TE Vwgh Erkenntnis 2000/9/18 2000/17/0042

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Veröffentlicht am 18.09.2000
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Index

001 Verwaltungsrecht allgemein;
10/07 Verwaltungsgerichtshof;
27/04 Sonstige Rechtspflege;
40/01 Verwaltungsverfahren;

Norm

AVG §13;
GEG §9 Abs1;
GEG §9 Abs2;
VwGG §42 Abs2 Z2;
VwGG §42 Abs3;
VwRallg;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Hnatek und die Hofräte Dr. Höfinger, Dr. Holeschofsky, Dr. Köhler und Dr. Zens als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Keller, über die Beschwerde des A, vertreten durch Dr. T und Dr. K, Rechtsanwälte in O, gegen den Bescheid des Präsidenten des Oberlandesgerichtes Wien vom 27. Jänner 2000, Zl. Jv 50105-33a/00 (Str 23/00-10), betreffend Nachlass, hilfsweise Stundung von Gerichtskosten, zu Recht erkannt:

Spruch

In Ansehung der Abweisung des Antrages auf Nachlass von Gerichtskosten wird der angefochtene Bescheid wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.

In Ansehung des Antrages auf Stundung dieser Gerichtskosten wird der angefochtene Bescheid wegen Unzuständigkeit der belangten Behörde aufgehoben.

Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von S 15.000,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit Zahlungsauftrag des Kostenbeamten des Landesgerichtes für Strafsachen Wien vom 16. Dezember 1999 wurden dem Beschwerdeführer an Gerichtskosten des gegen ihn zu 12bE Vr 2421/99, Hv 3374/99, geführten Strafverfahrens ein Betrag von S 50.359,-- zur Zahlung vorgeschrieben.

Am 27. Dezember 1999 beantragte der Beschwerdeführer beim Landesgericht für Strafsachen Wien diese Kosten gemäß § 391 Abs. 2 StPO für uneinbringlich zu erklären. Diesen Antrag begründete er wie folgt:

"In der außen bezeichneten Strafsache wurde am 22.12.1999 der Zahlungsauftrag vom 16.12.1999 zugestellt, mit welchem mir die Zahlung der im Strafverfahren aufgelaufenen Kosten (Sachverständigengebühren und Einhebungsgebühr) im Betrag von S 50.359,-- aufgetragen wird.

Auf Grund meiner persönlichen Haftung für einen beträchtlichen Teil der 'V GesmbH' beantragte ich zu ... des BG Döbling die Eröffnung des Privatkonkurses über mein Vermögen. Im Zuge dieses Schuldenregulierungsverfahrens bot ich meinen Gläubigern einen Zahlungsplan an, in welchem ich mich verpflichtete, eine 15 %ige Quote zahlbar in monatlichen Raten binnen fünf Jahren beginnend mit dem Folgemonat der rechtskräftigen Bestätigung des Zahlungsplanes zu bezahlen. In der Tagsatzung vom 12.02.1999 wurde der Zahlungsplan angenommen und in weiterer Folge mit Beschluss des BG Döbling vom 29.03.1999 bestätigt. Die Bestätigung erwuchs in Rechtskraft. Mit Beschluss vom 21.05.1999 hob das BG Döbling das Schuldenregulierungsverfahren auf. Die Ratenzahlungen gemäß dem Zahlungsplan laufen bis April 2004.

Mein Einkommen, das ich als Angestellter der M GmbH beziehe, beträgt monatlich S 23.500,-- brutto und wird 14 mal jährlich ausbezahlt.

Aus meinem Arbeitseinkommen verbleiben mir monatlich netto S 16.101,80. Davon habe ich S 9.555,15 für die Begleichung der Zahlungsplanquote aufzuwenden. Aus dem verbleibenden Rest von S 6.546,65 kann ich gerade noch den zu einer einfachen Lebensführung notwendigen Unterhalt finanzieren.

Ich habe keine Sorgepflichten, verfüge aber auch weder über anderweitiges Einkommen noch über irgendwelches Vermögen."

Für den Fall, dass dem Antrag des Beschwerdeführers, die Kosten des Strafverfahrens für uneinbringlich zu erklären, keine Folge gegeben würde, brachte der Beschwerdeführer vor, dass diese Einbringung für ihn mit besonderer Härte verbunden wäre, weil sie die Erfüllung seines Zahlungsplans gefährden würde. Sein Dienstverhältnis sei unbefristet, sodass die Einbringung der Kosten voraussichtlich nach Erfüllung des Zahlungsplans möglich sein dürfte, falls er seine Anstellung behalte. Er stelle daher den (gegenüber jenem nach § 391 Abs. 2 StPO) hilfsweisen Antrag an die belangte Behörde, die Begleichung der Kosten gemäß § 9 Abs. 2 des Gerichtlichen Einbringungsgesetzes, BGBl. Nr. 288/1962 (im Folgenden: GEG), nachzulassen, eventualiter gemäß § 9 Abs. 1 GEG bis 30. April 2004 zu stunden und ihm sodann die Begleichung in monatlichen Raten von S 3.000,--, beginnend mit 1. Mai 2004, zu gestatten.

Mit Beschluss des Landesgerichtes für Strafsachen Wien vom 7. Jänner 2000 gab dieses dem Hauptantrag des Beschwerdeführers, die Kosten des Strafverfahrens gemäß § 391 Abs. 2 StPO für uneinbringlich zu erklären, keine Folge.

Mit dem angefochtenen Bescheid vom 27. Jänner 2000 wies die belangte Behörde die Anträge des Beschwerdeführers auf Nachlass bzw. Stundung der in Rede stehenden Gerichtskosten ab.

In der Begründung dieses Bescheides gab die belangte Behörde das Vorbringen des Beschwerdeführers in seinem Antrag vom 27. Dezember 1999 wörtlich, aber nur insoweit wieder, als es der Begründung des an das Landesgericht für Strafsachen Wien gerichteten Hauptantrages des Beschwerdeführers diente.

Sodann führte die belangte Behörde in Ansehung des Nachlassantrages aus, gemäß § 9 Abs. 2 GEG könnten Gebühren und Kosten auf Antrag nachgelassen werden, wenn die Einbringung für den Zahlungspflichtigen mit besonderer Härte verbunden wäre. Das Nachlassvorbringen des Beschwerdeführers stelle sich jedoch inhaltlich als solches im Sinne des § 391 Abs. 2 StPO dar, wonach das Gericht die Kosten für uneinbringlich zu erklären habe, wenn mit Grund anzunehmen sei, dass sie wegen Mittellosigkeit des Zahlungspflichtigen auch nicht bloß zum Teil hereingebracht werden könnten, wobei durch die Eintreibung weder der zu einer einfachen Lebensführung notwendige Unterhalt des Ersatzpflichtigen und seiner Familie, für deren Unterhalt er zu sorgen habe, noch die Erfüllung der aus der strafbaren Handlung entspringenden Pflicht zur Schadensgutmachung gefährdet werden dürfe. Unter Berufung auf Tschugguel/Pötscher, Gerichtsgebühren, MGA5, 358, vertrat die belangte Behörde weiters die Auffassung, Gesuche um Nachlass von Kosten des Strafverfahrens seien als Anträge, die Kosten des Strafverfahrens nach § 391 Abs. 2 StPO für uneinbringlich zu erklären, zu behandeln, wenn darin behauptet werde, dass die Voraussetzungen des § 391 Abs. 1 StPO gegeben seien.

Zum Antrag auf Stundung führte die belangte Behörde aus, gemäß § 9 Abs. 1 GEG setze eine solche neben einer besonderen Härte auch die mangelnde Gefährdung der Einbringung bzw. die Sicherheitsleistung voraus. Vorliegendenfalls sei keine Sicherheitsleistung angeboten worden, angesichts der ungünstigen wirtschaftlichen Verhältnisse des Beschwerdeführers sei evident, dass die Einbringung der Gerichtskosten gefährdet sei. Aus diesen Gründen seien die Anträge des Beschwerdeführers abzuweisen gewesen.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde vor dem Verwaltungsgerichtshof. Der Beschwerdeführer erachtet sich erkennbar in seinem Recht auf Nachlass bzw. Stundung von Gerichtskosten gemäß § 9 Abs. 1 und 2 GEG verletzt. Er macht Rechtswidrigkeit des Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften mit dem Antrag geltend, den angefochtenen Bescheid aus diesen Gründen aufzuheben.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

§ 9 Abs. 1 und 2 GEG lauten:

"§ 9. (1) Die vorgeschriebene Zahlungsfrist kann auf Antrag verlängert oder die Entrichtung in Teilbeträgen gestattet werden (Stundung), wenn die Einbringung mit einer besonderen Härte für den Zahlungspflichtigen verbunden wäre und entweder durch die Stundung nicht gefährdet oder Sicherheit geleistet wird. Über den Antrag entscheidet bei Beträgen bis zu 390 000 S der Präsident des Oberlandesgerichtes. ...

(2) Gebühren und Kosten können auf Antrag nachgelassen werden, wenn die Einbringung mit besonderer Härte für den Zahlungspflichtigen verbunden wäre oder wenn der Nachlass im öffentlichen Interesse gelegen ist. Über den Antrag entscheidet bei Beträgen bis zu 390 000 S der Präsident des Oberlandesgerichtes, sonst das Bundesministerium für Justiz."

§ 391 Abs. 1 und 2 StPO lauten:

"§ 391. (1) Die Kosten des Strafverfahrens sind jedoch vom Ersatzpflichtigen nur insoweit einzutreiben, als dadurch weder der zu einer einfachen Lebensführung notwendige Unterhalt des Ersatzpflichtigen und seiner Familie, für deren Unterhalt er zu sorgen hat, noch die Erfüllung der aus der strafbaren Handlung entspringenden Pflicht zur Schadensgutmachung gefährdet wird.

(2) Ist nach den im Verfahren hervorgekommenen Umständen mit Grund anzunehmen, dass die Kosten des Strafverfahrens wegen Mittellosigkeit des Zahlungspflichtigen auch nicht bloß zum Teile hereingebracht werden können, so hat das Gericht, soweit tunlich, gleich bei Schöpfung des Erkenntnisses die Kosten für uneinbringlich zu erklären; andernfalls entfällt eine Entscheidung über die Einbringlichkeit der Kosten. Der Beschluss, womit die Kosten für uneinbringlich erklärt werden, kann jederzeit aufgehoben und, wenn später Umstände der bezeichneten Art hervorkommen, nachträglich gefasst werden."

§ 193 und § 198 KO lauten:

"§ 193. (1) Der Schuldner kann im Lauf des Konkursverfahrens den Antrag auf Annahme eines Zahlungsplans stellen. Soweit nichts anderes angeordnet ist, gelten hiefür die Bestimmungen über den Zwangsausgleich.

(2) Die Tagsatzung zur Verhandlung und Beschlussfassung über den Zahlungsplan darf nicht vor Verwertung des Vermögens des Schuldners stattfinden. Die Tagsatzung kann mit der Verteilungstagsatzung verbunden werden.

...

§ 198. (1) Ändert sich die Einkommens- und Vermögenslage des Schuldners ohne dessen Verschulden, sodass er fällige Verbindlichkeiten des Zahlungsplans nicht erfüllen kann und ist im Zahlungsplan nicht darauf Bedacht genommen worden, so kann der Schuldner binnen 14 Tagen nach Mahnung durch den Gläubiger neuerlich die Abstimmung über einen Zahlungsplan und die Einleitung eines Abschöpfungsverfahrens beantragen. Hiebei gilt:

1. Die in § 194 Abs. 1 vorgesehene Frist zur Beurteilung der Angemessenheit der Quote des Zahlungsplans ist um die Hälfte der Frist des Zahlungsplans, die abgelaufen ist, zu verkürzen;

2. auf die Dauer des Abschöpfungsverfahrens ist die bisherige Frist des Zahlungsplans zur Hälfte anzurechnen.

(2) Die Forderungen leben erst bei Versagung der Bestätigung des Zahlungsplans und Abweisung des Antrags auf Einleitung des Abschöpfungsverfahrens auf."

Die belangte Behörde hat den Ersteventualantrag auf Nachlass der in Rede stehenden Gerichtskosten allein mit der Begründung abgewiesen, das Nachlassvorbringen stelle sich inhaltlich (ausschließlich) als solches gemäß § 391 Abs. 2 StPO dar.

Mit diesen Darlegungen verkennt die belangte Behörde jedoch, dass der Beschwerdeführer seinen Ersteventualantrag auf Nachlass der in Rede stehenden Gerichtskosten nicht nur auf die von der belangten Behörde wiedergegebenen, zur Begründung des Hauptantrages herangezogenen Umstände gestützt hat, sondern insbesondere darauf, dass die Einbringung der Gerichtskosten die Erfüllung des Zahlungsplanes des Beschwerdeführers gefährden würde.

Auf dieses Argument geht die belangte Behörde im angefochtenen Bescheid mit keinem Wort ein.

Im Nachlassverfahren nach § 9 Abs. 2 GEG sind aber die allgemeinen Grundsätze eines geordneten Verfahrens zu beachten, dazu gehört die Wahrung des Parteiengehörs ebenso wie eine nachprüfbare Begründung der Entscheidung (vgl. das hg. Erkenntnis vom 3. Februar 1984, Zl. 83/17/0199).

Indem sich die belangte Behörde mit dem Antragsvorbringen des Beschwerdeführers, eine besondere Härte der Hereinbringung der Kosten liege in einer Gefährdung des Zahlungsplanes, nicht auseinander setzte, belastete sie den angefochtenen Bescheid mit einem Begründungsmangel. Vor dem Hintergrund der §§ 193 ff KO erscheint das Vorbringen des Beschwerdeführers auch nicht von vornherein ungeeignet, eine besondere, in seiner Person gelegene Härte der Einbringung der Gerichtskosten darzulegen:

Der vom Beschwerdeführer ins Verdienen gebrachte Nettomonatsgehalt von S 16.101,80 liegt über dem Existenzminimum nach § 291a EO. Umstände, aus denen sich ergeben könnte, dass das Einkommen des Beschwerdeführers, welches über dem Existenzminimum liegt, dem Zugriff des Bundes für seine Forderung auf Ersatz der Gerichtskosten entzogen wäre, hat die belangte Behörde nicht dargetan. Die exekutive Hereinbringung dieser Kosten könnte daher die Unfähigkeit des Beschwerdeführers, die im Zahlungsplan bestimmten Beträge rechtzeitig an seine Gläubiger zu entrichten, herbeiführen. Diesfalls würden aber die im Zahlungsplan gewährten Begünstigungen verloren gehen (vgl. hiezu Deixler-Hübner, Privatkonkurs2, Rz 85). Der Beschwerdeführer wäre diesfalls genötigt, neuerlich ein Verfahren gemäß § 198 Abs. 1 KO mit ungewissem Ausgang anzustrengen.

Darin könnte aber eine - gegenüber den in § 391 Abs. 1 und 2 StPO angeführten, vom Gericht zu beurteilenden Umständen verschiedenartige - besondere Härte gelegen sein.

Indem die belangte Behörde es unterließ, sich mit dem diesbezüglichen Antragsvorbringen auseinander zu setzen, belastete sie ihren Bescheid in Ansehung der Abweisung des Nachlassantrages mit Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften, weshalb dieser insoweit gemäß § 42 Abs. 2 Z. 3 lit. c VwGG aufzuheben war.

Der Antrag auf Stundung der Gerichtskosten wurde gegenüber jenem auf deren Nachlass als Eventualantrag formuliert. Damit ist aber die Abweisung des Antrages auf Stundung von der Rechtswidrigkeit in Ansehung der Abweisung des Antrages auf Nachlass der Gerichtskosten mitumfasst:

Gemäß § 42 Abs. 3 VwGG tritt durch die Aufhebung des angefochtenen Bescheides in Ansehung des Nachlassantrages die Rechtssache in die Lage zurück, in der sie sich vor Erlassung des angefochtenen Bescheides befunden hatte. Durch die Aufhebung des angefochtenen Bescheides, insoweit er den Nachlassantrag als unbegründet abwies, fällt uno actu und rückwirkend auch die Voraussetzung für die Entscheidung über den Eventualantrag auf Stundung (nämlich das Vorliegen einer dem Hauptantrag nicht stattgebenden Entscheidung) weg (vgl. hiezu das hg. Erkenntnis vom 5. Mai 2000, Zlen. 98/19/0251 bis 0268, Seite 20). Auf Grund der Rückwirkung des aufhebenden Erkenntnisses in Ansehung des Antrages auf Nachlass der Gerichtskosten ist nun davon auszugehen, dass es der belangten Behörde mangels Abweisung dieses Antrages an einer Zuständigkeit zur inhaltlichen Behandlung des eventualiter gestellten Stundungsantrages fehlte (vgl. hiezu Hauer/Leukauf, Handbuch des österreichischen Verwaltungsverfahrens5, E. 8a zu § 13

AVG).

Aus diesen Erwägungen war der angefochtene Bescheid in Ansehung der Abweisung des eventualiter gestellten Antrages auf Stundung der Gerichtskosten wegen Unzuständigkeit der belangten Behörde gemäß § 42 Abs. 2 Z. 2 VwGG aufzuheben.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994.

Wien, am 18. September 2000

Schlagworte

Individuelle Normen und Parteienrechte Rechtsanspruch Antragsrecht Anfechtungsrecht VwRallg9/2

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2000:2000170042.X00

Im RIS seit

11.07.2001
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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