TE Vwgh Erkenntnis 2000/9/19 98/05/0171

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Veröffentlicht am 19.09.2000
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Index

L37154 Anliegerbeitrag Aufschließungsbeitrag Interessentenbeitrag
Oberösterreich;
L81704 Baulärm Umgebungslärm Oberösterreich;
L82000 Bauordnung;
L82004 Bauordnung Oberösterreich;
L82054 Baustoff Oberösterreich;
L82304 Abwasser Kanalisation Oberösterreich;
10/07 Verwaltungsgerichtshof;
40/01 Verwaltungsverfahren;

Norm

AVG §37;
AVG §42;
AVG §59 Abs1;
AVG §8;
BauO OÖ 1994 §24 Abs1 Z5;
BauO OÖ 1994 §31 Abs4;
BauO OÖ 1994 §34;
BauO OÖ 1994 §35 Abs1;
BauRallg;
BauTG OÖ 1994 §3 Z4;
VwGG §34 Abs1;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Degischer und die Hofräte Dr. Giendl, Dr. Kail, Dr. Pallitsch und Dr. Bernegger als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Thalhammer, über die Beschwerde des Mag. Kristian Hilber in Freistadt, vertreten durch Dr. Wilfried und Mag. Michael Raffaseder, Rechtsanwälte in Freistadt, Hauptplatz 7, gegen den Bescheid der Oberösterreichischen Landesregierung vom 5. August 1998, Zl. BauR-012183/1-1998/HD/Vi, betreffend Einwendungen gegen ein Bauvorhaben (Mitbeteiligte Parteien:

1.

Stadtgemeinde Freistadt, vertr. durch den Bürgermeister,

2.

Roland Jäger in Freistadt, Salzgasse 1), zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Das Land Oberösterreich hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von S 12.500,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit Ansuchen vom 21. November 1997 beantragte der zweitmitbeteiligte Bauwerber die baubehördliche Bewilligung für den "Abbruch-Neubau Haus Pfarrgasse 25, Umbau Haus Eisengasse 4", auf den Grundstücken Nr. .165 und .167 der Liegenschaften EZ 62 und 64, je KG Freistadt, laut beigeschlossener Baubeschreibung und angeschlossenen Plan vom 21. November 1997. Das Grundstück Nr. .165 grenzt im Norden an die Pfarrgasse und im Osten an das dem Beschwerdeführer zur Hälfte gehörige Grundstück Nr. .166, welches seinerseits im Norden an die Pfarrgasse und im Osten an die Eisengasse grenzt. Das Grundstück Nr. .167 schließt im Süden an das Grundstück Nr. .166 des Beschwerdeführers und grenzt im Osten an die Eisengasse sowie im Nordwesten an das Grundstück Nr. .165. Die Grundstücke Nr. .165 und .167 umschließen demnach das Grundstück Nr. .166 des Beschwerdeführers im Süden und Westen.

Die an den Beschwerdeführer und seine Ehefrau gerichtete Ladung zur mündlichen Verhandlung am 17. Februar 1998 hatte zum Gegenstand: "a) Abbruch des Gebäudes und Wiederaufbau des Gebäudes Pfarrgasse 25, b) Umbau des Gebäudes Eisengasse 4". In dieser Kundmachung wurde darauf hingewiesen, dass der Bauplan und die Baubeschreibung bis zum Verhandlungstag zur Einsichtnahme während der Amtsstunden im Gemeindeamt aufliegen.

Der mitbeteiligte Bauwerber legte in der Folge der Behörde einen geänderten Einreichplan vom 16. Februar 1998 vor, in welchen der Beschwerdeführer an diesem Tag Einsicht nahm. In einem Aktenvermerk ist hiezu festgehalten:

     "Heute Nachmittag war der Nachbar von Herrn J.(=Bauwerber),

Herr Mag. K.H. (= Beschwerdeführer) in der Bauabteilung der

Stadtgemeinde Freistadt, um Einsicht in die geänderten Pläne des Bauvorhabens J. zu nehmen. Er wurde auf die Änderungen gegenüber dem ursprünglichen Plan aufmerksam gemacht. Es handelt sich hier nur um Änderungen im Bereich des Hinterhofes, der anstatt dreigeschossig nunmehr zweigeschossig ausgeführt werden soll. Auch die Fassadengestaltung beim Haus Pfarrgasse 25 wurde verändert, und es wurde nunmehr auch eine Abzonung des Daches gegenüber dem Nachbarhaus eingeplant.

Mag. H. hält eingehend Einsicht in die Planunterlagen und verabschiedet sich, ohne dass er weitere Fragen stellte."

Bei der Bauverhandlung vom 17. Februar 1998 war der Beschwerdeführer anwesend. Es wurde dort zunächst ein "Befund" aufgenommen und ausgeführt, dass eine Bauplatzbewilligung für das gegenständliche Bauvorhaben nicht erforderlich sei. Das Vorhaben stehe nicht im Widerspruch mit den Bestimmungen des Flächenwidmungsplanes "Kerngebiet" des Bebauungsplanes Nr. 32 "Altstadt". Weiters wird in der Bauverhandlung "in baurechtlicher Hinsicht festgehalten", dass als Grundlage für die Baubewilligung eine Bauplatzbewilligung zu erteilen sein werde. Die beiden Grundparzellen seien im Rahmen dieser Bauplatzbewilligung zu einem gemeinsamen Bauplatz innerhalb einer Einlagezahl im Grundbuch zu vereinigen.

Beschrieben wurde das Projekt in der Weise, dass das bestehende Objekt Pfarrgasse 25 zur Gänze abgetragen und durch einen dreigeschossigen Neubau in herkömmlicher Massivbauweise ersetzt werde, welcher mit einer Walmdachkonstruktion abgedeckt werde. Ein Teil des neuen Baukörpers werde lediglich zweigeschossig ausgebildet und mit einem begehbaren Flachdach (Terrassendach) überdeckt.

Der Beschwerdeführer erhob in dieser Verhandlung nachstehende Einwendungen:

"Ich erhebe Einwand gegen das Satteldach, da ursprünglich eine Pultdachkonstruktion vorhanden ist und durch das Satteldach neue Nachteile in der Erhaltung der bestehenden Feuermauer entstehen. Durch die neue Feuermauer ist im Zuge der Erhaltung die Notwendigkeit des Betretens der Dachfläche meines Objektes gegeben und bedeutet dies ebenfalls einen Nachteil.

Ich erhebe Einwand gegen die geplante Terrasse im 2. OG., wegen der daraus entstehenden unzumutbaren Lärmbelästigung vor meinem Schlafzimmerfenster und der erhöhten Einbruchsgefahr.

Außerdem erhebe ich Einwand gegen die beiden Türen in der Nähe meines Schlafzimmerfensters aus Gründen der Lärmbelästigung, insbesondere Nachts und der ebenfalls bestehenden Einbruchsgefahr.

Außerdem stelle ich den Antrag auf Beweissicherung durch einen gerichtlich beeideten Sachverständigen oder einen Amtssachverständigen auf Kosten des Bauwerbers."

Mit Bescheid des Bürgermeisters der mitbeteiligten Stadtgemeinde vom 9. März 1998 wurde die beantragte Bewilligung für den Abbruch des Hauses Pfarrgasse 25 auf dem Grundstück Nr. .165, KG Freistadt, erteilt. Im Sinne des Antrages des Beschwerdeführers wurde der Bauwerber in einer Auflage verpflichtet, vor Abbruchbeginn eine Beweissicherung der angrenzenden Nachbarobjekte durch eine sachverständige Person durchführen zu lassen; seine übrigen Einwendungen wurden in diesem Bescheid nicht erwähnt.

In der dagegen erhobenen Berufung führte der Beschwerdeführer aus, ihm gegenüber könne keine Präklusion eingetreten sein, weil keine Identität zwischen dem Gegenstand der abgeführten Verhandlung und dem in der Kundmachung angeführten Gegenstand bestehe. Die Behörde habe zugelassen, dass einen Tag vor der Verhandlung noch der ursprünglich eingereichte Plan gegen einen anderen Bauplan ausgetauscht worden sei. Die Behörde habe zu Unrecht getrennte Bescheide über den Abbruch des Hauses Pfarrgasse 25 einerseits und den Neubau des Hauses Pfarrgasse 25 samt Umbau des Hauses Eisengasse 4 andererseits erlassen. Der Abbruch könne nur dann bewilligt werden, wenn sichergestellt werde, dass der Neubau dem Ziel und den Bestimmungen der "Gestaltungssatzung" entspreche und möglichst umgehend ausgeführt werde. Der vorliegende Bescheid widerspreche daher dem Bebauungsplan "Altstadt".

Mit Bescheid des Bürgermeisters der mitbeteiligten Stadtgemeinde vom 16. März 1998 wurde die beantragte Baubewilligung "für den Neubau des Hauses Pfarrgasse 25 auf Grundstück Nr. Baufläche .165 der KG Freistadt" und der "Umbau des Hauses Eisengasse 4 auf Grundstück Nr. Baufläche .167 der KG Freistadt entsprechend dem bei der mündlichen Verhandlung aufgelegenen und

als solchen gekennzeichneten Bauplan ... vom 16.2.1998" unter

Nebenbestimmungen erteilt. Die Einwendungen des Beschwerdeführers wurden als unzulässig zurückgewiesen; allerdings wurde auch hier der Bauwerber in einer Auflage verpflichtet, vor Abbruchbeginn eine Beweissicherung der angrenzenden Nachbarobjekte durch eine sachverständige Person durchführen zu lassen

In der Begründung verwies die Baubehörde bezüglich der möglichen Lärmentwicklung durch die Benützung von Türen und der Terrasse in unmittelbarer Nähe des Schlafzimmerfensters des Beschwerdeführers darauf, dass es sich hier um keinerlei Einwendungen handle, aus denen zu erkennen sei, dass den baurechtlichen Vorschriften widersprochen werde. In Ortskernen sei ein unmittelbar an der Grundstücksgrenze gelegenes Bauvorhaben möglich und könnten sich dadurch auch neue Situationen in unmittelbarer Nachbarschaft ergeben. Aus der Kerngebietswidmung ergebe sich, dass durch die Nutzung einer Terrasse die Situierung von Türen in unmittelbarer Nachbarnähe einer Liegenschaft keine unzumutbare Beeinträchtigung gegeben sein könne und das Bauvorhaben der Widmung entspreche. Die Einwendung ziele vielmehr darauf ab, dass die Lebensqualität vermindert werde, eine solche Einwendung sei aber unzulässig. Was die Form des Daches beim Haus Pfarrgasse 25 und die befürchtete Einbruchsmöglichkeit betreffe, handle es sich um privatrechtliche Einwendungen, die von der Baubehörde nicht wahrgenommen werden müssten.

Auch in der dagegen erhobenen Berufung brachte der Beschwerdeführer vor, dass ihm gegenüber Präklusion nicht eingetreten sein könne. Das Bauvorhaben stehe mit dem geltenden Bebauungsplan "Altstadt" hinsichtlich der vorgesehenen Bebauung des Hofes, der Erhöhung des Dachaufbaues des Hauses Eisengasse 4 um ein Geschoss samt Änderung der Dachform sowie der vorgesehenen Änderung der Dachform des Hauses Pfarrgasse 25 samt Erhöhung des Baukörpers nicht im Einklang. Gemäß § 6 Abs. 1 dieses Bebauungsplanes sei die Höhe der Baukörper grundsätzlich beizubehalten. Mit der Verbauung des Hofes sei eine unzulässige Untergrabung der nachbarrechtlichen Abstandsvorschriften bzw. der Bestimmungen über die Lage der Gebäude und der bebaubaren Flächen gegeben. Das vorgesehene Satteldach stehe im Widerspruch zum Bebauungsplan, da entgegen dessen § 3 Abs. 1 das äußere Erscheinungsbild des Hauses Pfarrgasse 25 sowie insbesondere der gesamten Pfarrgasse im fraglichen Bereich gravierend beeinträchtigt werde. Die geplante Änderung der Dachform widerspreche auch § 5 dieser Satzung, wonach Neubauten insbesondere auch hinsichtlich der Gebäude- und Dachform, Größe und Proportion, Konstruktionsbild und Oberflächenwirkung dem Charakter des Ensembles anzupassen seien.

Mit dem Umbau des Hauses Eisengasse 4 sei eine Erhöhung der westlichen Außenmauern um ein ganzes Geschoss (2,6 m) und damit eine vollständige Abänderung der Dachform verbunden. Diese Mauer befinde sich in unmittelbarer räumlicher Nähe zu seinem Schlafzimmer, welches sein einziges südseitiges Fenster sei. Durch die Verbauung des Hofes sowie die Aufmauerung eines weiteren Geschosses sei die Verwendbarkeit dieses Dachfensters aus Gründen der Sicherheit sowie des nicht mehr gegebenen Lichteinfalls nicht mehr bzw. nur mehr eingeschränkt möglich. Gemäß § 18 O.ö. Bautechnikgesetz dürfe der Lichteinfallswinkel bei Wohnräumen 45 Grad nicht übersteigen, es sei denn, dass die zulässige oder vorhandene Verbauung einer Nachbarliegenschaft einen größeren Lichteinfallswinkel bedinge. Durch die Führung der Garagenentlüftung über Terrassenniveau sei eine gravierende Geruchsbeeinträchtigung im Schlafzimmer bei geöffnetem Fenster gegeben. Es werde daher der Einwand der unzulässigen Geruchsbeeinträchtigung erhoben.

Schließlich rügte der Beschwerdeführer, dass keine Bauplatzbewilligung vorliege und dass ein Bauplatz nur dann aus mehreren Grundstücken bestehen könne, wenn diese in derselben Grundbuchseinlage eingetragen seien, die beiden betroffenen Grundstücke erlägen jedoch in den EZ 64 und EZ 62, KG Freistadt, sodass diese Voraussetzungen nicht gegeben seien. Die Einwendung hinsichtlich des Satteldaches anstelle des ursprünglichen Pultdaches sei nicht als privatrechtlich zu beurteilen, weil dadurch die Gebäudehöhe überschritten werde; außerdem hätte die Behörde auf einen Vergleichsversuch hinwirken und die Parteien auf den Zivilrechtsweg verweisen müssen.

Der Gemeinderat der mitbeteiligten Gemeinde gab mit den Bescheiden vom 28. April 1998 beiden Berufungen keine Folge. Zur behaupteten Lärmbelästigung durch die Terrasse verwies der Gemeinderat auf die technische Anordnung in § 13

OÖ Bautechnikgesetz; es sei unklar, in welchem Punkt das Bauvorhaben nicht dem Stand der Technik entsprechen würde und worin die etwaige Lärmbelästigung bestehen solle.

Gegen beide abweisenden Berufungsbescheide erhob der Beschwerdeführer jeweils Vorstellung. In der Vorstellung gegen den Abbruchbescheid rügte er insbesondere, dass die Baubehörden zu Unrecht getrennte Bescheide über den Abbruch des Hauses Pfarrgasse 25 einerseits und den Neubau des Hauses Pfarrgasse 25 samt Umbau des Hauses Eisengasse 4 andererseits erlassen haben.

Hinsichtlich des Berufungsbescheides betreffend den Neu- und Umbau wurde in der Vorstellung im Wesentlichen gerügt, dass kein Sachverständiger zur Beurteilung der auf der Terrasse entstehenden Lärmemissionen herangezogen worden sei. Das Projekt stehe mit dem Bebauungsplan "Altstadt" nicht im Einklang, was insbesondere die vorgesehene Bebauung des Hofes, die Erhöhung des Dachaufbaues beim Haus Eisengasse 4 um ein Geschoß samt Änderung der Dachform sowie die Änderung der Dachform des Hauses Pfarrgasse 25 samt Erhöhung des Baukörpers betreffe. Insbesondere liege eine Verletzung des § 3 der "Gestaltungssatzung" (= Bebauungsplan) vor. Durch die vorgesehenen Änderungen, nämlich Verbauung des Hofes sowie Aufmauerung eines weiteren Geschoßes, sei die Verwendbarkeit eines Dachfensters im Haus des Beschwerdeführers nicht mehr bzw. nur mehr eingeschränkt möglich, sodass der gemäß § 18 Oö BautechnikG geforderte Lichteinfallswinkel nicht mehr gegeben sei. Gerügt wurde weiters, dass keine Bauplatzbewilligung erteilt worden sei und dass die beiden Grundparzellen nicht zu einem gemeinsamen Bauplatz vereinigt worden seien.

Mit dem hier angefochtenen Bescheid wurde beiden Vorstellungen keine Folge gegeben. Die Vorstellungsbehörde räumte ein, dass das Projekt nach der Kundmachung zur Bauverhandlung geändert wurde, der Beschwerdeführer habe sich aber in die Verhandlung eingelassen, sodass nach Durchführung der Verhandlung vorgebrachte Einwendungen als präkludiert anzusehen seien. Dies betreffe die Ausführungen zur Trennbarkeit des Bescheides hinsichtlich Abbruch und Neubau, die Bebauung des Hofes, die Erhöhung des Dachaufbaues, die Ausbildung eines Entlüftungsschachtes bei der Garage sowie das Vorliegen einer Bauplatzbewilligung.

Zu den in der Bauverhandlung eingebrachten Einwendungen führte die belangte Behörde aus, dass der Bauwerber eine Mauer an der Grundgrenze als Feuermauer ausbilden und der Nachbar allfällige Instandhaltungsarbeiten gemäß § 15 Oö BauO 1994 dulden müsse. Die Nutzung eines Gebäudeteiles als Terrasse sei widmungskonform, weil die Errichtung einer Terrasse bei einem zum Teil als Wohngebäude genutzten Objekt als durchaus üblich bezeichnet werden müsse und dem Begriff der dazugehörigen Bauten und Anlagen im Sinne des § 22 Abs. 4 erster Satz ROG 1994 entspreche. Die mit einem nach widmungsrechtlichen Vorschriften zulässigen Bauvorhaben üblicherweise verbundenen Immissionen müssten von den Nachbarn hingenommen werden. Der vorliegende Sachverhalt biete keine Anhaltspunkte dafür, dass durch die Errichtung einer Terrasse erhebliche Belästigungen herbeigeführt werden könnten. Eines Gutachtens hätte es erst dann bedurft, wenn aufgrund besonderer Hinweise davon ausgegangen werden müsste, dass die von der geplanten Terrasse ausgehenden Lärmimmissionen nicht als ortsüblich angesehen werden könnten. Gleiches gelte hinsichlich der beiden Türen in der Nähe seines Schlafzimmerfensters.

In seiner dagegen erhobenen Beschwerde beantragt der Beschwerdeführer die Aufhebung des angefochtenen Bescheides wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes und wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften.

Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und erstattete, ebenso wie die mitbeteiligte Stadtgemeinde, eine Gegenschrift.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Gegenstand der Erkenntnisse des Verwaltungsgerichtshofes vom 28. März 2000, Zlen. 99/05/0097 und 0098, waren Beschwerden der Ehefrau des Beschwerdeführers gegen Vorstellungsbescheide, betreffend die beiden auch hier gegenständlichen Baubewilligungen. Der Verwaltungsgerichtshof hat auf seine frühere Judikatur verwiesen, in der schon mehrfach von einer Trennbarkeit der Abbruchsbewilligung von der Erteilung einer gleichzeitig beantragten Baubewilligung für einen Neubau eines Hauses ausgegangen wurde. Verwiesen wurde auch darauf, dass durch die Erteilung einer Abtragungsbewilligung regelmäßig die Rechte der Nachbarn nicht verletzt werden. (Allerdings ist es nicht erklärbar, wie die belangte Behörde auch in diesem Zusammenhang Präklusion annehmen konnte, da der Beschwerdeführer den Einwand, dass zwei getrennte Bescheide erlassen wurden, wohl nicht vor Bescheiderlassung erheben konnte; überhaupt kam bei dieser Verfahrensrüge Präklusion nicht in Betracht).

Weiters hat der Verwaltungsgerichtshof die Auffassung der belangten Behörde gebilligt, dass ein allfälliger Verstoß gegen § 3 der "Gestaltungssatzung" subjektiv-öffentliche Rechte des Nachbarn nicht berühre, weil es hiebei ausschließlich um Anordnungen gehe, die dem charakteristischen stadtbildnerischen Erscheinungsbild der Altstadt und ihrer Bausubstanz dienten (siehe das in § 2 Abs. 1 dieses Bebauungsplanes angeführte Ziel, Regelungen für die Erhaltung, Verbesserung und Weiterbildung des charakteristischen gestalterischen Erscheinungsbildes der Altstadt und ihrer Bausubstanz zu schaffen).

Der Verwaltungsgerichtshof hat sich im genannten Erkenntnis Zl. 99/05/0098 auch mit der hier gegebenen Projektsänderung nach der Ladung zur Verhandlung auseinander gesetzt und gelangte zum Ergebnis, dass die Rechtsfolge des § 42 Abs. 1 AVG nur eintreten könne, wenn die Identität zwischen dem Gegenstand der abgeführten Verhandlung und dem in der Kundmachung angeführten Gegenstand bestehe, wobei auch der Umstand, dass der Nachbar bei der Verhandlung anwesend war, in einem solchen Fall nicht bewirken könne, dass gegenüber einem neu vorgelegten Projekt Präklusion eintrete, weil sich die Rechtsfolge der Präklusion nur auf das Vorhaben beziehe, welches Gegenstand der Kundmachung bzw. der Verständigung von der Bauverhandlung gewesen sei. Die Frage der Präklusion dürfe nicht mit der Frage des Parteiengehörs verwechselt werden, denn es könne ausreichend Parteiengehör gewährt werden, unabhängig davon, ob Präklusionsfolgen in Betracht kommen oder nicht. Könnten durch die Änderungen des Bauvorhabens subjektive Rechte eines Nachbarn beeinträchtigt werden, bestehe für diesen Nachbarn die Möglichkeit, insoweit auch nachträglich Einwendungen zu erheben.

Daraus folgt für den vorliegenden Fall, dass die belangte Behörde hinsichtlich der Einwendungen, die der Beschwerdeführer nach der Bauverhandlung erhoben hat, keine Präklusion hätte annehmen dürfen.

Allerdings wurde im zuletzt genannten Vorerkenntnis auch ausgesprochen, dass eine Projektsänderung neue Einwendungen nicht in den Bereichen ermöglicht, in denen das bisherige Projekt überhaupt nicht geändert worden ist. Bei einer Einschränkung des Vorhabens oder bei Projektsänderungen ausschließlich im Interesse des Nachbarn oder bei solchen Änderungen des Gegenstandes, bei welchen eine Berührung subjektiv-öffentlicher Rechte des Nachbarn von vornherein ausgeschlossen ist bzw. eine Verbesserung der Nachbarstellung offenkundig eintritt, ist eine bereits früher eingetretene Präklusion weiter als gegeben anzunehmen. Auf die umfangreichen Darlegungen und Nachweise zu diesem Thema im Vorerkenntnis wird gemäß § 43 Abs. 2 VwGG verwiesen.

Der Prüfungsrahmen im nunmehrigen verwaltungsgerichtlichen Verfahren ergibt sich somit aus den anlässlich der Bauverhandlung und den später erhobenen Einwendungen, letztere jedoch nur, soweit durch die Projektsänderung ein Einfluss auf Nachbarrechte gegeben war. Dies ist insbesondere hinsichtlich des Einwandes, es sei keine Bauplatzbewilligung erteilt worden, zu verneinen: Es ist kein Grund erkennbar, der den Beschwerdeführer daran gehindert hätte, schon in der Bauverhandlung diesen Umstand geltend zu machen. Gleiches gilt hinsichtlich des Vorbringens, die Grundstücke Nr. .165 und Nr. .167 erlägen in verschiedenen Grundbuchseinlagen; dazu ist allerdings auch darauf hinzuweisen, dass mit einem im Akt erliegenden Bescheid der Baubehörde erster Instanz vom 19. Februar 1998 die Abschreibung des Grundstückes Nr. .165 mit 86 m2 von der Grundbuchseinlage EZ 64, KG Freistadt, und Zuschreibung dieses Grundstückes zu EZ 62, KG Freistadt, bewilligt wurde.

Obwohl der Beschwerdeführer selbst die Zielsetzung in § 2 der "Gestaltungssatzung" in der Beschwerde wiedergibt, verkennt er, dass aufgrund seiner Berufung wie aufgrund seiner Vorstellung die angerufene Behörde jeweils nur eine Verletzung seiner subjektiv-öffentlichen Nachbarrechte wahrnehmen durfte. Selbst gravierende Verletzungen dieses Bebauungsplanes, soweit es um die Entwicklung des charakteristischen, stadtgestalterischen Erscheinungsbildes der Altstadt und ihrer Bausubstanz ging, vermochten den Beschwerdeführer in subjektiv-öffentlichen Nachbarrechten nicht zu berühren.

Als verspätet muss auch der Einwand hinsichtlich der Überbauung eines ursprünglichen Innenhofes angesehen werden, weil insoferne die beiden Baupläne, was den Grundriss des Erdgeschoßes betrifft, keinen Unterschied erkennen lassen. In beiden Fällen ist im Erdgeschoß eine Verbauung mit einem Geschäftslokal geplant, sodass dieser Einwand schon in der Bauverhandlung hätte erhoben werden können. Es bedarf daher keiner Erörterung, ob § 6 Abs. 1 der "Gestaltungssatzung", wonach wesentliche Merkmale des Baukörpers,

wie ... Höfe, zu erhalten seien, auch Interessen des Nachbarn

schützt.

Von den schon in der Bauverhandlung erhobenen Einwendungen hält der Beschwerdeführer den Einwand aufrecht, dass von der Terrasse erhebliche Lärmbelästigungen zu erwarten seien. Diesem Einwand hielt die belangte Behörde zwar grundsätzlich richtig entgegen, dass bei der gegebenen Widmung Kerngebiet Immissionen hinzunehmen seien, die mit dem widmungskonformen Vorhaben üblicherweise verbunden seien. Allerdings zeigt der Beschwerdeführer richtig auf, dass aus dem Projekt die geplante Nutzung nicht zu entnehmen ist. Das Bauansuchen betraf einen "Abbruch-Neubau" ohne nähere Präzisierung; in der Baubeschreibung ist das Formularfeld "Verwendungszweck" nicht ausgefüllt. Während der ursprüngliche Bauplan vom 21. November 1997 noch ausdrücklich je eine Wohnnutzfläche für eine Wohnung 1 und eine Wohnung 2 ausweist, ist diese Eintragung im neuen Bauplan nicht enthalten.

Unterschiede zeigen sich bei den Grundrissen: Im ersten Obergeschoß sind zwei ursprünglich als "Büro" bezeichnte Räume nun als "Zimmer" ausgewiesen. Im zweiten Obergeschoß tritt anstelle von zwei Kinderzimmern im Gebäude Pfarrgasse 25 die Eintragung "Zimmer", beim Umbau Eisengasse tritt an Stelle eines Schlafzimmers ein "Gemeinschaftsraum" und an Stelle einer Wohnküche nunmehr ein "Dienstzimmer". Auch in der Baubewilligung ist nur vom Neubau und Umbau je eines Hauses die Rede, irgendein Hinweis, etwa dass es sich um ein Wohn- und Geschäftshaus handeln würde, ist auch diesem Bescheid nicht zu entnehmen. In diesem Zusammenhang ist auf § 29 Abs. 1 Z. 3 bzw. Abs. 3 OÖ BauO 1994 zu verweisen, wonach die Baubeschreibung gegebenenfalls Angaben über die besondere Zweckwidmung (wie Wohnungen, Büros und Geschäftsräumlichkeiten) zu enthalten hat und wonach der Bauplan alles zu enthalten hat, was für die Beurteilung des Bauvorhabens nach den Vorschriften dieses Landesgesetzes notwendig ist.

Dass die mit der geplanten Benützung üblicherweise verbundenen Immissionen hinzunehmen sind, kann nur dann gesagt werden, wenn die geplante Benützung im Projekt manifestiert ist. Gemäß § 3 Z. 4 OÖ BautechnikG müssen bauliche Anlagen in allen ihren Teilen nach dem jeweiligen Stand der Technik so geplant und errichtet werden, dass durch ihren Bestand und ihre Benützung schädliche Umwelteinwirkungen vermieden werden. Auf die Einhaltung dieser Bestimmung hat der Nachbar gemäß § 31 Abs. 4 letzter Satz OÖ BauO 1994 einen Rechtsanspruch. Eine Beurteilung der behaupteten Immissionsbeeinträchtigung ist aber nicht möglich, wenn die zukünftige Verwendung des Vorhabens nicht feststeht.

Da die belangte Behörde diesen Mangel des Bauverfahrens nicht erkannte, belastete sie ihren Bescheid mit Rechtswidrigkeit des Inhaltes. Er war daher gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG aufzuheben.

Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994.

Wien, am 19. September 2000

Schlagworte

Trennbarkeit gesonderter AbspruchMangel der Berechtigung zur Erhebung der Beschwerde mangelnde subjektive Rechtsverletzung Parteienrechte und Beschwerdelegitimation Verwaltungsverfahren Mangelnde Rechtsverletzung Beschwerdelegitimation verneint keineBESCHWERDELEGITIMATIONNachbarrecht Nachbar Anrainer Grundnachbar subjektiv-öffentliche Rechte, Schutz vor Immissionen BauRallg5/1/6Nachbarrecht Nachbar Anrainer Grundnachbar subjektiv-öffentliche Rechte, Vorschriften, die keine subjektiv-öffentliche Rechte begründen BauRallg5/1/9

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2000:1998050171.X00

Im RIS seit

02.07.2001

Zuletzt aktualisiert am

19.10.2010
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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