Gbk 2016/2/1 B-GBK I/173/16

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Veröffentlicht am 01.02.2016
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Norm

§8 B-GlBG

Diskriminierungsgrund

Geschlecht

Diskriminierungstatbestand

Sexuelle Belästigung

Text

Die Gleichbehandlungskommission des Bundes

Senat I

hat in der Sitzung am ... über den Antrag von A (=Antragstellerin), in einem Gutachten nach § 23a Bundes-Gleichbehandlungsgesetz (B-GlBG), BGBl. I Nr. 65/2004 i.d.g.F., festzustellen, dass sie von ihrem Kollegen B gemäß § 8 B-GlBG sexuell belästigt worden sei, folgendes

G u t a c h t e n

beschlossen:

Die Beschimpfung von A durch B stellt eine sexuelle Belästigung im Sinne des § 8 B-GlBG dar.

B e g r ü n d u n g

Der Antrag von A langte am ... bei der Bundes-Gleichbehandlungskommission (B-GBK) ein. Die Antragstellerin führte Folgendes aus: Sie habe am ... um ... Uhr ihren Nachtdienst in der Justizanstalt X beendet und den Posten gemeinsam mit ... verlassen. Am Eingang seien sie B begegnet und hätten ihn mit „Guten Morgen“ gegrüßt. Als er sie (die Antragstellerin) wahrgenommen habe, habe er zu ihr gesagt: „‘Ich an deiner Stelle würde aufpassen, was ich bei Seminaren erzähle. Von wegen, der bringt Gift in die Anstalt und es wird nichts unternommen. Sprich nicht über Sachen von denen du keine Ahnung hast. Ich habe überall meine Leute! Merk dir das‘“. Dann habe er ihr mit einer Anzeige gedroht. Zu bemerken sei, dass sie im ... ein Seminar mit dem Titel „...“ besucht habe und in der Wartezeit bis zum Beginn einer Unterrichtseinheit mit anderen Seminarteilnehmerinnen und Seminarteilnehmern über belastende Erlebnisse gesprochen habe. Die Erlebnisse seien in anonymisierter Form dargestellt worden, alle hätten „peinlichst“ darauf geachtet keine Namen zu nennen. Es sei nicht um Tratsch gegangen, sondern um die Verarbeitung von Erlebnissen. In der Justizanstalt X habe es einen Fall gegeben, der sie sehr beschäftigt habe und sie habe daher darüber gesprochen. Es sei tatsächlich um B gegangen, aber sie habe den Namen zu keinem Zeitpunkt erwähnt. B habe gesagt, seine beste Freundin habe ihm erzählt, dass man aus den Ausführungen auf seine Person schließen habe können. Sie (der Antragstellerin) habe den Fall erklären wollen, und da sei B immer ausfälliger geworden: „‘ Deine depperte Rederei geht mir am Oasch, du depate Fotzn‘“. Kollegin ... könne diese Aussage bestätigen, und es sei eine weitere Kollegin Zeugin dieses Vorfalls geworden. B habe sich bis heute mit keinem Wort entschuldigt. Sie empfinde die Beschimpfung als beleidigend und erniedrigend, insbesondere auch weil ihr B in der Hierarchie übergeordnet sei. Sie habe den Vorfall der Anstaltsleitung gemeldet und in der Folge sei die Angelegenheit an die übergeordnete Dienstbehörde, die (damalige) Vollzugsdirektion, weitergeleitet worden, es werde geprüft, ob ein disziplinär zu ahndendes Verhalten vorliege. Sie (die Antragstellerin) habe sich auch an die zuständige Gleichbehandlungsbeauftragte ... gewandt.

Auf Aufforderung der B-GBK übermittelte B, vertreten von der Rechtsanwaltskanzlei ..., am ... folgende Stellungnahme zum Vorwurf von A: Richtig sei, dass es am ... zu einem „Streitgespräch“ gekommen sei. Der Grund dafür sei die „Behauptung von Tatsachen“ gewesen, die „maßgeblich dazu geeignet sind, das Dienstverhältnis zu verlieren sowie sogar strafrechtlichen Verurteilungen ausgesetzt zu sein“. Der Grad der Provokation seitens der „Anzeigerin“ sei bei weitem überschritten worden. Sie habe in aller Öffentlichkeit nicht nur die Ehre und das Ansehen des „Angezeigten“ verletzt, sondern Unterstellungen als Tatsachen dargestellt, die „ausschließlich zu einem Dienstverlust führen müssen“. In weiterer Folge des Streitgespräches sei „auch auf die sexuelle Neigung des Angezeigten Anstoß genommen“ worden. A habe bereits vielfach Äußerungen über ihn und seinen Lebensgefährten getätigt, es liege ein Verstoß gegen § 8 B-GlBG durch sie vor. Eine Anzeige bei der Gleichbehandlungskommission sei bis dato unterblieben, da das Dienstverhältnis dadurch massiv belastet wäre, jetzt werde aber der Antrag auf Erstellung eines Gutachtens gemäß § 23a Abs. 1 Z 1 und 2 B-GlBG gestellt. Im Zuge des Streitgespräches seien viele „sexuell belästigende Worte seitens der Anzeigerin gegenüber dem Angezeigten“ gefallen. Es sei möglich, dass als „reflexbedingte Unmutsäußerung“ die Aussage „du depate Fotzn“ gefallen sei, auf Grund des „massiven Streitgespräches“ könne er sich nicht daran erinnern. Es seien zahlreiche Beleidigungen zwischen „den Parteien“ gefallen, jedoch „keine mit dem subjektiven Willen, die Anzeigerin sexuell zu belästigen“. Jedenfalls entschuldige er sich hiermit, sollte eine solche Äußerung gefallen sein. A sei auch bewusst gewesen, dass eine sexuelle Belästigung durch ihn schon alleine aus dem Grund nicht erfolgen könne, weil er „sich aus Frauen im Allgemeinen nichts macht“.

Abschließend ersuchte B - da sein Verhalten von der Vollzugsdirektion geprüft werde - das Verfahren vor der B-GBK bis zur Abklärung der Vorwürfe durch die Disziplinarkommission auszusetzen.

Die Vollzugsdirektion teilte der B-GBK auf Nachfrage mit, dass gegen B Disziplinaranzeige erstattet und mit ... ein Disziplinarverfahren eingeleitet, dieses aber bis zur Beendigung eines Strafverfahrens (wegen anderer Delikte) unterbrochen worden sei.

Mit Schreiben vom ... wurde B zur Befragung in der Sitzung des Senates I der B-GBK (im Folgenden kurz Senat) am ... eingeladen. Am ... teilte er telefonisch mit, dass er psychisch und finanziell nicht in der Lage sei, zur Sitzung zu erscheinen, er sei von Amts wegen pensioniert worden. Weiters habe er gesagt, A sei „bekennende Lesbierin“ und er sei homosexuell, deshalb könne er sie gar nicht sexuell belästigen. Auch finde er es lächerlich, dass „wegen so etwas“ ein Verfahren geführt werde.

An der Senatssitzung nahmen die Antragstellerin, die stellvertretende Gleichbehandlungsbeauftragte (GBB) ... und als Dienstgebervertreterin ... (von der damaligen Vollzugsdirektion) teil.

A wiederholte die Ausführungen in ihrem Antrag zum Beginn des „Gespräches“ mit B und ergänzte, dass er lauthals geschrien und gefragt habe, was sie sich einbilde, auf Seminaren solche Anschuldigungen auszusprechen. Sie habe nur geantwortet, dass sie von einem von 50 Kollegen gesprochen habe und der Name ... nie gefallen sei. Er habe erwidert, dass seine beste Freundin auch in diesem Kurs gewesen sei und deswegen wisse er genau, dass es um ihn gegangen sei. Auf dem ganzen Weg zur Anstalt habe B geschrien, sie habe gar nicht alles wahrgenommen, was er gesagt habe. Sie sei anschließend mit der Kollegin zum Kommandanten gegangen und dieser habe sie aufgefordert einen Aktenvermerk zu machen. Sie habe auch ihrem direkten Vorgesetzten berichtet und dieser habe ihr seine Unterstützung zugesagt. Dann habe sie sich an die GBB ... gewandt.

Die Frage, ob dies der erste unangenehme Vorfall zwischen ihr und B gewesen sei, bejahte die Antragstellerin, er habe zwar schon einige Zeit vorher nicht mehr gegrüßt, aber sonst sei nichts gewesen. Nach dem Vorfall habe er sie wieder gegrüßt, er sei aber dann nicht mehr lange in der Justizanstalt gewesen. Es sei immer sehr unangenehm gewesen, wenn sie ihn gesehen habe.

Die Frage, ob B sich jemals bei ihr persönlich entschuldigt habe, verneinte A.

Auf die Frage nach dem Stand des Disziplinarverfahrens führte die Dienstgebervertreterin aus, dass wegen ... gegen B anhängig sei, das Disziplinarverfahren sei bis zum Ende des Strafverfahrens ausgesetzt worden, seit ... sei B vom Dienst suspendiert gewesen, mittlerweile sei seine Dienstunfähigkeit festgestellt worden. Es könne ausgeschlossen werden, dass er und A jemals wieder gemeinsam Dienst versehen werden.

Die B-GBK hat erwogen:

Gemäß § 8 Abs. 1 B-GlBG liegt eine Diskriminierung aufgrund des Geschlechtes vor, wenn die Dienstnehmerin oder der Dienstnehmer im Zusammenhang mit ihrem oder seinem Dienstverhältnis 1. von der Vertreterin oder vom Vertreter des Dienstgebers selbst sexuell belästigt wird, 2. durch die Vertreterin oder den Vertreter des Dienstgebers dadurch diskriminiert wird, indem sie oder er es schuldhaft unterlässt, im Falle einer sexuellen Belästigung angemessene Abhilfe zu schaffen oder 3. durch Dritte sexuell belästigt wird.

Gemäß § 8 Abs. 2 Z 1 B-GlBG liegt eine sexuelle Belästigung vor, wenn ein der sexuellen Sphäre zugehöriges Verhalten gesetzt wird, das die Würde einer Person beeinträchtigt oder dies bezweckt, für die betroffene Person unerwünscht, unangebracht, entwürdigend, beleidigend oder anstößig ist und

1.   eine einschüchternde, feindselige oder demütigende Arbeitsumwelt für die betroffene Person schafft oder dies bezweckt. ...

Nach den Erläuterungen zum B-GlBG sind unter einem „der sexuellen Sphäre zugehörigen Verhalten“ „körperliche, verbale und nicht verbale Verhaltensweisen“ zu verstehen.

Gemäß der Beweislastregel des § 25 Abs. 2 B-GlBG hat eine Antragstellerin/ein Antragsteller im Fall der behaupteten sexuellen Belästigung diesen Umstand lediglich glaubhaft zu machen. Es obliegt dem/der der (sexuellen) Belästigung Beschuldigten, darzulegen, dass bei Abwägung aller Umstände eine höhere Wahrscheinlichkeit dafür spricht, dass die von ihr/ihm glaubhaft gemachten Tatsachen der Wahrheit entsprechen.

B bestätigte zwar nicht ausdrücklich, die Bemerkung „du depate Fotzn“ gemacht zu haben, er gab aber an, es könne sein, dass er die Bemerkung als „reflexbedingte Unmutsäußerung“ gemacht habe. Auf Grund der glaubhaften Darstellung des Sachverhaltes durch die Antragstellerin, vor allem auch bei ihrer mündlichen Befragung in der Senatssitzung, steht für den Senat fest, dass B die Bemerkung machte. Ohne jeden Zweifel stellt eine derartige Ausdrucksweise ein der sexuellen Sphäre zugehöriges Verhalten dar, das entwürdigend, unangebracht, beleidigend usw. ist und das daher auch eine einschüchternde, feindselige und demütigende Arbeitsumwelt für die betroffene Person schafft. Keinesfalls kann eine derartige Bezeichnung für eine Kollegin als bloße „reflexbedingte Unmutsäußerung(!)“ in einem Streitgespräch gewertet oder die Ausdrucksweise damit entschuldigt werden. Abgesehen davon kennt das B-GlBG keine Entschuldigungsgründe.

Das Vorbringen des B, nämlich dass er A gar nicht sexuell belästigen habe können, da er „sich aus Frauen im Allgemeinen nichts macht“, entbehrt jeglicher Logik, vor allem angesichts des gegenständlichen Vorwurfs der verbalen sexuellen Belästigung.

Auf Bs Vorbringen, A habe bereits vielfach Äußerungen über ihn und seinen Lebensgefährten getätigt und damit gegen § 8 B-GlBG verstoßen und er stelle seinerseits den Antrag auf Erstellung eines Gutachtens, ist nicht weiter einzugehen, da keine substantiierte Sachverhaltsdarstellung abgegeben wurde und es sich offenbar lediglich um einen Abwehrversuch handelt.

Der Senat kam zu dem Ergebnis, dass B A mit der Bemerkung „du depate Fotzn“ im Sinne des § 8 B-GlBG sexuell belästigte.

Auf den schadenersatzrechtlichen Anspruch gemäß § 19 B-GlBG gegenüber dem Belästiger wird verwiesen.

Wien, Februar 2016

Zuletzt aktualisiert am

23.02.2016
Quelle: Gleichbehandlungskommisionen Gbk, https://www.bmgf.gv.at/home/GK
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