TE Vwgh Erkenntnis 2000/9/18 96/17/0374

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Veröffentlicht am 18.09.2000
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Index

32/01 Finanzverfahren allgemeines Abgabenrecht;
32/02 Steuern vom Einkommen und Ertrag;

Norm

BAO §29 Abs2;
GewStG §25 Abs1;
GewStG §30 Abs1;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Hnatek und die Hofräte Dr. Höfinger, Dr. Holeschofsky, Dr. Köhler und Dr. Zens als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Keller, über die Beschwerde der Stadt Wels gegen den Bescheid der Finanzlandesdirektion für Wien, Niederösterreich und Burgenland vom 28. Juni 1996, Zl. GA 8-1989/9/92, betreffend Festsetzung der Steuermessbeträge nach der Lohnsumme für 1981 bis 1985 (mitbeteiligte Partei: W AG), zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Die beschwerdeführende Partei hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von S 4.565,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Das Kostenersatzbegehren der mitbeteiligten Partei wird abgewiesen.

Begründung

Mit dem vor dem Verwaltungsgerichtshof bekämpften Bescheid wies die belangte Behörde die Berufung der beschwerdeführenden Partei vom 15. Mai 1987 gegen die Bescheide des Finanzamtes für Körperschaften vom 27. April 1987 betreffend Festsetzung der Steuermessbeträge nach der Lohnsumme für 1981 bis 1985 hinsichtlich der in der Stadt Wels gelegenen Betriebsstätte der mitbeteiligten Partei ab und setzte die Steuermessbeträge in Übereinstimmung mit der Entscheidung der ersten Instanz wie näher ersichtlich fest.

Gegen diesen Bescheid wendet sich die vorliegende Beschwerde vor dem Verwaltungsgerichtshof, in der Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend gemacht wird. Nach dem gesamten Inhalt ihres Vorbringens erachtet sich die beschwerdeführende Partei in ihrem Recht auf Festsetzung des Steuermessbetrages nach der Lohnsumme entsprechend den gesetzlichen Bestimmungen verletzt.

Die belangte Behörde legte die Verwaltungsakten vor und erstattete ebenso wie die mitbeteiligte Partei eine Gegenschrift mit dem Antrag, die Beschwerde als unbegründet abzuweisen.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Gemäß § 25 Abs. 1 GewStG ist bei der Lohnsummensteuer die Steuerbemessungsgrundlage die Lohnsumme, die in jedem Kalendermonat an die Arbeitnehmer der in der Gemeinde gelegenen Betriebsstätte gezahlt worden ist.

Gemäß § 26 Abs. 1 leg. cit. ist Lohnsumme die Summe der Vergütungen, die an die Arbeitnehmer der in der Gemeinde gelegenen Betriebsstätte gezahlt worden sind.

Strittig ist im Beschwerdefall, ob die Standorte der in den umliegenden Gemeinden tätigen Versicherungsvertreter der mitbeteiligten Partei nur "Anlaufstellen" oder "außerdienstliche Kontaktstellen" für den örtlichen Einzugsbereich seien, weshalb deren Einordnung als Betriebsstätte rechtlich nicht gedeckt sei; die Versicherungsvertreter seien - nach Ansicht der beschwerdeführenden Partei - vielmehr der im Gemeindegebiet der beschwerdeführenden Partei gelegenen Zentrale zuzuordnen. Dies ergebe sich schon daraus, dass sie unter straffer zentraler Weisungsgebundenheit der Direktion ihre Tätigkeit ausübten und in der Praxis nur "als verlängerter Arm" der Zentraleinheit dienten.

Betriebsstätte im Sinn der Abgabenvorschriften ist nach § 29 Abs. 1 BAO (in der hier anzuwendenden Fassung vor der Novelle BGBl. Nr. 818/1993) jede feste örtliche Anlage oder Einrichtung, die der Ausübung eines Gewerbebetriebes dient. Nach Abs. 2 leg. cit. gelten als Betriebsstätten nicht nur die Stätte, an der sich die Geschäftsleitung befindet (lit. a) sondern insbesondere auch Geschäftsstellen und sonstige Geschäftseinrichtungen, die dem Unternehmer oder seinem ständigen Vertreter zur Ausübung des Gewerbes dienen (lit. b).

Der Verwaltungsgerichtshof hat daher keine Bedenken im Beschwerdefall in den erwähnten "Anlaufstellen" Geschäftsstellen (vgl. dazu etwa Ritz, Bundesabgabenordnung2, 82) im Sinne der zitierten Bestimmung zu sehen, da es sich bei ihnen auch nach dem Beschwerdevorbringen jedenfalls um feste örtliche Anlagen oder Einrichtungen handelt. Das Hauptgewicht des Vorbringens der beschwerdeführenden Partei liegt vielmehr darauf, dass die Außendienstmitarbeiter der Zentrale zuzurechnen seien.

Zur Zuordnung von Außendienstmitarbeitern hat der Verwaltungsgerichtshof in ständiger Rechtsprechung (vgl. das hg. Erkenntnis vom 22. Februar 1995, Zl. 92/17/0041, mwN) ausgesprochen, dass es hiefür darauf ankomme, wo sich die Haupttätigkeit des betreffenden Arbeitnehmers vollziehe. Entscheidend sei, zu welcher der mehreren Betriebsstätten die engere ständige Beziehung bestehe, was nicht allein von der Frage abhänge, von wo aus der leitende Einsatz des Dienstnehmers erfolge. Entscheidende Faktoren seien weiters etwa das Vorhandensein eines Arbeitsplatzes in der Geschäftsstelle, die Beziehung der Außendienstmitarbeiter zu den in der Geschäftsstelle sonst tätigen anderen Dienstnehmer, die Regelmäßigkeit des Aufsuchens der Geschäftsstelle bzw. der Zentrale und der Umstand, ob ein Außendienstmitarbeiter nur eine bestimmte Geschäftsstelle (bzw. deren räumlichen Einzugsbereich) oder auch andere betreut. Dass die Tätigkeit eines Außendienstmitarbeiters von der Zentrale aus geleitet wird, ist nur dann von entscheidender Bedeutung, wenn im konkreten Fall zu keiner anderen Betriebsstätte eine (im beispielsweise aufgezeigten Sinn) engere Beziehung besteht.

Die belangte Behörde hat unter Hinweis auf die dargestellten Grundsätze der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes die mitbeteiligte Partei mit Schreiben vom 5. Dezember 1995 ersucht mitzuteilen, wie diese die Aufteilung der Lohnsumme auf die einzelnen Betriebsstättengemeinden handhabe. Insbesondere wurde auch auf den Umstand hingewiesen, dass die einzelnen Außendienstmitarbeiter, die beispielsweise im Bereich mehrerer Betriebsstätten tätig seien, jener Betriebsstätte zuzuordnen seien, zu der die engere Beziehung bestehe.

Die mitbeteiligte Partei teilte hieraufhin der belangten Behörde mit Schreiben vom 10. Jänner 1996 mit, dass die Aufteilung der Lohnsummen auf die einzelnen Betriebsstättengemeinden "gemäß der von ihnen dargestellten Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes seit den 80iger Jahren von unserer Gesellschaft vorgenommen" werde. Im Hinblick auf eine entsprechende Anfrage wurde weiters erklärt, dass außer einigen bezugnehmenden internen Aktenvermerken keine vollständigen Verrechnungsunterlagen über diesen Zeitraum (1981 bis 1985) mehr vorhanden seien. Überdies wurde die Betriebsstätteneigenschaft mehrerer Geschäftsstellen in näher angeführten Gemeinde bejaht.

Die belangte Behörde stützte sich überdies noch auf ein Informationsschreiben des Finanzamtes für Körperschaften an die beschwerdeführende Partei vom 5. Oktober 1987, wonach die mitbeteiligte Partei Ende der 70iger- Anfang der 80iger Jahre die außerhalb der Landesdirektionen unterhaltenen und bis dahin nur mit einer Schreib- bzw. Telefonkraft besetzt gewesenen Außendienststellen aufgewertet habe; der Einsatz der Versicherungsmitarbeiter erfolge nunmehr von dort. Die Außenstellen hätten ab dieser Zeit einen Gebietsleiter erhalten, der über einen bestimmten Mitarbeiterstab verfüge. Für die nicht mehr von der Landesdirektion eingesetzten Mitarbeiter seien auch eigene Codes für die Kostenzuteilung bei der Personalverrechnung vergeben worden. Die "nunmehr durchgeführte Neuaufteilung" sei anhand der Codes erfolgt und vom Finanzamt stichprobenweise überprüft worden.

Ausgehend von diesen Schreiben nahm die belangte Behörde eine Änderung der Struktur des mitbeteiligten Versicherungsunternehmens im hier fraglichen Zeitraum an und bejahte in rechtlicher Hinsicht die von der Behörde erster Instanz getroffene Entscheidung.

Die beschwerdeführende Partei bekämpft gerade diese Annahme der Berufungsentscheidung, die Dezentralisierung bei der mitbeteiligten Partei wäre bereits in den Jahren 1981 bis 1985 erfolgt. Diese Annahme gründe "sich ausschließlich auf das Begehren gewisser Gemeinden, an der Lohnsummensteuer im gegenständlichen Abgabenzeitraum mitzupartizipieren", könne jedoch "weder auf Grund fundierter und nachvollziehbarer Ermittlungen der Bundesfinanzbehörden in erster und zweiter Instanz noch durch diesbezügliche Unterlagen bzw. sonstige Nachweise" der mitbeteiligten Partei begründet werden. Es spreche vielmehr die Verhaltensweise der abgabenpflichtigen, mitbeteiligten Partei im Rahmen ihrer Abgabenerklärung und Abgabenentrichtung gegen eine solche Annahme. Es sei vielmehr als belegt und schlüssig anzusehen, dass im Jahre 1981 und auch in den Folgejahren "das System des Zentralismus" noch vorgeherrscht habe und ausgebaut worden sei. Die mitbeteiligte Partei habe gerade erst im Jahre 1981 in Wels ihre Landesdirektion Oberösterreich-West im Zusammenhang mit dem Erwerb eines Gebäudekomplexes eingerichtet. Es wäre daher sinnwidrig und würde jeder wirtschaftlichen Denkweise widersprechen, wenn einerseits mit erheblichem wirtschaftlichen Aufwand eine zentrale Gebietsorganisation eingerichtet werde und andererseits zur gleichen Zeit dezentrale Betriebsorganisationseinheiten forciert werden würden. Die zentrale Gebietsorganisation lege vielmehr eine zentrale Betriebsstätte für den westlichen Bereich Oberösterreichs ab der zweiten Jahreshälfte des Jahres 1981 nahe. Eine Systemänderung im Sinne einer Dezentralisierung sei erst mittelfristig danach anzusetzen. Dies werde auch dadurch bestätigt, dass durch das Finanzamt erstmals im Jahr 1987 von einer Aufwertung der Bezirksstellen (Außenstellen) gesprochen werde. Die Finanzbehörden hätten bei ihrer Entscheidung mangels anderweitiger Nachweise von einem Sachverhalt bzw. einer Tatsachenbeurteilung auszugehen gehabt, der der Abgabenerklärung (Abgabenleistung) der Abgabepflichtigen selbst entsprochen hätte. Es könne keinesfalls von ausreichenden aussagekräftigen Ermittlungen gesprochen werden, zumal weder von der mitbeteiligten Partei vollständige Verrechnungsunterlagen vorlägen noch bei deren Mitarbeitern diesbezüglich brauchbare Sach- und Rechtsmeinungen ermittelt und im Verfahren bekannt gegeben worden seien. Die Mangelhaftigkeit der Ermittlungen dokumentiere sich noch dadurch, dass etwa in einem Schreiben der mitbeteiligten Partei an die beschwerdeführende Partei vom 6. Mai 1996 als "Vergleichsvorschlag" eine Rückforderungssumme in der Höhe von S 2,710.373,-- angemeldet und diese Summe tatsächlich an andere oberösterreichische Gemeinden weiterbezahlt worden sei. Aus der Berufungsentscheidung der belangten Behörde vom 28. Juni 1996 ergebe sich jedoch eine errechnete Rückzahlung von S 3,146.902,--; dadurch würde die mitbeteiligte Partei S 436.529,-- "lukrieren".

Wie sich aus der Begründung der erstinstanzlichen Bescheide im Beschwerdefall ergibt, erfolgte die Festsetzung über Antrag des Steuerschuldners "da vom Unternehmer in unrichtiger Auslegung des Betriebsstättenbegriffes gemäß § 29 BAO iVm § 26 GewStG Lohnsummen in unrichtiger Höhe gemeldet worden" seien.

Die belangte Behörde setzte im Berufungsverfahren über die erwähnten erstinstanzlichen Bescheide dieses mit Bescheid vom 11. Jänner 1990 mit der Begründung aus, dass der Ausgang des vor dem Verwaltungsgerichtshof unter der Zl. 89/15/0081 anhängigen Verfahrens von wesentlicher Bedeutung für die Entscheidung über die Berufung sei; es sei eine umfassende Klarstellung des Betriebsstättenbegriffes zu erwarten. In der Folge kam es dann zu der bereits erwähnten Anfrage mittels Schreiben vom 5. Dezember 1995 und der Antwort der mitbeteiligten Partei vom 10. Jänner 1996.

Dass sich in der Folge die belangte Behörde auf diese Auskunft der mitbeteiligten Partei stützte, ist jedenfalls nicht unschlüssig, mag die Auskunft auch nicht detailliert erfolgt sein. Dazu kommt noch, dass in dem bereits erwähnten Informationsschreiben des Finanzamtes für Körperschaften vom 5. Oktober 1987 eine Umstrukturierung der Organisation der mitbeteiligten Partei beginnend bereits mit den 70iger Jahren erwähnt ist. Der in der Beschwerde gemachte Vorwurf der Unterlassung (weiterer) geeigneter Erhebungen geht insofern ins Leere, als die belangte Behörde dem Schreiben der mitbeteiligten Partei vom 10. Jänner 1996 entnehmen durfte, dass zweckdienliche Aufzeichnungen nicht mehr vorhanden seien. Auch führt die beschwerdeführende Partei nicht aus, welche Beweismittel, insbesondere die Einvernahme welcher Zeugen, geeignet wären, Auskunft über die hier strittigen Tatsachen zu geben. Der Hinweis auf die von der mitbeteiligten Partei für die Jahre 1981 bis 1985 offensichtlich zunächst vertretene andere Auffassung vermag nicht zu überzeugen, da die mitbeteiligte Partei - wie den erstinstanzlichen Bescheiden zu entnehmen ist - ihre Auffassung geändert hat. Dazu führt die mitbeteiligte Partei in ihrer Gegenschrift aus, sie sei in den Jahren 1981 bis 1985 zunächst davon ausgegangen, dass bei den jeweiligen Lohnsummensteuererklärungen der im Firmenbuch (vormals Handelsregister) eingetragenen Zweigniederlassungen auch die entsprechenden Außendienstmitarbeiter mit zu berücksichtigen seien. In der Folge hätten näher angeführte Gemeinden Anträge gestellt, wonach die Bezüge von diversen Außendienstmitarbeitern, welche zunächst in der Lohnsummensteuererklärung für Wels (wo die Landesdirektion Oberösterreich-West situiert gewesen sei) eingeschlossen waren, bei ihnen (zu ergänzen: infolge Vorliegens von Betriebsstätten) zu berücksichtigen seien. Der Sachverhaltsdarstellung in der Gegenschrift ist weiters zu entnehmen, dass sich die mitbeteiligte Partei dieser Rechtsansicht angeschlossen habe.

Nach dem erwähnten Schreiben der mitbeteiligten Partei vom 10. Jänner 1996 berücksichtigte die mitbeteiligte Partei bei der nunmehr vorgenommenen Zurechnung der Mitarbeiter zu den Betriebsstätten das Vorliegen der vom Verwaltungsgerichtshof in der erwähnten Rechtsprechung angeführten Faktoren. Auch daraus lässt sich im Beschwerdefall nicht ableiten, der angefochtene Bescheid könnte rechtswidrig infolge Vorliegens von Verfahrensfehlern sein.

Wenn schließlich die beschwerdeführende Partei noch darauf verweist, die mitbeteiligte Partei hätte einen geringeren Betrag als Rückerstattung verlangt, so übersieht sie, dass die mitbeteiligte Partei hiedurch nichts "gewonnen" hat, besteht doch grundsätzlich insoweit Steuerpflicht bei anderen Gemeinden. Aus welchen Gründen die mitbeteiligte Partei aber ihren "Vergleichsvorschlag" zur Beschleunigung des anhängigen Verfahrens unterbreitete, ist nicht Gegenstand dieses Verfahrens.

Aus den dargelegten Erwägungen ergibt sich, dass die beschwerdeführende Partei durch den angefochtenen Bescheid in ihren Rechten weder wegen der geltend gemachten noch wegen einer vom Verwaltungsgerichtshof aus eigenem aufzugreifenden Rechtswidrigkeit verletzt worden ist.

Die Beschwerde war infolgedessen gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.

Die Entscheidung über den Aufwandersatz beruht auf den §§ 47 ff VwGG iVm der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994. Der Antrag auf Kostenersatz der nicht durch einen Rechtsanwalt vertretenen mitbeteiligten Partei war abzuweisen (vgl. das hg. Erkenntnis vom 26. Jänner 1998, Zl. 94/17/0385).

Wien, am 18. September 2000

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2000:1996170374.X00

Im RIS seit

05.02.2001
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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