TE Lvwg Erkenntnis 2017/9/27 LVwG-2014/37/3183-15

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Veröffentlicht am 27.09.2017
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Entscheidungsdatum

27.09.2017

Index

L82407 Abfall Müll Sonderabfall Sondermüll Tirol;
83 Naturschutz Umweltschutz;

Norm

AWG Tir 1990 §2
AWG Tir 1990 §3
AWG 2002 §2 Abs2 Z4

Text

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Landesverwaltungsgericht Tirol erkennt durch seinen Richter Dr. Wolfgang Hirn über die als Beschwerde zu qualifizierende Berufung der AA GmbH (vormals: BB GmbH), vertreten durch deren Geschäftsführer Mag. CC, dieser vertreten durch Ing. Dr. DD, Rechtsanwalt in Z, gegen Spruchpunkt I. des Bescheides der Bürgermeisterin der Stadt Z vom 12.06.2012, Zl ****, betreffend Feststellung der Abfalleigenschaft nach dem TAWG [belangte Behörde: Bürgermeisterin der Stadt Z],

zu Recht:

1.       Gemäß § 28 Abs 1 Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetz (VwGVG) wird der Beschwerde Folge gegeben und Spruchpunkt I. des Bescheides der Bürgermeisterin der Stadt Z vom 12.06.2012, Zl ****, dahingehend abgeändert, dass er wie folgt zu lauten hat:

„Der in den Patientenbereichen des Krankenhaus Z (Bettenstationen, Operationssäle, Schockräume, Intensivstationen, Unfallambulanzen, allgemeine Ambulanzen, Notfallaufnahme, Kreissäle, Anästhesie, Pathologie, Nuklearmedizin, Physiotherapie, Ultraschall, Röntgen, Dialyse, Labore, Sterilisation, Herzkatheder) gemeinsam gesammelte Abfall, bestehend aus nicht gefährlichen medizinischen Abfällen und nicht gefährlichen Restabfällen ohne die Fraktionen Sperrmüll und den sonstigen getrennt zu sammelnden Siedlungsabfällen, wie Altpapier, Verpackungen etc, ist den sonstigen Abfällen gemäß § 2 Abs 4 Tiroler Abfallwirtschaftsgesetz (TAWG), LGBl Nr 3/2008 idF LGBl Nr 28/2011, zuzuordnen.“

2.       Gegen dieses Erkenntnis ist gemäß § 25a Abs 1 Verwaltungsgerichtshofgesetz 1985 (VwGG) eine ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art 133 Abs 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) unzulässig.

R e c h t s m i t t e l b e l e h r u n g

Gegen diese Entscheidung kann binnen sechs Wochen ab der Zustellung Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof, Freyung 8, 1010 Wien, oder außerordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof erhoben werden. Die Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof ist direkt bei diesem, die außerordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof ist beim Landesverwaltungsgericht Tirol einzubringen.

Die genannten Rechtsmittel sind von einem bevollmächtigten Rechtsanwalt bzw einer bevollmächtigten Rechtsanwältin abzufassen und einzubringen, und es ist eine Eingabegebühr von Euro 240,00 zu entrichten.

Sie haben die Möglichkeit, auf die Revision beim Verwaltungsgerichtshof und die Beschwerde beim Verfassungsgerichtshof zu verzichten. Ein solcher Verzicht hat zur Folge, dass eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof und eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof nicht mehr erhoben werden kann.

E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e

I.       Verfahrenslauf:

Mit Schriftsatz vom 04.10.2011 hatte die BB GmbH (nunmehr: AA GmbH), vertreten durch Ing. Dr. DD, Rechtsanwalt in Z, die Entsorgung der in den sogenannten „patientennahen Bereichen“ anfallenden Abfälle dargestellt. Ausgehend davon hat die rechtfreundlich vertretene Beschwerdeführerin unter Hinweis auf § 3 Abs 1 Tiroler Abfallwirtschaftsgesetz (TAWG) in der Fassung (idF) LGBl Nr 28/2011 beantragt, festzustellen, welcher der in § 2 Abs 1 bis 5 TAWG genannten Abfallarten der beschriebene, gemeinsam gesammelte Abfall zuzuordnen sei.

Mit Spruchpunkt I. des Bescheides vom 12.06.2012, Zl ****, hat die Bürgermeisterin der Stadt Z als Abfallbehörde I. Instanz über den Feststellungsantrag der Beschwerdeführerin vom 04.10.2011 wie folgt entschieden:

„I.

Es wird festgestellt, dass es sich bei den im Krankenhaus Z in den patientennahen Bereichen (Bettenstationen, OP-Säle, Schockräume, Intensivstationen, Unfallambulanzen, Allgemeine Ambulanzen, Notfallaufnahme, Kreissäle, Anästhesie, Pathologie, Nuklearmedizin, Physiotherapie, Ultraschall, Röntgen, Dialyse, Labore, Sterilisation, Herzkatheder), anfallenden Abfällen um verschiedene Abfälle handelt.

Demnach sind die

?    medizinischen Abfälle, und zwar die Abfälle ohne Verletzungsgefahr, SN ****, und die Abfälle mit Verletzungsgefahr, SN ****, den ,sonstigen Abfällen‘ gem. § 2 Abs 4 Tiroler Abfallwirtschaftsgesetz zuzuordnen

und

?    jene Abfälle, die nach der Trennung von den getrennt zu sammelnden Abfällen verbleiben, dem Restmüll, (gemischten Siedlungsabfall) gem. § 2 Abs. 3 Tiroler Abfallwirtschaftsgesetz zuzuordnen…“

In Spruchpunkt II. des Bescheides vom 12.06.2012, Zl ****, hat die belangte Behörde die Höhe der von der Beschwerdeführerin zu entrichtenden Verwaltungsabgabe und Gebühr bestimmt.

Die gegen den Bescheid der Bürgermeisterin der Stadt Z vom 12.06.2012, Zl ****, erhobene Berufung der rechtsfreundlich vertretenen BB GmbH hat die Tiroler Landesregierung als damals zuständige Rechtsmittelbehörde mit Berufungserkenntnis vom 07.08.2012, Zl ****, als unbegründet abgewiesen.

Mit seinem Erkenntnis vom 23.10.2014, Zl 2012/07/0226-5, hat der Verwaltungsgerichtshof den von der BB GmbH angefochtenen Bescheid der Tiroler Landesregierung vom 07.08.2012, Zl ****, wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes aufgehoben.

Das Landesverwaltungsgericht Tirol hatte das Verfahren über die als Beschwerde zu qualifizierende Berufung der BB GmbH gegen den Bescheid der Bürgermeisterin der Stadt Z vom 12.06.2012, Zl ****, fortzuführen. Im Rahmen des fortgesetzten Verfahrens hat das Landesverwaltungsgericht Tirol am 17.03.2015 eine öffentliche mündliche Verhandlung durchgeführt.

Mit Erkenntnis vom 09.04.2015, Zl LVwG-****-7, hat das Landesverwaltungs-gericht Tirol die Beschwerde der rechtsfreundlich vertretenen BB GmbH mit der Maßgabe als unbegründet abgewiesen, dass Spruchpunkt I. des Bescheides der Bürgermeisterin der Stadt Z vom 12.06.2012, Zl ****, wie folgt zu lauten hat:

„Der Antrag der BB GmbH, vertreten durch Ing. Dr. DD, Rechtsanwalt in Z, vom 04.10.2011, gemäß § 3 Abs 1 Tiroler Abfallwirtschaftsgesetz (TAWG), LGBl Nr 3/2008 idF LGBl Nr 28/2011, festzustellen, welcher der im § 2 Abs 1 bis 5 TAWG genannten Abfallarten der in den patientennahen Bereichen des Landeskrankenhauses Z (Bettenstationen, Operationssäle, Schockräume, Intensivstationen, Unfallambulanzen, Allgemeine Ambulanzen, Notfallaufnahme, Kreissäle, Anästhesie, Pathologie, Nuklearmedizin, Physiotherapie, Ultraschall, Röntgen, Dialyse, Labore, Sterilisation, Herzkatheder) gemeinsam gesammelte Abfall, bestehend aus nicht gefährlichen medizinischen Abfällen und nicht gefährlichen Restabfällen ohne die Fraktionen Sperrmüll und den sonstigen getrennt zu sammelnden Siedlungsabfällen, wie Altpapier, Verpackungen etc, zuzuordnen ist, wird als unzulässig zurückgewiesen.“

Diese Entscheidung hat der Verwaltungsgerichtshof mit Erkenntnis vom 27.07.2017, Zl Ro 2015/07/0024-4, wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes aufgehoben. Das Höchstgericht hat im Wesentlichen ausgeführt, dass das gegenständliche Feststellungsverfahren nach § 3 TAWG durch den von der BB GmbH mit Schriftsatz vom 04.10.2011 gestellten Feststellungsantrag begrenzt sei. Das Landesverwaltungsgericht hätte den in diesem Antrag beschriebenen, gemeinsam gesammelten Abfall einer Beurteilung anhand der Abfallarten des § 2 Abs 1 bis 5 TAWG unterziehen müssen.

Über Ersuchen des Landesverwaltungsgerichtes Tirol hat die rechtsfreundlich vertretene AA GmbH als Rechtsnachfolgerin der BB GmbH mit Schriftsatz vom 04.09.2017 ein ergänzendes Vorbringen erstatten. Die belangte Behörde hat mit Schriftsatz vom 12.09.2017, Zl ****, mitgeteilt, eine weitere mündliche Verhandlung nicht für erforderlich zu halten. Ein Vorbringen hat sie nicht erstattet und auf die Ausführungen im angefochtenen Bescheid verwiesen.

II.      Vorbringen:

Die rechtsfreundlich vertretene Beschwerdeführerin hat sich zur gegenständlichen Angelegenheit nochmals im Schriftsatz vom 04.09.2017 geäußert. Deren wesentliche Aussagen lassen sich wie folgt zusammenfassen:

Entsprechend dem Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 27.07.2017, Zl Ro 2015/07/0024-4, hätte der im Antrag vom 04.10.2011 beschriebene, gemeinsam gesammelte Abfall einer Beurteilung anhand der Abfallarten des § 2 Abs 1 bis 5 TAWG unterzogen werden müssen. Unerheblich sei, in welcher Weise sie [= die Beschwerde-führerin] mit den im Krankenhaus anfallenden Abfällen verfahre bzw wie sie diese anfallenden Abfälle sammeln würde. Die Beschwerdeführerin verweist in diesem Zusammenhang auf Kapitel I./2. der Anlage 1 der Abfallverzeichnisverordnung (AbfallverzVO), wonach die Zuordnung eines Abfalls zu jener Abfallart zu erfolgen habe, die den Abfall in seiner Gesamtheit am besten beschreibe. Dabei seien die Herkunft sowie sämtliche stoffliche Eigenschaften des Abfalls einschließlich möglicher gefahrenrelevanter Eigenschaften zu berücksichtigen. Es müsse die konkretest mögliche Abfallbezeichnung einschließlich einer allfälligen Spezifizierung gemäß § 3 Z 3 lit b und c der AbfallverzVO verwendet werden, die einer Abfallart gemäß Anlage 2 der AbfallverzVO entspreche.

III.    Sachverhalt:

In dem von der Beschwerdeführerin betriebenen Krankenhaus Z sind die Verwaltungsbereiche und patientennahen Bereiche zu unterscheiden. Zu den patientennahen Bereichen zählen Operationsräume, Ordinationen, Ambulanzen etc, also jene Bereiche, bei denen medizinische Eingriffe an Menschen vorgenommen werden.

Die in den patientennahen Bereichen, aber auch im Verwaltungsbereich anfallenden Werkstoffe, wie Altpapier, Altkartonagen, Altglas etc, werden getrennt gesammelt und einer Verwertung zugeführt. Ebenso wird Sperrmüll getrennt gesammelt und ordnungsgemäß entsorgt.

Für die Sammlung gefährlich kontaminierter Abfälle besteht ein eigenes Entsorgungssystem. Solche Abfälle werden nur über elektronische Anforderung von dafür ausgebildeten Personen übernommen und einer entsprechenden Entsorgung zugeführt.

Die Beschwerdeführerin hat zudem in den „patientennahen Bereichen“ nicht gefährliche medizinische Abfälle und nicht gefährliche Restabfälle getrennt gesammelt. Nun nimmt die Beschwerdeführerin Abstand von dieser Trennung und sammelt in den patientennahen Bereichen nicht gefährliche medizinische Abfälle und nicht gefährlichen Restabfall gemeinsam. Die verletzungsgefährdenden medizinischen Abfälle werden dabei in stichfesten, geschlossenen Behältern gesammelt. Der Anteil der medizinischen Abfälle liegt bei rund 60 %.

IV.      Beweiswürdigung:

Das Landesverwaltungsgericht Tirol übernimmt die unbestritten gebliebenen Feststellungen der Sachverhaltsdarstellung des Erkenntnisses vom 09.04.2015, Zl LVwG-****-7. Diese Feststellungen werden um die in Kapitel 1. „Sachverhalt“ der Revision der Beschwerdeführerin vom 27.05.2015 getroffenen Angaben ergänzt. Die Angabe zum Massenanteil des in den patientennahen Bereichen anfallenden Abfallgemischs stützt das Landesverwaltungsgericht Tirol auf den von der EE Ges.m.b.H. erstellten abfalltechnischen Befund vom 21.09.2011 (Beilage des Feststellungsantrages vom 04.10.2011).

V.       Rechtslage:

1.       Abfallwirtschaftsgesetz:

Die entscheidungswesentliche Bestimmung des § 2 des Abfallwirtschaftsgesetzes 2002 (AWG 2002), BGBl I Nr 102/2002 idF BGBl 103/2003, lautet samt Überschrift auszugsweise wie folgt:

„Begriffsbestimmungen

§ 2. […]

(4) Im Sinne dieses Bundesgesetzes sind

1.   …

2.   ‚Siedlungsabfälle‘ Abfälle aus privaten Haushalten und andere Abfälle, die aufgrund ihrer Beschaffenheit oder Zusammensetzung den Abfällen aus privaten Haushalten ähnlich sind; bei der Zuordnung ist das Europäische Abfallverzeichnis im Sinne des Art. 7 der Richtlinie 2008/98/EG über Abfälle, ABl. Nr. L 312 vom 22.11.2008 S 3 berichtigt durch ABl. Nr. L 127 vom 26.05.2009 S 24, zu berücksichtigen. Gemischte Siedlungsabfälle im Sinne des Europäischen Abfallverzeichnisses gelten auch dann weiterhin als gemischte Siedlungsabfälle, wenn sie einem Behandlungsverfahren unterzogen worden sind, das ihre Eigenschaften nicht wesentlich verändert hat.

[…]“

2.       Abfallverzeichnisverordnung:

Die entscheidungswesentlichen Bestimmungen der Abfallverzeichnisverordnung (AbfallverzVO), BGBl II Nr 570/2003 idF BGBl II Nr 498/2008, lauten samt Überschriften auszugsweise wie folgt:

„Abfallverzeichnis

§ 1. (1) Das Abfallverzeichnis umfasst die Abfallarten, die in Punkt 5 Tabelle 1 der ÖNORM S 2100 ‚Abfallverzeichnis‘, ausgegeben am 1. Oktober 2005, aufgelistet sind, mit den in Abschnitt III. der Anlage 5 angeführten Änderungen. Der Bundesminister für Land- und Forstwirtschaft, Umwelt und Wasserwirtschaft hat das Abfallverzeichnis am EDM-Portal, edm.gv.at., zu veröffentlichen.

(2) Die Zuordnung eines Abfalls zu einer Abfallart hat gemäß den Vorgaben der Anlage 5 zu erfolgen. Dabei sind die gefahrenrelevanten Eigenschaften gemäß Anlage 3 zu berücksichtigen. Sofern für die Zuordnung zu einer Abfallart Untersuchungen erforderlich sind, haben diese gemäß Anlage 4 zu erfolgen. Ist für die Zuordnung eines Abfallstroms eine Untersuchung erforderlich, so ist die Ausarbeitung des Probenahmeplans, Durchführung der Probenahme und die Untersuchung durch eine befugte Fachperson oder Fachanstalt vorzunehmen. Die für die Zuordnung notwendigen Beurteilungsunterlagen sind Teil der Aufzeichnungen betreffend die Abfallart.

(3) …

(4) Sofern nicht in den Verordnungen zum AWG 2002 anderes bestimmt ist, hat die Abfallart durch Angabe der Schlüssel-Nummer und der Bezeichnung, erforderlichenfalls einschließlich einer Spezifizierung, zu erfolgen.

(5) …“

„Anlage 5 – Abfallverzeichnis

Es gilt Punkt 5 Tabelle 1 der ÖNORM S 2100 ‚Abfallverzeichnis‘, ausgegeben am 1. Oktober 2005, erhältlich beim Österreichischen Normungsinstitut, Heinestraße 38, 1020 Wien, mit folgende Zuordnungskriterien und Änderungen:

I.   Allgemeine Zuordnungskriterien:

1.   Zuordnung:

Die Zuordnung eines Abfalls hat zu jener Abfallart zu erfolgen, die den Abfall in seiner Gesamtheit am besten beschreibt. Hierbei sind die Herkunft sowie sämtliche stoffliche Eigenschaften des Abfalls einschließlich möglich gefahrenrelevanter Eigenschaften zu berücksichtigen. Es muss die konkretest mögliche Abfallbezeichnung einschließlich einer allfälligen Spezifizierung verwendet werden.

[…]“

3.       Tiroler Abfallwirtschaftsgesetz:

Die entscheidungswesentlichen Bestimmungen des Tiroler Abfallwirtschaftsgesetzes (TAWG), LGBl Nr 3/2008 idF LGBl Nr 28/2011, lauten auszugsweise samt Überschriften wie folgt:

„Begriffsbestimmungen

§ 2. (1) Sperrmüll ist jener Siedlungsabfall, der wegen seiner Größe oder Form nicht in die für die Sammlung des Siedlungsabfalls auf den einzelnen Grundstücken bestimmten Müllbehälter eingebracht werden kann.

(2) Getrennt zu sammelnde Siedlungsabfälle sind jene Siedlungsabfälle, die nach bundesrechtlichen Bestimmungen oder einer Verordnung der Landesregierung getrennt vom restlichen Siedlungsabfall zu sammeln sind.

(3) Restmüll (gemischter Siedlungsabfall) ist jener Siedlungsabfall, der nach der Trennung von den getrennt zu sammelnden Siedlungsabfällen und dem Sperrmüll verbleibt. Gemischte Siedlungsabfälle im Sinn des Europäischen Abfallverzeichnisses gelten auch dann weiterhin als gemischte Siedlungsabfälle, wenn sie einem Behandlungsverfahren unterzogen worden sind, das ihre Eigenschaften nicht wesentlich verändert hat.

(4) Sonstige Abfälle sind alle diesem Gesetz unterliegenden Abfälle mit Ausnahme der Siedlungsabfälle wie betriebliche Produktionsabfälle, Abfälle aus dem Bauwesen, Sandfanginhalte, Rückstände aus der Kanalreinigung, Straßenkehricht oder Altreifen.

(5) Biologisch verwertbare Abfälle sind Garten- und Parkabfälle, Nahrungs- und Küchenabfälle aus Haushalten, aus dem Gaststätten- und Cateringgewerbe und aus dem Handel sowie vergleichbare Abfälle aus Nahrungs-, Genuss- und Futtermittel-verarbeitungsbetrieben, aus der Land- und Forstwirtschaft und aus der Straßenerhaltung.

[…]“

„Feststellungsverfahren

§ 3. (1) Bei Streitigkeiten darüber, welcher der im § 2 Abs. 1 bis 5 genannten Abfallarten ein Abfall zuzuordnen ist, hat die Bezirksverwaltungsbehörde dies auf Antrag des Abfallbesitzers oder der Gemeinde oder von Amts wegen mit schriftlichen Bescheid festzustellen.

[…]“

[Die entscheidungsrelevanten Bestimmungen des TAWG haben seit dem In-Kraft-Treten der Novelle LGBl Nr 28/2011 am 13.04.2011 keine Änderungen erfahren haben.]

4.       Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetz:

Die für das gegenständliche Verfahren entscheidungswesentlichen Bestimmungen des Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetz (VwGVG), BGBl I Nr 33/2013 idF BGBl I Nr 24/2017, lauten samt Überschriften auszugsweise wie folgt:

„Verhandlung

§ 24. (1) Das Verwaltungsgericht hat auf Antrag oder, wenn es dies für erforderlich hält, von Amts wegen eine öffentliche mündliche Verhandlung durchzuführen.

[…]

(4) Soweit durch Bundes- oder Landesgesetz nicht anderes bestimmt ist, kann das Verwaltungsgericht ungeachtet eines Parteiantrags von einer Verhandlung absehen, wenn die Akten erkennen lassen, dass die mündliche Erörterung eine weitere Klärung der Rechtssache nicht erwarten lässt, und einem Entfall der Verhandlung weder Art. 6 Abs. 1 der Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten noch Art. 47 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union entgegenstehen.

[…]“

„Erkenntnisse

§ 28. (1) Sofern die Beschwerde nicht zurückzuweisen oder das Verfahren einzustellen ist, hat das Verwaltungsgericht die Rechtssache durch Erkenntnis zu erledigen.

[…]“

VI.      Erwägungen:

1.       Zur Zuständigkeit des Landesverwaltungsgerichtes Tirol:

Nach der Generalklausel des Art 131 Abs 1 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG), BGBl Nr 1/1930 idF BGBl I Nr 102/2014, ist das Landesverwaltungsgericht Tirol zuständig zur Entscheidung über die als Beschwerde zu qualifizierende Berufung gegen den Bescheid der Bürgermeisterin der Stadt Z als Abfallbehörde vom 12.06.2012, Zl ****.

2.       Zur Rechtzeitigkeit der Berufung/der Beschwerde:

Der Bescheid der Bürgermeisterin der Stadt Z als Abfallbehörde vom 12.06.2012, Zl ****, wurde der Beschwerdeführerin zuhanden ihres Rechtsvertreters am 04.07.2012 zugestellt. Deren als Beschwerde zu qualifizierende Berufung ist am 18.07.2012 bei der belangten Behörde eingelangt. Die Berufung wurde somit innerhalb der (zum damaligen Zeitpunkt geltenden) zweiwöchigen Rechtsmittelfrist und somit fristgerecht erhoben.

5.       Zum Prüfungsumfang:

Gemäß § 27 VwGVG hat das Verwaltungsgericht den angefochtenen Bescheid aufgrund der Beschwerde (§ 9 Abs 1 Z 3 und 4 VwGVG) zu überprüfen.

Gemäß § 9 Abs 1 Z 3 und 4 VwGVG hat die Beschwerde die Gründe, auf die sich die Behauptung der Rechtswidrigkeit stützt, und das Begehren zu enthalten.

Die als Beschwerde zu qualifizierende Berufung richtet sich zwar gegen den Bescheid vom 12.06.2012, Zl ****, in seinem Umfang, allerdings beantragt die Beschwerdeführerin ausdrücklich die Feststellung, „dass es sich bei dem im Landekrankenhaus Z in den patientennahen Bereichen anfallenden Abfall um ‚sonstigen Abfall‘ gemäß § 2 Abs 4-TAWG handelt“. Die begehrte Abänderung betrifft somit ausschließlich Spruchpunkt I. des Bescheides vom 12.06.2012, Zl ****, die Beschwerdeführerin setzt in ihrem Vorbringen auch nur mit diesem Spruchpunkt auseinander. Gegenstand des Beschwerdeverfahrens ist daher Spruchpunkt I. des Bescheides vom 12.06.2012, Zl ****.

4.       In der Sache:

4.1.    Einleitung:

Der Verwaltungsgerichtshof hat in seiner Entscheidung vom 27.07.2017, Zl Ro 2015/07/0024-4 (vgl Rz 18), klar zum Ausdruck gebracht, dass das gegenständliche Feststellungsverfahren nach § 3 TAWG durch den von der Beschwerdeführerin mit Schriftsatz vom 04.10.2011 gestellten Feststellungsantrag begrenzt ist. Das Landesverwaltungsgericht hat den in diesem Antrag beschriebenen, gemeinsam gesammelten Abfall einer Beurteilung anhand der Abfallarten des § 2 Abs 1 bis 5 TAWG zu unterziehen. Diesbezüglich entfaltet das eben zitierte Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes gemäß § 63 Abs 1 VwGG eine Bildungswirkung gegenüber dem Landesverwaltungsgericht Tirol. Die Frage der Entstehung/Sammlung des zu beurteilenden Abfallgemisches ist daher nicht näher zu erörtern.

4.2.    Zur Zuordnung des Abfallgemisches:

Das Abfallgemisch besteht zu 60 % und somit beinahe zu zwei Dritteln aus medizinischen Abfällen, die den nachfolgenden Abfallarten des Abfallverzeichnisses idF der AbfallverzeichnisVO und der RecyclingholzV, BGBl II Nr 160/2012, zuzuordnen sind:

Schlüssel-Nr (SN) ****:

Abfälle, die nur innerhalb des medizinischen Bereiches eine Infektions- oder Verletzungsgefahr darstellen können, gemäß Ö-Norm S2104.

Schlüssel-Nr (SN) ****:

Kanülen und sonstige verletzungsgefährdende spitze oder scharfe Gegenstände, wie Lanzetten, Skalpelle und dergleichen, gemäß Ö-Norm S2104

Der Anteil der Abfälle mit der SN **** ist aber nur gering.

4.3.     Zur Feststellung gemäß § 2 Abs 1 bis 5 TAWG:

Gegenstand eines Feststellungsverfahrens auf der Grundlage des TAWG ist die Zuordnung eines Abfalls zu den nachfolgenden Abfallarten:

?    Sperrmüll (§ 2 Abs 1 TAWG)

?    getrennt zu sammelnde Siedlungsabfälle (§ 2 Abs 2 TAWG)

?    Restmüll (gemischter Sieglungsabfall) [§ 2 Abs 3 TAWG]

?    sonstige Abfälle (§ 2 Abs 4 TAWG)

?    biologisch verwertbare Abfälle (§ 2 Abs 5 TAWG).

Die Zuordnung eines Abfalls zu den Abfallarten gemäß § 2 Abs 1, 2 und 3 TAWG setzt das Vorliegen von Siedlungsabfall/Siedlungsabfällen voraus. Unter Siedlungsabfällen versteht § 2 Abs 4 Z 2 AWG 2002 Abfälle aus privaten Haushalten und andere Abfälle, die aufgrund ihrer Beschaffenheit oder Zusammensetzung den Abfällen aus privaten Haushalten ähnlich sind.

Den SN **** und **** des Abfallverzeichnisses zuzuordnende Abfälle, also medizinische Abfälle, sind keine Abfälle aus privaten Haushalten. Darüber hinaus sind sie aufgrund ihrer Beschaffenheit oder Zusammensetzung auch nicht vergleichbar mit Abfällen aus privaten Haushalten. Derartige Abfälle sind daher den sonstigen Abfällen im Sinne des (iSd) § 2 Abs 4 TAWG zuzuordnen.

Das den Gegenstand des von der rechtsfreundlich vertretenen Beschwerdeführerin eingebrachten Feststellungsantrages bildende Abfallgemisch ist daher den sonstigen Abfällen iSd § 2 Abs 4 TAWG zuzuordnen. Die Feststellung der belangten Behörde, dass im vorliegenden Fall zwei getrennte Abfallfraktionen vorlägen, die auch getrennt der Abfallart nach § 2 Abs 3 und Abs 4 TAWG zuzuordnen seien, ist daher rechtswidrig.

VII.    Ergebnis:

Entsprechend dem Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 27.07.2017, Zl Ro 2015/07/0020, war im gegenständlichen Verfahren die Zuordnung des im Antrag der rechtsfreundlich vertretenen Beschwerdeführerin vom 04.10.2011 beschriebenen, gemeinsam gesammelten Abfalls (Abfallgemisch) zu beurteilen.

Aufgrund des unstrittigen Sachverhaltes ist der gemeinsam gesammelte Abfall als nicht gefährlicher medizinischer Abfall und davon ausgehend als „sonstiger Abfall“ iSd § 2 Abs 4 TAWG zu qualifizieren.

Der Beschwerde der rechtsfreundlich vertretenen AA GmbH als Rechts-nachfolgerin der BB GmbH ist daher Folge zu geben und Spruchpunkt I. des Bescheides der Bürgermeisterin der Stadt Z vom 12.06.2012, Zl ****, abzuändern (vgl Spruchpunkt 1. des gegenständlichen Erkenntnisses).

Gemäß § 24 Abs 4 VwGVG kann ein Verwaltungsgericht ungeachtet eines Parteiantrages von einer Verhandlung absehen, wenn die Akten erkennen lassen, dass die mündliche Erörterung eine weitere Klärung der Rechtssache nicht erwarten lässt und einem Entfall der Verhandlung weder Art 6 Abs 1 der Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten (EMRK) noch Art 47 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union (GRC) entgegenstehen.

Eine mündliche Verhandlung kann daher entfallen, wenn das Verfahren ausschließlich rechtliche oder „hoch-technische“ Fragen betrifft, keine Fragen der Beweiswürdigung auftreten oder die Tatsachenfeststellungen nicht bestritten sind (vgl VwGH 18.11.2013, Zl 2013/05/0022, und VwGH 20.02.2015, Zl 2012/06/0207-9, zu der mit § 24 Abs 4 VwGVG vergleichbaren Bestimmung des § 39 Abs 2 Z 6 VwGG).

Diese Voraussetzungen liegen im gegenständlichen Beschwerdefall vor. Der entscheidungs-relevante Sachverhalt ist geklärt und unstrittig. Bei der rechtlichen Würdigung hatte sich das Landesverwaltungsgericht Tirol aufgrund der Bindungswirkung des Erkenntnisses des Verwaltungsgerichtshofes vom 27.07.2017, Zl Ro 2015/07/0024-4, ausschließlich mit der Frage auseinanderzusetzen, welcher Abfallart gemäß § 2 Abs 1 bis 5 TAWG der im Antrag der rechtsfreundlich vertreten Beschwerdeführerin vom 04.10.2011 beschriebene, gemeinsam gesammelte Abfall zuzuordnen ist. Zu dieser Rechtsfrage ist eine weitere Klärung im Rahmen einer (zusätzlichen) mündlichen Verhandlung nicht zu erwarten.

VIII.   Unzulässigkeit der ordentlichen Revision:

Gemäß § 25a Abs 1 VwGG, BGBl Nr 10/1985 idF BGBl I Nr 24/2017, hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art 133 Abs 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.

Gemäß Art 133 Abs 4 B-VG ist die Revision gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere wenn das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungs-gerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

Zunächst ist darauf hinzuweisen, dass das Landesverwaltungsgericht Tirol gemäß § 63 Abs 1 VwGG an die Rechtsanschauung des Verwaltungsgerichtshofes in dessen Erkenntnis vom 27.07.2017, Zl Ro 2015/07/0024-4, gebunden war. Ausgehend von dieser höchst-gerichtlichen Entscheidung war ausschließlich die Frage zu klären, welcher Abfallart gemäß § 2 Abs 1 bis 5 TAWG der im Antrag der rechtsfreundlich vertretenen Beschwerdeführerin vom 04.10.2011 beschriebene, gemeinsam gesammelte Abfall, zuzuordnen ist.

Bei der Klärung dieser Rechtsfrage konnte sich das Landesverwaltungsgericht Tirol auf die eindeutige Gesetzeslage stützen. Dementsprechend hatte das Landesverwaltungsgericht Tirol keine Rechtsfragen grundsätzlicher Bedeutung zu klären. Die ordentliche Revision wird daher für unzulässig erklärt (vgl Spruchpunkt 2. des gegenständlichen Erkenntnisses).

Landesverwaltungsgericht Tirol

Dr. Wolfgang Hirn

(Richter)

Schlagworte

Feststellung der Abfallart; Feststellungsverfahren nach § 3 TAWG; Abfallart;

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:LVWGTI:2017:LVwG.2014.37.3183.15

Zuletzt aktualisiert am

24.10.2017
Quelle: Landesverwaltungsgericht Tirol LVwg Tirol, https://www.lvwg-tirol.gv.at
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